Platon
Plato's Staat
Platon

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9. Und den trefflichen ja unter den jungen Männern müssen wir im Kriege oder auch anderwärts Ehren und Kampfpreise zutheilen, insbesondere aber auch eine reichlichere Befugniß zum Beischlafe mit den Frauen, damit zugleich auch in Verbindung mit einem täuschenden Vorwande die größtmögliche Anzahl von Kindern eben durch die Derartigen in die Welt gesetzt werde. – Ja, richtig ist dieß. – Nicht wahr also, auch die je entstehenden Sprößlinge wird die hiezu aufgestellte Behörde in Empfang nehmen, sei es, daß sie aus Männern, oder aus Frauen, oder aus beiden bestehe, denn gemeinschaftlich ja den Frauen und den Männern sind uns wohl die Behörden? – Ja. – Also die Sprößlinge der Guten, meine ich, werden sie nehmen und in die Krippen-Anstalt zu irgend Kinder-Wärterinnen bringen, welche abgesondert in einem Theile des Staates wohnen, die Sprößlinge der Schlechteren aber, und auch wenn von den Uebrigen ein verkrüppeltes Kind geboren wird, werden sie, wie sich's geziemt, an einem geheimen und Niemanden bekannten Orte verbergen. – Allerdings, sagte er, woferne das Geschlecht der Wächter rein erhalten werden soll. – Nicht wahr also, auch für Nahrung werden sie sorgen, indem sie die Mütter, wann dieselben von Milch strotzen, zur Krippen-Anstalt führen, wobei sie aber alle Vorsichtsmaßregeln ergreifen, damit keine ihr eigenes Kind erkenne, und indem sie andere Frauen, welche Milch haben, herbeischaffen, falls jene nicht ausreichen sollten; und auch dafür werden sie sorgen, daß die Kinder nur eine mäßige Zeit hindurch gesäugt werden, alle Schlaflosigkeit aber und die übrige Plage werden sie auf die Ammen und Kinder-Wärterinnen hinüber wälzen. – Eine große Erleichterung des Kinderbringens, sagte er, gibst du hiemit für die Frauen der Wächter an. – Ja, es geziemt sich aber auch, erwiderte ich; aber wir wollen nun auch das zunächst Folgende, was wir wünschen, durchgehen. Nemlich wir behaupteten ja, daß die Sprößlinge aus Menschen in dem schönsten Alter hervorgehen sollen. – Ja, dieß ist wahr. – Scheint nun nicht auch dir die mittlere Zeitdauer des schönsten Alters beim Weibe zwanzig und beim Manne dreißig Jahre zu betragen? – Wie rechnest du da? sagte er. – Daß die Frau, erwiederte ich, von ihrem zwanzigsten Jahre angefangen bis zu ihrem vierzigsten für den Staat Kinder gebäre, der Mann aber, sobald die heftigste Periode des Ungestümes vorüber ist, von da an bis zum fünfundfünfzigsten Jahre für den Staat Kinder erzeuge. – Ja, allerdings, sagte er, ist für beide dieß das schönste Alter, sowohl körperlich, als auch geistig. – Nicht wahr also, mag ein Aelterer oder mag ein Jüngerer als diese sich an der gemeinsamen Zeugung betätigen, so werden wir dieses Vergehen als ein gegen göttliches und menschliches Recht verstoßendes bezeichnen, da er dem Staate ein Kind in die Welt setzt, welches, wann es unbemerkt bleibt, nicht unter jenen Opfern und Gebeten zur Welt kommt, welche jedesmal bei den Ehe-Festen die Priesterinnen und die Priester und der gesammte Staat dafür verrichten wird, daß die Nachkommen immer aus Guten noch bessere und aus Nützlichen noch Nützlichere werden, sondern ein Kind, welches im Dunkeln unter arger Unmäßigkeit geboren wird. – Ja, dieß ist richtig, sagte er. – Das nemliche Gesetz aber, sprach ich, gilt ja auch, wenn einer von denjenigen, welche zeugen dürfen, eine im gesetzlichen Alter stehende Frau berührt, ohne daß ein Herrscher sie ihm gepaart hat; wir werden nemlich sagen, daß ein Solcher ein unächtes und außer dem Verbande stehendes und ungeweihtes Kind dem Staate in die Welt setze. – Ja, völlig richtig, sagte er. – Wann aber nun die Frauen und die Männer das Alter des Zeugens schon überschritten haben, dann lassen wir ihnen volle Freiheit, den Beischlaf zu üben, mit wem sie wollen, nur die Männer nicht mit der Tochter und der Mutter und den Töchtern der Töchter, oder nach oben mit den Töchtern ihrer Mutter, und die Frauen nicht mit dem Sohne und dem Vater und den Söhnen dieser beiden, seien es die Söhne der Söhne oder die Söhne des Vaters; und nachdem wir dieß Alles deutlich vorgezeichnet, müssen wir zumeist dafür sorgen, daß diese bejahrteren Frauen, wenn sie empfangen haben, ihre Leibesfrucht ja nicht austragen, und sollte dieselbe wider ihren Willen fortbestehen, sie dann das Kind so behandeln, als gäbe es für ein derartiges keine PflegeKindsabtreibung empfiehlt auch Aristoteles in der Politik als ein Mittel, durch welches einerseits die Gesundheit der Männer bewahrt und andererseits Uebervölkerung vermieden werde.. – Auch dieß zwar, sagte er, ist eine ziemlich mäßige Vorschrift; aber auf welche Weise werden sie denn ihre Väter und Töchter und was du da sonst noch nanntest, wechselseitig unter sich herauskennen? – In keiner Weise, erwiederte ich; sondern von dem Tage an gerechnet, an welchem Einer Hochzeiter geworden war, wird er alle Kinder, welche zwischen dem siebenten und zehnten Monate nach jenem Tage zur Welt kommen, wenn sie männlich sind, seine Söhne, und wenn weiblich, seine Töchter nennen, und sämmtliche jene Kinder ihn Vater nennen; und in der nemlichen Weise denn auch wird er die Nachkommen dieser seine Enkel, und diese hinwiederum einen Solchen ihren Großvater oder eine Solche ihre Großmutter nennen; alle jene Kinder aber, welche um jenen Termin nach jener Zeit zur Welt kommen, in welcher ihre Mütter und Väter sich paarten, werden sich Brüder und Schwestern nennen, so daß sie, wie wir so eben sagten, sich gegenseitig nicht geschlechtlich berühren; wohl aber wird den Brüdern und Schwestern das Gesetz den Beischlaf gestatten, wenn das Loos es so fügt und der Ausspruch der Pythia es bestätigt. – Völlig richtig, sagte er. –

10. Die Gemeinschaftlichkeit demnach der Weiber und der Kinder, o Glaukon, wäre dir für die Wächter des Staates hiemit diese und eine derartige; daß sie aber sowohl im Zusammenhange mit der übrigen Staatsverfassung, als auch bei Weitem das beste sei, müssen wir uns nun hernach durch unsere Begründung bekräftigen lassen; oder wie wollen wir es anders machen? – Eben so, bei Gott, sagte er. – Wäre also nun nicht etwa Folgendes der Ausgangspunkt unserer Verständigung, daß wir zunächst uns selbst fragen, was wir wohl als jenes größte Gut bezüglich der Einrichtung eines Staates bezeichnen können, wornach der Gesetzgeber hinzielen und sodann die Gesetze aufstellen muß, und was wohl das größte Uebel sei, und daß wir hierauf erwägen, ob, was wir so eben durchgingen, uns in die Spur des Guten passe, in jene des Uebels aber nicht passe? – Ja, am allermeisten so, sagte er. – Können wir also irgend ein größeres Uebel für einen Staat nennen, als dasjenige, was ihn zerreißt und aus einem Einen zu einem vielheitlichen macht, oder ein größeres Gut, als dasjenige, was ihn zusammenbindet und zu einem Einen macht? – Nein, wir können nicht. – Nicht wahr also, die Gemeinschaftlichkeit von Vergnügen und Schmerz wirkt zusammenbindend, wann nemlich in möglichst hohem Grade sämmtliche Bürger beim Eintritte und beim Verschwinden der nemlichen Dinge in der nemlichen Weise Freude und Schmerz empfinden? – Ja wohl, völlig soDieß ist der verfehlte oberste Grundsatz, aus welchem dem Plato die ganze Lehre bezüglich der Ehe- und Gütergemeinschaft fließt; verfehlt ist er darum, weil nach menschlichem Wesen eine Gemeinschaftlichkeit des Wünschenswerthen überhaupt nicht bloß kein Zusammenhalten und keinen Frieden zur Folge hat, sondern gerade am meisten den partikularen und selbstsüchtigen Eigennutz rege macht, daher bei der Verwirklichung der Ehe- und Güter-Gemeinschaft sofort im ersten Augenblicke der Wunsch nach Einzel-Besitz am allerlebhaftesten hervortreten würde.. – Die Vereinzelung aber in dieser Beziehung wirkt auflösend, wenn nemlich bei Ein und denselben Vorkommnissen des Staates und der Staatsbürger die Einen voll Schmerz und die Anderen voll Freude sind. – Wie sollte es auch nicht so sein? – Entsteht also ein derartiger Zustand etwa nicht daraus, wenn im Staate die Worte »Mein« und »Nicht mein« nicht wie aus Einem Munde ertönen, und ebenso auch betreffs des Wortes »Freund«. – Ja wohl, gar sehr. – Ein Staat demnach, in welchem bei den nemlichen Dingen die Meisten in der nemlichen Weise die Worte »Mein« und »Nicht mein« aussprechen, wird wohl am trefflichsten verwaltet? – Ja, bei Weitem. – Und demnach auch jener Staat, welcher einem Einzeln-Menschen am nächsten kömmt, gerade wie, wenn Einem unter uns der Finger verwundet wurde, dann jene gesammte im Körper zur Seele hin ausgespannte Gemeinschaft bis zur einheitlichen Anordnung des Herrschenden hinauf es empfindet und als ganze sämmtlich den Schmerz zugleich mitfühlt, sobald irgend ein Theil leidend ist, so daß wir dann in diesem Sinne auch sagen »der Mensch fühlt Schmerz am Finger«; und auch betreffs eines jedweden anderen Theiles des Menschen gilt das Nemliche, mag ein Theil schmerzhaft leidend sein, oder vergnüglich Erleichterung fühlen. – Ja wohl, das Nemliche, sagte er; und auch, um was du fragst, ist so; nemlich Solchem zunächst steht wirklich ein Staat, welcher am trefflichsten verwaltet wird. – Wenn also, glaube ich, Einem der Bürger irgend Etwas, sei es ein Gut oder ein Uebel, widerfährt, so wird der derartige Staat am meisten sagen, daß jener, dem es widerfahren, ihm angehöre, und er wird als gesammter mit ihm sich freuen oder mit ihm trauern. – Ja, nothwendig ist es, sagte er, daß wenigstens der wohlgesetzliche Staat es so mache. –

11. Zeit also möchte es nun wohl sein, sprach ich, wieder zu unserem Staate zurückzukehren und diese Zugeständnisse der Begründung in ihm selbst zu erwägen, ob er sie im höchsten oder irgend ein Anderer in höherem Grade besitze. – Allerdings müssen wir dieß, sagte er. – Wie nun also? es gibt doch gewiß sowohl in den anderen Staaten, als auch in dem unsrigen Herrschende und Volk? – Ja. – Als Bürger werden sich demnach diese sämmtlich gegenseitig einander bezeichnen? – Warum auch nicht? – Wie aber nennt außer dieser gemeinschaftlichen Bezeichnung als Bürger in den anderen Staaten das Volk die Herrschenden? – In den meisten nennt es sie Gebieter, in den demokratischen aber eben mit diesem Namen, nemlich Herrschende. – Was aber wird in unserem Staate das Volk thun? wie wird es außer der Bezeichnung als Bürger da die Herrschenden nennen? – Retter und Helfer, sagte er. – Wie aber werden diese das Volk nennen? – Lohngeber und Ernährer. – Wie aber nennen in den übrigen Staaten die Herrschenden das Volk? – Sklaven. – Wie aber nennen sich dort die Herrschenden gegenseitig? – Mitherrscher. – Wie aber die unsrigen sich? – Mitwächter. – Kannst du nun angeben, ob unter den Herrschenden in den anderen Staaten irgend Einer den Einen von seinen Mitherrschern als einen Verwandten und einen Anderen als einen Fremden bezeichnet? – Ja, von Vielen kann ich dieß. – Nicht wahr also, den Verwandten wird er als einen ihm Angehörigen ansehen und bezeichnen, den Fremden aber als einen ihm nicht Angehörigen? – Ja, so ist es. – Was aber werden deine Wächter thun? könnte irgend Einer unter ihnen einen von seinen Mitwächtern als einen Fremden ansehen oder bezeichnen? – In keinerlei Weise, sagte er; denn bei jedem Menschen, welchen er trifft, wird er glauben, daß er in ihm einen Bruder oder eine Schwester oder einen Vater oder eine Mutter oder einen Sohn oder eine Tochter oder Abkömmlinge oder Vorfahren von Solchen treffe. – Vortrefflich, sagte ich, sprichst du da; aber sage mir auch noch Folgendes: wirst du ihnen bloß diese Namen der Verwandtest gesetzlich feststellen, oder auch, daß sie alle Handlungen diesen Namen gemäß verüben, so gegen die Väter Alles, was gegen dieselben gesetzlich ist, betreffs der Scheu und der sorgsamen Pflege und der Pflicht des Gehorsams gegen die Eltern, da außerdem es ihm weder seitens der Götter, noch seitens der Menschen wohlergehen wird, da er ja, wenn er hiegegen handelt, weder nach göttlichem, noch nach menschlichem Rechte handelt; – werden also derartige Klänge oder etwa andere aus dem Munde aller Bürger sogleich um die Ohren der Kinder ertönen, sowohl betreffs der Väter, welche man ihnen nemlich als Väter bezeichnet, als auch betreffs der übrigen Verwandten? – Gewiß diese Klänge, sagte er; denn es wäre ja lächerlich, wenn sie ohne die Werkthätigkeit die bloßen Namen der Verwandtschaft im Munde führen würden. – Unter allen Staaten also werden sie in dem unsrigen am meisten im Einklange, wenn irgend Einer gut oder schlecht steht, jenes eben von uns erwähnte Wort aussprechen, nemlich: »das Meinige steht gut« oder »das Meinige steht schlecht«. – Ja, völlig wahr, sagte er. – Nicht wahr also, im Gefolge dieser Ansicht und dieser Ausdruckweise sagten wir ja, sei auch die Gemeinsamkeit der Vergnügungen und der Schmerzen? – Ja, und mit Recht sagten wir so. – Nicht wahr also, im höchsten Grade werden unsere Bürger an demjenigen als Ein und demselben gemeinschaftlich Theil nehmen, was sie mit dem Worte »Mein« bezeichnen? wenn sie aber an diesem gemeinschaftlich Theil nehmen, so werden sie auf diese Weise demnach auch im höchsten Grade eine Gemeinschaft des Vergnügens und des Schmerzes haben? – Ja, bei Weitem. – Ist also nun hievon neben der übrigen Einrichtung die Gemeinschaftlichkeit der Weiber und Kinder für die Wächter die eigentliche Ursache? – Ja, bei Weitem im höchsten Grade, sagte er. –

12. Nun aber haben wir ja zugestanden, daß dieß das größte Gut für einen Staat sei, indem wir einen wohl eingerichteten Staat damit verglichen, wie sich ein Körper zu einem seiner Theile bezüglich des Schmerzes oder des Vergnügens verhält. – Ja, und mit Recht haben wir dieß zugestanden, sagte er. – Also als Ursache des größten Gutes für einen Staat hat sich uns die für die Helfer bestehende Gemeinschaftlichkeit der Weiber und Kinder gezeigt. – Ja wohl, gar sehr, sagte er. – Und nun stimmen wir ja auch mit Obigem überein; wir sagten nemlich schon einmal B. III, Cap. 22., daß sie einzeln für sich weder Wohnungen, noch Ländereien, noch irgend einen Besitz haben, sondern ihre Nahrung, welche sie von den Uebrigen als Lohn für die Bewachung empfangen, Alle gemeinschaftlich verzehren müssen, woferne sie wirklich Wächter sein sollen. – Ja, dieß ist richtig, sagte er. – Macht sie also nun nicht, wie ich eben sage, sowohl jenes früher Erwähnte, als auch das so eben Angegebene noch in höherem Grade zu wahren Wächtern, und hat dieß zusammen nicht die Wirkung, daß sie den Staat nicht dadurch zerreißen, indem sie das Wort »Mein« nicht bei dem Nemlichen, sondern jeder bei einem Verschiedenen gebrauchen, und der Eine in sein Einzeln-Haus zusammenraffen würde, was er getrennt von den Uebrigen besitzen zu können vermeint, und ein Anderer wieder ebenso in das seinige als ein verschiedenes Haus, und in gleicher Weise auch ihre Frauen und Kinder als verschiedene, wobei sie jedoch für sich einzelne Vergnügungen und Schmerzen über je Einzelnes hervorrufen würden, sondern im Gegentheil, daß sie in Einer Ansicht betreffs des ihnen Angehörigen Alle zu dem Nemlichen hinstreben und so nach Kräften im gleichen Zustande bezüglich des Schmerzes und der Trauer sich befinden? – Ja wohl, gar sehr, sagte er. – Wie aber? Prozesse und gegenseitige Anklagen werden bei ihnen wohl so zu sagen gar nicht vorkommen, da sie ja Nichts ihnen einzeln Eigenes außer ihrem Körper besitzen, alles übrige aber gemeinsam ist? daher denn nun es ihnen zukömmt, daß sie ohne Zwiespalt leben, so weit wenigstens wegen des Besitzes des Geldes oder der Kinder und Verwandten die Menschen in Zwiespalt kommen. – Ja, durchaus nothwendig ist es, sagte er, daß sie hievon frei sind. – Und nun möchten wohl auch mit Recht keine Prozesse wegen Gewaltthätigkeit oder Beschimpfung bei ihnen sich finden; denn wir werden es ja doch wohl als etwas Schönes und Gerechtes bezeichnen, daß der Altersgenosse dem Altersgenossen beistehe, zumal da ja wir die Pflege körperlicher Uebung mit Nothwendigkeit gebieten. – Ja, dieß ist richtig, sagte er. – Es hat nemlich, sprach ich, dieses Gesetz auch folgendes Richtige in sich: falls nemlich auch Jemand auf einen Anderen erzürnt ist, so wird er, wenn er innerhalb der derartigen Gränze seinem Zorne Genüge thut, wohl weit weniger zu größerer Entzweiung fortschreiten. – Ja, allerdings. – Einem Aelteren wenigstens wird es ja ohnedieß übertragen sein, über alle Jüngeren zu herrschen und sie zu bestrafen. – Dieß ist klar. – Und nun ja auch darum, weil ein Jüngerer einen Aelteren, woferne es nicht die Herrscher gebieten, wohl, wie zu erwarten ist, weder in anderer Weise gewaltthätig zu behandeln, noch auch ihn zu schlagen versuchen wird; er wird ihn aber, glaube ich, auch in keinerlei anderer Weise unehrenhaft behandeln; denn um dieß zu hindern, genügen jene zwei Wächter, nemlich die Scheu und die Furcht, und zwar die Scheu, welche ihn abhält, an seinen Erzeugern sich zu vergreifen, die Furcht aber, es möchten dem Beleidigten die Uebrigen, seien es Söhne oder Brüder oder Väter, zu Hülfe kommen. – Ja, so ergibt es sich, sagte er. – In allen Beziehungen demnach werden in Folge dieser Gesetze die Männer gegenseitig Frieden halten? – Ja, einen tiefen Frieden. – Und wenn nun diese innerhalb ihrer selbst keinen Zwiespalt erheben, ist wohl nicht zu fürchten, daß der übrige Theil des Staates gegen sie oder unter sich Feindschaft üben werde. – Nein, allerdings nicht. – Jene kleinlichsten Uebel aber, von welchen sie hiemit auch befreit sein dürften, aufzuzählen, nehme ich Anstand wegen ihrer Ungeziemendheit, nemlich Schmeicheleien gegen die Reichen seitens der Armen, und jene Verlegenheiten und Betrübnisse, welche ihnen bei der Ernährung ihrer Kinder und bei geschäftlichem Verkehre wegen der Nothwendigkeit, Sklaven zu halten, auferlegt sind, da sie Geld theils borgen, theils geborgtes ableugnen, theils auch, wenn sie sich auf jede Weise Geld verschafft, es dann bei ihren Weibern und Sklaven zur Verwaltung hinterlegen, und überhaupt, mein Freund, wie Vieles und Mancherlei sie in diesem Betreffe zu dulden haben, ist sowohl an sich klar, als auch sind dieß unedle Dinge und nicht des Redens werth. – Sie sind ja, sagte er, auch einem Blinden klar. –

13. Von all diesem demnach werden sie frei sein und ein Leben suchen, welches seliger ist, als das selig gepriesene Leben der Sieger in den olympischen Wettkämpfen. – Wie so? – Wegen eines kleinen Theiles ja nur von Demjenigen, was unseren Wächtern zukömmt, werden jene Sieger glücklich gepriesen; denn sowohl der Sieg der Unsrigen ist ein schönerer, als auch der auf Staatskosten ihnen zu Theil werdende Unterhalt ein vollkommenererD. h. auch die Sieger in den größeren hellenischen Festspielen erhielten bei ihrer Heimkehr in ihren Staaten eine öffentliche Belohnung, und namentlich den Siegern in Olympia wurde in Athen die Speisung im Prytaneum zu Theil.; nemlich der Sieg, welchen sie feiern, ist die Bewahrung des gesammten Staates, mit Nahrung aber und Allem, dessen das Leben bedarf, werden sowohl sie, als auch ihre Kinder geschmückt, und Ehrengaben erhalten sie von ihrem Staate sowohl bei Lebzeiten, als auch wird ihnen nach ihrem Tode eine würdige Bestattung zu Theil. – Ja wohl, sagte er, herrliche Ehrengaben. – Erinnerst du dich also, sprach ich, wie im Obigen einmal, ich weiß nicht, von wem, der Tadel gegen uns ausgesprochen wurde, daß wir unsere Wächter durchaus nicht zu Glücklichen machen, da ihnen ja der Besitz aller Güter der Bürger zu Gebot stehen könnte und sie doch Nichts besäßen, und wie dann wir ungefähr erwiederten B. IV, Cap. 1; vgl. obige Anm. 143., wir würden diesen Punkt, sobald er uns in den Weg käme, später einmal erwägen, für jetzt aber einmal die Wächter zu Wächtern machen, und den Staat zu einem möglichst glücklichen, nicht aber würden wir im Hinblicke bloß auf Eine Klasse in ihm diese allein als eine glückliche gestalten? – Ja, ich erinnere mich, sagte er. – Wie also nun? Jetzt wird uns hiemit das Leben unserer Helfer, welches ja weit herrlicher und besser uns erscheint, als jenes der olympischen Sieger, doch wohl nicht nach dem Maßstabe des Lebens der Lederarbeiter oder anderer Handwerker, oder der Landbebauer zu bestehen scheinen? – Nein, mir wahrlich nicht, sagte er. – Aber dennoch ja müssen wir, was ich auch damals schon sagte, hier mit Recht gleichfalls erwähnen, daß, wenn der Wächter in solcher Weise glücklich zu werden versucht, daß er gar nicht einmal mehr ein Wächter ist, und ihm jenes mäßige und sichere und, wie wir sagen, beste Leben nicht mehr genügt, sondern ihn eine unverständige und knabenhafte Vorstellung betreffs des Glücksstandes befällt und dazu antreibt, nach allen Kräften Sämmtliches im Staate zu seinem Eigenthume machen zu wollen, er wohl zur Einsicht kommen muß, daß Hesiodos wirklich ein weiser Mann war, als er sagte.

»Mehr, als das Ganze, ist die Hälfte«Tage und Werke, V. 40.. –

Allerdings, sagte er, wenn er mich zum Rathgeber nimmt, wird er innerhalb dieser Lebensweise verbleiben. – Du gestehst also, sprach ich, jene Gemeinschaftlichkeit der Weiber mit den Männern zu, welche wir betreffs der Bildung und der Kinder und der Bewachung der übrigen Bürger durchgegangen haben? daß sie nemlich, mögen sie in der Stadt bleiben oder in den Krieg ausziehen, gemeinsam Wache halten und gemeinsam jagen sollen wie Hündinnen, und daß sie in Allem und in jeder Beziehung mit den Männern, so sehr es möglich ist, Gemeinschaftlichkeit haben, und daß, wenn sie so handeln, sie sowohl am besten handeln, als auch daß dieß nicht wider die Natur des Weiblichen im Vergleiche mit dem Männlichen sei, insoferne sie von Natur aus dazu bestimmt sind, gegenseitig Gemeinschaftlichkeit zu haben? – Ich gestehe es zu, sagte er. –

14. Nicht wahr also, sagte ich, jenes ist noch zu erörtern übrig, ob es also auch unter Menschen ebenso, wie bei den übrigen Thieren, möglich sei, daß diese Gemeinschaftlichkeit entstehe, und in welcher Weise es möglich sei. – Du kamst mir, sagte er, damit zuvor, daß du aussprachst, was ich so eben mir zu denken im Begriffe warUeber den Zusammenhang der ganzen Untersuchung s. unten Anm. 201.. – Was nemlich, erwiederte ich, hiebei die Verhältnisse im Kriege betrifft, so ist, glaube ich, klar, in welcher Weise sie Krieg führen werden. – Wie nemlich? sagte er. – Daß sie gemeinschaftlich in's Feld ziehen, und auch von den Kindern jene, welche schon körperlich ausgewachsen sind, in den Krieg mit sich nehmen werden, damit sie, wie die Kinder der übrigen Werkmeister, bei demjenigen zuschauen, was sie dereinst nach ihrer vollständigen Reife selbst in's Werk setzen müssen; außer dem Zuschauen aber sollen sie in allen Dingen bezüglich des Krieges behülflich und dienstbar sein und ihre Väter und Mütter pflegen; oder hast du nicht bezüglich der übrigen Künste, z. B. bei den Kindern der Töpfer, bemerkt, wie lange Zeit hindurch sie bloß behülflich sind und zuschauen, bis sie erst selbst an die Uebung der Töpferkunst sich machen? – Ja wohl, gar sehr. – Müssen also etwa jene eifriger ihre Kinder heranbilden, als die Wärter die ihrigen in Erfahrung und Anschauung des ihnen Zustehenden? – Dieß wäre ja lächerlich, sagte er. – Nun aber kämpft ja auch jedes Thier ganz ausnehmend, wenn jene zugegen sind, welchen sie selbst das Leben gegeben haben. – Ja, so ist es wohl; aber, o Sokrates, es ist ja hiebei keine kleine Gefahr für den Fall einer Schlappe, wie Solches im Kriege vorzukommen pflegt, daß sie dann außer sich selbst auch noch ihre Kinder dem Untergange weihen und hiedurch es unmöglich machen, daß auch der übrige Staat sich wieder erhole. – Du sprichst wahr, sagte ich; aber erstens, glaubst du denn, man müsse es so einrichten, daß gar keine Gefahr bestehe? – Keineswegs. – Wie aber? wenn man denn doch Gefahren sich aussetzen muß, sollen es nicht solche sein, bei welchen ein glücklicher Erfolg die Leute besser macht? – Ja, dieß ist klar. – Glaubst du aber, daß es etwa einen kleinen Unterschied mache und der Gefahr sich nicht lohne, ob bei den Dingen im Kriege die Kinder, welche dereinst kriegerische Männer werden sollen, zuschauen oder nicht? – Nein, sondern es macht bezüglich dessen, was du sagst, allerdings einen Unterschied. – Dieß also muß stattfanden, daß wir die Kinder zu Zuschauern machen; aber Anstalten zu ihrer Sicherheit müssen wir treffen, und es wird dann wohl sich richtig verhalten; oder etwa nicht? – Ja. – Nicht wahr also, sagte er, es werden erstens ihre Väter, so weit es bei Menschen möglich ist, nicht unkundig sein, sondern es zu unterscheiden vermögen, welche Feldzüge gefahrdrohend seien und welche nicht? – So scheint es, sagte er. – In die einen also werden sie dieselben mit sich nehmen, in die anderen aber nicht? – Ja, mit Recht. – Und dann werden sie ja, sagte ich, als Herrschende über sie nicht die Schlechtesten aufstellen, sondern diejenigen, welche durch Erfahrung und Alter tauglich sind, Anführer und Begleiter der Knaben zu sein. – Ja, so ziemt sich's. – Aber gar Vieles ja, werden wir hinwiederum sagen, ist schon Vielen wider alles Erwarten zugestoßen. – Ja wohl, gar sehr. – Im Hinblicke auf Derartiges demnach, mein Freund, müssen wir die Kinder von vorneherein beflügeln, damit sie, wenn es nöthig ist, auf und davon fliegen. – Wie meinst du dieß? sagte er. – Auf Pferde, sprach ich, müssen wir sie schon in ihrer frühesten Jugend setzen, und nachdem sie reiten gelernt, sie zu Pferde zum Zuschauen mitnehmen, und zwar nicht auf muthigen und für Schlachten tauglichen Pferden, sondern auf den behendesten und lenksamsten; so nemlich werden sie sowohl am besten bei ihrer künftigen Werkthätigkeit zuschauen, als auch nöthigen Falls am sichersten sich mit ihren älteren Anführern, diesen folgend, reiten. – Du scheinst mir Recht zu haben. –

Wie aber nun, sagte ich, steht es mit den Dingen im Kriege? Wie müssen sich dir die Krieger sowohl gegenseitig unter sich, als auch gegen die Feinde verhalten? Zeigt sich mir etwa Folgendes richtig oder nicht? – Sprich, sagte er, was du hiemit meinest. – Soll man unter ihnen, erwiederte ich, denjenigen, welcher die Schlachtreihe verläßt, oder die Waffen von sich wirft, oder etwas Derartiges thut, wegen seiner Feigheit nicht sofort unter die Handwerker oder Landbebauer einreihen? – Ja, allerdings. – Jenen aber, welcher lebend als Gefangener zu den Feinden kommt, müssen wir ihn nicht als ein Geschenk jedem überlassen, der dann mit dieser Beute eben anfängt, was er will? – Ja wohl, gar sehr. – Jener aber, welcher sich auszeichnete und Ruhm erlangte, soll dieser nicht erstens schon während des Feldzuges von allen mitziehenden Jünglingen und Knaben der Reihe nach von jedem Einzelnen bekränzt werden, oder etwa nicht? – Ja, gewiß. – Wie aber? auch ihm die Hände gedrückt werden? – Ja, auch dieß. – Aber erst Folgendes, glaube ich; scheint es dir nicht auch? – Was meinst du? – Daß er jeden Einzelnen lieben und von ihm geliebt werden dürfeDaß der platonische Eros auch mit dem dorischen Schlachten-Eros verwandt sei, habe ich schon in Anm. 12 z. »Gastmahl« angegeben.. – Ja, dieß wohl von Allem am meisten, sagte er; und ich füge diesem Gesetze auch noch hinzu, daß, so lange sie auf diesem Feldzuge sich befinden, es Keinem erlaubt sei, sich loszusagen, woferne jener ihn lieben will, damit, mag Jemand ein männliches oder ein weibliches Wesen lieben, er hiedurch um so eifriger sei, sich um den Kampfpreis zu bewerben. – Recht so, sagte ich; denn daß ja für den Tüchtigen mehrere Ehefeste als für die Uebrigen bereit sind und diesen im Vergleiche mit den Uebrigen öfter die Wahl treffen wird, damit so Viele als möglich aus einem Solchen erzeugt werden, haben wir bereits angegeben Oben Cap. 9 z. Anfang.. – Ja, allerdings, sagte er, haben wir es angegeben. –

15. Aber ja auch dem Homeros zufolge muß man mit Derartigem die Tüchtigen unter den jungen Leuten ehren – denn auch Homeros sagt, daß der im Kriege sich auszeichnende Ajas »mit langgestreckten Rückenstücken eines Rinderbratens erfreut worden sei«Ilias VII, V. 321., als wäre eine derartige Ehrenbezeugung dem jugendlich kräftigen und tapferen Manne völlig passend, durch welche er zugleich mit dem Empfang der Ehre auch seine Körperkraft erhöhe. – Völlig richtig, sagte er. – Wir werden also, sprach ich, dieß dem Homeros glauben; denn auch wir werden bei Opfern und all Derartigem die Tüchtigen, insoweit sie sich uns als Tüchtige zeigen, sowohl durch Lieder, als auch durch Dinge, wie wir so eben erwähnten, ehren, und außerdem »durch Vorsitz und Fleisch und vollere Becher«Ebend. VIII, V. 162 u. XII, V. 311., damit wir zugleich mit der Ehrenbezeugung auch eine Hebung der tüchtigen Männer und Frauen verbinden. – Vortrefflich, sagte er, ist, was du da sprichst. – Weiter; was nun die auf dem Feldzuge Gestorbenen betrifft, werden wir da nicht von demjenigen, welcher mit Ruhm sein Leben geendet, zunächst schon sagen, daß er zu dem goldenen Menschen-Geschlechte gehöre? – Ja gewiß, von Allen am meisten. – Werden wir aber nicht auch da dem Hesiodos glauben, daß, wenn Menschen von dem derartigen Geschlechte gestorben sind, dann wohl

»sie als heilige Dämonen oben auf der Erde wandeln,
als Wackere, als Unglücks-Abwehrer, als Wächter der redekundigen Menschen«Tage und Werke V. 121 f. (mit einigen Abweichungen; im »Kratylos« führt Plato diese Verse wieder in etwas anderer Form an). Uebrigens beachte man, daß Plato nun doch ein gespensterhaftes Herumwandeln der Dämonen, freilich nur der »guten Geister«, als sehr zweckdienlich erachtet, während er oben, B. II, Cap. 20, über ähnliche Dichterstellen höchlich entrüstet war. –

Ja, wir werden es ihm glauben. – Nachforschen also werden wir bei dem GotteHiemit ist offenbar Apollo in jener nemlichen Beziehung gemeint, in welcher wir oben, B. IV, Cap. 5, die apollinische Religion als die von Plato bevorzugte trafen (s. Anm. 152) Man beachte auch in beiden Stellen die Ausdrucksweise, daß der Gott den erforderlichen Kultus »erklärt«., in welcher Weise und nach welchen Unterschieden man mit den dämonischen und göttlichen Menschen verfahren solle, und hiernach werden wir auch in dieser Weise verfahren, wie jener es erklärt. – Warum sollten wir auch nicht? – Und auch in Zukunft werden wir die Grabstätten derselben, wie jene von Dämonen, verehren und anbeten; und eben dieß Nemliche werden wir für gesetzlich halten, wenn im Greisenalter oder auf irgend andere Weise Einer von denjenigen stirbt, welche im Leben in hervorragender Weise als Tüchtige sich bewährten. – Ja, wenigstens gerecht ist dieß, sagte er. –

Wie nun weiter? Wie werden unsere Krieger gegen die Feinde handeln? – Was meinst du hiemit? – Erstens wohl, was die Sklaverei betrifft, scheint es da gerecht, daß Hellenen hellenische Staaten zu Sklaven machen, oder vielmehr, daß man es nicht anders gestattet und an nichts Anderes sie gewöhnt, als daß sie das eigene hellenische Geschlecht schonen, indem sie vor der Knechtung durch Nicht-Hellenen sich hüten? – Ja, für das Gesammte und in jeder Beziehung, sagte er, macht es einen Unterschied, daß man sie schone. – Also soll man auch sowohl selbst keinen Hellenen als Sklaven besitzen, als auch den übrigen Hellenen eben diesen Rath ertheilen? – Ja, allerdings, sagte er; weit eher ja möchten sie sich in solcher Weise gegen die Nicht-Hellenen kehren, von sich selbst aber unter sich Solches fernhalten. – Wie nun weiter? die Gestorbenen zu plündern, außer etwa, wenn sie gesiegt haben, ihnen die Waffen abzunehmen, ist dieß etwa schön? oder bietet dieß nicht selbst den Feigen einen Vorwand dar, nicht gegen den kämpfenden Feind vorrücken zu müssen, gerade als thäten sie schon ihre Schuldigkeit, wenn sie über Leichen sich hinbeugen; und sind nicht auch schon ganze Heere über eine solche Plünderung zu Grunde gegangen? – Ja wohl, gar sehr. – Scheint es aber nicht auch etwas Sklavisches und Geldgieriges, einen Leichnam zu berauben, und Sache einer weibischen und kleinlichen Gesinnung, für das Feindliche den Leib des Gestorbenen zu halten, wenn der Feind bereits aus demselben entflogen, nur aber dasjenige übrig geblieben ist, vermittelst dessen er als Feind kämpfte? oder glaubst du, daß, wer dieses thut, etwas Anderes verübe, als die Hunde, welche mit den Steinen, vermittelst deren sie getroffen wurden, sich herumzerren, jenen aber, welcher geworfen hat, nicht berühren? – Durchaus nichts Anderes, sagte er. – Bei Seite lassen also müssen wir jede Leichen-Plünderung und all jene Verhinderung der Bestattung? – Ja wohl, bei Gott, sagte er, bei Seite lassen müssen wir sie.

16. Und also werden wir wohl auch nicht in Tempel unsere Waffen bringen, um sie dort als Weihgeschenke aufzuhängen, zumal nicht in Tempel der Hellenen, woferne uns an dem Wohlwollen gegen die übrigen Hellenen Etwas liegt, sondern wir werden weit eher fürchten, es möchte eine Entweihung sein, in einen Tempel Derartiges seitens der eigenen Angehörigen zu bringen, falls nicht etwa der Gott es anders befiehlt. – Völlig richtig, sagte er. – Wie nun weiter? was die Verheerung hellenischen Landes und das Niederbrennen der Häuser betrifft, wie werden es damit deine Krieger gegen die Feinde halten? – Ich möchte gerne hören, sagte er, daß du deine Meinung hierüber aussprechest. – Mir demnach, sprach ich, scheint es, daß sie keines dieser beiden thun werden, sondern nur die eben stehende einjährige Aerndte wegnehmen werden; und warum so, willst du, daß ich es dir sage? – Ja, allerdings. – Es zeigt sich mir nemlich, daß, sowie dieß auch zwei Worte sind, nemlich »Krieg« und »Zwiespalt«, so es auch zwei Dinge seien, welche auf irgend zwei verschiedenen Verhältnissen beruhen; unter diesen zweien aber meine ich einerseits das Angehörige und Verwandte, und andrerseits das Fremde und Ausländische; bei der Feindschaft nun zwischen Angehörigen heißt man es Zwiespalt, bei jener aber gegen Fremdes Krieg. – Und wirklich, es ist nicht unpassend, sagte er, was du da sprichst. – Sieh demnach zu, ob auch Folgendes passend sei, was ich sage: ich behaupte nemlich, das Geschlecht der Hellenen sei in Bezug auf sich selbst ein Angehöriges und Verwandtes, in Bezug auf das Nicht-Hellenische aber ein Ausländisches und Fremdes. – Ja, und mit Recht, sagte er. – Also wenn Hellenen gegen Nicht-Hellenen und Nicht-Hellenen gegen Hellenen kämpfen, werden wir sagen, daß sie Krieg führen und von Natur aus kriegerische Feinde seien, und wir müssen diese Feindschaft einen Krieg nennen; hingegen wenn Hellenen gegen Hellenen Derartiges thun, werden wir sagen, daß sie zwar von Natur aus Freunde seien, aber hiebei Hellas krank und in einem Zwiespalte sei, und die derartige Feindschaft müssen wir Zwiespalt nennen. – Ich gestehe zu, sagte er, daß man es so für das Richtige halten müsse. – Erwäge demnach, sprach ich, daß bei demjenigen, was wir jetzt zugestandener Weise einen Zwiespalt nennen, falls nemlich etwas Derartiges eintritt und ein Staat in einem Zwiespalte sich befindet, bei einer von beiden Seiten gegen beide geübten Verheerung der Ländereien und Verbrennung der Häuser, der Zwiespalt wohl ein frevelhafter und keine der beiden Parteien eine Liebe zum Staate zu besitzen scheinen wird; denn sonst würden sie es ja nicht über sich gewinnen, die Ernährerin und Mutter zu mißhandeln; sondern daß es seitens der Siegenden noch mäßig sei, wenn sie den Besiegten die Aernte wegnehmen und über die Sache so denken, als würden sie gegenseitig sich wieder versöhnen und nicht immerwährend Krieg führen. – Ja, bei weitem sanfter, sagte er, ist eine solche Denkungsweise, als jene. – Wie aber nun? wird der Staat, welchen du gründest, nicht ein hellenischer sein? – Ja, er soll wenigstens, sagte er. – Nicht wahr also, auch Tüchtige und Sanfte werden deine Bürger sein? – Ja, in hohem Grade. – Werden sie aber nicht auch Hellenenfreunde sein, und werden sie nicht Hellas für ein ihnen Angehöriges halten, und werden sie nicht auch an den nemlichen heiligen Dingen Theil nehmen, wie alle übrigen Hellenen? – Ja, auch dieß in hohem Grade. – Nicht wahr also, eine Entzweiung gegen Hellenen als gegen Angehörige werden sie nur für einen Zwiespalt halten und nicht als Krieg bezeichnen? – Nein, allerdings nicht. – Und sie werden sich also in einer Weise entzweien, als würden sie sich wieder einmal versöhnen. – Ja, allerdings. – In milder Gesinnung demnach werden sie dieselben wohlmeinend bestrafen, nicht aber sie züchtigen, um sie zu knechten oder zu verderben, und werden eher ihre wohlmeinenden Bestrafer, nicht aber kriegerische Feinde sein. – Ja, so ist es, sagte er. – Hellenen also werden kein hellenisches Land verwüsten und nicht die Wohnungen niederbrennen, und auch gar nicht zugestehen, daß in jedem einzelnen Staate Sämmtliche ihnen feindselig seien, sowohl Männer, als Frauen, als Kinder, sondern daß immer nur Wenige die Feindseligen seien, nemlich die Urheber der Entzweiung; und aus all diesen Gründen werden sie weder das Land jener verwüsten, noch die Häuser zerstören wollen, da ja die Mehrzahl ihnen Freund ist, sondern nur so weit werden sie die Entzweiung ausdehnen, bis die Schuldigen von den bedrängten Unschuldigen gezwungen werden, ihre Strafe zu büßen. – Ich gestehe zu, sagte er, daß auf eben diese Weise unsere Bürger mit ihren Gegnern in Berührung treten sollen, mit den Nicht-Hellenen aber in jener Weise, welche jetzt unter den Hellenen gegenseitig die übliche ist. – Wollen wir demnach auch dieses Gesetz aufstellen, daß unsere Wächter weder das Land verheeren, noch die Häuser niederbrennen sollen? – Ja, wir wollen es aufstellen, sagte er, und auch sagen, daß sowohl Dieses, als auch das frühere sich gut verhalte.


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