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1. Was demnach die Götter betrifft, sagte ich, so müssen ungefähr Derartiges, wie es scheint, sogleich von ihrer Kindheit an Diejenigen hören und nicht hören, welche dereinst die Götter und die Eltern ehren und die wechselseitige Freundschaft nicht gering achten sollen. – Ja, und ich glaube wenigstens, sagte er, daß dieß sich richtig uns so zeige. – Wie aber nun? wenn jene auch tapfer werden sollen, muß man ihnen dann nicht sowohl eben Solches als auch Derartiges sagen, was bewirken würde, daß sie den Tod am wenigsten fürchten? oder glaubst du, es könne Einer jemals tapfer werden, wenn er diese Furcht in sich trägt? – Nein, bei Gott, sagte er, gewiß nicht. – Wie aber? Meinst du, daß Jemand, welcher an die Dinge im Hades glaubt und sie für so fürchterlich hält, wohl furchtlos sein und in den Schlachten den Tod statt der Niederlage und Sklaverei wählen werde? – In keiner Weise. – Wir müssen demnach, wie es scheint, auch betreffs dieser Fabeln jene beaufsichtigen, welche hierüber zu sprechen versuchen, und wir müssen verlangen, daß sie nicht schlechthin über die Dinge im Hades schmähen, sondern weit eher sie loben, da sie ja außerdem weder Wahres noch für die künftigen Kämpfer Nützliches sagen würden. – Wir müssen dieß allerdings, sagte er. – Ausstreichend. h. Plato verfährt eben als ächter Doctrinär; er findet die in den volksthümlichen Anschauungen vorliegenden poetischen Angaben über das Leben nach dem Tode unpassend und er macht sich frisch daran, aus den homerischen Gesängen eine Menge einzelner Verse sofort herauszuschneiden, für sich selbst aber behält er sich wohlweislich die Befugniß bevor, völlig nach seinem Gutdünken Himmel und Hölle und Fegfeuer in sehr grellen und selbst grob sinnlichen Farben auszumalen, wie er es am Schlusse dieses Werkes (Buch X, Cap. 13 ff.) und im Phädon (Cap. 57–62) in so reichem Maße thut, daß der Leser schwerlich. die Ueberzeugung festzuhalten vermag, er habe einen »Philosophen« vor sich. also, sagte ich, werden wir von folgendem Verse angefangen alles derartige:
»Lieber wollte ich als Ackerknecht bei einem Anderen im Dienste stehen,
bei einem Unbegüterten, welcher nicht Viel zu leben hat,
als über sämmtliche dahingeschwundene Todte Herrscher sein«Odyss. XI, V. 489 ff.;
und auch die folgenden:
»ein Haus aber würde den Sterblichen und Unsterblichen sich zeigen,
gräßlich, voll dumpfen Grauens, wovor selbst Götter es schaudert«Ilias, XX, V. 64 f.;
und auch:
»Weh! so gibt es also auch in den Gemächern des Hades
eine Seele und ein Schattenbild, aber gänzlich ohne Besinnung«Ebend. XXIII, V. 103 f.;
und auch folgendes:
»er allein athmet, die übrigen sind unstete Schatten«Odyss. X, V. 495.;
und auch:
»die Seele aber entflog aus den Gliedern und ging in den Hades,
ihr Geschick beklagend, verlassend die Manneskraft und Blüthe der Jahre«Ilias, XVI, V. 856 f. u. XXII, 362 f.;
und auch folgendes:
»die Seele aber ging unter die Erde, wie ein Rauch,
fort in schwirrendem Laufe«Ebend. XXIII, V. 100 f.;
und auch:
»wie wann Fledermäuse in einer Kluft einer wundersamen Höhle
schwirrend flattern, wenn Eine derselben herabfiel
aus dem Schwarme von Felsen nieder, und sie aneinander sich klammern,
so gingen auch diese Seelen schwirrend miteinander«Odyss. XXIV, V. 6 ff..
Bei diesem und all derartigem werden wir den Homeros und die übrigen Dichter um Nachsicht bitten, daß sie uns nicht zürnen, wenn wir es durchstreichen, nicht, weil Solches etwa nicht dichterisch und nicht für die Menge vergnüglich zu hören wäre, sondern gerade je dichterischer es ist, desto weniger dürfen es Knaben und Männer hören, welche frei sein sollen, insoferne sie Sklaverei mehr als den Tod fürchten. – Ja, durchaus wohl. –
2. Nicht wahr also, auch die vielen fürchterlichen und erschrecklichen Namen betreffs jener Dinge sind zu verbannen, wie »Kokytos«, »Styx«, »die Unterirdischen«, »die Kraftlosen«Von den letztern beiden Worten, welche übrigens durch die Uebersetzung verlieren, findet sich nur das erstere (ένεροι) bei Homer und bei Hesiod, das zweite (αλίβαντες) hingegen nicht., und alle Worte, welche sonst noch nach diesem Gepräge ausgesprochen werden und so sehr als möglich alle Hörenden schaudern machen; und vielleicht wohl mögen sie in anderer Beziehung gut sein, wir aber fürchten unsere Wächter, sie möchten uns aus diesem Schauder in größerer Fieberhitze und mit mehr Erschlaffung, als nöthig ist, hervorgehen. – Und mit Recht ja, sagte er, fürchten wir dieß. – Also tilgen müssen wir jene? – Ja. – Aber das entgegengesetzte Gepräge von diesem müssen wir aussprechen und dichten? – Klärlich. – Und auch jene Wehklagen also und jenes Jammern der ruhmwürdigen Männer werden wir tilgen? – Ja, nothwendig, sagte er, woferne auch das Vorige. – So erwäge denn nun, sprach ich, ob wir mit Recht dieß tilgen werden oder nicht; wir behaupten aber demnach, daß der tüchtige Mann für den tüchtigen Mann, dessen Gefährte er wohl auch ist, den Tod nicht für etwas Fürchterliches halten wird. – Ja, wir behaupten es. – Nicht also würde er über jenen, als wäre ihm etwas Fürchterliches widerfahren, wehklagen. – Nein, sicher nicht. – Nun aber sagen wir ja auch noch Folgendes, daß der Derartige zumeist für sich allein schon sich genügt zu einem guten Leben und in einer vor den Uebrigen hervorragenden Weise am wenigsten eines Anderen hiezu bedarf. – Dieß ist wahr, sagte er. – Am wenigsten also ist es für ihn etwas Fürchterliches, eines Sohnes oder Bruders oder seines Vermögens oder anderer derartiger Dinge beraubt zu werden. – Allerdings am wenigsten. – Am wenigsten also würde er auch wehklagen, und so mild als möglich es ertragen, wenn ihn ein derartiges Geschick getroffen? – Ja, bei Weitem. – Mit Recht also möchten wir wohl jenes Weinen der berühmten Männer tilgen und den Weibern es überlassen, und nicht einmal unter diesen den tüchtigen, und unter den Männern den feigen, damit es für uns denjenigen verleidet werde, Aehnliches zu thun, welche wir ja zur Bewachung des Landes zu erziehen behaupten. – Ja, mit Recht, sagte er. – Abermals demnach werden wir den Homeros und die übrigen Dichter bitten, nicht zu dichten, daß Achilleus, der Sohn einer Göttin,
»bald auf der Seite liegend, bald wieder auf dem Rücken,
bald auf dem Gesichte, bald wieder aufrecht stehend,
seufzte umherirrend am Ufersande des öden Meeres«Ilias XXIV, V. 10 ff., jedoch mit einigen Abweichungen.;
und auch nicht, daß er
»mit beiden Händen schwärzlichen Staub ergreifend
ihn streute über das Haupt«Ebend. XVIII, V. 23 f.;
noch auch daß er sonst weinte und klagte, wie jener oft dichtete; und daß auch nicht Priamos, welcher doch den Göttern nahe ist, flehentlich bitte
»sich wälzend im Staube
und bei Namen rufend jeden einzelnen Mann«Ebend. XXII, V. 414 f..
Noch viel mehr aber als um dieses wollen wir sie bitten, daß sie ja doch nicht von Göttern selbst dichten, wie dieselben klagen und sagen:
»wehe mir Armen, wehe mir, der unglücklichen Mutter meiner Kinder«Ebend. XVIII, V. 54 (Worte der Thetis)..
Wenn sie es denn auch von Göttern dichten, so sollen sie sich doch nicht erkühnen, den größten der Götter so unähnlich darzustellen, daß er ruft:
»wehe mir, wie ein mir lieber Mann um die Mauer verfolgt wird,
sehe ich mit meinen Augen, und es wehklagt mein Herz«Ebend. XXII, V. 168 f.,
und auch:
»wehe mir, daß mir den Sarpedon, den liebsten der Männer,
das Geschick durch die Hand des Patroklos, des Menötiaden, bändigt«Ebend. XVI, V. 433 f..
3. Denn wenn, o lieber Adeimantos, die jungen Leute Derartiges im Ernste anhören und nicht darüber lachenWenn Plato aus »philosophischen« Gründen homerische Stellen »lächerlich« findet, so werden wir vielleicht aus besseren Gründen auch manche platonische Ansicht lächerlich finden dürfen., da es in unwürdiger Weise ausgesprochen ist, so würde kaum irgend Jemand sich selbst, da er ja ein Mensch ist, für unwürdig solcher Dinge halten und es sich zum Vorwurfe machen, wenn auch ihm es in den Sinn käme, Derartiges zu sagen oder zu thun, sondern ohne sich zu schämen und ohne standhaft zu sein, würde er bei kleinen Vorkommnissen viele Thränen und Wehklagen ausgießen. – Du sprichst sehr wahr, sagte er. – Er darf es aber ja nicht, wie so eben unsere Begründung uns zeigte, welcher wir glauben müssen so lange, bis uns Jemand durch eine andere, bessere, überzeugt. – Also er darf ja nicht. – Nun aber sollen jene ja auch nicht lachlustig sein; denn wenn sich Jemand heftigem Lachen hingibt, so pflegt solches auch einen heftigen Rückschlag nach sich zu ziehen. – So scheint es mir, sagte er. – Weder also dürfen wir es uns gefallen lassen, wenn Jemand von Menschen, welche der Rede werth sind, dichtet, daß sie vom Lachen überwältigt wurden, noch aber viel weniger, wenn er es von Göttern dichtet. – Ja, noch viel weniger allerdings, sagte er. – Nicht wahr also, auch Derartiges werden wir uns von Homeros betreffs der Götter nicht gefallen lassen:
»unauslöschliches Gelächter aber entstand unter den seligen Göttern,
wie sie den Hephästos so emsig durch die Gemächer umhergehen sahen«Ilias I, V. 599 f..
Nicht dürfen wir uns Solches gefallen lassen zufolge deiner Begründung. – Ja, wenn du sie als die meinige bezeichnen willst; also wir dürfen ja nicht es uns gefallen lassen. – Nun aber ist ja auch die Wahrheit hoch zu schätzen; denn wenn wir so eben richtig angabenIm letzten Cap. des vorigen Buches., daß auch wirklich für Götter die Täuschung unbrauchbar ist, für Menschen aber gleichsam in Form einer Arznei brauchbar, so ist klar, daß ja das Derartige den Aerzten zuzuweisen ist, von den einzelnen gewöhnlichen Menschen aber nicht berührt werden darf. – Ja, klar ist dieß, sagte er. – Den Herrschern also eines Staates kömmt es, wenn je überhaupt irgend Jemandem, zu, Täuschungen zu begehen, entweder um der Feinde, oder um der Bürger willen zum Nutzen des Staates; die sämmtlichen Uebrigen aber dürfen das Derartige nicht berühren, sondern eine gegen solche Herrscher von einem Einzelnen begangene Täuschung werden wir als das nemliche und sogar als ein größeres Vergehen bezeichnen, wie wenn ein Kranker gegen einen Arzt, oder ein die Leibesübungen Lernender gegen einen Ringmeister betreffs der Zustande seines eigenen Körpers nicht die Wahrheit sagt, oder wenn gegen einen Steuermann Einer betreffs des Schiffes und der Schiffsgenossen nicht das wirklich Seiende sagt, wie es mit ihm selbst oder mit irgend einem der Mitfahrenden stehe. – Sehr wahr ist dieß, sagte er. – Wenn er also irgend einen Anderen in dem Staate auf einer Täuschung ertappt, Einen von denjenigen,
»welche da Werkmeister sind,
einen Seher, einen Arzt in der Noth, oder einen Baumeister«Odyss. XVII, V. 383 f.,
so wird er ihn züchtigen, da er ein Bestreben einführt, welches dem Staate, wie einem Schiffe, den Untergang bereitet und verderblich ist. – Ja, wenigstens dann, wenn zum Worte auch die vollendete That hinzukömmt. – Was aber weiter? wird uns nicht etwa für die Jünglinge auch Besonnenheit nöthig sein? – Wie sollte es anders sein? – Was aber eben Besonnenheit bezüglich der Menge des Volkes betrifft, ist da nicht Folgendes das Bedeutendste, daß sie einerseits den Herrschern gehorchen, andrerseits aber selbst eine Herrschaft ausüben über die Vergnügungen in Speise und Trank und Liebesgenuß? – So scheint es mir wenigstens. – Folgendes demnach werden wir, glaube ich, als richtig gesagt bezeichnen, was auch bei Homeros Diomedes sagt:
»Trauter, schweig stille, und folge meiner Rede«Ilias, IV, V. 412.,
und die darauf folgenden Worte, sowie auch:
»es gingen dahin stillschweigend muthbeseelt die Achäer«Ebend. III, V. 8 (das im homerischen Verse stehende Wort »stillschweigend« darf im Texte bei Plato nicht fehlen).,
»stillschweigend fürchtend ihre Gebieter«Ebend. IV, V. 431.,
und was sonst Derartiges ist. – Ja, als richtig gesagt. – Wie aber nun? das folgende:
»Weintrunken, mit dem Auge eines Hundes und dem Herzen eines Hirsches«Ebend. I, V. 225.
und die darauf folgenden Worte, ist dieß etwa richtig gesagt, und aller andere jugendliche Uebermuth der Einzelnen gegen die Herrscher, welchen Jemand in ungebundener oder in dichterischer Rede erzählt? – Nein, nicht richtig. – Nicht ja, glaube ich, ist Solches wenigstens bezüglich der Besonnenheit für junge Leute tauglich, um es anzuhören; in wieferne es aber irgend ein anderes Vergnügen gewährt, ist es allerdings nicht zu verwundern; oder wie scheint es dir? – Eben so, sagte er. –
4. Wie aber? wenn man dichtet, daß der weiseste Mann sage es scheine ihm von Allem das Schönste zu sein, wenn
»die Tische dastehen voll
von Brod und Fleische, und Wein aus dem Mischkruge schöpfend
der Mundschenk trägt und in die Becher eingießt«Odyss. IX, V. 8 ff.,
scheint dir dieß tauglich zu sein für einen jungen Menschen bezüglich der Selbstbeherrschung, um es anzuhören? oder folgendes?
»durch Hunger zu sterben und sein Lebensende zu finden, ist das jammervollste«Ebend. XII, V. 243.,
oder daß Zeus all dasjenige, was er während des Schlafes der übrigen Götter und Menschen als der allein Wachende beratschlagt hatte, gar leicht aus Begierde nach Liebesgenuß vergißt, und beim Anblicke der Hera so durchzuckt wird, daß er nicht einmal in das Schlafgemach sich begeben, sondern gleich dortselbst auf der Erde mit ihr in Liebe sich vereinigen will und sagt, er werde in solchem Grade von Begierde gefesselt, wie nicht einmal damals, als sie das erstemal »ohne Wissen der liebenden Eltern« einander sich nähertenIlias, XIV, V. 153–353.; oder dann auch wohl nicht die Fesselung des Ares und der AphroditeOdyss. VIII, V. 266–366. durch Hephästos aus anderen derartigen Gründen. – Nein, bei Gott, sagte er, Solches scheint mir nicht tauglich. – Aber wenn irgendwo, sprach ich, eine Selbstbeherrschung gegen Alles seitens ruhmwürdiger Männer entweder erzählt oder geübt wird, so muß man bei Solchem zusehen und es anhören, wie z. B. folgendes:
»an die Brust aber schlagend, redete er sein Herz mit den Worten an:
dulde denn nun, mein Herz; auch anderes Härteres hast du geduldet«Ebend. XX, V. 17 f.. –
Ja wohl, völlig, sagte er. – Und nicht bestechlich ja auch dürfen wir unsere Männer sein lassen, noch geldliebend. – In keiner Weise. – Also dürfen wir ihnen auch nicht singen:
»Geschenke wirken auf Götter, Geschenke auf ehrwürdige Könige«Ein später Lexikograph (Suidas) schreibt diesen uns weiter nicht bekannten Vers dem Hesiod zu.;
und auch den Erzieher des Achilleus, den Phönix, dürfen wir nicht loben, als hätte er nach richtigem Maße einen Rath ertheilt mir den Worten, jener solle nur, wenn er Geschenke erhalte, den Achäern beistehen, ohne Geschenke aber von seinem Grolle nicht ablassenIlias, IX, V. 435 ff., und auch von Achilleus selbst werden wir nicht erwarten, noch auch es zugestehen, daß er so geldgierig sei, Geschenke von Agamemnon anzunehmenEbend. XIX, V. 278 f., und nur, nachdem er ein Lösegeld für den Leichnam erhalten, ihn auszuliefern, außerdem aber dieß nicht thun zu wollenEbend. XXIV, V. 175 f.. – Nicht also ist es ja gerecht, sagte er, Derartiges zu loben. – Ja, und ich nehme auch nur, erwiederte ich, um des Homeros willen Anstand, zu sagen, daß es auch nicht einmal frevellos sei, Solches über Achilleus zu behaupten oder von Anderen sich glauben machen zu lassen, oder auch hinwiederum, wie jener zu Apollo gesagt habe:
»Benachtheiligt hast du mich, Fernhintreffer, verderblichster aller Götter;
Wahrlich, ich würde an dir mich rächen, wenn ich die Kraft hätte«Ebend. XXII, V. 15 u. 20.,
und wie er gegen den Flußgott sich ungehorsam zeigte und bereit war, mit ihm zu kämpfenEbend. XXI, V. 136 ff. (der Kampf gegen den Flußgott Skamandros)., und hinwiederum wie er von den einem anderen Flußgotte, dem Spercheios, geweihten Locken gesagt habe:
»dem Helden Patroklos möchte ich wohl das Haar mitgeben«,
ihm, dem Leichname, und wie er dieß dann wirklich ausgeführt habeEbend. XXIII, V. 144 ff., ist gleichfalls nicht zu glauben; und hinwiederum auch von dem Schleifen Hektor's um das Grabmal des PatroklosEbend. XXII, V. 395 ff. Es ist doch komisch, daß der nemliche Plato, welcher an den homerischen Helden wegen ihrer göttlichen Abstammung keinerlei menschliche Regung der Leidenschaft dulden will, doch wieder das Motiv der Wiedervergeltung und der Rache zum hauptsächlichen Grunde der Unsterblichkeit der Seele macht (s. m. Anm. 49 z. Phädon), und hiemit menschliche Leidenschaft principiell in das Gebiet der göttlichen Ewigkeit überträgt., und von dem Hinschlachten der Gefangenen an dem ScheiterhaufenIlias XXIII, V. 175 ff., von all diesem werden wir nicht sagen, daß es wahr gesprochen sei, und wir werden den Unsrigen nicht gestatten, zu glauben, daß Achilleus, der Sohn einer Göttin und des Peleus, welcher der besonnenste Mann und noch dazu in der Abstammung von Zeus der dritte warDa Aeacus, der Sohn des Zeus, der Vater des Peleus ist, bei allen derartigen Zählungen aber von den Alten sowohl der Ausgangs- als auch der Endpunkt miteingezählt wurde, so ist Peleus der dritte., und der Zögling des weisesten Cheiron, von so großen inneren Wirren erfüllt gewesen sei, daß er in sich selbst zwei einander entgegengesetzte Krankheiten getragen habe, nemlich unfreien Sinn mit Geldsucht, und andrerseits hochmüthige Erhebung über Götter und Menschen. – Du hast Recht, sagte er. –
5. Nicht demnach, sprach ich, wollen wir auch Folgendes glauben oder erzählen lassen, daß Theseus, der Sohn des Poseidon, und Peirithoos, der Sohn des Zeus, auf so schreckliche Räubereien auszogenDer Kampf der Centauren und Lapithen, welcher in der Sage bekanntlich hauptsächlich an Pirithous sich knüpft, wird wohl schon in d. Odyss. XXI. V. 295 ff. erwähnt, jener Vers in der Ilias aber (I, V. 265), in welchem auch Theseus hiemit in Verbindung gebracht ist, wird mit Recht zu jenen späteren Einschiebseln gezählt, welche bezüglich der Ilias in Lokal-Interessen und Eitelkeit einzelner Städte ihren Grund hatten; überhaupt aber gehört die detaillirtere Ausbildung dieses ganzen Sagenkreises, welcher den Raub der Proserpina in sich schließt, nicht der homerischen Poesie, sondern einer späteren Zeit an, und offenbar hat Plato hiebei Tragödien im Auge., oder daß irgend ein anderer Heros und Sohn eines Gottes es über sich gebracht habe, solch schreckliche und ruchlose Dinge zu verüben, wie man sie jetzt über jene lügt; sondern wir wollen die Dichter zwingen, entweder Solches nicht als die Thaten jener zu bezeichnen, oder jene nicht als Söhne von Göttern, beides verbunden aber eben nicht zu sagen und unsere jungen Leute nicht glauben machen zu wollen, daß die Götter Schlimmes erzeugen und die Heroen um Nichts besser als die Menschen seien; denn wie wir schon im Obigen sagten, Solches ist weder frevellos, noch wahr; wir zeigten nemlich doch wohl B. II, Cap. 18 u. d. erste Hälfte v. 19., daß unmöglich ans Göttern Schlimmes entstehen könne. – Wie sollte es auch nicht so sein? – Und nun ist es ja auch den Anhörenden schädlich, denn Jeder wird mit sich selbst, wenn er schlecht ist, Nachsicht haben, weil er nemlich glaubt, daß Derartiges auch verüben und verübt haben
»die Sprößlinge der Götter,
die nahen Verwandten des Zeus, von welchen im Idäischen Gefilde
hoch im Aether ein Altar des Ahnherrn Zeus ist,
und in welchen das Dämonenblut noch nicht versiegt ist«Aus der»Niobe« des Aeschylus (nach Strabo, a. Schl. d. XII. B.).
Darum müssen wir die derartigen Fabeln von vorneherein abschneiden, damit sie uns nicht einen großen Leichtsinn zur Schlechtigkeit in den jungen Leuten erzeugen. – Ja wohl, gar sehr, sagte er. – Welche Gattung also, sprach ich, wäre uns nun betreffs der mündlichen AussprücheVgl. d. Anf. d. 17. Cap. d. vorigen Buches. noch übrig, um festzustellen, welcherlei man sagen dürfe und welcherlei nicht? Nemlich betreffs der Götter haben wir angegeben, wie man sich ausdrücken solle, und auch betreffs der Dämonen und der Heroen und betreffs der Dinge im Hades. – Ja wohl, allerdings. – Nicht wahr also, es wäre nun auch noch übrig betreffs der Menschen? – Ja, klärlich. – Unmöglich denn nun, mein Freund, ist es uns, hierüber im gegenwärtigen Augenblicke schon Vorschriften zu geben. – Wie so? – Weil, wie ich glaube, wir sagen müßten, daß sowohl Dichter, als auch Prosaiker in schlimmer Weise betreffs der Menschen das Wichtigste aussprechen, nemlich daß es viel Ungerechte, dabei aber Glückliche gebe, und viele gerechte Unglückliche, und daß das Unrechtthun gewinnbringend sei, wann man dabei unentdeckt bleibe, die Gerechtigkeit hingegen ein fremdes Gut und eine eigene Einbuße sei, und wir hiemit verbieten müßten, Derartiges zu sagen, das Gegentheil aber hievon für Poesie und Fabel-Erzählung vorschreiben müßten; oder glaubst du nicht? – Ja, ich weiß es sogar ganz gewiß, sagte er. – Nicht wahr also, wenn du zugestehst, daß ich Recht habe, werde ich wohl behaupten, du habest bereits zugestanden, was wir schon längst suchen? – Deine Annahme, sagte er, ist richtig. – Nicht wahr also, darüber, daß man betreffs der Menschen derartige Aussprüche thun solle, werden wir uns dann verständigenS. d. Schluß des IV. Buches., wann wir gefunden haben werden, wie beschaffen die Gerechtigkeit sei und daß sie von Natur aus für jenen, der sie hat, gewinnbringend sei, mag er ein Solcher zu sein scheinen oder nicht? – Ja, völlig wahr, sagte er. –
6. Was demnach die mündlichen Aussprüche selbst betrifft, so mögen wir es hiemit beschließen; was die Form des Ausdruckes betrifft, so ist dieß, wie ich glaube, nun im Folgenden zu erwägen, und wir werden dann vollständig erwogen haben, sowohl was man sagen müsse, als auch wie. – Und Adeimantos sagte: Dieß verstehe ich nicht, was du hiemit meinest. – Aber doch, sagte ich, sollst du es ja verstehen; vielleicht nun wirst du es folgendermaßen eher einsehen: Ist etwa nicht Alles, was von Fabel-Erzählern oder Dichtern gesagt wird, irgend eine Kundgebung entweder von Vergangenem oder von Gegenwärtigem oder von künftigem? – Was denn Anderes? sagte er. – Und vollbringen sie nun dieß etwa nicht entweder eben durch einfache Kundgebung oder vermittelst einer Nachahmung, oder vermittelst dieser beiden zugleich? – Auch dieß, sagte er, wünsche ich erst noch deutlicher zu verstehen. – Ich bin doch, sagte ich, wie es scheint, ein lächerlicher und unverständlicher Lehrer; also will ich wie Diejenigen, welche unfähig zu einer Rede sind, nicht im Ganzen es sagen, sondern irgend einen einzelnen Theil herausnehmen und an demselben dir klar zu machen versuchen, was ich dabei meine. Und sage mir also: Du kennst den Anfang der Ilias, in welchem der Dichter sagt, Chryses bitte den Agamemnon, seine Tochter ihm freizugeben, jener aber zürne, und der Erstere nun bete, da er jenes nicht erlangte, zu dem Gotte um Schlimmes für die Achäer. – Ja, ich kenne dieß. – Du weißt also, daß bis zu den Worten
»und er flehte zu allen Achäern,
zumeist aber zu den beiden Atriden, den zwei Lenkern der Völker«Ilias, I, V. 15 f.,
der Dichter sowohl selbst spricht, als auch es gar nicht versucht, unsere Gedanken anderswohin zu lenken, als spreche irgend jemand Anderer außer ihm selbst. Hernach aber spricht er, wie wenn er der Chryses selbst wäre, und er ist so sehr als möglich bestrebt zu bewirken, daß uns nicht Homeros, sondern der Priester, der alte Mann, der Sprechende zu sein scheine; und auf diese Weise denn nun hat er auch so ziemlich die gesammte übrige Kundgebung über die Vorkommnisse bei Ilium und in Ithaka und in der ganzen Odyssee gemacht. – Ja wohl, allerdings, sagte er. – Nicht wahr also, eine Kundgebung wohl ist es, sowohl wenn er jedesmal die Reden angibt, als auch wenn das zwischen den Reden Stehende? – Wie sollte es auch anders sein? – Hingegen wenn er irgend eine Rede angibt, als wäre er ein Anderer, werden wir dann nicht sagen, daß er seine eigene Redeweise so sehr als möglich demjenigen ähnlich mache, welchen er vorher als den sogleich reden Wollenden bezeichnet hatte? – Ja, wir werden es sagen; warum auch nicht? – Nicht wahr also, sich selbst einem Anderen ähnlich zu machen, sei es in der Stimme oder in der Figur, heißt eben jenen nachahmen, welchem man sich ähnlich macht? – Was weiter? – In Derartigem demnach, machen, wie es scheint, dieser und die übrigen Dichter die Kundgebung vermittelst einer Nachahmung. – Ja wohl, allerdings. – Wann aber nirgends der Dichter sich selbst verbirgt, dann wohl ja ist ihm die ganze Dichtung und Kundgebung ohne Nachahmung entstanden. Damit du aber nicht hinwiederum sagest, daß du nicht verstehest, wie dieß geschehen könnte, so will ich es dir sagen: nemlich wenn Homeros, nachdem er angegeben, daß der Chryses mit dem Lösegelde für seine Tochter und als Bittender zu den Achäern, zumeist aber zu den Königen, kam, hernach nicht, als wäre er selbst Chryses geworden, sondern eben noch als Homeros sprechen würde, so weißt du hiemit wohl, daß es dann nicht eine Nachahmung, sondern eine einfache Kundgebung wäre; diese würde sich aber ungefähr folgendermaßen verhalten (ich will es aber ohne das Versmaß sagen, denn zum Dichten bin ich nicht fähig): es kam der Priester und betete für jene zu den Göttern, daß diese ihnen verleihen möchten, nach Einnahme von Troja unversehrt zurückzukehren, die Tochter aber sollten sie ihm freigeben, indem sie Sühnegeld für dieselbe annähmen und Scheu vor dem Gotte hätten; nachdem aber dieser Solches gesprochen, waren die Uebrigen fromm und stimmten ihm bei, Agamemnon aber geberdete sich wild, indem er ihm gebot, sowohl für jetzt sich zu entfernen, als auch hernach nicht wieder zu kommen, damit ihm nicht sein heiliger Stab und die Kränze der Götter ein ungenügender Schutz seien; ehe aber die Tochter ihm freigegeben werde, dürfte sie wohl, sagte er, in Argos bei ihm selbst alt werden; und er hieß ihn sich entfernen und ihn ja nicht reizen, damit er unversehrt nach Hause komme; der Alte aber hörte dieß an, fürchtete sich und entfernte sich stillschweigend; nachdem er aber aus dem Lager fortgegangen war, betete er viel zu Apollo, indem er die Beinamen des Gottes rufend aufzählte und ihn daran erinnerte und dabei beschwor, woferne er jemals irgend etwas ihm Gefälliges in Erbauung von Tempeln oder Darbringung von Opfern geleistet habe; zum Danke hiefür also, betete er, solle jener durch seine Geschosse die von ihm geweinten Thränen an den Achäern rächen. So also, mein Freund, sagte ich, entsteht ohne Nachahmung eine bloße einfache KundgebungNatürlich beruht der Unterschied zwischen Nachahmung und Erzählung nicht etwa bloß darin, ob die sogenannte directe oder indirecte Rede gebraucht werde; denn wer gut erzählen will, muß ja doch hoffentlich auch bei indirekter Rede die verschiedenen Charaktere in getreuer Nachahmung darstellen. Der Unterschied liegt eben viel tiefer.. – Ich verstehe es, sagte er. –
7. So verstehe demnach auch, erwiederte ich, daß hinwiederum die entgegengesetzte es ist, wenn Jemand das zwischen den Reden Stehende herausnimmt und bloß das Wechselgespräch übrig läßt. – Und auch dieß, sagte er, verstehe ich, daß nemlich, was in den Tragödien der Fall ist, ein Derartiges sei. – Ganz richtig, sagte ich, ist deine Annahme, und ich glaube, dir nun hiemit klar gemacht zu haben, was ich vorhin nicht im Stande war, nemlich daß innerhalb der Poesie und der Fabel Erzählung die eine gänzlich vermittelst der Nachahmung besteht, wie du selbst sagst, die Tragödie und Komödie, eine andere aber vermittelst des Berichtes des Dichters selbst (du möchtest aber diese wohl zumeist in den DithyrambenDie Dithyramben gehören bekanntlich zur lyrischen Poesie; jene Art derselben, welche hier Plato hauptsächlich im Auge hat, bewegte sich in enthusiastischen Erzählungen aus jenem Umkreise der theogonischen und Heroen-Sage, welcher an den Dionysos-Mythus sich anschloß, und zwar waren besonders erschütternde und ergreifende Wirkungen der Gottheit oder Leiden der Helden der eigentliche Gegenstand. Uebrigens entstand gerade aus drastischen Aufführungen von Dithyramben, nicht aber aus Darstellungen homerisch-epischer Gesänge, bei den Griechen die Tragödie. finden), wieder eine andere aber vermittelst dieser beiden zugleich, nemlich sowohl in der epischen Poesie, als auch sonst noch vielfach anderwärts, woferne du mich recht verstehst. – Aber ich begreife nun ja auch, sagte er, was du damals sagen wolltest. – Und nun erinnere dich auch an das diesem Vorhergehende, daß wir sagten, es sei bereits angegeben, welche Ansprüche nothwendig seien, hingegen erst noch zu erwägen sei, in welcher Weise sie sein sollen. – Aber ich erinnere mich ja auch. – Eben dieß demnach war es, was ich sagte, daß wir uns darüber verständigen müssen, ob wir den Dichtern verstatten sollen, uns die Kundgebungen durch Nachahmung zu machen, oder bei Einigem wohl durch Nachahmung, bei Anderem aber nicht, und welcherlei dieß beides sei, oder ob sie überhaupt nicht nachahmen sollen. – Ich errathe, sagte er, daß du erwägen willst, ob wir eine Tragödie und Komödie in unseren Staat aufnehmen sollen oder nicht. – Vielleicht, sagte ich, sogar auch noch Mehreres, als dieß; denn ich weiß es jetzt noch nicht, sondern wohin uns die Begründung gleichsam wie ein Wind trägt, dahin müssen wir gehen. – Ja, und du hast Recht, sagte er. – Betrachte demnach dieß, o Adeimantos, ob uns die Wächter gewandte Nachahmer sein sollen oder nicht. Oder folgt auch dieß dem Obigen B. II, Cap. 11., daß jeder Einzelne wohl Ein Ding gut betreiben dürfte, viele Dinge aber nicht, sondern, wenn er dieß versuchen würde, er bei dem Ergreifen von Vielem wohl in Allem es verfehlen würde, irgend nennenswerth zu sein? – Warum auch soll es nicht so sein? – Nicht wahr also, auch betreffs der Nachahmung gilt die nemliche Begründung, daß Ein und der Nämliche nicht fähig ist, Vieles so wie Eines nachzuahmen? – Nein, er ist es nicht fähig. – Schwerlich also wohl wird Einer irgend ein der Rede werthes Ding betreiben und zugleich Vieles nachahmen und überhaupt ein gewandter Nachahmer sein können, da ja nicht einmal in zwei Gegenständen der Nachahmung, welche doch einander nahe verwandt zu sein scheinen, Ein und die Nemlichen zugleich gute Nachahmer sind, nemlich daß sie eine Komödie und eine Tragödie herstellen würdenWenn am Schlusse des »Gastmahles« Plato die Ansicht ausspricht (aber sie ohne alle nähere Begründung nur gelegentlich einstreut), daß es gerade Sache Ein und des nemlichen Mannes sei, eine Tragödie und eine Komödie zu dichten, so wird es wohl schwer sein, diesen Selbstwiderspruch zu lösen; denn wollten wir selbst an hiesiger Stelle uns dahin flüchten, daß etwa nur von den Schauspielern, nicht aber von den Dichtern die Rede sei, so bleibt ja doch das platonische Motiv der völligen Arbeitsteilung als ein allgemeines auch für die Poesie gültig, und es bliebe nur übrig, daß Sokrates im Gastmahle eben einmal die innige Verwandtschaft zweier Dichtungsarten, auf deren Unterschied hier hingewiesen ist, habe stärker hervorheben wollen.; oder nanntest du diese beiden nicht so eben Gegenstande der Nachahmung? – Ja gewiß, und du sprichst auch wahr, daß nicht die Nemlichen beides können. – Aber es sind ja auch nicht Volkssänger und zugleich Schauspieler die Nemlichen. – Es ist wahr. – Aber ja auch nicht die Schauspieler sind für die Komödien und die Tragödien die nemlichen; all dieses aber sind Gegenstande der Nachahmung; oder nicht? – Ja, Gegenstände der Nachahmung. – Und auch noch in kleinere Theile als diese, o Adeimantos, scheint mir die Begabung des Menschen gespalten zu sein, so daß er unfähig ist, Vieles gut nachzuahmen oder jenes selbst zu vollführen, dessen Verähnlichungen eben die Nachahmungen sind. – Sehr wahr, sagte er. –
8. Wenn wir also unsere ursprüngliche Begründung B. II, Cap. 14. bewahrt wissen wollen, daß uns die Wächter, von allen übrigen Werkthätigkeiten entledigt, nur die Werkmeister der Freiheit des Staates in vollster Genauigkeit sein und nichts Anderes betreiben sollen, was nicht auf dieß hin führt, so dürfen sie wohl demnach nichts Anderweitiges vollführen oder nachahmen; wann sie aber Etwas nachahmen, so sollen sie gleich von Jugend an das hiezu Gebührende nachahmen, nemlich tapfere, besonnene, frevellose, freie Männer und überhaupt das Derartige, das Unfreie hingegen sollen sie weder ausüben noch gewandt sein, es nachzuahmen, und auch überhaupt nichts Schimpfliches, damit sie nicht von der Nachahmung das wirkliche Sein als Gewinn davontragen; oder hast du etwa nicht bemerkt, daß die Nachahmungen, wenn sie von Jugend auf weit hinaus fortdauern, in die Gewohnheiten und in die Begabung selbst eintreten, sowohl bezüglich des Körpers, als auch bezüglich der Stimme, als auch bezüglich der Gedanken? – Ja wohl, gar sehr, sagte er. – Nicht also werden wir es gestatten, sagte ich, daß diejenigen, um welche wir uns bekümmern und welche zufolge unserer Behauptung gute Männer werden sollen, ein Weib nachahmenBekannlich wurden bei den Alten im Drama auch die Frauenrollen von Männern gespielt., sie, die ja Männer sind, sei es ein junges oder ein älteres Weib, mag dasselbe den Ehmann beschimpfen oder mit den Göttern hadern und übermüthig sich geberden, weil es sich für glücklich hält, oder mag es in Unglück und Leiden und Thränen befangen sein; ein krankes aber, oder ein liebendes, oder ein in den Wehen liegendes Weib doch wohl noch weniger. – Ja, durchaus wohl, sagte er. – Und auch Sklaven oder Sklavinnen nicht, welche vollführen, was Sache von Sklaven ist. – Nein, auch dieß nicht. – Und ja auch nicht schlechte Männer, wie es scheint, welche feig sind und das Gegentheil von jenem vollführen, was wir eben sagten, indem sie auf einander schmähen und spotten und, betrunken oder nüchtern, schimpfliche Reden führen, oder auch Anderes von all dem thun, was die Derartigen in Worten und in Thaten gegen sich selbst und gegen die Uebrigen verbrechen; aber auch nicht mit Wahnsinnigen, glaube ich, sich in Worten oder Thaten ähnlich zu machen sollen sie sich gewöhnen; denn kennen wohl muß man allerdings die wahnsinnigen und die schlechten Männer und Weiber, aber thun oder nachahmen darf man Nichts von Solchen. – Sehr wahr, sagte er – Was weiter? sprach ich, sollen sie Erzschmiede oder irgend andere Werkmeister, oder Solche, welche auf Kriegsschiffen rudern oder den Ruderern Befehle geben, oder irgend etwas Anderes dorthin Gehöriges nachahmen? – Und wie sollten sie dieß, sagte er, da ihnen ja auch nicht einmal erlaubt sein wird, auf irgend Etwas hievon ihre Aufmerksamkeit zu richten? – Was weiter? Werden sie etwa wiehernde Pferde und brüllende Stiere und rauschende Flüsse und das tobende Meer und Donnerschläge und all Derartiges nachahmen? – Aber es ist ihnen ja untersagt, sprach er, sei es zu rasen oder sei es Rasenden sich ähnlich zu machen. – Wenn also, sagte ich, ich recht verstehe, was du sagst, so gibt es irgend eine Art des Sprachausdruckes und der Kundgebung, in welcher der wirklich Gute und Treffliche Etwas kundgeben würde, wann er Etwas aussprechen soll, und hinwiederum eine andere, der ersten ungleiche Art, an welche sich wohl immer derjenige halten und in ihr Etwas kundgeben würde, welcher eine dem ersteren entgegengesetzte Begabung und Erziehung hat. – Welche sind denn diese zwei Arten? sagte er. – Einerseits, sprach ich, wird, wie mir scheint, der ordentliche Mann, wenn er in seiner Kundgebung auf eine Rede oder eine That eines guten Mannes gekommen ist, dieß berichten wollen, wie wenn er selbst jener wäre, und sich einer derartigen Nachahmung nicht schämen, zumeist ja, wenn er den Guten nachahmt, insoferne derselbe sicher und verständig handelt und seltener und in geringerem Grade in Folge von Krankheiten oder Liebesneigungen oder der Trunkenheit oder irgend einer anderen Zufälligkeit einen Fehltritt macht; hingegen wenn er auf einen seiner selbst Unwürdigen gekommen ist, so wir er nicht mit Eifer sich selbst dem Schlechteren ähnlich machen wollen, außer nur auf ganz kurze Zeit, wenn jener etwas Wackeres thut, sondern er wird sich schämen, indem er sowohl ungeübt in der Nachahmung der Derartigen ist, als auch zugleich Aerger darüber empfindet, sich selbst in das Gepräge der Schlechteren auszuprägen und in dasselbe sich hineinzufinden, da er dieß in seinem Denken verachtet, außer etwa, wenn es sich um einen Scherz handelt. – Ja, wahrscheinlich so, sagte er. – Nicht wahr also, er wird wohl einer Kundgebung sich bedienen, wie wir sie kurz vorher betreffs der epischen Gedichte des Homeros angaben, und es wird sein Sprachausdruck wohl an jenem beiden Theil haben, nemlich an der Nachahmung und auch an der einfachen Kundgebung, aber eben nur in irgend einem kleinen Theile an der Nachahmung während einer ganzen langen Darlegung oder Kundgebung; oder sage ich hiemit Nichtiges? – Gar sehr ja, sagte er, eben Solches, wie das Gepräge des derartigen Redners nothwendig sein muß. –