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15. Ein Werkmeister, sprach ich, verlangt, wenn er krank ist, von dem Arzte eine Arznei, um, nachdem er sie getrunken, die Krankheit durch Erbrechen wegzubringen, oder um nach Unten abzuführen, oder um durch Anwendung des Brennens oder des Schneidens von ihr loszukommen; wenn ihm aber Jemand jene im Kleinen wirkende Diät verschriebe, indem er ihm Käppchen auf das Haupt legte oder was sonst dergleichen ist, so würde er bald sagen, daß er keine Zeit habe, krank zu sein, und ein solches Leben ihm nicht gewinnbringend sei, wo er seine Gedanken auf die Krankheit richten, die ihm obliegende Arbeit aber vernachlässigen müßte; und hierauf würde er dem derartigen Arzte Lebewohl sagen und, nachdem er zur gewohnten Lebensweise zurückgekehrt, gesund werden und sein Geschäft vollführend leben; falls aber der Körper nicht stark genug wäre, dieß zu ertragen, würde er sterben und aller Plage überhoben sein. – Ja, und für einen Derartigen wohl, sagte er, scheint es zu passen, in dieser Weise von der Arzneikunst Gebrauch zu machen. – Wohl eben, sprach ich, darum, weil er ein Geschäft hatte, ohne dessen Betrieb ihm das Leben nicht gewinnbringend wäre. – Ja, dieß ist klar, sagte er, – Der Reich aber denn nun hat, wie wir sagen, kein derartiges ihm obliegendes Geschäft, bei dessen nothgedrungenem Aufgeben er nicht mehr leben könnte. – Sicher nicht; so sagt man wenigstens. – Auf den Spruch des PhokylidesPhokylides von Milet, dessen Blüthezeit ungefähr zwischen 550 und 540 v. Chr. fällt, war ein gnomischer und elegischer Dichter von ebenso bedeutender künstlerischer Begabung, als wahrhaft edlem und sittlichem Charakter. nemlich hörst du wohl nicht, wenn er sagt, man müsse, sobald man erst zu leben habe, Vortrefflichkeit üben, – Ich glaube aber ja, sagte er, wohl auch schon vorher. – Hierüber, sprach ich, wollen wir mit ihm nicht streiten, sondern darüber uns selbst belehren, ob Letzteres überhaupt der Reiche betreiben müsse und er, wenn er dieß nicht thue, nicht mehr leben könne, oder ob jenes förmliche Nähren der Krankheit wohl bloß für die Tätigkeit des Handwerkers und für die übrigen Künste ein Hemmniß der Aufmerksamkeit des Sinnes sei, dem Rathe des Phokylides hingegen durchaus nicht im Wege stehe. – Ja wahrlich, bei Gott, sagte er, darüber wollen wir uns belehren. – So ziemlich ja von Allem zumeist gilt dieß wenigstens von jener über die Gymnastik hinausgehenden und übermäßigen Sorgfalt für den Leib; denn dieß ist sowohl für Führung des Hauswesens, als auch für Feldzüge und für sitzende Geschäfte im Staate etwas Mißliches; das Wichtigste aber denn nun ist, daß sie auch für jedwedes Lernen und Nachdenken und für jede innere Betriebsamkeit gefährlich ist, indem sie immer Kopfschmerzen und Schwindel befürchtet und hievon dem Weisheitsstreben die Schuld beimißt, so daß, wo sie waltet, sie ein Hemmniß dagegen ist, daß man in der Vortrefflichkeit sich übe und erprobe; denn sie bewirkt, daß man stets krank zu sein glaubt und niemals aufhört, bezüglich des Körpers voll Schmerzen zu sein. – Ja, wahrscheinlich wohl, sagte er. – Nicht wahr also, sprach ich, auch von Asklepios wollen wir sagen, daß er von dieser Einsicht durchdrungen wohl für Diejenigen und deren Beschaffenheit, welche von Natur aus und durch ihre Lebensweise körperlich gesund sind, aber irgend eine vereinzelte Krankheit in sich haben, seine Arzneikunst darlege und, indem er durch Arzneien und durch Schneiden die Krankheiten aus ihren Körpern wegbringe, ihnen wieder die gewohnte Lebensweise vorschreibe, um ja dem Staatlichen keinen Schaden zuzufügen, daß er hingegen an die innerlich durchaus kranken Körper gar nicht Hand anlege, um etwa durch Verhaltungsregeln allmälig immer Etwas abzuschöpfen und wieder hinzuzuträufeln und so dem Manne ein langes und zugleich schlimmes Leben zu bewirken, und hiedurch, wie zu erwarten ist, auch die Nachkommenschaft derselben wieder als eine derartige hervorzurufen, sondern daß er der Ansicht sei, man dürfe denjenigen, welcher einmal in dem jeweilig bestehenden ZeitalterD. h. nach Plato's Ansichten, wie wir sie unten (B. X, Cap. 15) finden werden, steht ja dem Nichts im Wege, daß eine Seele in einer späteren Weltperiode wieder einen Leib erhält, welcher vielleicht einer besseren Constitution, als der frühere, sich erfreuen kann (vgl. auch Phädon Cap. 30 f. u. 57). nicht zu leben befähigt ist, überhaupt gar nicht pflegen, da dieß weder ihm selbst, noch dem Staate gewinnbringend sei. – Ein Staatsmann ja, sagte er, ist zufolge deiner Aeußerungen Asklepios. – Ja, klärlich, sagte ich; und auch seine Söhne möchten wohl zeigen, daß er ein solcher war; oder siehst du nicht, wie sie vor Troja als tüchtig im Kriege erschienen und von der Arzneikunst in der Weise, wie ich sage, Anwendung machten? oder erinnerst du dich nicht, daß sie auch dem Menelaos aus jener Wunde, welche ihm Pandaros versetzt hatte,
»das Blut aussogen, und dann lindernde Mittel auflegten«Ilias IV, V. 218 (mit kleiner Abweichung).;
aber was jener hernach essen oder trinken solle, schrieben sie ihm ebenso wenig als dem Eurypylos vor, eben als seien die Arzneimittel genügend, um Männer zu heilen, welche vor der Verwundung gesund waren und eine ordentliche Lebensweise führen, selbst wenn sie dann sogleich nach der Verwundung jenen Mischtrank von Wein und Käse tränken; von jenem hingegen, welcher von Natur aus kränkelt und ein zügelloses Leben führt, glaubten sie, es nütze weder ihm selbst, noch den Uebrigen, wenn er lebe, und für diese sei die Arzneikunst gar nicht da, noch dürfe man sie pflegen, selbst wenn sie reicher als Midas wären. – Gar feine Leute ja, sagte er, sind zufolge deiner Aeußerungen die Aeskulap-Söhne. –^
16. Dieß ziemt sich aber auch, sprach ich; und doch stimmen ja mit uns die Tragödiendichter und PindarosPindar, Pyth. III, V. 96. Bei den uns erhaltenen Tragikern findet sich dieser Mythus nicht. nicht überein und behaupten, Asklepios sei zwar ein Sohn des Apollo, habe sich aber durch Gold bereden lassen, einen reichen, bereits dem Tode nahen, Mann zu heilen, und daher denn auch sei er durch einen Blitz getötet worden; wir hingegen werden gemäß dem früher Gesagten B. II, Cap. 19. Jenen nicht zugleich beides glauben, sondern wenn er der Sohn eines Gottes war, so war er, werden wir sagen, nicht gewinnsüchtig, wenn aber gewinnsüchtig, so war er nicht eines Gottes Sohn. – Ja, völlig richtig wohl, sagte er, ist dieß wenigstens; aber, o Sokrates, was meinst du betreffs des folgenden: müssen wir etwa nicht in unserem Staate tüchtige Aerzte haben, und waren nicht solche zumeist diejenigen, welche die größte Anzahl Gesunder, aber auch die größte Anzahl Kranker unter ihren Händen gehabt, und hinwiederum ebenso auch tüchtige Richter diejenigen, welche mit gar mannigfaltigen Charakteren Umgang gehabt haben? – Ja wohl, gar sehr, sagte ich, bezeichne ich solche als tüchtige; aber weißt du, welche ich für derartige halte? – Wenn du es angibst, sagte er. – Aber ich will es versuchen, sprach ich; du jedoch fragtest in Einem Satze um Dinge, welche einander nicht ähnlich sind. – Wie so? sagte er. – Als Aerzte nemlich, sprach ich, möchten sie allerdings die größte Gewandtheit erlangen, wenn sie, von Jugend auf anfangend, neben dem Erlernen ihrer Kunst auch mit möglichst vielen und möglichst schlechten Körpern umgingen und auch alle Krankheiten sie selbst einmal erlitten und überhaupt keine sehr feste Gesundheit hätten; nemlich, meine ich, nicht vermittelst des Körpers heilen sie den Körper, denn außerdem ginge es ja eben nicht an, daß ihr eigener Körper jemals schlecht wäre oder würde, sondern vermittelst der Seele heilen sie den Körper, bei welcher es ja eben nicht angeht, daß sie schlecht wird oder ist und dabei doch eine gute Heilung bewirkt. – Dieß ist richtig, sagte er. – Hingegen der Richter ja, mein Freund, sprach ich, übt vermittelst der Seele eine Herrschaft über die Seele aus, für welche es nicht angeht, daß sie von Jugend auf unter schlechten Seelen aufgewachsen und mit ihnen umgegangen sei und alle ungerechten Thaten in eigener Ausübung selbst durchlaufen habe, so daß sie etwa von sich selbst aus mit scharfem Blicke die ungerechten Thaten der Uebrigen erkennen würde, wie bezüglich des Körpers die Krankheiten; sondern unerfahren in schlechten Sitten und unvermischt muß sie schon in ihrer Jugend dastehen, woferne sie als treffliche und tüchtige in unverdorbener Weise das Gerechte beurtheilen soll; darum denn nun zeigen sich die Wackeren in ihrer Jugend auch als gutmüthig Einfältige und können von den Ungerechten leicht getäuscht werden, weil sie ja in sich selbst keine Vorbilder besitzen, welche einen dem Schlechten ähnlichen Zustand enthalten. – Ja wohl, sagte er, gar sehr auch widerfährt ihnen wirklich dieß. – Demnach also, sprach ich, darf der tüchtige Richter nicht jung, sondern muß bereits ein Greis sein, welcher spät erst gelernt hat, was Ungerechtigkeit sei, indem er nicht etwa eine ihm eigenthümliche und in seiner eigenen Seele befindliche wahrgenommen hat, sondern sich bemühte, betreffs einer fremden in fremden Seelen nach langer Zeit herauszufühlen, welch ein Uebel sie sei, dabei nemlich ein Wissen, nicht aber selbsteigene Erfahrung in Anwendung bringend. – Wohl der edelste Mensch wenigstens, sagte er, scheint also der derartige Richter zu sein. – Ja, und eben ein tüchtiger, sagte ich, um welchen du nemlich vorhin fragtest; denn wer eine tüchtige Seele hat, ist tüchtig. Jener Gewandte hingegen und überall Schlechtes Argwöhnende, welcher selbst viel Ungerechtes verübt hat und sich selbst für einen Gewaltigen und Weisen hält, wird, wenn er mit seines Gleichen umgeht, sich als einen Gewandten zeigen, weil er sich bei dem Hinblicke auf die in ihm befindlichen Vorbilder wohl in Acht nimmt; wann er hingegen in die Nahe von Tüchtigen und bereits Aelteren kömmt, dann hinwiederum zeigt er sich als einen Unausstehlichen, weil er zur Unzeit mißtrauisch ist und nicht weiß, was ein unverdorbener Charakter sei, insoferne er ja kein Vorbild eines Derartigen besitzt; weil er aber eben häufiger auf Schlechte als auf Gute trifft, so scheint es sowohl ihm selbst, als auch anderen, daß er mehr weise als unwissend sei. – Ja, durchaus ist dieß wahr, sagte er. –
17. Nicht einen Derartigen demnach, sagte ich, darf man als den tüchtigen und weisen Richter suchen, sondern eben jenen Vorigen; denn die Schlechtigkeit wird niemals zur Erkenntniß ihrer selbst und der Vortrefflichkeit gelangen, hingegen die Vortrefflichkeit einer durch die Erziehung geregelten Begabung wird mit der Zeit das Wissen über sich selbst und über die Schlechtigkeit erfassen; weise also wird, wie mir scheint, ein Solcher, nicht aber der Schlechte werden. – Auch mir, sagte er, scheint es ebenso wie dir. – Nicht wahr also, auch eine Arzneikunst, wie wir sie oben angaben, wirst du in Verbindung mit einer derartigen Richter-Thätigkeit in unserem Staate gesetzlich feststellen, indem beide dir unter den Bürgern jenen, welche eine gute Begabung haben, bezüglich ihrer Körper und ihrer Seelen eine Pflege angedeihen lassen, die nicht gut Begabten aber theils, wenn sie bezüglich des Körpers so sind, sterben lassen, theils, wenn sie bezüglich der Seele schlecht begabt und unheilbar sind, sie selbst tödten? – Als das Beste wenigstens, sagte er, zeigt sich's auf diese Weise sowohl für die Betheiligten selbst, als auch für den Staat. – Die jungen Leute demnach, sprach ich, werden dir klärlicher Weise sich wohl in Acht nehmen, daß sie nicht die Richter-Thätigkeit bedürfen, da sie ja jener einfachen musischen Bildung sich bedienen, von welcher wir oben Cap. 12. sagten, daß sie Besonnenheit erzeuge. – Warum auch nicht? sagte er. – Wird also nun nicht der musisch Gebildete, indem er nach der gleichen Spur auch die gymnische Bildung verfolgt, ebenso, sobald er will, es auch erreichen, daß er der Arzneikunst nicht bedarf, außer in Fällen der wirklichen Nothwendigkeit? – So scheint es mir wenigstens. – In den gymnastischen Uebungen selbst also und in den körperlichen Anstrengungen wird er weit mehr im Hinblicke auf das Muthige seiner Begabung und um dieß zu wecken sich anstrengen, als etwa im Hinblicke auf die bloße Starke; nicht ja wird er, wie die übrigen Kämpfer, um der bloßen Körperkraft willen die Diät und die Anstrengungen betreiben. – Völlig richtig, sagte er. – Es werden also, o Glaukon, sprach ich, auch diejenigen, welche die musische und die gymnische Bildung vorschreiben, nicht aus jenem Grunde, welchen Einige annehmen, dieß vorschreiben, nemlich damit sie durch die eine dem Körper und durch die andere der Seele eine Pflege angedeihen lassen? – Aber aus welchem Grunde denn sonst? sagte er. – Es kömmt darauf hinaus, sagte ich, daß sie beides gerade in der Hauptsache um der Seele willen vorschreiben. – Wie so? – Bemerkst du nicht, sagte ich, in welchen Zustand gerade bezüglich der geistigen Thätigkeit diejenigen versetzt werden, welche ihr Leben lang nur mit der Gymnastik sich beschäftigen, die musische Bildung aber gar nicht einmal berühren? oder auch diejenigen, welche in den entgegengesetzten Zustand versetzt wurden? – Betreffs welchen Zustandes, sagte er, meinst du dieß? – Betreffs der Wildheit und Härte, sagte ich, und hinwiederum betreffs der Weichheit und Sanftheit. – Hierüber, sagte er, glaube ich, daß, wer ganz allein untermischt die gymnische Bildung anwendet, wilder daraus hervorgeht, als nöthig ist, und wer hinwiederum nur die musische allein, weicher wird, als es schön ist. – Und in der That auch, sprach ich, möchte das Wilde eben das Muthige in der Begabung zur Folge haben und bei richtiger Bildung nichts Anderes als das Tapfere sein, hingegen bei einer mehr als nöthigen Anspannung wohl, wie zu erwarten ist, ein Hartes und Bedrohliches werden. – Ja, so scheint es mir, sagte er. – Was weiter? Möchte das Sanfte nicht in der weisheitsliebenden Begabung liegen und bei größerem Nachlassen weicher werden als nöthig ist, hingegen bei richtiger Bildung eben ein Sanftes und Ordentliches? – Ja, so ist es. – Wir behaupten aber ja B. II, Cap. 15., daß unsere Wächter diese beiden Begabungen haben sollen. – Ja, sie sollen es. – Nicht wahr also, wechselseitig müssen dieselben in Harmonie stehen? – Wie sollte es anders sein? – Und die Seele desjenigen, welcher harmonisch so gebildet ist, ist besonnen und tapfer? – Ja wohl. – Die desjenigen hingegen, welcher nicht harmonisch, feig und roh? – Ja wohl, gar sehr. –
18. Nicht wahr also, wenn Jemand der musischen Bildung sich darbietet, daß sie durch die Ohren wie durch einen Trichter in seine Seele jene von uns so eben erwähnten süßen und weichen und weinerlichen Tonweisen hineinflöte und in ihr ausgieße, und wenn er sowohl in wehklagender, als auch in fröhlicher Stimmung in Folge des Gesanges sein ganzes Leben zubringt, so wird er allerdings beim ersten Anfange, woferne er ein Muthiges in sich trug, es wie Eisen erweichen und aus einem unbrauchbaren und harten zu einem brauchbaren machen; wenn er aber so fortfährt und, ohne hierin nachzulassen, es stets besänftigt, so wird er bald hernach es bereits zerschmelzen und flüssig machen, bis er den Muth herausgeschmolzen und die Sehnen aus der Seele herausgeschnitten und einen »weichlichen Kämpfer«Ilias XVII, V. 588. erzeugt hat. – Ja wohl, allerdings, sagte er. – Und wenn er, sprach ich, es hiebei von vorneherein mit einem Muthlosen zu thun hat, so ist er schnell damit fertig, wenn aber mit einem Muthigen, so wird er den Muth schwächen und zu einem unüberlegten machen, welcher von kleinen Veranlassungen schnell aufbraust und wieder gelöscht wird; also Jähzornige und leidenschaftliche, nicht aber Mutige, sind diese geworden, voll von Unverträglichkeit. – Ja wohl, gar sehr. – Wie aber nun? Wenn hinwiederum Jemand in gymnischer Kunst sich vielfach anstrengt und in derselben förmlich schwelgt, musische Bildung aber und Streben nach Weisheit gar nicht einmal berührt, wird er da nicht beim ersten Anfange allerdings sich körperlich wohl verhaltend mit Selbstvertrauen und Muth erfüllt und tapferer werden, als er selbst war? – Ja, sehr. – Was aber weiter? sobald er gar Nichts anderes betreibt und in keinerlei Gemeinschaft mit irgend Musischem tritt, wird dann nicht, wenn auch in seiner Seele ein Lernbegieriges sich fand, dasselbe, weil es weder irgend einen Lerngegenstand oder eine Forschung zu kosten bekam, noch auch der begründenden Reden oder der übrigen musischen Thätigkeit theilhaftig wurde, nicht sicher ein Schwaches und Taubes und Blindes werden, insoferne es nicht geweckt und nicht genarrt und seine Wahrnehmungen nicht gereinigt wurden? – Ja, ebenso, sagte er. – Also ein Feind der begründenden Rede, glaube ich, wird der Derartige und ein musisch Ungebildeter, und von der Ueberzeugung durch Angabe der Gründe wird er keinerlei Gebrauch mehr machen, sondern mit Gewalt und Wildheit wird er wie ein Thier bei Allem seinen Willen durchsetzen, und in Unwissenheit und Unbeholfenheit verbunden mit Formlosigkeit und Garstigkeit wird er sein Leben führen. – Ja durchaus so, sagte er, verhält sich's. – Zum Behufe dieser beiden demnach, wie es scheint, hat diese beiden Künste, wie ich wohl behaupten möchte, irgend ein Gott den Menschen verliehen, nemlich die musische und die gymnische Kunst zum Behufe des Muthigen und des Strebens nach Weisheit, nicht aber zum Behufe der Seele und des Leibes, außer etwa nur nebenbei, sondern eben zum Behufe jener anderen beiden, damit nemlich dieselben durch wechselseitiges Anspannen und Nachlassen bis zum eigentlich Gebührenden sich harmonisch vereinigen. – Ja, so scheint es auch, sagte er. – Also von demjenigen, welcher am schönsten mit der musischen Bildung die gymnische mischt und im richtigsten Maße sie an die Seele heranbringt, möchten wir wohl am füglichsten behaupten, daß er in vollendeter Weise der am meisten musisch Gebildete und harmonisch Gestaltete ist, weit mehr als jener, welcher bloß die Saiten harmonisch zusammen stellt. – Ja, aus guten Gründen wohl, o Sokrates, sagte er. – Nicht wahr also, auch in unserem Staate, o Glaukon, bedürfen wir stets eines derartigen Vorstehers, woferne die Staatsverfassung bewahrt bleiben soll. – Ja allerdings, im möglichst höchsten Grade werden wir eines solchen bedürfen. –
19. Das Gepräge denn nun der Erziehung und der Pflege dürfte dieses sein; denn wozu sollte man noch die Reigentänze der derartigen und ihre Jagden mit oder ohne Hunde und ihre gymnischen Wettkämpfe und Pferderennen durchgehen? es ist nemlich so ziemlich klar, daß Solches mit dem Vorigen im Einklange sein muß, und es ist nicht schwer, es ausfindig zu machen. – Ja, vielleicht, sagte er, ist es nicht schwer. – Weiter, sagte ich, was also dürfte uns wohl nach diesem festzustellen sein? etwa nicht die Frage, wer denn nun von eben diesen der Herrschende und der Beherrschtwerdende sei? – Was denn sonst? – Daß nun wohl bejahrtere die Herrscher sein müssen, jüngere aber die Beherrschten, ist klar? – Ja, klar. – Und auch, daß es ja die besten unter ihnen sein müssen? – Ja, auch dieß. – Sind aber nicht unter den Landbebauern die besten jene, welche im höchsten Grade Landbebauer sind? – Ja. – Nun aber, da jene ja unter den Wächtern die besten sein sollen, müssen es nicht diejenigen sein, welche im höchsten Grade Wächter des Staates sind? – Ja. – Nicht wahr also, sowohl klug müssen sie in dieser Beziehung sein, als auch befähigt, und ferner auch muß ihnen der Staat ein Gegenstand ihrer Sorge sein? – Ja, so ist es. – Gegenstand der Sorge aber ist zumeist jenes, was man liebt? – Ja, nothwendig. – Und nun aber möchte Jemand wohl jenes zumeist lieben, für welches er das Nemliche als zuträglich erachtet wie für sich selbst, und zwar auch, wenn er glaubt, daß bei dem Wohlergehen desselben auch für ihn selbst ein Wohlergehen sich ergebe, im entgegengesetzten Falle aber das Entgegengesetzte. – Ja, ebenso, sagte er. – Auszuwählen also sind aus den übrigen Wächtern derartige Männer, von welchen bei unserer Erwägung es sich zumeist zeigt, daß sie ihr ganzes Leben hindurch dasjenige, was sie für den Staat als zuträglich erachten, mit aller Bereitwilligkeit thun, was aber als nicht zuträglich, in keiner Weise vollführen wollen. – Solche sind allerdings tauglich, sagte er. – Mir scheint demnach, man müsse sie in allen Lebensaltern beobachten, ob sie gute Wächter dieser Ansicht seien und weder durch eine Bezauberung noch durch Gewalt jene Meinung, daß man thun müsse, was für den Staat das beste ist, je vergessen und aus sich verbannen. – Welches Verbannen, sagte er, meinst du hiemit? – Ich will es dir sagen, erwiederte ich. Es scheint mir eine Meinung aus der Denkthätigkeit zu entschwinden entweder in freiwilliger oder in unfreiwilliger Weise; in freiwilliger nemlich die falsche Meinung aus demjenigen, welcher sich eines Anderen belehren ließ, in unfreiwilliger aber jede wahre Meinung. – Was hiebei das freiwillige Verbannen betrifft, sagte er, so verstehe ich es, hingegen das unfreiwillige wünsche ich erst noch kennen zu lernen. – Wie aber? sprach ich; hältst nicht auch du dafür, daß des Guten die Menschen unfreiwillig beraubt werden, des Schlimmen aber freiwillig? oder ist es nicht etwas Schlimmes, betreffs der Wahrheit getäuscht zu sein, etwas Gutes aber, die Wahrheit zu besitzen? oder scheint es dir nicht ein Besitz der Wahrheit zu sein, wenn man das wirklich Seiende in seiner Meinung erfaßt? – Du hast aber hiemit Recht, sagte er, und es scheinen mir die Menschen nur unfreiwillig ihrer wahren Meinung beraubt zu werden. – Nicht wahr also, entweder durch Ueberlistung oder durch eine Bezauberung oder durch Vergewaltigung widerfährt ihnen dieß? – Auch jetzt noch, sagte er, verstehe ich es nicht. – Es kömmt ja darauf hinaus, erwiederte ich, daß ich dunkel wie ein Tragiker spreche; überlistete nemlich nenne ich diejenigen, welche eines Andern sich belehren ließen und jene, welche Etwas vergaßen, weil nemlich den Einen die Zeit, den Anderen eine begründende Rede ihre Meinung, ohne daß sie es bemerken, benimmt; nemlich jetzt doch wohl verstehst du es? – Ja. – Vergewaltigte hingegen nenne ich diejenigen, welche irgend ein Schmerz oder eine Qual auf eine andere Meinung brachte. – Auch dieß, sagte er, verstehe ich, und du hast Recht. – Als Bezauberte aber möchtest ja wohl auch du, wie ich glaube, diejenigen bezeichnen, welche ihre Meinung ändern, indem sie durch irgend ein Vergnügen eingelullt wurden oder durch irgend eine Furcht in Angst sind. – Es scheint ja auch, sagte er, all jenes bezaubernd zu wirken, was eine Täuschung enthält. –
20. Demnach müssen wir, wie ich so eben sagte, suchen, welche die besten Wächter ihrer eigenen Ansicht seien, nemlich daß sie jenes wirklich thun müssen, was sie stets für den Staat als das Beste erachten. Beobachten also müssen wir sie von Jugend auf, indem wir ihnen Aufgaben vorlegen, bei welchen man das Derartige am ehesten vergessen und darin getäuscht werden könnte; und denjenigen, welcher eingedenk bleibt und sich nicht leicht täuschen läßt, müssen wir auswählen, jenen hingegen, der nicht so ist, bei Seite stellen; oder wie sonst? – Ja. – Auch Anstrengungen hinwiederum und Qualen und Kämpfe müssen wir für sie veranstalten, in welchen wir eben Jenes beobachten müssen. – Dieß ist richtig, sagte er. – Nicht wahr also, sprach ich, auch von der dritten Art nun, nemlich von der Bezauberung, müssen wir ihnen einen Wettstreit bewerkstelligen und dabei zuschauen; sowie man die jungen Pferde zu Geräusch und Lärm hinführt und hiedurch erkennt, ob sie furchtsam seien, ebenso müssen wir jene in der Jugend zu irgend Gegenständen der Furcht bringen und dann hinwiederum in Vergnügungen sie versetzen, indem wir sie in weit höherem Grade als Gold im Feuer erproben, ob Einer als schwer zu bezaubernd und als wohlanständiger in Allem sich zeige, ein tüchtiger Wächter seiner selbst und der musischen Bildung, welche er gelernt hat, in schönen Formen und in harmonischem Einklang in all diesem sich bewährend, wie er denn auch sowohl für sich als auch für den Staat der brauchbarste wäre. Und denjenigen, welcher immer, im Knaben- und im Jünglings- und im Mannes-Alter erprobt wurde und ohne Makel daraus hervorging, müssen wir als Herrscher und Wächter des Staates aufstellen und ihm bei Lebzeiten und im Tode Ehren erweisen, indem er bezüglich des Begräbnisses und der übrigen Zeichen des Andenkens die größte Auszeichnung erlangt; jenen aber, welcher nicht derartig ist, müssen wir bei Seite stellen. Solcher Art, o Glaukon, sagte ich, scheint mir die Auswahl und die Aufstellung der Herrscher und Wächter zu sein, um sie hiemit bloß dem allgemeinen Gepräge nach, nicht aber in aller Genauigkeit, anzugeben, – Auch mir, sagte er, zeigt sich's ungefähr so. – Ist es also wohl in Wahrheit das Richtigste, diese als vollständige Wächter sowohl bezüglich der äußeren Feinde als auch bezüglich der Freunde im Innern zu bezeichnen, damit nemlich die letzteren nicht den Willen und die ersteren nicht die Fähigkeit haben, Böses zu verüben, diejenigen Jünglinge hingegen, welche wir bisher jetzt Wächter nannten, als Helfer und Beiständer für die Ansicht der Herrschenden zu bezeichnen? – Ja, mir wenigstens, sagte er, scheint es so. –
21. Welche Möglichkeit also nun, sprach ich, möchte sich uns wohl ergeben, daß es noch etwas Edles sei, wenn wir mit irgend einer jener nothwendigen Lügen, von welchen wir schon sprachen Oben Cap. 3 u. B. II Cap. 21., die Leute belügen und hiedurch vor Allem zwar die Herrscher selbst und, wenn dieß nicht gelingen sollte, den übrigen Staat überreden wollen? – Welche Lüge denn? sagte er. – Keine neue, erwiederte ich, sondern irgend eine PhönikischeOffenbar Anspielung auf die phönikische Abkunft des Kadmos, welcher zufolge der allbekannten Sage die Zähne des von ihm erlegten Drachen säete, worauf dann bewaffnete Männer aus der Erde hervorwuchsen. Im Folgenden liegt die Hinweisung auf eine solche mythische Entstehung der Menschen aus der Erde deutlich genug vor. Aber die etymologische Deutung, welche jenem Mythus insoferne gegeben wurde, daß jene erdentsprossenen Männer eben die Sparten gewesen seien, ist sowohl wegen der allgemeinen Hinneigung Plato's zu Lacedämon, als auch insbesondere wegen der alsbald folgenden Angabe der Lebens-Einrichtungen u. dgl. nicht zu übersehen, da ja all Derartiges im Ganzen in spartanischen Institutionen schon als Vorbild für Plato's Theorie dastand., welche zwar früher schon an vielen Orten vorkam, wie die Dichter behaupten und uns hievon auch überzeugt haben, in unseren Zeiten aber nie vorgekommen ist und vielleicht, was ich nicht weiß, auch nicht vorkommen wird, jedenfalls aber eine bedeutende Ueberzeugungskraft erfordert, um Jemanden davon zu überzeugen. – Es sieht ja aus, sagte er, als nehmest du Anstand, es zu sagen. – Ich werde dir aber auch, erwiederte ich, aus guten Gründen Anstand zu nehmen scheinen, sobald ich es nur wirklich gesagt habe. – So sprich es nur aus, sagte er, und habe keine Furcht. – So spreche ich es denn nun aus; und doch weiß ich nicht, mit welcher Kühnheit oder mit welchen Worten ich es sagen und versuchen soll, zunächst die Herrscher selbst und die Krieger, sodann aber auch den übrigen Staat davon zu überzeugen, daß sie all dasjenige, was wir bisher über ihre Pflege und Bildung sagten, gleichsam in einem Traume zu erleben und an sich zu erfahren schienen, sie aber damals in Wahrheit unter der Erde im Innern derselben geformt und gepflegt wurden, sie selbst und ihre Waffen und all ihre übrigen kunstvoll gefertigten Geräthe, und sie dann, nachdem sie vollständig ausgearbeitet waren, und ihre Mutter, die Erde, sie nach Oben an's Licht gesendet hatte, nun auch über das Land, in welchem sie sind, wie über eine Mutter und Pflegerin, sich berathen und dasselbe vertheidigen müssen, wenn Jemand es angreift, und sie ebenso auch über die übrigen Bürger wie über Brüder und gleichfalls Erdentsprossene denken müssen. – Nicht umsonst allerdings, sagte er, hast du schon von vorneherein dich geschämt, diese Lüge auszusprechen. – Allerdings, erwiederte ich, aus guten Gründen; aber dennoch höre auch noch das Uebrige dieser Fabel. Ihr alle nemlich, – so werden wir zu ihnen in Erzählung der Fabel sprechen –, seid Brüder im Staate; aber der Gott hat, als er euch formte, denjenigen von euch, welche tüchtig zum Herrschen sind, bei der Entstehung Gold beigemischt, daher diese auch die Ehrwürdigsten sind, Silber hingegen jenen, welche Helfer sind, Eisen aber und Erz den Landbebauern und den übrigen Handwerkern. Insoferne ihr also sämmtlich mit einander verwandt seid, erzeugt ihr wohl meistenteils solche Nachkommen, welche euch selbst ähnlich sind, zuweilen aber kann auch aus einem Goldenen ein silberner Sprößling und aus einem Silbernen ein goldener Sprößling und ebenso auch bei allen Uebrigen wechselseitig entstehen. Den Herrschern also gebietet der Gott vor Allem und zumeist, daß sie in Nichts so gute Wächter sein und Nichts so sehr bewachen sollen, als eben ihre Sprößlinge, nemlich was in den Seelen derselben etwa beigemischt sei, und daß sie, wenn ihr Sprößling mit Erz oder mit Eisen versetzt zur Welt komme, in keiner Weise Mitleid haben, sondern die seiner Begabung gebührende Geltung ihm verleihen und ihn in die Handwerker und Landbebauer verstoßen, und hinwiederum auch, wenn von diesen Einer mit Gold oder Silber versetzt geboren wird, sie ihm seine Geltung anweisen und ihn entweder zu den Wächtern oder zu den Helfern hinaufbringen, da es ein altes Orakel ist, daß der Staat dann zu Grunde gehe, wann ihn das Eisen oder das Erz bewache. Weißt du also nun betreffs dieser Fabel irgend eine Möglichkeit, daß die Leute von ihr überzeugt werden? – In keiner Weise, sagte er, wenigstens, daß diese Jetzigen selbst es werden, vielleicht aber, daß deren Söhne und Nachkommen und überhaupt die späteren MenschenPlato schmeichelt sich also, wie Doktrinäre so gerne thun, der Hoffnung, daß seine Theorie in Zukunft von allen Menschen als die Lösung aller Räthsel und als der wahre Stein der Weisen werde betrachtet werden. Ueber den Aristokratismus, welcher dieser platonischen Vision zu Grunde liegt, brauchen wir wohl eben so wenig ein Wort hinzuzufügen, wie über die darin enthaltene Prädestinationslehre, welche jede persönliche Freiheit aufhebt. Was soll dann die stete Aufforderung des »Philosophen« bedeuten, man müsse sich üben, um die Sonne der Wahrheit zu schauen u. dgl. mehr, wenn Tausenden schon durch die Geburt das »unedle« Metall mit all seinen Schlacken und all seinem Unheile mitgegeben ist?. – Aber auch dieß, sagte ich, wäre gut, damit sie dereinst mehr den Staat und wechselseitig sich selbst zum Gegenstande ihrer Sorge machen würden; ich verstehe nemlich so ziemlich, was du hiemit meinst. Und dieß denn nun wird sich wohl so verhalten, wie es der göttliche Ausspruch lenkt.
22. Wir aber wollen diese Erdgebornen nun bewaffnen und unter Anführung ihrer Herrscher ausrücken lassen. Nachdem sie aber ausmarschirt sind, sollen sie sich umsehen, wo im Staate sie am besten ein Lager schlagen werden, um von dort aus sowohl die Einwohner am meisten im Zaume zu halten, falls Jemand den Gesetzen sich nicht fügen wollte, als auch die Auswärtigen abzuwehren, falls Jemand als Feind wie ein Wolf zur Heerde herankäme; nachdem sie aber Lager geschlagen haben, sollen sie die nöthigen Opfer verrichten, und dann sich Schlafstätten bereiten; oder wie anders? – Eben so, sagte er. – Nicht wahr also, derartige Schlafstätten, daß dieselben sowohl im Winter Schutz gewähren, als auch für den Sommer genügend sind? – Warum auch nicht? Wohnungen nemlich, sagte er, scheinst du mir hiemit zu meinen. – Ja, erwiederte ich; nemlich eben Krieger-Wohnungen, nicht aber Wohnungen für den Gelderwerb. – Wie meinst du hinwiederum, sagte er, daß letztere von ersten sich unterscheiden? – Ich will es versuchen, dieß dir anzugeben. – Nemlich das Schrecklichste von Allem und das Schimpflichste für Hirten ist doch wohl, wenn sie derartige Hunde in solcher Weise als Wächter der Heerde aufziehen, daß in Folge der Zügellosigkeit oder des Hungers oder irgend einer anderen schlechten Angewöhnung die Hunde selbst sich daran machen, den Schafen Böses zuzufügen, und so eher Wölfen als Hunden gleichen. – Ja, schrecklich, sagte er, ist es, und wie sollte es auch nicht? – Nicht wahr also, auf jede Weise muß man es verhüten, daß unsere Helfer nicht Derartiges gegen die Bürger, da sie denselben überlegen sind, verüben, nemlich daß sie nicht eher wilden Gebietern als wohlwollenden Bundesgenossen gleichen. – Ja, verhüten muß man dieß, sagte er. – Nicht wahr also, mit der größten Vorsicht hierin wären sie wohl schon ausgerüstet, woferne sie in Wahrheit gut erzogen sind? – Nun aber sind sie dieß ja schon, sagte er. – Und ich erwiederte: Dieß gerade soll man nicht zu sehr betheuern, mein lieber Glaukon; hingegen, was wir eben sagten, soll man betheuern, daß es nemlich nothwendig ist, daß jene die richtige Erziehung, welche immer sie sein mag, erlangen, woferne sie den wichtigsten Punkt dazu besitzen sollen, um sanft zu sein gegen sich selbst unter sich und gegen die von ihnen Bewachten. – Ja, und zwar mit Recht, sagte er. – Aber neben dieser Erziehung nun sollen sie, wie jeder Verständige wohl behaupten dürfte, auch derartige Wohnungen und eine derartige übrige Habe sich bereitet haben, welche weder den Wächtern selbst es unmöglich machen, daß sie die Besten sind, noch sie veranlassen, den übrigen Bürgern Böses zu thun. – Ja, und in Wahrheit wird man dieß behaupten. – Sieh also zu, sagte ich, ob sie etwa in folgender Weise leben und wohnen müssen, woferne sie eben Derartige sein sollen: Erstens nemlich daß Keiner irgend eine ihm eigenthümliche Habe besitze, wenn es nicht durchaus nothwendig ist; ferner daß Keiner eine Wohnung oder irgend eine Vorratskammer habe, in welche nicht ein Jeder, der will, eintreten kann; alles Nöthige aber, was besonnene und tapfere Kriegs-Kämpfer bedürfen, sollen sie nach bestimmter Feststellung von den übrigen Bürgern als Lohn für ihren Wachdienst erhalten, und zwar gerade so Viel, daß für den Zeitraum eines Jahres ihnen weder Etwas übrig bleibt, noch sie Mangel haben; gemeinschaftliche Mahlzeiten aber sollen sie besuchen und so, wie im Feldlager, gemeinschaftlich leben; was aber Gold und Silber betrifft, so soll man ihnen sagen, daß sie von den Göttern her stets in ihrer Seele göttliches Gold und Silber besitzen und das menschliche nicht bedürfen, und daß es nicht erlaubt sei, den Besitz des ersteren durch Mischung mit dem Besitze des sterblichen Goldes zu beflecken, weil ja viel Frevelhaftes betreffs des gewöhnlichen Geldes schon geschehen sei, das bei ihnen selbst befindliche aber makellos sei; hingegen ihnen allein unter den im Staate Lebenden soll es verpönt sein, Gold und Silber in die Hand zu nehmen und zu berühren, oder unter demselben Dache mit ihm zu wohnen, oder es als Schmuck umzuhängen oder aus silbernem und goldenem Geschirre zu trinken. Und auf diese Weise also möchten sie sowohl selbst bewahrt bleiben, als auch den Staat bewahren; wann hingegen sie selbst sowohl eigenes Land als auch Wohnungen und Geld besitzen, dann werden sie nicht Wächter, sondern Haushälter und Landbebauer sein und eher feindliche Gebieter als Bundesgenossen der übrigen Bürger werden, und hassend und gehaßt und Hinterlist übend und durch Hinterlist verfolgt werden sie ihr ganzes Leben hinbringen, da sie weit mehr und heftiger die Eingebornen als die äußeren Feinde fürchten müssen und hiemit bereits sogleich dem Verderben entgegenrennen, sie selbst sowohl als auch der übrige Staat. Wollen wir also, sagte ich, um all dieser Dinge willen behaupten, daß auf diese Weise die Wächter betreffs ihrer Wohnung und des sämmtlichen Uebrigen eingerichtet sein sollen, und wollen wir dieß gesetzlich feststellen oder nicht? – Ja, allerdings, sagte Glaukon. –