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Ein Gott von sehr umfassender Bedeutung, dessen wesentliche Natur aber doch das Erdeleben betrifft und zwar vorzugsweise das der vegetativen Schöpfungen, sofern sie saftige Frucht und feurige Wirkung zeigen. Doch ist der Weinstock und seine Traube nur die köstlichste seiner Gaben, keineswegs die einzige. Vielmehr bedeutet er den Saft und die Kraft des Erdelebens überhaupt, wie es sich in Busch und Wald, in quellenden Bergen, fruchttragenden Bäumen, feuchten Gründen offenbart, und der Weinstock ist wohl nur deshalb das Gewächs des Dionysos schlechthin, weil sich die eigenthümliche Verschmelzung von Flüssigkeit und Feuer, von Erdfeuchte und Sonnenwärme, in ethischer Uebertragung von Weichheit und Muth, Ueppigkeit und Kraft, die das ganze Wesen dieses Gottes durchdringt, in diesem Gewächs am sichtbarsten darstellte. Auf das Naturleben in seinen jährlichen Bewegungen und Gegensätzen übertragen ist Dionysos aller Jubel und aller Schmerz dieses vegetativen Erdelebens, im Frühlinge alles Jubels, wie es aus dem Feuchten heraus ins Grüne treibt, in Blüthen und Früchten schwelgt, in den Strahlen der Sonne reift bis es von ihr verzehrt wird, um im Winter dann wieder zu zergehen und in kalter Fluth und finsterem Dunkel begraben das Aeußerste selbst zu leiden und in der menschlichen Brust die verwandte Stimmung hervorzurufen. Es ist kein anderer Cultus, wo der durch die ganze Naturreligion ausgebreitete Pantheismus und Hylozoismus auf so vielseitige Weise und in gleich lebhaften und treffenden Zügen zu Tage träte. Dafür ist dieser Dienst aber auch bilderreicher, begeisterter, beseelter 520 als irgend ein anderer. Man sehe sich um in der überschwenglichen Fülle von Dichtungen und bildlichen Schöpfungen, welche ihm ihren Ursprung verdanken, und man wird voll Bewunderung verzichten das Alles in einer kurzen Skizze zusammenzufassen. In der Poesie ist der Dithyrambus, die Komödie, die Tragödie mit dem Satyrdrama ganz oder zum größten Theil aus den Antrieben des Dionysosdienstes hervorgegangen. Die bewegtere Musik und die gleichartige Darstellung idealer Geschichten in bildlichen Tänzen und Chören hat sich gleichfalls am weitesten in seinem Kreise ausgebildet. Und wer von dem Reichthum an Motiven den die bildende Kunst von diesem Dienste empfangen einen Begriff haben will, der durchlaufe irgend ein Museum, irgend eine Sammlung von Abbildungen antiker Sculpturen oder Vasenbilder oder sonstiger Bildwerke. Ueberall und immer unter neuen und unverhofften Gestalten und in einer gleich überschwenglichen Fülle und Mannichfaltigkeit von Stimmungen und Gruppen wird ihm Dionysos und seine begeisterte Umgebung entgegentreten.
Daß dieser Dienst rein griechischen Ursprungs sei wird sich schwer behaupten lassen. Doch ist wohl zu unterscheiden zwischen den einfacheren und populären Formen der Weinlese und des Frühlings, wie wir sie besonders aus Attika kennen, und den ekstatischen und mystischen der trieterischen Dionysosfeier. Jene ist aufs engste mit der Praxis des Weinbaus verbunden und in ihren idealen Elementen mit aller feineren griechischen Bildung so verträglich, ja ein so wesentliches Moment derselben, daß dieser Dionysos gewiß für wesentlich und ursprünglich griechisch gelten darf. Die winterliche Feier des leidenden Dionysos findet dagegen ihre Analogieen durchaus mehr in den thrakischen lydischen und phrygischen Religionssystemen und scheint sich wirklich, obgleich sehr früh, erst aus jenen Gegenden über Griechenland verbreitet zu haben. Auch blieb sie hier immer vorzugsweise auf die rauheren Gebirgsdistricte des Landes und die weiblichen Theile der Bevölkerung beschränkt, so daß sich z. B. das ältere Attika frei davon gehalten und nur etwa in seine eleusinischen Mysterien einige Elemente davon aufgenommen hatte, auch diese durch Verschmelzung mit dem Demeterdienste veredelnd. Jedenfalls war die trieterische Dionysosfeier die Seite dieser Religion, bei welcher immer der ausländische Aberglaube vorzüglich anknüpfte, besonders die Orphische Mystik, deren eigentliches Element dieser bacchische Orgiasmus des winterlichen und leidenden Dionysos war.
521 In Griechenland galt gewöhnlich Theben für den Stammsitz des Gottes, wenigstens war die Sage daß er hier geboren worden die am meisten verbreitete. Semele hieß seine Mutter, eine der berühmten Töchter des Kadmos: eine Personifikation des im Anhauche des Frühlings von Fruchtbarkeit schwellenden Erdbodens, wie es scheintDer Name wird verschieden erklärt, von Apollodor b. Io. Lyd. d. mens. 4, 38 u. Welcker G. G. 1, 436 durch ϑεμέλη d. i. der feste Grund der Erde, woraus Σεμέλη geworden sei, von Diodor 3, 62 und Schoemann Op. 2, 155 durch Σεμνή, d. i. die Ehrwürdige, σεβλή σεμλή als Nebenform zu Σεμνή. Da sie als Göttin Θυώνη hieß und die Dodonaeische Dione eine verwandte Göttin war, so wurden von einigen Dichtern Θυώνη und Διώνη gleichgesetzt, daher Dionysos auch ein Sohn der letzteren heißt, s. Böckh Soph. Antig. S. 177.. Semele wird geliebt vom Zeus, dem befruchtenden Regengotte des Frühlings, läßt sich aber durch die eifersüchtige Hera verleiten, eine Erscheinung des Gottes in der vollen Majestät seiner Würde d. h. mit Donner und Blitz zu fordern. Das darüber entsetzte, von den Flammen ergriffene Weib gebiert nun sterbend die unreife Frucht (daher πυριγενής), welche auch von der Gluth verzehrt worden wäre, wenn die Erde nicht kühlenden Epheu aus den Säulen des Saales hätte wachsen lassen, so daß das Knäblein dadurch geborgen wurdeEurip. Phoen. 649 m. d. Schol., nach welchen Dionysos deshalb in Theben περικιόνιος hieß.. Darauf nimmt es Zeus und näht es in seinen Schenkel ein (daher μηρορραφής, εἰραφιώτης) und gebiert es aus diesem von neuem, nachdem die Stunde seiner Reife gekommen. Die Fabel ist der von der Geburt des Asklepios ähnlich, wo auch die sterbliche Mutter vom Feuer verzehrt wird. Nur daß Dionysos, der Gott der Traube, noch in einem ganz anderen Sinne πυριγενὴς ist, wie unser Dichter sagt: »Die Sonne hat ihn sich erkoren, daß sie mit Flammen ihn durchdringt.« Der Blitz des Zeus ist das Merkmal dieser flammenden Himmelsgluth, sein Schenkel d. i. seine zeugende Kraft bedeutet die kühlende und netzende Wolke, welche die von beschattendem Epheu geborgene Frucht vollends reifen läßt. Das ist das Gedicht von der Doppelgeburt des Gottes, der Dithyrambos, wie auch Dionysos selbst deswegen διϑύραμβος d. i. der Gott der zwei Ausgänge und διμήτωρ, δισσότοκος u. s. w., d. h. der zweimal geborene heißtAndre Deutungen und analoge Dichtungen b. Diod. 3, 62, Pott Z. f. vgl. Spr. 6, 361, Kuhn Herabh. d. Feuers 167 ff.. Die Sage selbst wird sehr oft wiederholt und ist auch in Bildwerken häufig 522 ausgedrückt wordenSoph. Antig. 1115 ff., Eurip. Bacch. 6–12. 88 ff., Hom. H. 26, Apollod. 3, 4, 3, Diod. 3, 64; 4, 2, Ovid M. 3, 253–315, Lukian D. D. 9, Hygin f. 179 u. A. Ein Gemälde des Inhalts schildert Philostr. 1, 14. Vgl. Müller Handb. § 384, 2, D. A. K. 2. 391 ff. Ein sehr altertümliches Vasenbild aus Korinth mit der Schenkelgeburt und andern Acten b. R. Rochette Peint. d. Pomp. p. 73. 76. 77.. Von den localen Denkmälern Thebens erzählt Euripides in den Bacchen und Pausanias 9, 12, 3; 16, 4.
Zeus übergiebt den Knaben dem Hermes, der ihn den Nymphen von Nysa zur Auferziehung überbringtWelcker Z. f. A. Kunst S. 500–522. Mercurius Liberum Patrem in infantia nutriens in Erz, Plin. 34, 87. Auch zum Himmel trägt Hermes das Bacchuskind empor, Paus. 3, 18, 7.. Eine alte Episode ist daß anfänglich Ino die Meeresgöttin, die Schwester seiner Mutter, des Kindes gewartet habe (S. 471); der Grund derselbe wie wenn Dionysos nachmals vor der Verfolgung des Lykurgos ins Meer d. h. ins Wasser springt und aus demselben im Frühling auf die Erde zurückkehrt. Als Gott des Saftes und der Feuchtigkeit ist auch die Fluth sein Element, wie dieses in verschiedenen Gebräuchen seines Gottesdienstes und in dem Beinamen der Semele Ὕη, wie in seinem eignen Ὕης ausgedrückt wurdeEt. M. Phot. Suid. v., Plut. Is. Osir. 34, Euphorion b. Meineke Anal. Al. 48.. Eben deshalb wird er von den Nymphen groß gezogen, nach Pherekydes von den Dodonaeischen Nymphen d. h. den Hyaden oder Regennymphen, welche zum Lohne dafür später an den Himmel versetzt werden (S. 367). Gewöhnlich wurden aber Nysa oder die Nysaeischen Nymphen als seine Pflegerinnen genannt, von dem quellenreichen Waldgebirge Nysa, welches ursprünglich wohl nur ein Ort der Phantasie war, wo man sich das Bacchuskind in kühler Berggrotte und unter Rebengewinden, wie man es hin und wieder abgebildet siehtS. die Terracotte b. v. Stackelberg Gräber t. 49. Auch der alte Dionysos wurde ἐν ἄντρω κατακείμενος abgebildet, Paus. 5, 19, 1. Νῦσα hieß die Amme bei Terpander nach Io. Lyd. d. mens. 4, 38, vgl. ihre Figur im bacchischen Festzuge zu Alexandria b. Athen. 5, 28. Gewöhnlich sind der Ammen mehrere, Il. 6, 132 Διωνύσοιο τιϑῆναι., heranwachsend dachte, wie das Zeuskind der kretischen Legende in der Höhle des dortigen Idagebirgs. Nachmals, als die verschiedensten Gegenden in und außerhalb Griechenlands darauf Anspruch machten daß der Gott bei ihnen so wunderbar gediehen sei, wurden auch der Nysas eine ganze Menge genannt, unter denen das zu Thrakien sich auf das älteste Zeugniß berufen konnte (Il. 6, 133) und 523 auch aus andern Gründen wahrscheinlich das älteste und ursprüngliche ist. Andere gab es in Makedonien, Thessalien, auf Euboea, in Boeotien, am Parnaß, auf Naxos, in Karien, Lydien und Kilikien, in Arabien und Aethiopien, Indien und LibyenStepb. B. u. Hesych v. Νῦσα, Soph. Antig. 1130 καί σε Νυσαίων ὀρέων κισσήρεις ὄχϑαι χλώρα τ' ἀκτὰ πολυστάφυλος πέμπει, wo wahrscheinlich an das Nysa bei Aegae auf Euboea zu denken ist. Soph. b. Str. 15, 687 τὴν βεβακχιωμένην βροτοῖσι κλεινὴν Νῦσαν, ἢν ὁ βούκερως Ἴακχος αὐτῷ μαῖαν ἡδίστην νέμει. Hom. H. in Cer. 17 (wahrscheinlich verdorben); 26, 5 Νύσης ἐν γυάλοις. Eurip. Bacch. 556 πόϑι Νύσας ἄρα τᾶς ϑηροτρόφου ϑυρσοφορεῖς ϑιάσους ὧ Διόνυσ' ἢ κορυφαῖς Κωρυκίαις; Vgl. Herod. 2, 146; 3, 97. 111 u. A.. Der Name scheint einen feuchten, saftig fruchtbaren Ort zu bedeuten wie jenes Leibethron am makedonischen Olymp, wo Dionysos und Orpheus seit alter Zeit in der Umgebung der Musen verehrt wurden (S. 381). Und auch der Name Διόνυσος oder Διώνυσος wird am besten durch eben dieses Thal, den Ort seiner Jugend und seines verborgenen Heranwachsens erklärt, so daß er also eigentlich der Zeus von Nysa wäreAristid. 1 p. 49 ἤδη δέ τινων ἤκουσα καὶ ἕτερον λόγον ὑπὲρ τούτων ὅτι αὐτὸς ὁ Ζεὺς εἴη ὁ Διόνυσος., der Zeus einer thrakischen und asiatischen, dem kretischen Zeusdienste verwandten Religion, welcher als Personification des jährlichen Naturlebens geboren wird und stirbt, zu einem eignen Gotte und dem Sohne des hellenischen Zeus geworden unter örtlichen Umgebungen und in Folge von mythologischen Dichtungen, über welche wir nicht mehr ins Klare kommen können.
Als Dionysos groß geworden pflanzt er den Weinstock, berauscht sich und seine Ammen und die Dämonen des Waldes und was sich sonst zu ihm gesellt mit dem neuen Erdennektar und beginnt in rauschenden Zügen umherzuschwärmen, voll süßer Lust und Trunkenheit, weichlichen Ansehens und in weibischer Tracht (ϑηλύμορηος, ἀρσενόϑηλυς) und doch von unwiderstehlicher Kraft. Der Gott selbst führt von diesen schwärmenden Umzügen und ihrer tobenden Lust den Namen Βρόμιος, Βάκχος, Ἴακχος, Εὔιος, Ἰυγγίης, Ἰόβακχος, Βακχέβακχος u. s. w., wie er denn überhaupt reicher an Beinamen ist als irgend ein andrerOvid M. 4, 11 Bacchumque vocant Bromiumque Lyaeumque Ignigenamque satumque iterum solumque bimatrem. Additur his Nyseus indetonsusque Thyoneus et cum Lenaeo genialis consitor uvae, Nyeteliusque Eleleusque parens et Iacchus et Evan et quae praeterea per Graias plurima gentes nomina Liber habes. Für Εὔιος, welches aus εὐοῖ entstanden, sagte man in verschiedenen Dialecten εὔσιος Et. M., vgl. Lob. Agl. 1041. Ἰυγγίης von ἰυγή ἰυγμός ἰύζειν d. i. juchen.. Bei diesen Schwärmereien knüpfen 524 zugleich alle Sagen von seinen Freunden und Feinden an, von denen jene mit der edlen Gabe des Weins belohnt, diese mit wilder Raserei und einem entsetzlichen Ausgang bestraft werden, indem sich zugleich der Umkreis dieser Züge immer weiter, zuletzt bis an die Enden der Welt ausdehnt. Eigentlich sind sie nichts weiter als ein bildlicher Ausdruck von den natürlichen Folgen und Freuden des ersten Weingenusses und der ersten Weinlese, deren Mitfeier sich eben deshalb zunächst auf die Dämonen des Waldes und der Flur, auf die Götter der Lust und des Frühlings, unter den Menschen etwa auf die Hirten und Bauern beschränkt, wie Nysa der erste, von den religiösen Gefühlen des Mythus verklärte Weinberg ist. Daher die einfache Erzählung (Hom. H. 26, 7) auch nur im Allgemeinen von Bergen und Wäldern spricht. »Und als die Göttinnen ihn den Vielgepriesenen großgezogen hatten, siehe da schwärmte er umher in den bewaldeten Schluchten und Thälern, mit Epheu und Lorbeer dicht bekränzt. Es folgten ihm die Nymphen, er aber eilte voran und schallendes Toben (βρόμος) erfüllte den weiten Wald.« Immer sind die Berge und entlegenen Waldthäler das eigentliche Revier dieses Gottes (ὀρειφοίτης, οὐρεσιφοίτης) und hier sind auch alle die bekannten Gestalten seiner Umgebung zu Hause, die Satyrn, die Silene, die Pane, die Kentauren, die Maenaden, das sind zunächst die Nymphen welche seiner Jugend gepflegt haben (Διονύσου τιϑῆναι, τροφοί), sammt anderen Berg- und WaldnymphenFest. p. 182 Oreos (d.i. ὄρειος) Liber Pater et Oreades (ὀρειάδες) Nymphae appellantur quod in montibus frequenter apparent.. Hier begleitet ihn Liebe und Lust, hier lehrt er die Nymphen und Satyrn, die Hirten und die Weinbauern. So schildern ihn meistens die Lyriker, wie Pratinas in dem Gedichte bei Athen. 14, 8 »wie er durch die Berge rauscht mit den Najaden,« Anakreon bei Dio Chrys. or. 2 p. 35 »Großer Herr, mit dem der gebieterische Eros scherzt und die dunkelblickenden Nymphen und die strahlende Aphrodite. Du aber eilst über die hohen Gipfel der Berge.« Vgl. Sophokles O. C. 678, Aristoph. Thesm. 987 ff., Horaz Od. 2, 19 u. A.
Zwei Gegenden waren es auf dem griechischen Festlande welche sich einer ersten Mittheilung des Weinstocks rühmten, Aetolien und Attika. Dort war Dionysos bei dem Weinmanne Oeneus eingekehrt und hatte dessen Weib Althaea d. i. die 525 Nährmutter geliebtApollod. 1, 8, 1, Hygin f. 129, wo Dejanira die Tochter des Dionysos ist, dieselbe die vom Herakles den Hyllos gebar, den Stammvater der dorischen Herakliden, daher sich die späteren Descendenten derselben z. B. die Ptolemaeer von Herakles und Dionysos ableiteten.. Hier rühmten sich Ikaria und Eleutherae der ersten Gabe des Gottes, zwei an den nördlichen Grenzen gelegene Ortschaften, Ikaria in einer äußerst fruchtbaren Gegend unweit Marathon, Eleutherae an den südlichen Abhängen des Kithaeron, wo Dionysos unter dem Beinamen ἐλεύϑερος verehrt wurdeHes. Ἐλεύϑερος Διόνυσος ἐν Ἀϑήναις καὶ ἐν Ἐλευϑέραις, vgl. die Inschr. a. d. Gegend v. Plataeae Arch. Anz. 1859 S. 149. Eleutherae wurde erst um die Zeit der Heraklidenrückkehr attisch, daher die Sage daß sein Weinerfinder Pegasos d. i. der Quellenmann nach Athen gewandert und dort mit seinen Heiligthümern vom König Amphiktyon freundlich aufgenommen sei, Paus. 1, 2, 4; 20, 2; 38, 8.. Doch hatte dieser letztere Ort ursprünglich nicht zu Attika gehört, daher der eigentlich attische und ländliche Dionysos immer der von Ikaria blieb, dessen Sage von der Erfindung des Weines und seiner Verbreitung im ganzen Lande auch die gewöhnliche warOsann über die erste Anpflanzung und Verbreitung des Weinstocks in Attika, Verh. d. 6 Vers. D. Schulm. u. Philol. Cassel 1843 S. 15 ff. Derselbe de Eratosthenis Erigona, Gott. 1846, Th. Bergk Anal. Alexandrina, Marb. 1846.. Ein einfaches Naturmärchen, wie die älteren attischen Sagen es meistens sind, wo der erste Weinstock im Demos Ikaria mit seinem Pflanzer als Ἴκαρος oder Ἰκάριος, Ἰκαρίων personificirt wirdEs verdient Beachtung daß hebr. אִכָּר den Pflüger, Landmann bedeutet., die fruchtbringende Rebe aber seine Tochter und Ἠριγόνη d. h. die Lenzgeborne heißt, der den Weinstock durch seine Gluth treibende und die Frucht zeitigende Hundsstern sein HundPoll. 5, 42 εἰ χρή τι πιστεύειν τοῖς ποιηταῖς, οὗτός ἐστιν ὁ Σείριος. Vgl. Schol. Apollon. 2, 517, Schol. Il. 22, 29.. Ikaros erhält vom Dionysos den Wein, weil er ihn freundlich aufgenommen. Um die köstliche Gabe zu verbreiten, fährt er mit gefüllten Schläuchen im Lande umher und läßt Hirten und Bauern kosten. Diese werden berauscht, halten sich für vergiftet, tödten den Ikaros und stürzen ihn in einen Brunnen ohne Wasser, oder sie begraben ihn unter einem Baum, wie in einem lokrischen Märchen der König Orestheus d. h. der vom Berge ein von seinem Hunde zur Welt gebrachtes Stück Holz eingräbt und siehe im Frühling schießt daraus eine Weinrebe hervorPaus. 10, 38, 1. Der wunderbare Hund ist wieder der Sirios.. Die Tochter des Ikaros, Erigone, 526 auch Ἀλῆτις genannt d. i. die suchend und bittend Umherirrende, findet als solche zuletzt sein Grab, geleitet von dem treuen Hunde Maera d. h. der Strahlenden, dem Sirios in weiblicher Gestalt (S. 359). In ihrer Verzweiflung erhängt sie sich an dem Baume, unter welchem ihr Vater begraben warVgl. die kyprische Fabel von dem schönen Jünglinge Melos (Apfel), der sich an einem Apfelbaum erhenkt, Serv. V. Ecl. 8, 37.. Zuletzt werden alle unter die Gestirne versetzt (S. 368). Ueber die Undankbaren, welche seinen Freund getödtet, verhängt Dionysos Pest oder Raserei der Jungfrauen, so daß sich alle wie Erigone erhenken. Das Orakel verheißt Abhülfe sobald man den Leichnam finde und das Verbrechen sühne. Man fand die Todten nicht, stiftete aber der Erigone zum Andenken die Feier der αἰώρα oder ἐώρα, wo allerlei kleine Bildwerke, Masken und Figuren, an Bäumen in der Schwebe aufgehängt und geschaukelt wurden. Dazu wurde im Volke von ihnen gesungen und erzählt und beide, Vater und Tochter, wurden mit ländlichen Opfern verehrtJene schwebenden Figuren hießen in Italien oscilla s. Osann a. a. O. S. 20, O. Jahn Archäol. Beitr. S. 324. Der Gesang von der Erigone hieß auch ἀλῆτις, Athen. 14, 10, Poll. 4, 55, das Fest αἰώρα auch εὔδειπνος, Et. M. v. αἰώρα.. Auch den Schlauchtanz (ἀσκωλιασμός), eine der beliebtesten und volkstümlichsten Lustbarkeiten der Weinlese, wo Weinschläuche aufgeblasen und mit Oel bestrichen und darauf gesprungen und getanzt wurde, führte man auf die Zeiten des Ikaros zurück welcher aus dem Felle eines Bockes, der seine Reben beschädigt, zuerst einen Schlauch gemacht und darauf in der Lust der ersten Weinlese getanzt habev. Köhler descr. d'un camée ant. 1810, Ges. Schr. Bd. 5, O. Jahn Arch. Zt. 1847 n. 9 t. 9..
Die attischen Dionysien geben wie diese Sage den besten Begriff von dem Character des einfacheren griechischen Dionysosdienstes, wobei zugleich zu beachten ist daß sie größtentheils attisch-ionische Nationalfeste waren, die also nicht bloß in Athen, sondern auch bei den Stammverwandten auf den Inseln und in Asien gefeiert wurdenVgl. über diese Feste mit besondrer Beziehung auf das attische Theater Böckh in den Abh. d. Berl. Ak. v. J. 1816/17 B. 1819 u. mit Rücksicht auf ihren ritualen Character meinen Artikel Dionysia in der Stuttg. R. Encyclopädie. Ueber die Anthesterien insb. Gerhard Abh. d. Berl. Ak. v. J. 1858.. Es sind theils die Erndtefeste des Winters theils die Frühlingsfeste des kommenden und zuletzt in seiner vollen Lust und Herrlichkeit eintretenden 527 Frühlings. Das eigentliche Fest der Weinlese waren die kleinen oder die ländlichen Dionysien (Διονύσια τὰ κατ' ἀγρούς, τὰ μικρά, auch Θεοίνια), welche man im Wintermonate Poseideon (December) auf dem Lande feierte, wo immer Wein gebaut und geerndtet wurde. Ein lebendiges Bild der Lust, die dann jedes Dorf beseelte, giebt Aristophanes in den Acharnern. Es wurde gesungen und gesprungen, der Phallos mit dem üblichen Phallosliede herumgetragen, des Ikarios und der Erigone gedacht und allerlei Mummenschanz getrieben, wie die Freuden der Weinlese und südliche Lebendigkeit dergleichen von selbst an die Hand gaben. Das sind die Kreise in denen das attische Theater seine erste Jugend feierte, die ganz ländlich und volksthümlich war, als Thespis noch mit seinem Karren von Ort zu Ort zog. Und auch später pflegten ambulante Schauspieler aus der Stadt diese ländlichen Freuden zu verherrlichen, wie namentlich Aeschines sich in seiner Jugend so von Ort zu Ort herumgetrieben hatteUnter den in den verschiedenen Demen mit verschiedener Ausstattung gefeierten ländlichen Dionysien ist besonders zu erwähnen eine pentaeterische Dionysosfeier zu Brauron mit ausgelassener Lust und einem Opfer, bei welchem sich Athen durch die zehn ἱεροποιοὶ betheiligte, Arist. Pac. 874 ff. Schol., Poll. 8, 107, Suid. v. Βραυρών. Vermuthlich fanden auch die Vorträge der Rhapsoden b. Hesych v. Βραυρωνίοις an diesem Feste statt.. Es folgten um die Zeit des kürzesten Tages die Lenaeen (Λήναια, Διονύσια ἐπὶ Ληναίω) im Monate Gamelion (Januar), welcher früher von diesem Feste Lenaeon geheißen hatte und bei den ionischen Stammverwandten noch immer so hieß. Eine städtische Nachfeier und festlicher Abschluß der ländlichen Weinlese bei dem sogenannten Lenaeon, d. i. Kelterstätte, dem ältesten und angesehensten Heiligthume des Dionysos in Athen, welches im Stadtquartiere Limnae gleich unter dem großen Theater lagHesych επὶ Ληναίῳ ἀγών· ἔστιν ἐν τῷ ἄστει Λήναιον περίβολον ἔχον μέγαν καὶ ἐν αὐτῷ Ληναίου Διονύσου ἱερόν, ἐν ᾧ ἐπετελοῦντο οἱ ἀγῶνες Ἀϑηναίων πρὶν τὸ ϑέατρον οἰκοδομηϑῆναι. Vgl. Et. M. und Thuk. 2, 15, Demosth. c. Neaer. 76. Daher D. Ληναῖος und Λιμναῖος oder ἐν Λίμναις Arist. Ran. 216, Phanodem. b. Athen. 11, 13. Es befanden sich in jenem Peribolos zwei Tempel und zwei Bilder des Dionysos, der des Ἐλευϑερεύς d. h. des aus Eleutherae stammenden D. ἐλεύϑερος und der des älteren attischen, Paus. 1, 20, 2. ἐπιλήνιος ὄρχησις der Hirten und Bauern auf dem Lande, Longus 2, 36.. Die attischen Frauen zogen um dieselbe Zeit auf den Parnaß, um dort mit anderen Frauen die nächtlichen Orgien des trieterischen Bacchus zu feiern. Aber 528 die Lenaeen waren vornehmlich Kelterfest (ληνός), wo man des zuerst abfließenden süßen Mostes, den man Ambrosia nannte, genießend opferte und schmauste, sich und die Heiligthümer mit Epheu bekränzte, beim Lenaeon eine große Procession hielt, bei welcher die bei Erndtefesten der Demeter und des Dionysos üblichen Neckereien von den Wagen herunter (ἐξ ἀμαξῶν) getrieben wurden, und endlich auch des Theaters sich erfreute. Nun folgten die Frühlingsfeste, das erste mit einer Lust die noch zwischen den Gefühlen und Genüssen des Winters und denen des Frühlings getheilt war. Es fiel in den Monat Anthesterion (Februar) und hieß selbst das Fest der Anthesterien, unter welchem Namen es auch auf den Inseln und in Asien gefeiert wurde, bei allen ionischen Stammgenossen am 12 des Monats, in Athen vom 12 bis 13. Der erste Tag hieß der der Faßöffnung (τὰ Πιϑοίγια), weil man an ihm zuerst vom heurigen Weine genoß, alle mit einander, Herren und Sklaven, denn die Dionysosfeier machte Alles gleich. Der zweite Tag war der der Choen, ein großer öffentlicher Schmaus, wo jeder Gast seinen χοῦς (Plural χόες) auserlesenen Weins bekam und unter Trompetenschall förmliche Wettkämpfe im Trinken angestellt wurden. Dazu bekränzte man sich mit den ersten Blumen des Frühlings, welche zuletzt in jenes alte Heiligthum getragen und dort dem Gotte der Frühlingslust geweiht wurden. Die Kinder hatten ihr eigenes Fest, bei dem sie von den dreijährigen aufwärts gleichfalls bekränzt wurden, ein liebliches Bild des sich verjüngenden Jahres. Glaubte man doch daß um diese Zeit auch das Demeterkind aus der Erde wieder ans Licht komme und sich mit der Mutter und mit Dionysos vereinige. Doch wurden solche Gedanken nur in einigen geheimnißvollen Bildern angedeutet, besonders bei einem feierlichen Opfer, welches in dem nur an diesem Tage geöffneten Heiligthum von der Gemahlin des Archon Basileus und vierzehn edlen Frauen der Stadt, den sogenannten γεραραῖς d. h. den Ehrwürdigen dargebracht wurde. Damit war der Gebrauch verbunden daß die Gemahlin jenes Archon, die wie ihr Gemahl bei feierlichen gottesdienstlichen Handlungen das Land und die Stadt zu vertreten pflegte, dem Dionysos förmlich vermählt wurdeἐξεδόϑη τῷ Διονύσῳ γυνή, Demosth. c. Neaer. 73, vgl. Hes. v. Διονύσου γάμος, τῆς τοῦ βασιλέως γυναικὸς καὶ ϑεοῦ γίνεται γάμος. Die 14 Geraeren entsprachen den 14 Altären des Dionysos, Hes. Et. M. v. γεραραί, Poll. 8, 108. Bei Philostr. v. Apollon. 4, 21 p. 73 K. ist überdies von Gesängen mythologischen Inhalts und begleitenden Tänzen von Horen Nymphen und Bacchen am Feste der Anthesterien die Rede, in einer Inschr. b. Roß Demen v. Athen 55, 29 auch von einer Lampas., ohne Zweifel um 529 dadurch die neue Vereinigung des großen Gottes alles vegetativen Segens mit dem Lande und der Stadt, welche man sich von dem Frühlinge versprach, sinnbildlich auszudrückenZu vergleichen ist die Hochzeitsfeier des Dionysos und der Ariadne auf Kreta und Naxos und das römische Märchen von der Buhlschaft des Hercules mit der Flora oder Fauna oder Acca Larentia, s. Röm. Myth, 422, auch die jährliche Vermählung des Dogen von Venedig mit dem Meere.. Der letzte Tag des Festes war der der Chytren, so genannt von einem in Töpfen (χύτροις) dargebrachten Opfer an den chthonischen Hermes und die Geister der Verstorbenen, nach der gewöhnlichen Ueberlieferung für die in der Deukalionischen Fluth Umgekommenen (S. 315); doch ist diese nur das mythologische Bild für die winterliche Fluth welche sich eben jetzt zu verlaufen anfing. Winter aber ist Tod und der Frühling neues Leben, daher man mit den jetzt sich von neuem aus der Erde hervordrängenden Keimen auch der Persephone und der Verstorbenen überhaupt gedachte, die nun auch mit jener auf die Oberwelt zu kommen und von ihren Angehörigen die Gaben der Liebe zu empfangen schienen. Endlich die großen oder die städtischen Dionysien (Διονύσια μεγάλα, τὰ ἐν ἄστει, τὰ ἀστικά, auch Διονύσια schlechthin), welche im Monate Elaphebolion (März) etwa vom 9 bis 15 gefeiert wurden, das eigentliche Frühlingsfest. Ein Fest des Dionysos ἐλεύϑερος und λύσιος d. h. des Befreiers von der Noth des Winters und von allen Mühen und Sorgen, daher man selbst den Gefangenen die Theilnahme vergönnte. Zugleich das Fest wo der attische Staat und seine reicheren Bürger die bedeutendsten Anstrengungen machten um Lustbarkeiten und Kunstgenüsse zu schaffen, die zu dem Auserlesensten gehörten was in Griechenland möglich war. So pflegten dann auch die Landbewohner, Bündner und Colonisten sammt vielen Fremden nach Athen zu eilen, um die Stadt des feinsten Geschmacks in ihrem höchsten Glanze zu sehen, der noch jetzt auf gewisse Weise strahlt und nachwirkt, denn wir verdanken diesem Feste auch die schönsten Früchte des attischen Theaters. Zuerst gab es eine feierliche Procession, wo sich namentlich die Ritter von Athen zu zeigen pflegten. Ihre religiöse Bedeutung war die daß man das alte von Eleutherae nach Athen gebrachte Holzbild des Dionysos in der Umgebung von Satyrgestalten von 530 jenem Heiligthum im Quartier Limnae durch den Kerameikos (den Corso von Athen) zu einem andern, in der fruchtbaren Gegend der Akademie gelegenen Heiligthum geleitetePaus. 1, 99, 2, Philostr. v. Soph. 2, 3.. Dann wurden kyklische Knabenchöre aufgeführt und ein Dionysischer Festzug mit Gesängen und Masken (κῶμος), deren lustige Gestalten aus attischen Vasenbildern bekannt sindJacobs z. Philostr. Imag. p. 202 sqq., Müller Handb. § 390, 3. 5–8, Welcker Nachtr. z. Tril. 220 ff., Denkm. 3, 125 ff. über ein Bild wo auch der Διϑύραμβος selbst als Charactermaske auftritt., Alles in der prächtigsten und buntesten Ausstattung. Namentlich schallte aus diesem Festzuge der Dithyrambus hervor und die berühmtesten Dichter pflegten dabei mit ihren Gedichten und musikalischen Compositionen zu wetteifern. Von Pindar ist ein sehr schönes Bruchstück aus einem solchen für Athen gedichteten Dithyrambus erhalten, wo alle Olympier aufgerufen werden sich zu kränzen mit Veilchenkränzen und die Spenden des Frühlings zu empfangen und mit dem jubelnden Chore den epheubekränzten Gott des Tages zu feiern. »Den Bromios rufen wir an, den Gott des Jubels, das Kind des höchsten Vaters und der Kadmeischen Jungfrau. Jetzt ist die Zeit, ja ist die Zeit, wo man duftende Veilchensträuße auf die neuverjüngte Erde wirft, Rosen ins Haar flichtDie Rose war dem Dionysos eben so heilig wie der Aphrodite, s. Welcker Nachtr. 189 u. Anakreont. 57 (53) τί τερπνὸν ϑαλίαις τε καὶ ῥαπέζαις Διονυσίαις τ' ἑορταῖς δίχα τοῦ ῥόδου γένοιτ' ἄν;, und es tönen die Klänge der Lieder zur Flöte, es tönen die Chöre von der Semele, der reich geschmückten.« Dennoch begann der höchste Glanz des Festes erst mit der Aufführung der Komödien, Tragödien und Satyrspiele, wahrscheinlich an zwei hinter einander folgenden Tagen, mit besonderem Aufwande und mit neuen d. h. eigens zu diesem Feste bei früherer Concurrenz der Dichter ausgewählten Stücken. Da war die Lust so groß, das Fest so herrlich, der Andrang von Bürgern und von Fremden so lebhaft, daß dieser Tag zugleich der gewöhnliche Ehrentag für bürgerliche Belohnungen war, wie bei der Verkündigung des in der Geschichte des Demosthenes so merkwürdigen Kranzes.
Auch die Inseln und Küsten des aegaeischen Meeres, größtentheils dem Weinbau außerordentlich günstig, feierten neben Zeus und Apollon am meisten den Dionysos, namentlich die größeren Inseln, Euboea Andros Keos Naxos Kreta Rhodos Ikaros Chios Lesbos Lemnos und Thasos, wo die Sagen und 531 gewöhnlich auch die Münzen noch jetzt in lebhaften Bildern von dem ehemaligen Segen, wie von dem dankbaren Eifer der Verehrung zeugen. Auf Euboea gab es ein in alter Zeit berühmtes Nysa, welches in der Gegend von Aegae am Euripos lag. Das Bacchuskind war hier der Sage nach in der Pflege des Aristaeos (S. 357) und seiner Tochter Makris oder Nysa unter den Nymphen der Insel aufgewachsen, wofür der Gott den Ort seiner Jugend mit einer wunderbaren Triebkraft des Weinstockes segneteSoph. Thyest. fr. 235 b. Schol. Eur. Phoen. 227, Apollon. 4, 1131 ff., Oppian Kyneg. 4, 265 ff., Diod. 3, 69, vgl. Schol. Il. 13, 21, Schol. Soph. Antig. 1133, Steph. B. v. Νῦσαι. Dionysien in Eretria s. die Inschr. im Philol. 1855 S. 301 u. b. Rangabé 2, 689. Das Nysa auf dem Parnaß mit demselben Wunder scheint eine spätere Uebertragung des euboeischen zu sein.. Unter den Kykladen war es vorzüglich Naxos, die fruchtbarste von allen, von welcher Dionysos ganz Besitz ergriffen hatteMan erzählte von seiner Geburt, zeigte ein Nysa und eine heilige Höhle des Dionysos, wußte von seinem Kampf mit Hephaestos und Poseidon u. s. w., s. Diod. 3, 66; 5, 52, Porphyr antr. nymph. 20, oben S. 139., doch feierten ihn auch die übrigen, selbst die heilige Delos, deren Sage die Segnungen des Apollo und des Dionysos erfinderisch auf ein und dasselbe Haupt zu vereinigen wußte. Staphylos, so erzählte man, also der personificirte Weinstock, ein Sohn des Dionysos, habe eine Tochter gehabt Namens Rhoeo d. i. die Granate (ῥοιά). Diese gebiert vom Apoll den Anios, welcher durch seinen Vater Prophet wird, als Abkömmling des Dionysos aber mit der Nymphe Dorippe die wunderbaren, aus dem Gedicht der Kyprien bekannten Schutzgöttinnen der Kelter (τὰς οἰνοτρόπους) erzeugt, Oino Spermo und Elais, welche vom Dionysos die Gabe hatten Alles beliebig in Wein Korn oder Oel zu verwandelnTzetz. Lykophr. 570–583, Steph. B. v. Ἄνδρος.. Unter den Sporaden machte Ikaros gleichfalls auf die Geburt des Gottes AnspruchDas Vorgeb. Drakanon galt für den Ort der Schenkelgeburt des Zeus, Diod. 3, 65, Theokr. 26, 33, Nonnos 9, 16, Strabo 14, 639, Meineke An. Al. 163., in Ionien waren Chios Teos und Lebedos alte Mittelpunkte der Dionysosverehrung, namentlich die fruchtbare Insel Chios, deren Wein für den besten griechischen galtVorzüglich der vom Districte Ariusia, Str. 14, 645, Plin. 14, 73, Virg. Ecl. 5, 71 Serv., Sil. Ital. 7, 210. und welche den Segen seiner Weinpflanzungen und die Lust der Weinlese auf eine so anmuthige Weise in der Sage von Oenopion und dem Riesen Orion verherrlicht hat (S. 352). 532 Weiter hinauf verehrte Lesbos den Gott nach seinem Dialecte unter dem Namen Ζόννυσος oder Ζόννυξος, sowohl in MytileneC. I. n. 2167, vgl. Plut. Symp. 3, 2 Διόνυσος – ὅς γε τον ἄκρατον ἄντικρυς μέϑυ καὶ μεϑυμναῖον αὐτὸς αὐτὸν ὠνόμασεν. Athen. 8, 64 τὸ μὲν ποτὸν μέϑυ, τὸν δὲ τοῦτο δωρησάμενον ϑεὸν μεϑυμναῖον καὶ λυαῖον καὶ εὔιον καὶ ἰήιον προσηγόρευον. Ovid A. Amat. 1, 57 Gargara quot segetes, quot habet Methymna racemos. Auch der Name Μεϑώνη wurde von μέϑυ abgeleitet, πολύοινος γάρ ἐστι Steph. B. als in Methymna, welches letztere sogar seinen Namen der trunknen Fülle seines Dionysos zu verdanken scheint; während das benachbarte Lemnos seinen Dionysos mit Kabiren umgab und den König Thoas seinen Sohn, den aus der Ilias bekannten Euneos, welcher die Griechen vor Troja mit Wein versorgt, seinen Enkel nannteIl. 7, 467. Vgl. die Descr. Orb. a. d. Zt. des K. Constantius b. Bode Scr. Rer. Myth. 2 p. 19 Lemnus – vinum plurimum ferens Macedoniae mittit et Thraciae regioni. Ueber Thasos s. Aelian V. H. 12, 31, Lukian Am. 27, Theophr. d. odor. 51 u. A., Thasos das Lob seines Weins und seines Gottes mit älteren und jüngeren Münzbildern verkündigt. Endlich im Süden ist Kreta die Insel, welche wie in so vielen anderen Punkten, so auch durch ihren Dionysosdienst und die daraus entstandene Sage von der Ariadne das griechische Inselleben dauernd bestimmt hat, zunächst die Sage und den Cultus von Naxos, aber auch im weiteren Umfange bis nach Athen Ikaros Rhodos und Cypern, ja bis Italien. Ariadne ist i. q. Ἀριάγνη d. h. die HochheiligeHesych ἁδνὸν ἁγνὸν Κρῆτες. Die Form Ἀριάγνη findet sich auf einer Vase. Vgl. Meineke z. Theokr. 4, 17, O. Jahn Einl. in d. Vasenk. 205. Außerdem finden sich die Formen Ἀρεάδνη und Ἀριήδνη, M. Schmidt Hes. 1 p. 279, auf einer sicil. Vase auch Ἀριήδα und auf einem etr. Spiegel Areatha., eine Personification des fruchtbaren Erdbodens wie Semele, nur daß Ariadne in den Gottesdiensten und Sagen dieser Gegenden nicht für die Mutter des Dionysos galt, sondern für seine Geliebte, seine GattinHesiod th. 948 ἄκοιτις, Eur. Hippol. 339 Διονύσου δάμαρ., mit welcher er sich in der Festfeier des Landes jährlich von neuem vereinigte. Es scheint daß dieses Fest unter dem Namen der Θεοδαίσια gefeiert wurde, ein weit verbreiteter Name, welcher die Feier eines von einem Gotte gespendeten Schmauses, vermuthlich eines Hochzeitsschmauses ausdrücktAuf Kreta ein Mt. Θεοδαίσιος und das entsprechende Fest, C. I. n. 2554. Der Mt. findet sich auch auf Kos und Rhodos, das Fest auf Andros, Plin. 2, 231 Andro in insula templo Liberi Patris fontem Nonis Ianuariis semper vini saporem fluere Mucianus ter consul credit, dies Θεοδαίσια vocatur, vgl. Philostr. Im. 1, 25, Hero d. autom. p. 256. 599. Vgl. Hes. Θεοδαίσιος Διόνυσος u. Suid. Ἀστυδρόμια – Θεοδαίσια ἑορτή, ἐν ᾗ ἐτίμων Διόνυσον καὶ τὰς Νύμφας, wie es scheint in Libyen. Der Name ist nach der Analogie von Θεοξένια und δαίειν γάμον, γαμοδαίσια, πανδαισία zu erklären. Der Zeit nach scheint der Θεοδαίσιος etwa dem Anthesterion entsprochen zu haben, s. b. Gerhard D. u. F. 1855 S. 14.. Schon die Ilias 18, 591 kennt die schöngelockte 533 Ariadne, für welche Daedalos in Knosos mit kunstreicher Hand einen Tanzplatz eingerichtet habe, wahrscheinlich mit Beziehung auf die Tänze, mit denen man sie und Dionysos auf Kreta zu feiern pflegteSoph. Ai. 694 ἰὼ ἰὼ Πὰν Πάν, – ὅπως μοι Νύσια Κνώσι' ὀρχήματ' αὐτοδαῆ ξυνὼν ἰάψῃς. Vgl. Himer or. 1, 5 ἀκούω δὲ καὶ τὸν Πᾶνα ϑεὸν τοῦτον τὸν νόμον μεῖζον ἐμπνεῦσαι τῇ σύριγγι, ὅτε τὴν Ἀριάδνην Διόνυσος ἐν Κρητικοῖς ἄντροις ἐνύμφευεν.. Die Odyssee 11, 321–325 nennt sie die Tochter des grimmen Minos und gedenkt auch ihrer Entführung durch Theseus mit dem auffallenden Zusatze, ehe Ariadne nach Athen gekommen sei habe Artemis sie auf der Insel Dia (bei Knosos) getödtet, und zwar in Uebereinstimmung mit DionysosΔίῃ ἐν αμφιρύτῃ Διονύσου μαρτυρίησιν. Es gab verschiedene Inseln Namens Dia, darunter Naxos, s. Schol. Theokr. 2, 45, Diod. 3, 51., was wahrscheinlich so zu verstehen ist wie der gleichartige Tod der Koronis, nehmlich weil sie wie diese dem Gotte aus Liebe zu einem Sterblichen untreu geworden war. Auch wußte man vom Tode der Ariadne durch Dionysos gleichfalls in ArgosPaus. 2, 23, 8 vom T. des Dionysos Kresios, Κρησίου δὲ ὕστερον ὠνομάσϑη, διότι Ἀριάδνην ἀποϑανοῦσαν ἔϑαψαν ἐνταῦϑα., so daß also neben der gewöhnlichen Version von der freudenreichen Hochzeit des Dionysos und der Ariadne, welche man auf KretaVgl. noch Hygin P. A. 2, 5, Schol. German. Arat. 69, Lactant. 1, 10, 9. und auf Naxos feierte, seit alter Zeit jene andre von ihrer Entfremdung und von ihrem Tode bestanden haben muß; wie man denn auch den Dionysos nicht allein als den triumphirend wiederkehrenden Gott des höchsten Naturjubels, sondern auch als den in böser Jahreszeit unterliegenden oder getödteten kannte, auch auf Kreta. Oder man feierte beide, Dionysos und Ariadne, sowohl auf Kreta als auf Naxos, als Verschwundene, Entführte, und dann wieder in der besseren Jahreszeit als Zurückgekehrte, von neuem offenbar Gewordene, daher Ariadne auf Kreta auch Ἀριδήλα genannt wurdeHes. Ἀριδήλαν τὴν Ἀριάδνην Κρῆτες, vgl. ἀρίδηλος d. i. ἔκδηλος, φανερός und Diod. 5, 51 von Naxos: καὶ ἐν ἀρχῇ μὲν ἠφανίσϑη ὁ ϑεός, μετὰ δὲ ταῦτα καὶ ἡ Ἀριάδνη ἄφαντος ἐγενήϑη.. Obwohl die gewöhnliche Auffassung, wenigstens auf Naxos, die der schlafend verlassenen Ariadne war, welche 534 durch die Ankunft des Gottes der Freude und seines lustigen Thiasos geweckt und durch seine Liebe beseeligt wird, nach der bekannten, seit Hesiod und PherekydesPlut. Thes. 20, Schol. Od. 11, 321. Vgl. Catull 64, 124 ff., Ovid Her. 10, A. Amat. 1, 527 ff., Nonn. 47, 265 ff. von vielen Dichtern wiederholten Sage: ein liebliches Bild der schlummernden Triebe des Erdbodens, welche durch die Macht des befruchtenden Lenzes von neuem geweckt werden. Als sie der Verzweiflung nahe ist, erscheint Dionysos und ihre Verzweiflung verwandelt sich in Glück und alle Götter feiern mit ihnen diese Hochzeit, auf welcher Dionysos seiner Geliebten die berühmte Krone schenkt, deren funkelnden Glanz man später am Himmel zu sehen glaubteNach Andern war sie ein Geschenk der Aphrodite und der Horen, s. Pherekydes b. Schol. Od. l. c, Ovid F. 3, 460 ff., Hygin l. c., Schol. Arat. Phaen. 71, Eratosth. catast. 5.; neben welchem Feste es aber auch hier ein Trauer- und Todesfest der Ariadne gab, welches man mit jenem dithyrambischen Jubel und den Hochzeitsgesängen des Frühlings so wenig zu vereinigen wußte, daß man gewöhnlich zwei verschiedene Ariadnen unterschiedPlut. l. c. τῇ μὲν γὰρ ἡδομένους καὶ παίζοντας ἑορτάζειν, τὰς δὲ ταύτῃ δρωμένας ϑυσίας εἶναι πένϑει τινὶ καὶ στυγνότητι μεμιγμένας. Vgl. Schol. Pind. Ol. 13, 25 ὁ Πίνδαρος ἐν μὲν τοῖς ὑπορχήμασιν ἐν Νάξῳ φησὶν εὐρεϑῆναι πρῶτον διϑύραμβον, ἐν δὲ τῷ πρώτῳ τῶν διϑυράμβων ἐν Θήβαις, ἐνταῦϑα δὲ ἐν Κορίνϑῳ. Serv. V. Ecl. 8, 30 Hymenaeus fertur in nuptiis Ariadnes et Liberi Patris vocem perdidisse cantando. Andre erzählten Aehnliches von der Hochzeit des Dionysos und der Althaea, Serv. V. A. 4, 127.. In Athen gedachte man des Dionysos und der Ariadne bei dem Feste der OschophorienS. oben S. 165. Keramos, der Eponym des Kerameikos, galt für einen Sohn des D. u. der Ariadne, Paus. 1, 3, 1, was zu verstehen ist wie wenn Pithos ein Diener, Stamnios Vater des D. genannt wird, Arist. Ran. 22, Nonn. 19, 37. Mimische Darstellung der Vermählung des D. und der Ariadne b. Xenoph. Symp. 9. und bei andern volkstümlichen und festlichen Gelegenheiten. Auf Ikaros erzählte man von ihrer Liebe, auf Chios galten Oenopion und sein Bruder Staphylos gewöhnlich für ihre und des Dionysos SöhneTheopomp b. Athen. 1, 47, Diod. 5, 79, Apollod. 1, 9, 16 u. A., vgl. Plut. Thes. 20. Von Ikaros Ptol. Heph. 5. Auch auf Rhodos beschäftigte sich die Sage mit ihnen, hier wie auf den übrigen Inseln bei der von Kreta anknüpfend, Steph. B. v. Δονουσία., obwohl einige Dichter den Theseus als Vater nannten. Auf Cypern, wohin diese Sage wohl erst von Athen gekommen war, kannte man Ariadne als eine in den Wehen Verstorbene, zeigte 535 ihr Grab bei AmathusPlut. l. c. Man nannte sie Ἀριάδνη Ἀφροδίτη. Auch in Alexandrien wurde Ariadne neben Dionysos verehrt, Meineke Anal. Al. p. 347. und feierte ihren Tod in dem Schnittermonate Gorpiaeos, also in der heißen Jahreszeit, in welche gewöhnlich solche allegorische Todesfälle verlegt wurden. In Italien übersetzte man sie in die einheimische Libera und schilderte sie, ohne Zweifel nach dem Vorgange griechischer Gedichte und Kunstwerke, als die unzertrennliche Gefährtin des Bacchus, als die Chorführerin seiner Reigen und die Theilnehmerin seiner Triumphe, welche zuletzt mit ihm in den Himmel einfährt und dort seine unsterbliche Gattin istHorat. Od. 2, 19, 13, Ovid F. 3, 512, Prop. 2, 3, 18; 3, 17, 8. Die apulischen Vasen beschäftigen sich oft mit diesem Paare. Vgl. Soph. Antig. 1117 κλυτὰν ὃς ἀμφέπεις Ἰταλίαν., wie Hebe die des Herakles. Die Lieder, welche einst von dieser schönen und ansprechenden Gestalt gesungen worden, sind meist verklungen. Wohl aber sind sehr viele Bilder von ihr und von ihren wechselnden Zuständen erhalten, sowohl von ihrem Schlafe und der freudenreichen Ankunft des Gottes und seines ThiasosIm Dionysost. zu Athen unter andern Gemälden Ἀριάδνη καϑεύδουσα καὶ Θησεὺς ἀναγόμενος καὶ Διόνυσος ἥκων ἐς τῆς Ἀριάδνης τὴν ἁρπαγήν, Paus. 1, 20, 2, vgl. Philostrat 1, 15. Auch die s. g. Kleopatra des Vatican gehörte zu einer solchen Gruppe, F. Jacobs verm. Schr. 5, 403., als von ihren Genüssen und Triumphen an der Seite des Gottes dessen Liebe sie mit allen Gaben des Ueberflusses überhäufte, während seine läppischen Gesellen das glückliche Paar in geschäftiger Mitfreude umgebenMüller Handb. § 384, 3, D. A. K. 2, 417–432, R. Rochette peint. de Pomp. pl. 3. 5 p. 27–58. 73–89. Auch als Kinder vereinigte man sie, Plin. 36, 29 Satyri quatuor, ex quibus unus Liberum Patrem palla velatum ulnis praefert, alter Liberam similiter, tertius ploratum infantis cohibet, quartus cratere alterius sitim sedat, aus der Schule des Praxiteles und Skopas.. Immer ist sie ein Bild der Jugend und des Genusses, wie jene Ganymeda zu Phlius, ein weiblicher Bacchus, bekränzt mit Eppich und Weinlaub.
Auch das schöne Gedicht von dem Triumphe des Gottes über die räuberischen Tyrrhener geht vorzüglich Naxos und die Inseln an. Die älteste Erzählung davon ist die eines Homerischen Hymnus. Dionysos ist im Begriff von Ikaros nach Naxos zu fahren, ein schöner Jüngling, dunkel umlockten Hauptes und mit purpurnem Mantel. Da greifen ihn tyrrhenische Seeräuber, schleppen ihn mit sich fort und binden ihn. Aber die Bande fallen ab, um die Segel spinnt sich die Weinrebe, Eppich 536 umrankt den Mastbaum, die Bänke bekränzen sich, Dionysos wird zum Löwen, die Schiffer stürzen sich sinnlos ins Meer und werden zu DelphinenHom. H. 7, Apollod. 3, 5, 3, Ovid M. 3, 582–700, Hygin f. 134, Serv. V. A. 1, 67. Die Erzählung wird mit der Zeit immer ausführlicher und abenteuerlicher.. Die Verzierungen des schönen choregischen Denkmals des Lysikrates in Athen, der Rest einer gleichartigen Einfassung der Straße zum Theater mit choregischen Tripoden, die durch tempelartige Gebäude erhöht waren, geben eine anschauliche Vorstellung von diesem VorgangeVgl. Philostr. Imag. 1, 19 u. d. Vasenbild b. Gerhard A. V. t. 49., auf den auch Euripides in seinem Satyrspiele vom Kyklopen deutet. Dieses Gottes Macht ist gleich groß auf dem Meere und auf dem Lande (Horat. Od. 2, 19, 17), wie er nach einer boeotischen Sage auch den ungethümen Triton überwand, als dieser an der Küste seine Weihe stören wollte (Paus. 9, 20, 4). Ja er beherrscht auch das Feuer und seinen Gott Hephaestos, nach der schon früher erwähnten Dichtung, daß es unter allen Göttern nur dem Dionysos gelingen wollte, den durch seinen Sturz vom Himmel erzürnten Gott des Feuers durch Wein zu besänftigen und in der Trunkenheit zum Himmel zurück und eine Versöhnung mit Hera herbeizuführenS. oben S. 139 u. Aristid. 1 p. 49 καὶ μὴν καὶ τὴν Ἥραν λέγουσιν ὡς μόνος ϑεῶν τῶ υἱεῖ διήλλαξε κομίσας τὸν Ἥφαιστον ἄκοντα εἰς τὸν οὐρανὸν καὶ ταῦτά γε ἀναϑεὶς ὄνῳ..
So erfüllte Dionysos die ganze Welt mit seinen Triumphen, indem er unter wechselnden Gestalten bald hier bald dort erscheint, nicht selten als Löwe, wie nach Horat. Od. 2, 19, 21 auch bei dem Kampfe der Götter und Giganten, wo Dionysos und Herakles am meisten zum Siege halfen (S. 58, [Anmerkung 92]). Ueberhaupt wurde er oft mit diesem in eine Reihe gestellt und seine Geschichte nach dem Vorbilde der Laufbahn des Herakles immer weiter ausgeführt, bis er zuletzt gleichfalls als verklärter Held und Sieger auf dem Olympos eingehtHorat. Od. 3, 3, 13, Epist. 2, 1, 5.. Dann holt er die Seinigen nach, die nun auch verklärte Olympier werden, seine Mutter Semele und seine Ariadne. Der Semele gedenkt in diesem Sinne schon Hesiod th. 940, dann besonders Pindar, der sie als eine der berühmtesten Heroinen seiner Vaterstadt gerne verherrlichtPind. Ol. 2, 25 ζώει μὲν Ὀλυμπίοις ἀποϑανοῖσα βρόμῳ κεραυνοῦ τανυέϑειρα Σεμέλα, φιλεῖ δέ μιν Παλλὰς αἰεὶ καὶ Ζεὺς πατὴρ μάλα, φιλεῖ δὲ παῖς ὁ κισσοφόρος. P. 11, 1 Σεμέλα Ὀλυμπιάδων ἀγυιᾶτις. Vgl. Epigr. Cyzic. 1 (Anthol. Gr. 1 p. 57), Welcker A. D. 3, 136, Gerhard etr. Sp. 1, 83 und D. u. F. 1859 n. 130–132. Nach Andern wurde Semele gleich nach ihrem Tode durch Zeus erhöht, Aristid. 1 p. 47., nach ihm viele 537 andere Dichter und schöne Kunstwerke. Semele heißt nun Θυώνη, die verklärte göttliche Maenade (von ϑύειν), wie Dionysos selbst hin und wieder als Θυωνεύς oder Θυωνίδας verehrt wurde z. B. in RhodosHes. Θυωνίδας ὁ Διόνυσος παρὰ Ῥοδίοις, wo Dionysos und die Dionysien sich gleichfalls eines großen Ansehns erfreuten, Diod. 19, 45; 20, 84, Strabo 14, 652, Plin. 33, 155 u. A. Θύω Θυιάς Θυώνη mit der Grundbedeutung des aufgeregten Stürmens und Brausens, daher ein bacchisches Fest Θυῖα in Elis. Ἐγχὼ ἡ Σεμέλη nach Hesych, da die Thyiaden den Thyrsos auch als Lanze gebrauchten.. Sie ist als solche eine beständige Gefährtin ihres Sohnes, sowohl seiner Mysterien als seiner rauschenden Umzüge und seiner Triumphe, wie Leto die des Apollo und der Artemis. Geheimnißvolle Legenden, wie sie in den lernaeischen Mysterien zu Argos und in Delphi erzählt wurden, machten daraus einen Triumph des Gottes auch über die Unterwelt, indem er wie Herakles bis in die Tiefen der Erde dringt und seine Mutter von dort zu den Himmlischen emporführtHorat. 2, 19, 29 te vidit insons Cerberus aureo cornu decorum. Vgl. Apollod. 3, 5, 3, Paus. 2, 31, 2; 37, 5, Plut. d. ser. vind. 22, Schol. Ar. Ran. 330. In Delphi ein ennaeterischer Gebrauch der Thyiaden Namens Ἡρωίς, die Heraufführung der Semele aus der Unterwelt darstellend, Plut. Qu. Gr. 12. Vgl. oben S. 220, [Anmerkung 620]..
Ein ganz anderer Ton und Geist aber herrscht in den Dichtungen, die von den Leiden des Dionysos im Winter berichten, besonders wenn wir die ihnen entsprechenden religiösen Gebräuche mit ins Auge fassen. Dionysos ist dann wie der kretische Zeus ein verfolgter, gequälter, getödteter Gott, eine Allegorie der Wandelbarkeit des irdischen Naturlebens, daher er wie das Kind der Demeter sowohl der Oberwelt als der Unterwelt angehört und in dieser Auffassung auch ausdrücklich neben die beiden Göttinnen gestellt wurde, besonders unter dem Namen Zagreus, welcher von dem thebanischen Dionysos, dem Sohne des Zeus und der Semele gewöhnlich unterschieden und ein Sohn des Zeus und der Demeter oder der PersephoneDiod. 1, 62. 64, Hes. Et. M. v. Ζαγρεύς, vgl. Heraklit b. Clem. Pr. p. 30 P. ωὐτὸς δὲ Ἀίδης καὶ Διόνυσος ὁτέῳ μαίνονται καὶ ληναΐζουσιν. Mehr davon bei den Eleusinien und beim Pluton. oder auch des gleichfalls Zagreus genannten Gottes der Unterwelt genannt wurde. In Delphi, wo dieser Dionysos mit nicht geringerem Eifer als Apollo verehrt wurdePlut. d. Εἰ ap. Delph. 9 ᾧ τῶν Δελφῶν οὐδὲν ἧττον ἢ τῷ Ἀπόλλωνι μέτεστιν. Weiterhin heißt es von diesem den Wandel des vegetativen Lebens darstellenden Gotte: Διόνυσον δὲ καὶ Ζαγρέα καὶ Νυκτέλιον καὶ Ἰσοδαίτην αὐτὸν ὀνομάζουσι καὶ φϑοράς τινας καὶ ἀφανισμοὺς καὶ τὰς ἀποβιώσεις καὶ παλιγγενεσίας οἰκεῖα ταῖς εἰρημέναις μεταβολαῖς αἰνίγματα καὶ μυϑεύματα περαίνουσι. Auch die Bildwerke am T. zu Delphi zeigten in dem einen Giebelfelde Apollo und die Musen, in dem andern Dionysos und die Thyiaden, Paus. 10, 9, 3., zeigte man im Allerheiligsten des 538 Tempels neben dem Dreifuße und einem goldnen Bilde des Apoll das Grab des Dionysos, an welchem die Vorsteher der Priesterschaft um die Zeit des kürzesten Tages geheime Opfer brachtenPlut. Is. Os. 35 καὶ Δελφοὶ τὰ τοῦ Διονύσου λείψανα παρ' αὐτοῖς παρὰ τὸ χρηστήριον ἀποκεῖσϑαι νομίζουσι καὶ ϑύουσιν οἱ Ὅσιοι ϑυσίαν ἀπόρρητον ἐν τῷ ἱερῷ τοῦ Ἀπόλλωνος ὅταν αἱ Θυιάδες ἐγείρωσι τὸν Λικνίτην. Vgl. über dieses Grab des Dionysos Lykophr. 208 Tzetz., Philochor. fr. p. 21 ed. Sieb. (Hist. Gr. 1 p. 387. 388) und andre Stellen b. Lobeck Agl. 573 u. Chr. Petersen Philol. 1860 S. 79 ff., dessen Folgerungen ich aber nicht theilen kann, am wenigsten daß diese Reliquien des Zagreus sich in dem Dreifuße des Apoll befanden. Ueber das goldne Bild des Apoll Paus. 10, 24, 4.. Und zwar geschah dieses in denselben Tagen des wieder zunehmenden Lichtes, in denen die Thyiaden auf dem Gipfel des Parnaß den Liknites erweckten, denn man dachte sich daß dieser Dionysos, nachdem er die mittlere Zeit in der Unterwelt zugebracht, immer ein Jahr um das andere von neuem geboren werde, worauf sich der Beiname des trieterischen und des Liknites d. h. des neugebornen Kindes bezogOrph. H. 53 ἀμφιετῆ καλέω Βάκχον, χϑόνιον Διόνυσον, ἐγρόμενον κούραις ἅμα νύμφαις εὐπλοκάμοισιν, ὃς παρὰ Περσεφόνης ἱεροῖσι δόμοισιν ἰαύων κοιμίζει τριετῆρα χρόνον βακχήιον ἁγνόν u. s. w. Δ. λικνίτης ist das Knäblein in der Getreideschwinge (λίκνον) d. h. in der Wiege.. Oder man dachte sich ihn als einen Geflüchteten aber Wiederkehrenden, oder als einen Zerrissenen aber Wiederbelebten, und wie diese bildlichen Anschauungen und Gebräuche sonst wechselten, denn sie waren bei der Einheit des Grundgedankens doch in den einzelnen Gegenden sehr verschieden.
Die älteste Sage, die auf eine solche Naturanschauung und die entsprechenden Gebräuche deutet, ist die von dem thrakischen Könige Lykurgos, die schon die Ilias 6, 130 berührt und die später von Aeschylos in einer seiner Trilogieen und von anderen Dichtern weiter ausgeführt wurde, auch durch verschiedene Bildwerke bekannt istSoph. Antig. 955 ff., Apollod. 3, 5, 1, Hygin f. 132, vgl. Zoëga Abh. 1–31, 353 ff. u. t. 1.2, Welcker A. D. 2, 94 ff., Wieseler D. A. K. 2, 439 ff., Röhler Nonn. v. Panop. S. 76.. Dionysos tobt mit seinen Ammen, den 539 Nymphen von Nysa. Da tritt ihnen Lykurgos, der Sohn des Dryas d. h. des Waldgebirges wo die Wölfe hausen, mit geschwungener Geißel und mordlustiger Wuth entgegen, so daß die Maenaden sich in größter Angst zerstreuen. Dionysos aber rettet sich durch einen Sprung ins Meer, wo ihn Thetis schützend aufnimmt. Lykurgos wird darauf vom Zeus geblendet und muß bald sterben, denn er war allen Göttern verhaßt geworden. Nach anderen Erzählungen wurde er toll und tödtete seinen eignen Sohn mit dem Beile, in dem Wahn es mit einem Weinstock zu thun zu haben, oder er haut sich in demselben Wahne selbst das Bein ab, oder er wird von der verfolgten Maenade Ambrosia, welche die Götter in eine Weinrebe verwandeln, unlösbar umschlungen, oder er wird von wilden Pferden zerrissen. Immer scheint er ein Bild des Winters zu sein, wie er aus dem Gebirge in wilden Stürmen und Wettern daherfährt und allen Naturjubel des Jahres mit grimmiger Wuth stört, um dann bald selbst eines elendiglichen Todes zu sterbenSo wird in deutschen Liedern, welche den Kampf zwischen Sommer und Winter ausmalen , der letztere geschildert als der überwundene, in den Koth geworfene, in Bande gelegte, mit Stäben geschlagene, geblendete, ausgetriebene, als Halbgott und Riese u. s. w., Grimm D. M. 725.. Eben deshalb ist er ein Thraker, wie Ares und Boreas, und zwar wurde er gewöhnlich als König der Edonen und in den Gebirgen des Strymon heimisch gedacht. Dieselben Musen und Musenjünger, welche den Dionysos am Olymp und an der Rhodope verherrlichten, werden auch diese Sage zuerst gesungen haben.
Aber auch im eigentlichen Griechenland war diese schwärmerische Dionysosfeier des Winters außerordentlich verbreitet, besonders in Boeotien und Phokis und zwar in der ganzen Umgegend des KithaeronCithaeron mons est Boeotiae, ubi arcana Liberi Patris sacra celebrantur tertio quoque anno, quae trieterica dicuntur, Prob. V. Ge. 3, 43. Nach Lucan 6, 355 ff. spielte die Sage vom Pentheus auch b. Theben in der Phthiotis, vgl. den Dionysos Πέλεκυς zu Pagasae b. Schol. Il. 24, 428 von dem in diesem Gottesdienste vielgebrauchten Opferbeile, mit dem Menschen und Thiere getroffen wurden, daher Simonides b. Athen. 10, 84 dieses Beil nennt Διωνύσοιο ἄνακτος βουφόνον ϑεράποντα. und Parnaß. In der boeotischen Sage ist Pentheus d. i. der Mann der Trauer dasselbe was in jener nördlicheren Lykurgos, für die Mythologie ein König von Theben und Sohn des Sparten Echion und der Kadmostochter Agaue, ein wilder und ungeheurer Mensch, gigantenartigἘχίων von ἔχις Otter, Natter, Ἀγαυή die im düstern Sinne Ehrwürdige, wie ἀγαυὴ Περσεφόνεια. Vgl. die Schilderung b. Eurip. Bacch. 539 ἐκφύς τε δράκοντός ποτε Πενϑεύς, ὃν Ἐχίων ἐφύτευσε χϑόνιος, ἀγριωπὸν τέρας, οὐ φῶτα βρότειον, φόνιον δ' ὥστε γίγαντ' ἀντίπαλον ϑεοῖς.. Auch diese Sage 540 hatte Aeschylos für die Bühne bearbeitet; für uns sind die Bacchen des Euripides besonders wichtig, welche zugleich sehr lebendige Schilderungen der Maenadenfeier auf dem Kithaeron enthaltenVgl. Theokr. Id. 26, Ovid M. 3, 513 ff., Nomios 44–46 und über die Bildwerke O. Jahn Pentheus u. d. Maenaden, Kiel 1841.. Dionysos kommt auf seinem Zuge durch die Welt von Lydien nach Theben, üppig und wohlgemuth. Die Weiber schwärmen in seiner Feier zwischen den Felsen und Bäumen des Kithaeron. Aber Pentheus ist sein Feind, der ihn greift und seine schwärmenden Chöre stört, weshalb er ein furchtbares Ende nimmt. Wie er die geheime Feier der Maenaden belauscht, zu welchem Zwecke er auf eine Fichte steigt (ein alter und bedeutungsvoller Zug der Sage), wird er von seiner eignen Mutter gesehen und für ein wildes Thier gehalten. Nun machen die rasenden Weiber Jagd auf ihn und zerreißen ihn: ein Zug der sich auch sonst in den Dichtungen wiederholt, welche die tödtlichen Wirkungen des Winters schildern, wie daran auch die Fichte erinnert, man vergleiche die Sage vom Melikertes und die vom Attis.
Für das westliche Boeotien war das Gebirge Laphystion die Stätte einer gleichen Feier (Lykophr. 1237 c. Schol.), die in Orchomenos unter dem Namen der Agrionien begangen wurde und ihren wilden Character in der Sage von den drei Töchtern des Minyas wiederspiegeltAntonin. Lib. 10, Ovid M. 4, 390 ff. Auch in Theben gab es ein Fest ἀγριώνια oder ἀγριάνια, Hesych. In Orchomenos war der Dienst des Dionysos mit dem der Chariten und Musen eng verbunden, oben S. 377. 381.. Diese wollen trotz aller Ermahnungen und Wunder des Dionysos an solchem Gottesdienste nicht theilnehmen, während die übrigen Frauen und Mädchen von Orchomenos im Gebirge schwärmen, und werden dafür mit Wahnsinn und Verwandlung in düstre Nachtvögel bestraft. Ja es bestand bei dem jährlichen Feste der Agrionien der Brauch daß der Priester des Dionysos die Frauen aus dem Geschlechte des Minyas mit gezücktem Schwerdte verfolgte und wenn er sie erreichen konnte tödtete (Plut. Qu. Gr. 38), was wie der Name des Festes auf alte Sühn- und Menschenopfer deutet. Weiterhin war der Parnaß ein neuer Mittelpunkt für dieselbe Maenadenfeier, nicht blos für alle umliegenden Ortschaften von Delphi bis Daulis, Tithorea und zu den Ozolischen Lokrern, sondern selbst die 541 attischen Frauen zogen zu dieser Feier nach Delphi um mit den einheimischen die nächtlichen Orgien zu feiernAesch. Eum. 24, Soph. Antig. 1126, Eur. Iph. T. 1243, Paus. 10, 4, 2, Ulrichs R. u. F. 119 ff.. Und zwar geschah dieses oben auf dem ganz mit Schnee bedeckten Gipfel des Gebirges, wo sie in strengeren Jahren sogar Gefahr litten. Daher das Gemüth der Umwohner mit gleich abergläubischer Furcht auf diesen Gipfel schaute, wo man von Zeit zu Zeit bacchische Gestalten zu sehen und einen wilden Lärm zu hören glaubte, wie die Anwohner unseres Harzes auf den Blocksberg, ja noch jetzt nennen die Hirten des Parnaß jenen Gipfel des Teufels Tenne. Aber auch der Peloponnes, selbst die dorischen Staaten waren diesem Cultus sehr ergeben. Fast überall trifft man auf den nächtlichen Dionysos, den schwärmenden lärmenden, und nur nach dem Grade der Bildung war diese Feier bald eine feinere, zu Kunst und Poesie anregende, bald eine rohere, wie z. B. außer Theben und Naxos auch Korinth auf den Ursprung des Dithyrambos, Megara Sikyon und Phlius auf den gewisser dramatischer Spiele Anspruch erheben durften. Die mystische Seite des Dienstes dagegen war besonders in der Gegend von Argos ausgebildet worden, wo Melampus für den ersten Dionysospriester und den Stifter eigentümlicher Fest- und Sühnungsgebräuche galt, an denen die spätere Zeit Manches veränderte, bis die lernaeischen Mysterien daraus entstanden, eine Nachbildung der eleusinischen, nur daß die mystische Symbolik hier einen sehr obscönen Character angenommen hatteHerod 2, 49, Paus. 2, 37, Dem. u. Pers. 210 ff. Auch dieses b.Plut. Is. Os. 35 gehört dahin: Ἀργείοις δὲ βουγενὴς Διόνυσος ἐπίκλην ἐστίν, ἀνακαλοῦνται δ' αὐτὸν ὑπὸ σαλπίγγων ἐξ ὕδατος ἐμβάλλοντες εἰς τὴν ἄβυσσον (des alkyonischen Sees P. 2, 37, 5) ἄρνα τῷ πυλαόχῳ d. h. dem Pluto.. Daneben gab es auch in Argos Agrionien, welche mit Sühnungen und Todtendienst verbunden waren, wobei die Legende an die Geschichte der Proetiden anknüpfte und von rasenden Weibern erzählte welche vom Fleische ihrer eignen Kinder gegessen hättenApollod. 2, 2, 2; 3, 5, 2, vgl. Hes. ἀγράνια ἑορτὴ ἐν Ἄργει ἐπὶ μιᾷ τῶν Προίτου ϑυγατέρων u. ἀγριάνια νεκύσια παρὰ Ἀργείοις. Ein Mt. Ἀγριάνιος in Kos und Rhodos, wo er wahrscheinlich dem Januar entsprach. Von der τύρβη, welche wie jenes Fest auf Kreta (S. 533) dem Dionysos u. dem Pan gemeinschaftlich galt, Paus. 2, 24, 7. Also betraf sie vielleicht den D. Kresios., und eine lärmende Festfeier die man τύρβη nannte. Ferner blühte der Dionysosdienst, meist 542 der orgiastische, längs der ganzen Küste von Achaja, wo der Wein- und jetzt auch der Korinthenbau so vorzüglich gedeiht. In Elis treffen wir wieder auf ein Stammland des Gottes, da man sich auch hier seiner Geburt rühmte (Hom. H. 34). Auch waren Arkadien und Messenien von derselben Religion durchdrungen, vorzüglich aber bildete der Taygetos, dessen Weinpflanzungen berühmt waren (Theogn. 879 ff.), wieder einen Mittelpunkt der nächtlichen Orgienfeier, die vor vielen andern besucht war. Selbst im nüchternen Sparta schwärmten die Mädchen und Frauen dem wilden Gotte, sowohl in den Umgebungen des Eurotas als auf dem TaygetosArist. Lys. 1312, Virg. Ge. 2, 487 u. dazu Philarg.: Bacchi enim orgia in montibus celebrari solebant a furiosis Bacchis, quae a Spartanis, quorum mons erat Taygeta, δύσμαιναι appellabantur. Vgl. Hes. v. Διονυσίαδες u. Δύσμαιναι, und Meineke Anal. Al. 360, z. Theokr. 18, 22 u. 39. Auch das Fragm. des Alkman b. Athen. 11, 99 wird am natürlichsten auf die Dionysosfeier im Taygetos bezogen, s. Aristid. 1 p. 49 ὥσπερ καὶ λεόντων γάλα ἀμέλγειν ἀνέϑηκέ τις αὐτῷ Λακωνικὸς ποιητής.. Unter den Inseln waren Kreta Chios Lesbos und Tenedos wegen ihrer wild orgiastischen Dionysosfeier berüchtigt, wie z. B. auf Kreta ein lebendiger Stier von den Maenaden mit den Zähnen zerrissen, auf Chios Lesbos und Tenedos diesem Dionysos, den man bald ἀγριώνιος d. h. den wilden, bald ὠμηστὴς oder ὠμάδιος und ἀνϑρωπορραίστης d. h. den roh essenden, würgenden nannte, sogar Menschenopfer dargebracht wurdenVon Kreta lul. Firm. p. 9, von Chios und Tenedos Porph. d. abstin. 2, 55 ἔϑυον δὲ καὶ ἐν Χίῳ τῷ ὠμαδίῳ Διονύσω ἄνϑρωπον διασπῶντες καὶ ἐν Τενέδῳ, vgl. das Opfer des D. ἀνϑρωπορραίστης auf Tenedos b. Aelian N. A. 12, 34 und von Lesbos Clem. Pr. p. 36, Aelian V. H. 13, 2. Antonius nennt sich D. χαριδότης u. μειλίχιος, ist aber in Wahrheit ὠμηστὴς u. ἀγριώνιος Plut. Anton. 24..
In allen diesen Gegenden ziemlich dieselben Gebräuche, obwohl der Orgiasmus in einigen ein wilderer in anderen milder war. Der Zeit nach war die Feier eine trieterische d. h. sie wurde in Uebereinstimmung mit einem alterthümlichen SchaltcyclusHerod. 2, 4, Censorin. 18. alle zwei Jahre zu Anfang des dritten begangen. Die Jahreszeit war die des kürzesten Tages (Ovid F. 1, 393) d. h. des kritischen Wendepunkts wo das Dunkel über das Licht gesiegt zu haben scheint, aber nun doch wieder den zunehmenden Tagen und einer besseren Jahreszeit Raum geben muß, daher dieser Tag von jeher für alle Religionen ein höchst bedeutungsvoller gewesen ist. Immer fand sie auf und zwischen den Bergen statt, die heiligsten Acte während 543 der Nacht beim FackelglanzDaher Soph. Antig. 1146 ἰὼ πῦρ πνεόντων χόραγ' ἄστρων, νυχίων φϑεγμάτων ἐπίσκοπε. D. νυκτέλιος Plut. l. c., Paus. 1, 40, 5.. Ausschließlich Frauen und Mädchen nahmen an derselben Antheil, Μαινάδες Θυιάδες Βάκχαι, auch Λῆναι genannt, wie sie vorzüglich von Euripides in den Bacchen geschildert werden und sich durch ganz Griechenland dem Orgiasmus dieser trieterischen Nachtfeier, zu welcher sie sich in gewissen Gruppen (Thiasoi) vereinigten, rücksichtslos überlassen durften, allerdings mit Ausschluß aller Theilnahme von MännernDiod. 4, 3, Plut. de Εἰ ap. Delph. 9 τῷ δὲ μεμιγμένην τινὰ παιδιᾷ καὶ ὕβρει καὶ σπουδῇ καὶ μανίᾳ προσφέροντες ἀνωμαλίαν εὔιον ὀρσιγύναικα μαινομέναις Διόνυσον ἀνϑέοντα τιμαῖς ἀνακαλοῦσιν. Vgl. Rur. Bacch. 650 ff., Schoene de pers. in Eur. Bacch. hab. scen. p. 67 sqq., O. Jahn Pentheus 10 ff., Welcker A. D. 1, 158, Panofka Dionysos u. d. Thyiaden, Berl. Akad. 1852.. Denn die Gebräuche dieser Feier waren durchaus fanatisch und ekstatisch. Thyrsosstäbe und Fackeln schwingend, Schlangen in den fliegenden Haaren und in den Händen, mit der Musik dumpfschallender Handpauken und gellender Flöten versammelten sich diese Maenaden in den Wäldern und Bergen, jubelten und tobten, tanzten und schwärmten in verrenkten StellungenHom. H. in Cer. 385 ἡ δὲ ἰδοῦσα ἤιξ' ἠύτε μαινὰς ὄρος κατὰ δάσκιον ὕλῃ. Horat. Od. 3, 15, 10 pulso Thyias uti concita tympano. Virg. A. 4, 301 bacchatur qualis commotis excita sacris Thyias, ubi audito stimulant trieterica Baccho orgia nocturnusque vocat clamore Cithaeron. Vgl. Lob. Agl. 672. 693, Müller Handb. § 388, 3. 4, Wieseler D. A. K. 2, n. 567 ff. Eine lebendige Anschauung giebt Catull 64, 255 in der Beschreibung des bacchischen Thiasos: Horum pars tecta quatiebant cuspide thyrsos, pars e divulso iactabant membra juvenco, pars sese tortis serpentibus incingebant, pars obscura cavis celebrabant orgia cistis, orgia quae frustra cupiunt audire profani. Plangebant alii proceris tympana palmis aut tereti tenuis tinnitus aere ciebant, multis raucisonos efflabant cornua bombos barbaraque horribili stridebat tibia cantu.. Die Art dieser Bewegungen und das gewöhnliche Costüm veranschaulichen die häufigen, zum Theil ausgezeichnet schönen Bilder solcher Maenaden, denn die Künstler der Leidenschaft und des Pathos, Skopas und Praxiteles sammt ihrer Schule, wußten auch die heftigste Erregung des Körpers in schwebenden Stellungen mit pulsirender Belebung wiederzugeben, sodaß daraus für das aesthetische Auge ein eben so anziehender Eindruck entstand als diese Gebräuche in der Wirklichkeit roh und gewaltsam gewesen sein mögen. Allerlei Thiere des Waldes, HirschkälberPhot. νεβρίζειν ἢ νεβροῦ δέρμα φορεῖν ἢ διασπᾶν νεβροὺς κατὰ μίμησιν τοῦ περὶ Διόνυσον πάϑους, s. Lobeck Agl. p. 653, Schoene p. 80. Auf Bildwerken haben die Maenaden oft solche Stücke von zerrissenen Hirschkälbern in den Händen., 544 junge Wölfe, Böcke u. s. w. wurden erst gehegt und gepflegt, dann zerrissen, zur Andeutung der Leiden welche die schöpferische Natur des Waldgebirges in derselben Jahreszeit auszustehen hatte. Von Dionysos selbst hieß es er sei verschwunden, habe sich ins Meer oder zu den Nymphen oder zu den Musen gerettetSo in Orchomenos bei den Agrionien, Plut. Symp. 8 pr., daher man ihn im Gebete anrief im Frühlinge von dort wieder zurückzukehren. So beteten namentlich in Elis die Frauen: »Komm o Herr in deinen Tempel zu Elis, komm mit den Chariten in deinen heiligen Tempel, tobend mit dem Stierfuße«Plut. Is. Os. 35, Qu. Gr. 36, der die Worte dieses Gebets erhalten hat: ἐλϑεῖν ἥρως Διόνυσε Ἄλιον ἐς ναὸν ἁγνὸν σὺν Χαρίτεσσιν ἐς ναὸν τῷ βοέῳ ποδὶ ϑύων, ἄξιε ταῦρε. Wobei zu vergleichen der von v. Köhler mitgetheilte Cameo, ges. Schr. 5 t. 3 u. Wieseler a. a. O. n. 383, wo die Chariten u. die Plejaden auf die Wiederkehr im Frühling deuten. Das Fest der Wiederkehr war das der Θυῖα, welches dem der Theodaesien auf Andros und sonst entsprach, s. Paus. 6, 26, 1, vgl. 5, 16, 5, Plut. d. mul. virt. 15., denn Dionysos wurde in diesem orgiastischen Culte oft als Stier oder nach Art eines solchen gestaltet (ταυρόμορφος) gedacht, daher das entsprechende Opfer eines Stiers, welcher mit der Axt erschlagen und darauf zerrissen und in rohen Stücken verzehrt wurde, immer in dem Sinne wie jene anderen Thiere und wie in der thrakischen Sage Orpheus zerrissen wird, nehmlich um das Hinsterben der Natur und aller ihrer Kraft und Lust unter den Qualen des Winters auszudrücken. Mußten doch, wie wir gesehen, in älterer Zeit selbst Menschen die Stelle eines so wild und grausam zerfleischten Opfers vertreten, daher vor der Schlacht bei Salamis drei gefangene junge Perser von edler Abkunft auf Geheiß eines Sehers dem Dionysos ὠμηστὴς als Opfer dargebracht wurdenPlut. Them. 13, Aristid. 9.. Von dem düstern, schauerlichen Totaleffect der ganzen Feier geben die Dichter oft lebendige Schilderungen, außer Euripides besonders Aeschylos in einem Fragmente seiner Edonen bei Strabo 10, 470 und Ovid in der Fabel vom Orpheus Met. 11 z. A. Es war der tiefste Erden- und Naturschmerz, die wildeste Verzweiflung des von den Agonieen des Winters beängstigten Gemüths, obwohl durchleuchtet von dem Hoffnungsschimmer des Frühlings, daß er doch wiederkommen müsse und mit ihm der Gott der Jugend, der Lust, der ewig schaffenden und quellenden Naturkraft. Schon jene Auferweckung des 545 Dionysos Liknites auf dem Parnaß deutet darauf hin, wie denn auch die Legende nicht blos von der Zerreißung des Zagreus durch die Titanen berichtete, worüber der Weinstock und alle Natur eine Zeitlang in die tiefste Trauer versenkt worden sei, sondern auch von seiner Wiedererweckung durch Zeus und der Verjagung der TitanenHimer or. 9, 4, vgl. Lob. Agl. 569.. Noch entschiedener aber machte diese Lust und Stimmung des Frühlings sich im weiteren Verlaufe der drei zu Delphi dem Dionysos geweiheten Wintermonate geltend, welche man zusammengenommen die Zeit des Mangels nannte, im Gegensatze zu den neun Monaten der Sättigung, wo der Paean zu Ehren des Apollo zu erschallen pflegtePlut. de Εἰ ap. Delph. 9. Es werden die Monate vom kürzesten Tage bis zum Frühlinge sein, also Januar Februar und März.. Wenigstens wissen wir daß gewisse Acte dieses ekstatischen Gottesdienstes noch gegen Ausgang des Frühlings gefeiert wurden und daß man wenigstens in späterer Zeit die Rückkehr des Dionysos von den Indern wie in Lydien so auch am Parnaß im Frühlinge mit Blumen und heiteren Gesängen begrüßteHimer or. 13, 7, vgl. Galen d. antid. 1, 8, die beste Zeit zum Fange der Vipern sei nach Andromachos (O. Schneider Philol. 1858), ἡνίκα οἱ τῷ Διονύσῳ βακχεύοντες εἰώϑασι διασπᾶν τὰς ἐχίδνας, παυομένου τοῦ ἧρος, οὔπω δ' ἠργμένου ϑέρους..
Eine neue Reihe von eigenthümlichen Gestalten des Dionysosdienstes begegnet uns in Makedonien, Thrakien und Kleinasien, wo die einheimischen Sagen und Götterdienste mit den griechischen verschmolzen waren und Thrakien und Makedonien sich durch Wildheit, Kleinasien durch lüsterne Weichlichkeit auszeichnet. Denn auch in jenen nördlichen Gegenden war die Cultur des Weins und eine entsprechende Religion seit alter Zeit verbreitet, obwohl zwischen der Bevölkerung des mythischen Thrakiens, welche den Griechen näher verwandt gewesen zu sein scheint, und der des historischen, von welchem Herodot erzählt, wohl zu unterscheiden ist. Doch bekannte sich auch dieses mit fanatischem Eifer zu den Orgien des Bacchus und den Weihen des OrpheusPomp. Mela 2, 2 montes interior attollit Haemon et Rhodopen et Orbelon, sacris Liberi Patris et coetu Maenadum Orpheo primum initiante celebratos. Vgl. Lob. Agl. 289 sqq., wie das benachbarte Makedonien, dessen Klodonen und Mimallonen, so nannte man in der Landessprache die schwärmenden Maenaden, unter ihnen Olympias, die leidenschaftliche Mutter Alexanders d. Gr., an Fanatismus und 546 Aberglauben mit den thrakischen Frauen wetteifertenPlut. Alex. 2, Polyaen 4, 1, Lukian Alex. 6, Athen. 5, 28, Pers. 1, 99. Κλώδωνες von κλώζειν d. i. lärmend schreien, Μιμαλλόνες ist wahrscheinlich zu erklären wie Μίμας s. oben S. 59, [Anmerkung 96].. In Kleinasien kam die allgemein verbreitete Religion der Großen Mutter dem bacchischen Orgiasmus mit einem gleichartigen Geist und Inhalt entgegen. Daher die Erscheinung daß der griechische Dionysosdienst, dessen populären und mystischen Formen die asiatischen Griechen aller Stämme eifrig ergeben warenAuf dem ionischen Festlande bes. die Gegend von Teos und Lebedos, wo man auch von der Geburt des Dionysos und von andern Wundern erzählte und wo οἱ περὶ τὸν Διόνυσον τεχνῖται in Kleinasien ihren Sitz hatten, Diod. 3, 66, Strabo 14, 643, Vitruv. 3, 3; 7 praef., C. I. n. 3046 ff., sich in diesen Gegenden mit dem Glauben an die lydische und phrygische Göttermutter sehr bald dergestalt vermischte, daß sowohl die heilige Sage als das gottesdienstliche Ritual beider Kreise je länger desto mehr in einander aufgingen, was für den Dienst des Dionysos auch in Griechenland die wichtigsten Folgen gehabt hat. Erzählte man doch seitdem selbst in Theben daß Dionysos zwar dort geboren sei, aber gegen die Nachstellungen der Hera oder von ihr verfolgt und mit Raserei gestraft bei der Rhea am lydischen Tmolos oder bei der Kybele von Pessinus Schutz und heilende Pflege gefunden habe, worauf er in den Wäldern und Bergen von Lydien und Phrygien umherschweifend und wilde Thiere bändigend zum Helden herangewachsen und erst als Ueberwinder von ganz Asien in seine griechische Heimath zurückgekehrt sei. Schon bei Pindar ist diese Verschmelzung der verwandten Orgien entschiedenPind. I. 6, 3 χαλκοκρότου πάρεδρον Δαμάτερος ἁνίκ' εὐρυχαίταν ἄντειλας Διόνυσον (Theben). In den Dithyramben b. Str. 10, 469 σοὶ μὲν κατάρχειν, Μᾶτερ Μεγάλα, πάρα ῥόμβοι κυμβάλων u. s. w., und vollends bei Euripides in den Bacchen ist Dionysos mehr in Asien als in Griechenland zu Hause. Namentlich galt der lydische Tmolos mit seinen Rebengehängen und den Wiesen und Gebüschen des Paktolos in dieser späteren Zeit für die Wiege seiner Jugend und seiner WeiheEurip. Bacch. 13 ff. 55 ff. 64 ff., vgl. Apollod. 3, 5, 1, Athen. 5, 33. D. vom Zeus am Sangarios geboren, Arrian b. Eustath. Dion. P. 939., welche sich von dort durch die Welt verbreitet habe, daher die bacchischen Feste dieser Gegend, die lydischen Maenaden und eine Frühlingsfeier am Tmolos, wo man des Gottes triumphirende Rückkehr von den Indern feierte, auch sonst oft erwähnt werdenHimer ecl. 36, 1, or. 3, 6; 13, 7; 14, 7, vgl. Lukian d. salt. 3, Athen. 5, 28 αἱ καλούμεναι Μιμαλλόνες καὶ Βασσάραι καὶ Λυδαί, Philostr. v. Apoll. 5, 32 p. 98 διονυσομανῶν καὶ λυδίζων γὴν στολήν.. In demselben Sinne mögen namentlich 547 Ephesos Milet Smyrna Pergamum NicaeaVon Ephesos vgl. Plut. Anton. 24, Plin. 16, 214, von Pergamum Dio 41, 61, Paus. 10, 18, 5, C. I. n. 3538, von Milet u. Smyrna, wo unter andern Festlichkeiten eine Triere durch die Stadt geführt wurde, zur Erinnerung an einen Sieg über die Chier, K. F. Hermann Gottesd. A. § 66, 9, Aristid. 1 p. 373. 440. 752. 756. und andre Hauptstädte des hellenistischen und römischen Zeitalters ihre Dionysien gefeiert haben, obwohl auch der troische IdaEurip. Palam. fr. 589 ὃς ἄν' Ἴδαν τέρπεται σὺν ματρὶ φίλᾳ τυμπάνων ἰάκχοις. und andre Gebirge, in denen die Große Mutter heimisch war, nun in gleicher Weise dem Dionysos wie dem Attis und andern verwandten Halbgöttern des asiatischen Glaubens geheiligt wurden. Denn überall ist eine durchgängige Verschmelzung beider Religionskreise das Characteristische dieser asiatischen Dionysosfeier, deren zugleich höchst weichlicher und höchst orgiastischer Geist den Stimmungen dieses Zeitalters auch in weiteren Kreisen am meisten zusagte. Daher die wilde Musik der Cymbeln und die Umgebung der Kabiren und Korybanten jetzt eben so wesentlich zum Dionysos gehörte als zur Rhea, desgleichen der nun oft dem Dionysos gleichgesetzte Attis und sein Gegenbild im Dienste der syrischen und kyprischen Aphrodite, der schöne Adonis, welcher bald für seinen Liebling galt oder gleichfalls für identisch mit ihm gehalten wurdePlut. Symp. 4, 5, 2, vgl. die Verse des Komikers Plato b. Athen. 10, 83. Nonnos erzählt von einem Besuch des Dionysos auf dem Libanon bei Aphrodite und Adonis, wo er von Liebe zur Beroe ergriffen wird. Der Dionysosdienst war über Cypern und die ganze Gegend verbreitet. Ἀφροδίτη Βάκχοιο πάρεδρος Orph. H. 55, 7. Dionysos Attis s. Schneidewin Philol. 3, 265.. Natürlich hat auch die Gestalt des Dionysos selbst unter solchen Einflüssen die entsprechenden Farben angenommen. Er wird nun ganz nach Art dieser asiatischen Heroen geschildert und gebildet, von außen zart und weichlich, innerlich voll Muth und Feuer, mit weichen Locken, deren üppiger Reichthum durch eine lydische Mitra aufgebunden ist, einer weiten fließenden Kleidung von bunten Stoffenβασάρα oder βασσάρα, ein langer bunter Rock der lydischen und thrakischen Maenaden, Poll. 7, 60, Bekk. An. 222, daher Bacchus selbst Βάσσαρος und Βασσαρεὺς und seine Maenaden Βασσάραι und Βασσαρίδες genannt werden, Prop. 3, 17, 30, Artemid. 2, 37, Lob. Agl. 293, Schoene l. c. 146., ein Weiberheld mit zarter Hautfarbe und verliebten BlickenEur. Bacch. 235 ff. 455 ff. Auch ein Held der Knabenliebe und selbst pathicus, Iul. Firm. p. 9 effeminatum fuisse et amatorum servisse libidinibus Graecorum gymnasiis decantatur. Vgl. Clem. Homil. 5, 15., bald als zarter Jüngling bald als 548 gereifter Mann mit üppigem BartwuchsSo besonders eine Statue im Vatican mit dem eingegrabenen Namen des Sardanapal, D. A. K. 2, 347., immer im Stile des Orients. Eine anmuthige Episode der Geschichte dieses lydischen und phrygischen Dionysos ist die vom schönen Jünglinge Ampelos, den er bei seinem Umherschweifen kennen lernt und zärtlich liebt, bis er ihm durch einen Stier entführt und getödtet wird, worauf Zeus um den Schmerz des Dionysos zu stillen aus der Leiche des Jünglings den Weinstock entsprießen läßt: eine Fabel welche nach den einfacheren Umrissen eines thrakischen Märchens durch die spätere Kunst und Poesie weiter ausgebildet wurdeVgl. Ovid F. 3, 409 und Nonnos b. Köhler S. 23 ff. Auch die bildende Kunst kennt diesen Ampelos, D. A. K. 2, 371. Nonnos erzählt noch sonst manche asiatische Fabel, namentlich die von der Nicaea, Köhler S. 28 und 74 ff.. Dagegen wird derselbe den weichlichsten Gemüthsstimmungen hingegebene Gott nach asiatischer Weise in anderen Fällen als kühner und streitbarer Held gedacht, welcher bald mit den AmazonenNach ephesischer Sage, s. Tacit. A. 3, 61, Paus. 7, 2, 4, Plut. Qu. Gr. 56, vgl. Köhler S. 33, Gerhard Arch. Zt. 1845 n. 30 t. 30, D. A. K. 2, 443., den immer wiederkehrenden Feinden der kleinasiatischen Helden, bald mit Perseus zu thun hat, dessen Kampf mit Dionysos gleichfalls auf asiatischer Sage zu beruhen und erst später nach Argos übertragen zu sein scheintEuphorion b. Meineke Anal. Al. p. 50, Paus. 2, 20, 3; 22, 1; 23, 7, Nonn. 47, 475..
Abgesehen von dieser Verschmelzung verwandter Religionen hatten sich aber auch einige Gestalten dieses thrakischen und phrygischen Orgiasmus in der barbarischen Eigentümlichkeit ihrer Heimath über Griechenland verbreitet, namentlich in der früheren Zeit der Handelsblüthe von Athen, Korinth und anderen griechischen Städten, wo ein lebhafter Fremdenverkehr und die gemischte Bevölkerung der unteren Klassen das Eindringen solcher Sacra um so mehr erleichterte, je weniger sich die Polizei in der Regel um sie zu kümmern pflegte. Namentlich gehören dahin die thrakischen Kotyttien und die phrygischen Sabazien, von denen jene durch die Bapten des Eupolis berüchtigt wurden, in denen es auf Alkibiades und seinen Anhang gemünzt warLob. Agl. 1007 sqq., Meineke fr. Com. Gr. 1, 119–126. Βάπται sind τριχῶν πλάσται, molles, calamistrati, geschniegelte Lustbuben, s. Synes. encom. calvit. p. 85 ed. Par. 1612., 549 diese wiederholt bei Aristophanes erwähnt, werdenArist. Vesp. 9, Av. 875 Schol., Lysistr. 388, Cic. leg. 2, 15, 37.. Kotys oder Kotytto scheint eine der phrygischen Großen Mutter verwandte Göttin und ihre Orgien wie bei dieser mit bacchischen Mysterien verbunden gewesen zu seinAesch. b. Str. 10, 470, vgl. Bekk. An. 246, 20, Suid. v. Κότυς, Plut. prov. 1, 78, Synes. l. c. Κότυς, auch als Männername im Gebrauch, scheint Würde auszudrücken. Also etwa ἡ Μεγάλη., so weit sich anders nach den spärlichen Nachrichten über diesen Gottesdienst urtheilen läßt, welcher auch in Chios, in Korinth und in Sicilien Anklang gefunden hatte. Was den Dienst des Sabos oder Sabazios betrifft so war derselbe sowohl in Thrakien als in Phrygien zu HauseStr. 10, 470, Macrob. S. 1, 18, 11, vgl. Diod. 4, 4, Harpokr. Hesych. Der Name kommt in verschiedenen Formen vor: Σάβος Σαβάζιος Σαβάδιος Σεβάζιος Σεβάδιος. Σάβοι hießen auch seine Heiligthümer und die Geweiheten, Plut. Symp. 4, 6, 2, Schol. Arist. Av. 875. Wegen des Anklangs an Sabbath Sebaoth hielt man diesen Gott für identisch mit dem der Juden, sowohl in Griechenland als in Rom, Plut. l. c, Val. Max. 1, 3, 2. Ob. der Name mit σέβομαι skr. sabhâi zusammenhängt muß dahin gestellt bleiben., wie denn auch die Bevölkerung dieser beiden Länder verwandt gewesen sein soll. Auch er wird gewöhnlich für einen Dionysos erklärt, und zwar scheint er dem Zagreus der trieterischen Orgien am nächsten gestanden zu haben; wenn er in verschiedenen Gegenden als Zeus Sabazios angerufen wurdeVal. Max. l. c, Orph. H. 48, Orelli Inscr. n. 1279. Vgl. Ζεὺς Βάκχος in dem Orakel aus Pergamum C. I. Gr. n. 3538. Nach Prokl. in Tim. 4, 251 (b. Lob. Agl. 1047) wurde auch der asiatische Mondgott bei den Phrygern als Σαβάζιος und in den Sabazien verherrlicht., so erklärt sich dieses durch den allgemeineren Gebrauch des Namens Zeus, obwohl allerdings beide Götter, Zeus und Dionysos, sich in Kleinasien wie auf Kreta im Cultus sehr nahe gestanden haben müssen. Auch war der des Sabazios nach phrygischer Weise aufs engste mit dem der Göttermutter verbunden, neben welcher und dem Attis dieser Gott mit dem herkömmlichen Rufe εὐοῖ σαβοῖ angerufen und mit korybantischer Verzückung gefeiert wurdeDemosth. d. cor. 260 τοὺς καλοὺς ϑιάσους ἄγων διὰ τῶν ὁδῶν, τοὺς ἐστεφανωμένους τῷ μαράϑῳ καὶ τῇ λεύκῃ, τοὺς ὄφεις τοὺς παρείας ϑλίβων καὶ ὑπὲρ τῆς κεφαλῆς αἰωρῶν, καὶ βοῶν εὐοῖ σαβοῖ, καὶ ἐπαρχούμενος ὕης ἄττης ἄττης ὕης, ἔξαρχος καὶ προηγεμὼν καὶ κιστοφόρος καὶ λικνοφόρος. Vgl. Lob. Agl. 642. 1045 sqq. Nach Cic. N. D. 3, 23, 58 galt Sabazios für einen Sohn des Kabir und für einen alten König von Asien.. Das ihm eigentümliche Symbol war die 550 Schlangeὄφις παρείας Demosth. l. c, Theophr. char. 16, vgl. Artemid. 2, 13, Plut. Alex. 2., als Sinnbild der jährlichen Erneuerung des Naturlebens, in welchem Sinne dasselbe auch in der trieterischen Bacchusfeier, namentlich bei den thrakischen und makedonischen Maenaden herkömmlich war. Daher bei den Mysterien des Sabazios eine goldne Schlange als Symbol des Gottes den Eingeweihten am Busen durch die Kleider gezogen wurde, ein altertümlicher Ritus der Adoption oder einer neuen Geburt, welcher sowohl bei den Griechen als bei andern Völkern herkömmlich warDaher ὁ διὰ κόλπου ϑεὸς Clem. Pr. p. 14, vgl. Arnob. 5, 21 aureus coluber in sinum dimittitur consecratis et eximitur rursus ab inferioribus partibus atque imis u. Iul. Firm. p. 15. Vgl. Diod. 4, 39, Hesych v. δευτερόποτμος und die verwandten Gebräuche b. Liebrecht z. Gervas. Tilb. 170.. Ein neuerdings bekannt gewordenes Bild von diesem Gotte, welches aus Phrygien stammt, stellt ihn dar als jugendlichen, nach lydischer und phrygischer Weise bekleideten Mann, welcher thronend die Huldigung der Gläubigen entgegen nimmt, während seine Schlange sich neben ihm an einem Baume emporringeltConze Reise a. d. Ins. d. thrak. M. t. 17, 7, S. 98 ff. Ein Marmorrelief aus Blaudos in Phrygien m. d. Inschr. Μένανδρος Ἀϑηνοδώρου Διὶ Σααξίῳ εὐχήν. In der L. hat die Figur einen lanzenartigen Stab (Thyrsos?), in der R. eine Schale.. Die Verehrung dieses Gottes scheint sich seit den Zeiten der älteren Komödie nicht allein in Athen festgesetzt, sondern auch sonst ziemlich weit verbreitet und namentlich in den letzten Zeiten des Heidenthums in vielen Kreisen Aufnahme gefunden zu haben, auch in Rom und ItalienDemosth. d. cor. 260, d. fals. leg. 281, Theophr. char. 16. 27, Val. Max. 1, 3, 2, Orelli n. 1259, Henzen n. 6042..
Endlich der indische Bacchus d. i. der Eroberer des Orients, von welchem besonders seit den Eroberungszügen des Alexander, aber auch schon vor denselben in verschiedenen Sagen erzählt wurde. Er ist das Resultat einerseits einheimischer Traditionen des Orients, welche den griechischen Erzählungen vom Dionysos sinnverwandt entgegen kamen, andrerseits der schon aus Herodot hinlänglich bekannten Neigung der Griechen, die verwandten Götter und Helden des Auslands ins Griechische zu übersetzen und an solchen Thatsachen fortspinnend eine zusammenhängende Geschichte und Vorzeit der ihnen bekannten Welt zu erdichten. So war es seit alter Zeit herkömmlich den aegyptischen Osiris mit dem griechischen Dionysos zu identificiren und in Folge davon auch ein Nysa in Aethiopien an der Grenze 551 Aethiopiens anzunehmenHerod. 2, 146; 3, 97., während Andre den Sonnengott Arabiens Urotal auf dieselbe Weise übertrugen und auch für ihn ein Nysa in Arabien nachzuweisen wußtenHom. H. und Antimachos b. Diod. 3, 64–66. Antimachos versetzte auch den König Lykurgos nach Arabien, wie dieses noch bei Nonnos 20, 143 ff. geschieht.. Indessen scheint die Sage von den asiatischen Eroberungszügen des Bacchus nicht von diesen Punkten, sondern von Kleinasien ausgegangen zu sein, dessen Lage und Geschichte es von selbst auf das innere Asien hinwies. Wenigstens ist es bei Euripides speciell der lydische Dionysos, der Zögling des Tmolos, welcher zugleich als Eroberer geschildert wird, obgleich noch nicht in dem späteren Umfange. Dionysos durchzieht nehmlich in seinen Bacchen von Lydien ausgehend Phrygien, Persien, Baktrien, wo die Sage gleichfalls von Nysa und Dionysos erzählteAm Paropamisos oder dem indischen Kaukasos, an welchen auch b. Steph. B. v. Νῦσαι und Himer or. 13, 7 zu denken ist. Auch in Syrien und Kilikien gab es ein Nysa und andre Denkmäler des Dionysos, s. Hesych v. Νῦσα, Steph. B. v. Δαμασκός, Plin. 5, 74., Medien, Arabien, um darauf an der Küste von Syrien und Kleinasien nach Griechenland zurückzukehren. Darauf folgten die Eroberungszüge Alexanders des Gr., welche diesen Fabeln einen noch weiteren Schauplatz eröffneten und namentlich die Inder zuerst mit in diese Verkettung von Namen und Abenteuern hineinzogen. Es sollen ihm nehmlich, als er von Baktrien nach Indien vordrang, auch im Oberlande des Indus dieselben Traditionen von einem Nysa griechischen Ursprungs und von den Zügen des Dionysos entgegengetreten und von ihm und seinen Nachfolgern mit Eifer ergriffen worden seinMegasthenes b. Arrian Ind. 5, 4 u. 7 (Hist. Gr. fr. 2, 416 sqq.), vgl. Arrian Anab. 5, 1. 2, Plin. 6, 49. 79, Lassen Ind. Alterth. 2, 133 ff. 731 ff.; 3, 443 ff., welche letzteren überhaupt weit mehr als er selbst zur Verbreitung dieser Fabeln beigetragen haben. Denn Dionysos war nun einmal zum Vorbilde des Eroberers in Asien geworden, des triumphirenden EroberersDaher Θρίαμβος als Beiname des Dionysos und in der Bedeutung des Triumphs, Hes. Diod. 4, 5, Lactant. 1, 10, 8 praeter Iovem solus triumphavit. Auch den Lorbeerkranz der Sieger, die magna corona, soll er zuerst getragen haben, Tertull. d. cor. 7. 12., dessen Siege durch Berauschung der Feinde und mit Thyrsen und Maenaden, Silenen und Satyrn gewonnen wurden und dessen Triumphe in stolzen Aufzügen mit bezwungenen Völkern, Königen und wilden Thieren und für die Sieger in üppigen Zechgelagen bestanden, wie solche 552 schon von Alexander gefeiert sein sollenArrian Anab. 6, 28, Plut. Alex. 67. und später von den baktrischen Königen, den Seleukiden, den Ptolemaeern, den römischen Feldherrn und Kaisern immer mit Erinnerung an den indischen Bacchus gefeiert wurden. Namentlich scheinen die Ptolemaeer in Alexandrien diesem Dionysos eifrig gehuldigt zu haben, wie sie sich denn selbstVgl. Theophil. ad. Autol. 2, 7 b. Meineke An. Alex. 346 und das Monum. Adul. im C. I. n. 5127, wo Ptolemaeos Euerg. sich nennt einen ἀπόγονος τὰ μὲν ἀπὸ πατρὸς Ἡρακλέους τοῦ Διὸς τὰ δὲ ἀπὸ μητρὸς Διονύσου τοῦ Διός. Ueber Alexander d. Gr. s. die Verse des Soterichos b. Ps. Kallisth. 1, 46. und den in Alexandrien als Ktistes beerdigten und verehrten Alexander d. Gr. von Herakles und Dionysos ableiteten und diesen letzteren nicht allein durch glänzende Feste und AufzügeVgl. den b. Athen. 5, 25–33 beschriebenen Festzug und in demselben τὴν ἐξ Ἰνδῶν κάϑοδον Διονύσου 31. 32. Dionysos auf einem Elephanten, hinter ihm sein Thiasos, viele Thiere, viele Gefangene, Specereien und andre Kostbarkeiten und Merkwürdigkeiten des Orients., sondern auch durch viele örtliche Denkmäler verherrlichten. Daher die allgemeine Verbreitung dieser Fabel in der späteren Tradition, auch in der der örtlichen Feste und Sagen von GriechenlandSo tanzten die Knaben in Sparta später die Pyrrhiche nach bacchischer Weise mit Thyrsen und Fackeln, ὀρχοῦνταί τε τὰ περὶ τὸν Διόνυσον καὶ τὰ περὶ τοὺς Ἰνδούς, ἔτι δὲ τὰ περὶ τὸν Πενϑέα Athen. 14, 29. Vgl. Duris b. Et. M. v. ϑώραξ Lukian im Dionysos, Polyaen 1 u. 2, Schol. Apollon. 2, 904 u. A., desgleichen der bildenden Kunst und der mythologischen Dichtung, welche sich seit dem hellenistischen und alexandrinischen Zeitalter am liebsten mit der Schilderung und Ausmalung dieses indischen Eroberungszugs des Bacchus und seines Thiasos beschäftigte: zuerst so viel wir wissen der gelehrte Euphorion von Chalkis, später ein gewisser Dionysius unbekannten Zeitalters, dessen Bassarika oft citirt werden, endlich und zuletzt der später christliche Nonnos von Panopolis in Aegypten, dessen weitläuftiges Gedicht das bunte Gemisch von Fabeln und örtlichen Ueberlieferungen, zu welcher die Dionysossage mit der Zeit geworden war, am besten vergegenwärtigtR. Köhler üb. die Dionysiaka des Nonn. v. Panop. Halle 1853.. Andre Sagen und Gedichte, welche von ihm weniger berücksichtigt worden, beschäftigten sich mit den Eroberungs- und Civilisationszügen des Bacchus in Libyen und in den westlichen Ländern d. h. in Italien, wo jetzt die Tyrrhener als Gegenstücke zu den Indern im Osten genannt wurdenAristid. 1 p. 50. Bei Longus 4, 3 wird unter andern Gemälden eines Dionysostempels die Metamorphose der Tyrrhener neben dem Siege über die Inder genannt. Nonnos 45, 174; 47, 627 weiß von einem Kampfe mit dem riesigen Erdensohne Ἀλπὸς in Tyrrhenien. Libysche Sagen b. Diod. 3, 67 ff., vgl. Hygin f. 133, P. A. 2, 20, spanische b. Plin. 3, 8, Sil. Ital. 3, 101., 553 und in Spanien, oder mit den nördlichen Völkern der griechischen und italischen Weltkunde, welche, wenn ihre Berge keinen Wein trugen, nun wenigstens bei ihrem Bier desselben Gottes gedenken lerntenDiod. 4,2. In Illyrien Dalmatien Pannonien nannte man das Bier Sabaia oder Sabaium, Aminian. M. 26, 8, 2 c. intpp., etwa von Σάβος Σαβάδιος? Bei Apollod. 3, 5, 2 u. Ovid F. 3, 719 zieht Dionysos durch Thrakien und Skythien gegen die Inder..
In diesem Gedichte des Nonnos, welches eine letzte Zusammenfassung des ganzen Sagenvorraths des bacchischen Kreises ist, wird auch auf die Orphischen Erzählungen häufig Rücksicht genommen. Diese knüpften bei jenen orgiastischen Diensten des nächtlichen und trieterischen Dionysos an, die man gewöhnlich vom Orpheus ableitete, und mögen daher auch den Namen Zagreus und manchen anderen Zug ihrer Mythologie und Symbolik entlehnt haben. Das Wesentliche ihrer Lehren beruht aber auch hier auf einer Vermischung verschiedener Religionskreise und auf der willkürlichen Anwendung der mythologischen Bilder, um auf diese Weise gewisse asketische Lebensansichten und pantheistische Philosopheme, wie sie in den Orphischen Mysterien fortgepflanzt wurden, den Ungebildeten zugänglicher zu machen. Dionysos Zagreus, der leidende wandelbare, zeitliche und ewige, geborne gestorbene und wieder belebte, war der Hauptgott der Orphiker, deren Mysterien deshalb schon von Herodot 2, 81 bacchische genannt werdenὁμολογέουσι δὲ ταῦτα τοῖσι Ὀρφικοῖσι καὶ Βακχικοῖσι, ἐοῦσι δὲ Αἰγυπτίοισι καὶ Πυϑαγορείοισι, vgl. Eurip. Hippol. 952 ff.. Er galt ihnen für einen Sohn des Zeus (des Himmels) und der Persephone (der zwischen Leben und Tod wechselnden Erde), welcher der eigne Vater in der Gestalt einer Schlange (δράκων) beiwohnt. Zagreus, der Liebling seines Vaters und zum Weltherrscher bestimmt, wächst in der Verborgenheit heran, wie nach der älteren kretischen Sage das Zeuskind, umgeben von schützenden Kureten. Da schickt die eifersüchtige Hera die Titanen gegen ihn aus, die den Knaben beim Spiele überraschen und auf grausame Weise ermorden. Dann zerstückeln sie ihn, kochen und essen seine Glieder, während Hera das Herz dem Zeus bringt. Dieser giebt es der Semele oder er verschlingt es selbst und so wird hernach 554 ein anderer Zagreus, der jüngere oder der thebanische Dionysos geboren: womit diese mystische Fabel an die gewöhnliche und populäre anknüpfte. Die Titanen aber werden durch den Blitz des Zeus zu Asche verbrannt, aus welcher hernach die Menschen entstehn, welche also zum Theil titanischer, zum Theil Dionysischer Abkunft sind, da die Titanen den Zagreus verschlungen hatten. Daher der Kampf des Guten und des Bösen im Menschen, denn das Gute in diesem ist Dionysischer Abkunft und Dionysos soll unser Herr und Gott sein, dahingegen das Böse von den Titanen stammt, welche bei den Orphikern nach späterer Auffassung den Giganten gleichbedeutend, also erdgeborne Riesen und der Ursprung alles Rohen und Wüsten sind. Onomakritos hatte schon zur Zeit der Pisistratiden von dieser Fabel gedichtet. Doch gehörte sie immer wesentlich zur Orphischen Secte und zu den Orphischen Mysterien, daher die Profanscribenten und die gewöhnlichen Bildwerke sie nur ausnahmsweise berührenLob. Agl. p. 615 sqq. Euripides deutet im Hippolyt auf solche Fabeln. Später berühren sie Euphorion und Kallimachos, auch Oppian Hal. 5, 6 ff. Ein Vasenbild und einige Reliefs, die sich darauf beziehen, bei Gerhard A. V. t. 70, Wieseler D. A. K. 2 n. 412. 413..
Je weiter nun aber diese Fabeln auseinanderlaufen und Ausländisches und Fremdartiges mit Griechischem vermischt zeigen, desto nothwendiger ist es vorzüglich auf dieses zu achten und die Eigenschaften und bildlichen Attribute, unter welchen Dionysos den Griechen in ihrem eignen Lande und Gottesdienste erschien, ins Auge zu fassen.
So kann man den Kreis des ihm eigenthümlich angehörigen Naturlebens zunächst auf die aus dem Feuchten treibende und im Feuchten schwellende Vegetation der Erde bestimmen, allerdings vorzüglich des Weins und seiner Cultur, auf welche seine Feste und die Sagen und die ihn umgebenden Gestalten des Oeneus, Oenopion, StaphylosEine sehr populäre Figur die in vielen Sagen genannt wird, auf Chios als Bruder des Oenopion, in Aetolien als Hirt des Oeneus, Prob. V. Ge. 1, 9, auch in der karischen Sage, Parthen. Erot. 1 und in Alexandrien und bei Nonnos. D. εὐστάφυλος b. Rangabé n. 1219, σταφυλίτης Aelian V. H. 3, 41. u. A. so vernehmlich zurückweisen, im weiteren Sinne aber der Bäume und Baumfrüchte überhaupt, daher Dionysos einerseits der Aphrodite, aber auch andrerseits dem Poseidon sehr nahe stehtPlut. Symp. 5, 1 καὶ Ποσειδῶνί γε φυταλμίῳ, Διονύσῳ δὲ δενδρίτῃ πάντες ὡς ἔπος εἰπεῖν Ἕλληνες ϑύουσιν. Hes. Προτρύγαια, ἑορτὴ Διονύσου καὶ Ποσειδῶνος.. Er wurde deshalb 555 als δενδρίτης und als Gott aller grünenden und blühenden BaumpflanzungenPlut. Is. Os. 35 ὅτι δ' οὐ μόνον τοῦ οἴνου Διόνυσον, ἀλλὰ καὶ πάσης ὑγρᾶς φύσεως Ἕλληνες ἡγοῦνται κύριον καὶ ἀρχηγὸν ἀρκεῖ Πίνδαρος μάρτυς εἶναι λέγων· δενδρέων δὲ νόμον Διόνυσος πολυγαϑὴς αὐξάνοι, ἁγνὸν φέγγος ὀπώρας. und wie Aphrodite vorzüglich an feuchten Plätzen und solchen die von geiler Fruchtbarkeit waren verehrt, in allen Gärten und Niederungen, daher auch jenes Stadtquartier in Athen, wo sein ältester Tempel lag, ἐν λίμναις hieß. Er selbst wurde daher als Ὕησ, seine Mutter Semele als Ὕη angerufen und die Hyaden oder die Nymphen des feuchten Grundes galten für seine Ammen und die ersten MaenadenVgl. oben S. 522 u. Hes. v. ἔναστρος ὥστε μαινάς u. ὑαργίδες.. Auch waren ihm viele Quellen heilig oder er und seine Bacchen schlagen mit ihren Thyrsosstäben Quellen von Wein und Wasser, von Milch und Honig aus den Felsen oder dem harten Erdboden, oder sie verwandeln das Wasser der Flüsse in Milch und HonigEur. Bacch. 704 ff., Plato Ion 534, Horat. Od. 2, 19, 9, Paus. 4, 36, 5, Oppian Kyneg. 4, 277, Aristid. 2 p. 24 Ddf., wie man auf Naxos erzählte daß bei seinem Beilager mit der Ariadne der köstlichste und noch immer fortfließende Nektar aus hartem Gesteine entsprungen seiProp. 3, 17, 27, Steph. B. v. Νάξος., zu Teos daß bei seiner Geburt eine Quelle des duftendsten Weins der Erde entquollen sei, und von ähnlichen Wundern in andrer Art zu Andros und in ElisVon Teos Diod. 3, 66, von Elis Paus. 6, 26, 1, Aristot. Mirab. 123, von Andros s. oben S. 532, [Anmerkung 1664]. Vgl. die Erzählung von der Einkehr des Bacchus beim Falernus in Italien b. Sil. Ital. 7, 185 ff.. Ja um den zweifelnden Minyaden seine Macht zu zeigen läßt Dionysos wie Mephisto selbst aus dem todten Holze ihrer Webstühle Milch und Nektar fließen. Auch ist dieser Gott eben deshalb ganz vorzugsweise ein Gott des Frühlings, wo Alles treibt und schwillt, daher seine Beinamen Φλοιός und ΦλεύςVon φλέω φλύω mit dem Grundbegriff der üppigen Fruchtbarkeit, der sprudelnden Ueberfülle, Plut. Symp. 5, 8, 3, Lob. Agl. 402, G. Curtius Grundz. 1, 265. Daher in der Sage von Sikyon und in der von Phlius, welches von der schwellenden Fülle der Vegetation seinen Namen hat, Söhne des Dionysos welche Φλίας oder Φλίασος heißen, Paus. 2, 6, 3; 12, 6, Hygin f. 14. und Λειβῆνος, womit das italische Līber zusammenhängtAuch λείβω λείβηϑρον λειμών λοιβή, daher Loebesus alt für Liber, G. Curtius 1, 332., und Βρισαῖος, unter welchem Namen man ihn auf Lesbos verehrteSteph. B. Et. M., Böckh z. C. I. n. 2042, daher Attius Brisaeus b. Pers. 1, 76. Βρῖσαι νύμφαι auf Keos, welche den Aristaeos Bienenzucht gelehrt, welche Cultur gleichfalls unter dem Schutze des Bacchus stand, Heraklid. P. 9, Et. M., vgl. Ovid F. 3, 735 succis quia dulcibus idem gaudet et a Baccho mella reperta ferunt. Wahrscheinlich hängt das Wort zusammen mit βριτύ, Βριτόμαρτις., 556 ferner δασύλλιος und ἀνϑεύς oder ἄνϑιος und εὐάνϑης, auch χλοόκαρπος, εὔκαρπος u. s. w., wie in seinem Gottesdienste auch alle Arten von Blumen und Kränzen und das heitere Laub der Bäume ein herkömmlicher Schmuck warDaher die δενδροφορίαι Str. 10, 468, Artemid. 2, 37. Auch pflegte er bei Festen in einer aus Weinreben, Epheu und Früchten zusammengesetzten Laube zu erscheinen, Hes. Phot. v. σκιάς, Athen. 5, 28.. Obwohl immer vorzugsweise die Baumfrüchte (ξυλινοὶ καρποί) als seine Gabe gerühmt wurden, neben dem Weine mit besonderer Auszeichnung die Feige, auf Naxos und in anderen GegendenAthen. 3, 14. Daher D. συκεάτης u. συκίτης..
Weil der Wein, das Obst und alle Baumfrucht auf die Cultur durch Menschenhand angewiesen ist, so ist Dionysos auch der Urheber dieser Cultur, wie Demeter und Rhea in ihrem Kreise. Er ist daher wie diese Culturgott, der die Menschen und menschliche Sitte veredelt, den Frieden und Handel und Wandel liebt, Reichthum spendet, ein wohlwollender und milder Gott (μειλίχιος), nur seinen Feinden furchtbarD. εὐεργέτης Hes., εὐβουλεύς, ein Beiname auch des Zeus u. Pluton, welcher beim D. später vom guten Rathe, den der Wein eingiebt, verstanden wurde, Plut. Symp. 7, 9, 7. Σεμελήι' Ἴακχε πλουτοδότα Schol. Arist. Ran. 479. Emere ac vendere instituit Liber Pater Plin. 7, 191.. Namentlich werden Demeter und Dionysos und ihre Frucht und seine Frucht und Nahrung (ὑγρὰ τροφὴ und ξηρὰ τροφή) in diesem Sinne sehr oft neben einander genannt, in Attika auch Ikarios und Triptolemos, deren man sich als der ersten Freunde der beiden Culturgötter und als der Urheber des Wein- und Ackerbaues für ihre Heimath und durch diese für alle Welt mit nicht geringem Stolze zu rühmen wußte.
Weit bedeutender ist aber doch die Wirkung des Dionysos auf Leib und Gemüth des Menschen, zunächst die unmittelbare durch seine Gabe des Weins, die stärkende erquickende sorgenbrechende, dann durch die begeisternden Triebe welche von dieser Gabe und von der ganzen Epiphanie des Gottes bei der Erneuerung des Jahres ausgehen, wie sich dieses vorzüglich in jenen attischen Festen darstellte. Dann ist er Λυαῖος und Λύσιος d. h. der alle Fesseln LösendeAristid. 1 p. 49 οὐδὲν ἄρα οὕτως βεβαίως δεδήσεται, οὐ νόσῳ, οὐκ οργῇ, οὐ τύχῃ οὐδεμιᾷ, ὃ μὴ οἷόν τ' ἔσται λῦσαι τῷ Διονύσῳ. Vgl. Plut. Symp. 1, 1, 2; 5, 6 λυαῖος καὶ χορεῖος, d. cohib. ira 13 ἂν μὴ προσγενόμενος ὁ ϑυμὸς ὠμηστὴν καὶ μαινόλην ἀντὶ λυαίου καὶ χορείου ποιήση τὸν ἄκρατον. Daher παῖς Λήϑης und mit der Ὕβρις zugleich auf die Welt gekommen, Plut. Symp. 7, 5, 3, Athen. 2, 3., Alles mit seiner Lust 557 Durchdringende und Beseelende, ist ἐλεύϑερος oder ἐλευϑέριος und παυσίλυπος, indem er das menschliche Herz von seinen Sorgen und Vorurtheilen befreit und den Geist beflügeltDaher Dionysos ψίλαξ in Amyklae d. h. der Beflügelte, ψίλα γὰρ καλοῦσιν οἱ Δωριεῖς τὰ πτερά, ἀνϑρώπους δὲ οἶνος ἐπαίρει τε καὶ ἀνακουφίζει γνώμην, Paus. 3, 19, 6. Eine nicht ungewöhnliche Vorstellung bei welcher die Flügel am Haupte sitzen, s. Braun Kunstvorst. d. geflüg. Dionysos, Münch. 1839., Alle brüderlich stimmt, mit seiner genial durchströmenden Naturkraft alles Widerwärtige wegschwemmt und dafür Lust und Freude in ihre Rechte einsetzt. Alles Wilde und Ungeheure muß sich vor ihm demüthigen, Panther und Löwen ziehen willig seinen Wagen und es folgen gehorsam alle Dämonen des Waldes und die wilden Recken und Könige der Sage und kriegerische Nationen, die er mit leichter Hand bändigt. Wo er eintritt, da ist Jubel und Freude und die todten Herzen werden lebendig, die kranken Glieder gesundEurip. Bacch. 280 ὃ παύει τοὺς ταλαιπώρους βροτοὺς λύπης, ὅταν πλησϑῶσιν ἀμπέλου ῥοῆς, ὕπνον τε λήϑην τῶν καϑ' ἡμέραν κακῶν δίδωσιν οὐδ' ἔστ' ἄλλο φάρμακον πόνων. Daher Διόνυσος ἰατρός, den das Delphische Orakel zu ehren befahl, Athen. 1, 41; 2, 2, Plut. Symp. 3, 1, 3, παιώνιος Hes. Incubationen des Dionysos wie sonst des Asklepios Paus. 10, 33, 5.. Außerordentlich viele schöne Bildwerke malten dieses gewaltsame und berauschte, aber wohlthätige und wohlwollende Treiben ins Einzelne aus und namentlich scheint auch eine oft wiederholte Vorstellung diesen Sinn zu haben, wo Bacchus als bärtiger Mann und in colossaler Größe, von Satyrn gestützt und von seinem schwärmenden Thiasos begleitet in eine menschliche Wohnung eintritt, in welcher man bald leidende bald andere Personen sieht, die von Bacchus Heilung oder Begeisterung oder sonst eine Lust und Freude zu erwarten habenO. Jahn Arch. Beitr. 198 ff., Göttling expl. anagl. Paris. Jen. 1848.. Und in gleichem Sinne werden ihn auch jene älteren Lyriker des Weins und seiner Freuden und Segnungen gepriesen haben, ein Alkaeos, ein Anakreon, deren Trinklieder einst so berühmt waren.
Ferner ist Dionysos ein Gott der begeisterten Gemüthsbewegung, in welcher Hinsicht er dem Apoll so nahe steht daß einige ältere Mythologen beide Götter ganz identificiren wollten (Macrob. Sat. 1, 18). Haben sie gleich darin fehlgegriffen, so ist doch nicht zu leugnen daß beide Dienste, der Apollinische und 558 der Bacchische, von entgegengesetzten Ausgängen zu Stimmungen und Wirkungen führten, welche sich vielfach berührten und durchkreuzten, obwohl die Dionysische Gemüthsbewegung durchweg eine gewaltsamere war als die Apollinische. So gleich in der Musik und Poesie, wo Dionysos den Griechen so viele Anregung gegeben, daher sie ihn als einen der wichtigsten unter den musischen Gottheiten und so gut wie Apoll als einen Freund und Führer der Musen und der Dichter und als μελπόμενος verehrtenPaus. 1, 2, 4, Lucr. 1, 923, Plin. 7, 109. Dionysos als scenischer und als Musengott auf Denkmälern O. Jahn b. Gerhard D. u. F. 1855 n. 83. 84. Ueber die Flöte und die Laute im Dienste des Dionysos Welcker A. D. 3, 128.. Aber allerdings ist diese Musik und Poesie eine heftig bewegte und leidenschaftliche, die sich zwischen Jubel und Schmerz, scurriler Lustbarkeit und ernster Klage hin und her bewegte und deshalb sowohl die Komödie als die Tragödie und mit beiden den wilden zügellosen Dithyrambus gebar, desgleichen eine schallende und lärmende Musik mit Flöten und Pauken, die der lydischen und phrygischen des Kybeledienstes am nächsten verwandt war. Indessen kamen doch bisweilen auch sanftere Weisen in diesem Dienste vor, wie Dionysos und selbst der personificirte Dithyrambos mitunter auch die Laute rührt.
So ist Dionysos auch wie Apoll ein Gott der Weissagung und der Reinigung und SühnungEur. Bacch. 278 ff. μάντις δ' ὁ δαίμων ὅδε, τὸ γὰρ βακχεύσιμον καὶ τὸ μανιῶδες μαντικὴν πολλὴν ἔχει. Besonders in Thrakien hing die Wahrsagung wesentlich mit dem bacchischen Orgiasmus zusammen, Herod. 7, 111, Plut. Crass. 8 γυνὴ ὁμόφυλος τοῦ Σπαρτόκου, μαντικὴ δὲ καὶ κάτοχος τοῖς περὶ Διόνυσον ὀργιασμοῖς. Doch galt selbst in Delphi Dionysos später für den ersten Inhaber des Orakels, Arg. Pind. P. p. 297., obgleich er sich auch hier auf viel gewaltsamere Weise offenbart. Es sind Gemüthsbewegungen welche dem Schamanismus und dem Fanatismus des Orients nahe kommen, wie diese lärmenden Schaaren des bacchischen Thiasos, der von Ort zu Ort zieht und die vollkommenste Hingebung mit Leib und Seele fordert oder Wahnsinn und tödtliche Krankheit bringt, wie den Minyaden und den Proetiden, von selbst an die tobende Wuth der Korybanten, der Kybeben, der Amazonen im Dienste der asiatischen Mondgöttin erinnern. Eben deshalb ist Dionysos zugleich ein sehr friedlicher, aber auch ein sehr kriegerischer GottHorat. Od. 2, 19, 16 idem pacis eras mediusque belli. Eur. Bacch. 283 Ἄρεώς τε μοῖραν μεταλαβὼν ἔχει τινά u. s. w. Plut. Demetr. 2 ᾗ καὶ μάλιστα τῶν ϑεῶν ἐζήλου τὸν Διόνυσον ὡς πολέμῳ τε χρῆσϑαι δεινότατον εἰρήνην τ' αὖϑις ἐκ πολέμου τρέψαι καὶ πρὸς εὐφροσύνην καὶ χάριν ἐμμελέστατον., der ganze Heere in die Flucht 559 treibt ehe er mit ihnen handgemein geworden und mit seinem Thyrsos eben so gut verwunden kannWirklich diente der Thyrsos auch als Lanze s. den Vers b. Dionys. d. comp. verb. 1,17 Βρόμιε δορατοφόρε ἐνυάλιε πολεμοκέλαδε u. Macr. S. 1, 19, 1 Bacchus Ἐνυάλιος cognominatur. – Colitur etiam apud Lacedaemonios simulacrum Liberi Patris hasta insigne, non thyrso. Sed cum thyrsum tenet, quid aliud quam latens telum gerit, cuius mucro hedera lambente protegitur? Vgl. Diod. 3, 65 u. Schoene l. c. p. 92. als Quellen des Ueberflusses eröffnen oder Begeisterung im Gemüth erwecken. Zugleich ist er καϑάρσιος, weil alle diese aufregenden Gebräuche und Gemüthsstimmungen wesentlich auf Reinigung und Sühnung hinausliefen. Das ist die mystische Seite seines Dienstes, die seit alter Zeit in vielen abergläubischen Gebräuchen gepflegt wurde, wie sie im höheren Alterthum besonders der thrakische Orpheus und der argivische Melampus begründet hatten.
Zum Theil hingen diese Mysterien auch mit den altherkömmlichen Symbolen des Dionysos zusammen, welche nach Art solcher Bilder die elementaren Eigenschaften dieses Gottes, geile Natur und Triebkraft und sein feuriges und stürmisches Wesen in prägnanten Wahrzeichen auszudrücken suchten. So war in seinem Dienste eben so sehr wie in dem des Hermes das Symbol des Phallos zu Hause, der bei den Mysterien ihn selbst bedeutete, aber auch bei den gewöhnlichen Festen der ländlichen Weinlese oder der städtischen Frühlingsfeier aufgerichtet und mit eignen Liedern umhergetragen wurde, wovon Aristophanes in den Acharnern 241 ff. ein Beispiel giebtPlut. de cup. div. 8 ἡ πάτριος τῶν Διονυσίων ἑορτὴ τὸ παλαιὸν ἐμέμπετο δημοτικῶς καὶ ἱλαρῶς, ἀμφορεὺς οἴνου καὶ κληματίς, εἶτα τράγον τις εἶλκεν, ἄλλος ἰσχάδων ἄρριχον ἠκολούϑει κομίζων, ἐπὶ πᾶσι δὲ ὁ φαλλός. Dionysos Φαλλὴν Paus. 10, 19, 2, Lob. Agl. 1086. Phallagogie in Argos Herod. 2, 49, in Rhodos Athen. 10, 63, D. ἐνόρχης auf Samos Hes. Lyk. 212 Tzetz., χοιροψάλας in Sikyon Polem. fr. p. 110. Daher die Polemik der Kirchenvater, Clem. Al. Protr. p. 29 P., Arnob. 5, 39. Nach einer neuerdings bekannt gewordenen Inschrift mußten die attischen Colonieen zu den großen Dionysien, wo die Bündner ihren Tribut zahlten, einen Phallos einsenden.. Daher Priap für einen guten Kameraden des Bacchus oder auch für seinen Sohn von der Aphrodite galt. Unter den Pflanzen war ihm der Epheu heilig, als Kühlung zu der heißen Gluth in welcher der Weinstock reift und mit welcher der Genuß des Weines erfüllt, daher die Bekränzungen mit Epheu (κιττώσεις, κισσοτόμοι) bei keinem Feste fehlten und Dionysos selbst immer mit Epheu 560 bekränzt (κισσοχαίτης, κισσοκόμης) gedacht wurdeHedera est gratissima Baccho u. s. w. Ovid F. 3,767, vgl. Alkiphr. 2, 3 u. Schoene l. c. p. 19 und 101. Daneben Fichtenlaub, besonders bei den trieterischen Orgien, ib. 105, und Lorbeer, wie umgekehrt auch Apollo, die Musen und Dichter sich mit Epheu bekränzten, Aesch. b. Macr. S. 1, 18, 6 ὁ Κισσεὺς Ἀπόλλων ὁ Βακχείος, ὁ μάντις, Hom. H. 26, 9 κισσῷ καὶ δάφνῃ πεπυκασμένος, Horat. Od. 1, 1, 29, Ovid A. Amat. 3, 411, Trist. 1, 7, 2, Varro b. Serv. V. Ecl. 8, 12., so gut wie Apoll mit dem Lorbeer. Außerdem waren seine gewöhnlichen Attribute, wie namentlich die Vasenbilder ihn vergegenwärtigen, eine große Rebe (κληματίς) und ein Trinkhorn (ῥυτόν, κέρας), welches oft einem Füllhorn nahe kommt, oder auch ein mächtiger Humpen (σκύφος) wie der des Herakles, daher auch bei seinen Festen und Festzügen ein Krater und andre Trinkgefäße nicht leicht fehltenEur. Bacch. 221, Stat. Theb. 2, 76, Athen. 5, 29.. Unter den Thieren schien besonders der Stier, der Panther, der Esel, der Bock und die Ziege dem bacchischen Wesen zu entsprechen. Der Stier aus demselben Grunde wie beim Poseidon und den Flußgöttern, nehmlich wegen seiner mit wildem und stürmischem Wesen verbundenen Zeugungskraft, daher dieses Thier nicht allein ein gewöhnliches Opfer des Dionysos warDaher ταυροφάγος Soph. fr. 602, vgl. Schol. Ar. Ran.357 u. die lex., sondern er selbst wurde nicht selten, namentlich bei den mystischen Diensten, als Stier oder in einer stierartigen Bildung (ταυρόμορφος, βουγενής) gedacht und demgemäß angerufen und abgebildetEur. Bacch. 1017 φάνηϑι ταῦρος ἢ πολύκρανος ἰδεῖν δράκων ἢ πυριφλέγων ὁρᾶσϑαι λέων, denn auch als Schlange und als Löwe erscheint Dionysos oft. Ueber die Stierbildung Plut. Is. Os. 35 ταυρόμορφα Διονύσου ποιοῦσιν ἀγάλματα πολλοὶ τῶν Ἑλλήνων. Athen. 2, 7 und 11, 51 τὸν Διόνυσον κερατοφυῆ πλάττεσϑαι, ἔτι δὲ ταῦρον καλεῖσϑαι ὑπὸ πολλῶν ποιητῶν· ἐν δὲ Κυζίκῳ καὶ ταυρόμορφος ἵδρυται. Vgl. S. 541, [Anmerkung 1698]; 544, [Anmerkung 1708]., entweder in derselben thierischen Gestalt oder mit keimenden HörnernDaher βούκερως, ταυρόκερως, χρυσόκερως u. a. Soph. fr. 871 6 ὁ βούκερως Ἴακχος. Horat. Od. 2, 19, 30 aureo cornu decorus, Vgl. D. A. K. 2, 375–383 und Mon. d. Inst. 6, 6, Welcker Ann. 29 p. 146 sqq. 153. oder mit einer Stierhaut als Bekleidung. Aus einem ähnlichen Grunde war ihm der Panther und der Löwe heilig, beide nach dem Vorgange Asiens und des Dienstes der Großen Mutter, vorzüglich der Panther mit dem gefleckten Fell und der hitzigen, sprungfertigen und durstigen NaturPhilostr. Im. 1, 19, Oppian Kyneg. 3, 78 ff., 4, 230 ff., nach welchem die Panther verwandelte Maenaden sind., daher Bacchus ihn auf 561 Bildwerken oft mit dem Blute der Reben tränkt und mit seinem Fell bekleidet ist. Der Esel und der Maulesel hat nicht selten die Ehre diesen Gott zu tragen, aus demselben Grunde weswegen er dem Silen und Priapos heilig war, nehmlich wegen seiner priapeischen NaturVgl. oben S. 58, [Anmerkung 92]; 536, Anmerkung 1682] u. Plin. 24, 2.. Ferner wurde Dionysos in manchen Culten als junger Bock gedacht und vorgestelltἔριφος παρὰ Λάκωσιν Hes. v. εἰραφιώτης, welches Wort vielleicht auch so zu deuten ist, Wieseler Philol. 1855 S. 701. Δ. ἐρίφιος παρὰ Μεταποντίνοις Steph. B. v. Ἀκρώρεια. Ἔριφοι hießen speciell die im Frühling geworfenen Zicklein., wie der Bock und die Ziege auch gewöhnliche Opfer des Bacchus waren, man sagte weil diese Thiere dem Weinstock feindlich wären und ihn zu benagen pflegtenVirg. Ge. 2, 380 ff. Eine attische Fabel, durch welche man den Gebrauch der Bockshaut zum Weinschlauch und zum Schlauchtanz motivirte. D. αἰγοβόλος Paus. 9, 8, 1, μελαναιγίς d. i. im schwarzen Ziegenfell, ein Gott von finstrer Bedeutung, Plut. Symp.6, 7, 2, Schol. Ar. Acharn. 146, Paus. 2, 35, 1., doch lag der wirkliche Grund wohl auch hier in der stürmischen und üppigen Natur dieser in den Bergen herumkletternden Thiere, welche deshalb auch dem Pan und den Satyrn die Merkmale ihrer Natur geliehen haben. Dazu kamen die gewöhnlichen Attribute der orgiastischen Dionysosfeier, der Thyrsosstab d. i. ein Rohrstab (νάρϑηξ) mit aufgesetztem Pinienzapfen oder einer Umschlingung von Epheu, Weinlaub und heiligen Binden, unter welcher oft die Lanzenspitze verborgen warSchoene l. c. p. 88 sqq., Braun Gr. Götterl. § 533., ferner die umgeworfene Nebris und die Schlangen, welche um die Arme und in das Haar geflochten oder sonst beim Gottesdienst verwendet wurden, die mystische Wanne worin das Bacchuskind gewiegt, die mystische Lade worin seine Symbole verborgen wurden, endlich die Fackeln und Handlichter des nächtlichen Dienstes, die Flöten und Cymbeln, die kleinen Glocken am bacchischen Geräth und die Handpauken der tobenden Musik: lauter Andeutungen der rastlosen Aufregung und Unruhe, welche ein characteristisches Merkmal dieses Gottesdienstes waren, wie der schmerzensreichen Palingenesieen und des ewigen Verjüngungstriebes der irdischen Natur, welche dessen leitende Gedanken waren.
Die bildliche Darstellung des Bacchus war eine ausserordentlich verschiedene und mannichfaltige. Bald wurde er als Kind, bald als zarter Jüngling, bald als bärtiger Mann von 562 mächtigem und ragendem Wuchse gedacht, bald von zärtlichem und schmachtendem, bald von heftig bewegtem und gewaltsamem Ausdruck, bald trinkend, bald auf wilden Thieren reitend oder mit ihnen fahrend, in der rauschenden Umgebung seines Thiasos und begleitet von seiner Ariadne: wie es eben die besondere Veranlassung des Cultus oder der bildlichen Ausführung mit sich brachte. Die ältesten und elementaren Formen, wie sie sich namentlich auf dem Lande und in den Heiligthümern behaupteten, waren sehr einfach, ein bloßes Stück Holz oder eine Maske oder sonst alterthümliche Bilder, denen man wie gewöhnlich am meisten Wirkung auf Geist und Gemüth zuschriebMax. Tyr. 8, 1 οὕτω δέ τις ποιμένων τὸν Πᾶνα τιμᾷ ἐλάτην αὐτῷ ὑψηλὴν ἐξελόμενος ἢ ἂντρον βαϑύ, καὶ γεωργοὶ Διόνυσον τιμῶσι πήξαντες ἐν ὀρχάτῳ αὐτοφυὲς πρέμνον, ἀγροικικὸν ἄγαλμα. Vgl. Paus. 9, 12, 3 von den ältesten Bildern in Theben, wohin auch der D. περικιόνιος. Schol. Eur. Phoen. 651 gehört, vgl. Clem. Str. 1 p. 418, Eurip. fr. 202 κομῶντα κισσῷ στῦλον εὐίου ϑεοῦ, wahrscheinlich auch D. ἔνδενδρος ἐν Βοιωτίᾳ Hesych.. Oder man gefiel sich in einer seltsamen Verschmelzung des vegetativen Lebens mit dem animalischen, indem man bärtige Dionysosmasken auf einen knorrigen Baumstamm setzte oder umgekehrt die Gesichtstheile aus dem Holz der Rebe oder eines Feigenbaums bildeteAthen. 3, 14, vgl. Braun Ant. Marmorw. 2, 2 (D. A. K. 2, 341) u. Gr. Götterl. § 497, Minervini Mon. ined. t. 7 u. 12 p. 34. 63, Bötticher Baumcultus S. 103 ff. fig. 42–44 u. S. 229. Ueber die Bekleidung des Dionysos u. seiner Bilder Schoene l. c. p. 22 sqq. Die Bilder pflegten auch roth angestrichen zu werden, Polem. fr. p. 110, Hesych ἱερεὺς Διονύσου.: eine sinnreiche Umschreibung dieser mit den vegetativen Naturtrieben mehr wie eine andre verschlungenen und in ihr gleichsam verhafteten Gottesmacht. Ueberhaupt blieben die säulenartigen Holzbilder mit einer sehr reichen, bunten und schleppenden Bekleidung besonders beliebt. Dahingegen die gewöhnlichen Bilder in menschlicher Gestalt theils durch die Praxis des Theaters theils durch die der jüngeren attischen Kunstschule des Skopas und Praxiteles bestimmt wurden, welcher überhaupt die pathetischen und orgiastischen Gottheiten am meisten zusagten und welche deshalb auch die idealen Bilder aus dem Kreise der Aphrodite und des Eros, der Demeter und der Persephone geschaffen haben. Namentlich hat Praxiteles den Gott selbst und seine nächste Umgebung in den verschiedensten Auffassungen und Gruppen dargestellt, welche für die folgenden Künstler und Kunstschulen in ihrer Art eben so 563 vorbildlich blieben als es die Bilder des Phidias und des Polyklet in den Kreisen des Zeus, der Hera und der Athena waren. Auf diese Meister wird man also mit dem Ideale des Dionysos zurückgehen können, wie es sich in den besten Statuen und Büsten noch jetzt ausspricht. Das gewöhnlichste ist das des jugendlichen Bacchus, des ewig jugendlichen und wunderschönen, wie Euripides, Ovid und andre Dichter und Redner ihn beschreibenOvid M. 4, 17 tibi enim inconsumpta iuventa est, tu puer aeternus, tu formosissimus alto conspiceris caelo. Vgl. Himer or. 21, 5, Liban 4 p. 189 Rsk., Schoene l. c. p. 11 sqq., eine merkwürdige Mischung von weichlichem Reiz und schwärmender Hoheit, bei welcher das in langen, gewöhnlich blonden Locken herabfallende und durch eine Mitra aufgebundene Haupthaar und die üppigste Blüthe der Jugend characteristisch war. Obwohl sich daneben auch der bärtige Bacchus immer behauptete, sowohl in den Werken der Kunst als im Cultus, besonders in gewissen FormenMacr. S. 1, 18, 9 Liberi Patris simulacra partim puerili aetate partim iuvenis fingunt, praeterea barbata specie, senili quoque, uti Graeci eius quem Βασσαρέα, item quem Βρισέα appellant et ut in Campania Neapolitani celebrant Ἥβωνα cognominantes. Vgl. über diesen C. I. n. 5790. 5790 b und über den indischen Bacchus Diod. 3, 63. Auch in Athen gab es ein Cultusbild des bärtigen Bacchus mit Thyrsos und Kantharos, Beulé monn. d'Athènes p. 261. 376., bis diese Darstellungsweise zuletzt vorzüglich für den indischen Bacchus beliebt wurde, den Eroberer des Orients, das Ideal der triumphirenden Feldherrn.
Eine nothwendige Ergänzung dieses Bildes ist der Thiasos des Dionysos, wie der Gott mit diesem auch gewöhnlich aufzutreten pflegte, im wirklichen Leben bei den bacchischen Festen und Schaugeprängen und in der Kunst und Dichtung wie mit seinem unzertrennlichen Gefolge. Eine gedrängte Fülle bunter Gestalten welche die leitenden Gedanken der üppigen Naturkraft, des dämonischen Treibens im Wald und im Gebirge, der gebändigten Wildheit, der Dionysischen Begeisterung, der entfesselten Naturtriebe in höchst characteristischen Figuren ausdrückten. Zum Theil sind es verwandte Geschöpfe des Volksglaubens welche allmälig ganz oder vorzugsweise zu Dienern und begleitenden Umgebungen dieses Gottes geworden sind, die Nymphen, die Satyrn, Silene, Pane, Kentauren u. s. w., zum Theil allegorische Gestalten aus dem bacchischen Sagenkreise, wie besonders die Nymphen und Satyrn gern zu solchen allegorischen Nebenfiguren umgeschaffen und demgemäß mit characteristischen Namen 564 und Attributen versehen wurden, in welcher Hinsicht die Vasenbilder eine reiche Ausbeute gebenWelcker z. Philostr. Im. 1, 2 p. 213 sqq., Ann. d. Inst. 1829 p. 398 sqq., A. D. 3, 125 sqq., O. Jahn Vasenb. Hbg. 1839 S. 13–30.. Da tritt neben der Thyone und Ariadne die personificirte Trunkenheit (Μέϑη) als besondere Figur auf, wie Praxiteles sie in einer Gruppe neben dem Bacchus und seinem berühmten Satyr gebildet hatte, oder Ἄκρατος d. i. der Dämon des ungemischten Trunks, also eines derben Rausches, ferner die personificirte Weihe (Τελετή), oder in gleichartigen Bildern der Κῶμος und Διϑύραμβος, oder die Κωμωδία und Τραγωδία, oder ein Satyr als Ἴακχος und Βρίακχος, als Κισσὸς und Λῆνος, als Οἰνοπίων und Τύρβας d. i. lärmender Tänzer, oder eine Nymphe als Μαινὰς und Οἰνώνη u. s. w. Oder es sind die Repräsentanten aus den verwandten Kreisen der Lust und der Liebe und des Gesanges, welche sich dem Geber des Weines gesellen, Eros Pothos und Himeros und der große Haufe der tändelnden ErotenAristid. 1 p. 52 ὁ δὲ ϑαυμαστὸς ἀνϑρώπων τύραννος Ἔρως ἐκ Διονύσου πηγῶν ἀρυσάμενος γῆν ἅπασαν ἐπέρχεται προηγήτῃ Διονύσῳ χρώμενος., oder einzelne Chariten, Horen und Musen, wie wenn Eirene, die besondere Geliebte des Bacchus auf den Frieden, Opora auf die Erndte, Erato und Terpsichore auf Liebe und Tanz deutet, oder auch Hebe, die üppige Freundin des schwelgenden Herakles. Doch bedürfen jene Gattungsbegriffe der den Dionysos begleitenden Dämonen noch einer besonderen Beleuchtung, da sie auch ohne ihn und in anderen mythologischen Beziehungen ein an anmuthigen Situationen reiches und dabei selbständiges Naturleben vertreten.