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Beinahe wären Chanda und Amarin am Haupteingang des Dusitpalastes dem Prinzen Surja begegnet, der pünktlich zur befohlenen Audienz erschien.
Murapong empfing ihn unten in der Halle und reichte ihm freundschaftlich die Hand.
»Ich gratuliere dir, alles hat vorzüglich geklappt. Dein Bericht hat großen Eindruck auf den König gemacht.«
»Hat er für mich um Amarin angehalten^« fragte Surja schnell.
»Selbstverständlich – heute abend. Ich war zu beschäftigt, sonst hätte ich noch bei dir angerufen«, erwiderte Murapong, während beide die Treppe hinaufgingen.
»Wie ist es denn ausgegangen?« forschte Surja begierig.
»Sie hat natürlich angenommen!«
Surja blieb freudig erregt stehen, aber Murapong zog ihn mit sich, denn die Zeit drängte.
»Schade, daß ich nicht daran gedacht habe, Amarin zurückzuhalten. Sie hatte nämlich eben mit ihrer Tante eine Audienz beim König.«
Eine Viertelstunde später stieg Surja zufrieden lächelnd die Treppe wieder hinunter, denn es hatte sich alles besser entwickelt, als er je erwartet hatte. Der König hatte sich ihm gegenüber sehr gnädig gezeigt und besonders begeistert von Amarin gesprochen.
Der Prinz staunte darüber, daß sie seinen Antrag so bereitwillig angenommen hatte. In selbstbewußt glücklicher Stimmung fuhr er zu seinem Palais zurück, und nun glaubte er die Zusammenhänge besser zu verstehen. Als erfahrener Mann hätte er sich allerdings selbst sagen sollen, daß ihre scheue Zurückhaltung auch verschämte Verliebtheit sein konnte. Statt dessen hatte er sich wie ein dummer Junge töricht und eifersüchtig benommen. Er machte sich schwere Vorwürfe. Wie falsch hatte er sie beurteilt, wie unrecht hatte er ihr getan! Das sollte anders werden.
Sie hatte ihm, als er vor einiger Zeit um ihre Hand anhielt, deutlich die Wahrheit gesagt und ihm Vorhaltungen über sein ausschweifendes Leben gemacht. Damals hatte er sich wütend über ihre Kritik geärgert, aber später hatte er doch manchmal über ihre Worte nachgedacht, wenn es Schwierigkeiten mit seinen vielen Frauen gab.
Eigentlich hatte Sie recht. Er wollte sie auch nicht mit seinen Nebenfrauen zusammenwohnen lassen. Für diese wollte er an der nördlichen Seite seines Parks mehrere Frauenhäuser bauen lassen. Aber das erforderte Zeit und dauerte sicherlich einige Monate. Mit einer so schnellen, ja plötzlichen Erfüllung seiner Wünsche hatte er nicht gerechnet.
In vier Tagen würde sie an seiner Seite in sein Palais einziehen!
Aber wo sollte er die vielen Nebenfrauen bis zur Fertigstellung der geplanten Bauten lassen? Er konnte ja aus großen Bambusstangen provisorische Unterkunftshäuser errichten! Das war eine brauchbare Lösung. Wenn er morgen in aller Frühe die nötigen Aufträge an die Chinesentaukes gab, mochte es noch gelingen.
Brauchte er denn auch noch so viele Nebenfrauen, wenn er mit Amarin glücklich wurde? Zunächst wollte er seine ganze freie Zeit doch ihr widmen. Er konnte ja eine Auswahl unter ihnen treffen und die anderen zu ihren Eltern nach Hause schicken. Einige hatten sich sowieso in der letzten Zeit sehr anmaßend und überheblich benommen.
Wenn Amarin erst erkannte, daß er es ernst meinte, würde Sie sicher auch glücklich mit ihm werden.
Er war in gehobener Stimmung, und in froher Laune malte er sich die Zukunft in leuchtenden Farben aus.
Vielleicht war es auch besser, wenn er jetzt sofort einen vierwöchigen Urlaub nahm und eine Hochzeitsreise mit Amarin machte. Sie konnten nach Hua Hin gehen, dem siamesischen Badeort mit modernem Strandleben, Tennis, Golf und anderen internationalen Einrichtungen. Man hatte dort einen herrlichen, hohen Wellenschlag und weißes Sandufer ...
Nein, er wollte nicht in Siam selbst bleiben. Java mit seinen Naturschönheiten und seinen einzigartigen Tempelruinen würde besser sein. Er hatte gehört, daß Amarin eine fromme Buddhistin sei. Sicher würde er ihr einen Lieblingswunsch erfüllen, wenn er ihr den Boro Budur, das größte buddhistische Heiligtum, zeigte.
Oder sollte er mit seiner jungen Gattin nach Colombo fahren und seinen Schwiegervater in Ceylon besuchen? Murapong hatte ihm im Vertrauen erzählt, daß die Verhandlungen mit dem Prinzen Akani nicht in Gang kommen wollten, und daß der König dem Palastminister wegen seiner früheren feindlichen Einstellung gegen Akani schon Vorwürfe gemacht hatte. Es würde ein großer Erfolg für ihn sein, wenn er mit Briefen von Murapong nach Kandy käme und durch Amarins und seine eigenen Bemühungen Akani dazu brächte, nach Bangkok zurückzukehren. Dadurch konnte er sich den Dank des Königs sichern und auch eine Versöhnung zwischen den feindlichen Parteien herbeiführen. Auf diese Weise konnte er allen helfen: Amarin hatte ihren Vater wieder, der König hatte den erwünschten Ministerpräsidenten, Akani war wieder in seiner Heimat, und der leidige Streit fand sein Ende.
Wenn er erst einige Zeit glücklich mit Amarin verheiratet war, würde ihm der König gewiß in absehbarer Zeit auch einmal Urlaub nach Europa bewilligen. Verlockende Bilder von dem Leben in Paris, London, an der Riviera und in Italien stiegen vor ihm auf.
Während er Luftschlösser baute, verging die Zeit wie im Fluge, und er war überrascht, als sein Wagen plötzlich unter dem von vielen Säulen getragenen Vorbau seines Palais hielt.
Ein Malaie trat unterwürfig auf ihn zu, und Surja erkannte Krabu in ihm.
Es fiel ihm ein, welchen Auftrag er diesem nichtsnutzigen Tagedieb gegeben hatte, und er wollte ihn unmutig fortschicken. Aber plötzlich erinnerte er sich wieder daran, daß der Mann einen grünen Manschettenknopf aus seiner Gürteltasche nahm und ihn Murapong reichte. Seine Züge verdüsterten sich. Er änderte seinen Entschluß und gab Krabu einen Wink, daß er eintreten solle.
Nachdem er oben in seinem Ankleideraum die Galauniform mit einem bequemen, leichten Chinesenanzug aus weicher Seide vertauscht hatte, ging er wieder nach unten. Aber er beachtete den Malaien zunächst nicht, der in einer Ecke der Halle kauerte.
Surja trat in sein Arbeitszimmer und sah die letzten dienstlichen Depeschen durch.
Nach einiger Zeit meldete sich der Hausmeister und erinnerte ihn in untertäniger Höflichkeit daran, daß Krabu noch in der Halle warte.
»Soll ich ihn fortschicken?« fragte er.
»Laß ihn hereinkommen!« erwiderte der Prinz ärgerlich.
Der Chauffeur schlich in gebückter Haltung ins Zimmer und kniete vor ihm nieder.
»Was störst du mich heute abend noch zu so später Stunde?« herrschte Surja ihn an. Er ließ ihn fühlen, daß er ihn durch sein Erscheinen jäh aus glücklichen Träumen aufgeschreckt hatte.
»Ich habe Befehl erhalten, Prinzessin Amarin nachzuspüren –«
»Das ist nicht wahr, du Halunke! Du solltest nur in Erfahrung bringen, wohin sie geht, wenn sie abends allein mit ihrer Amme ausfährt. Habe ich dir nicht genau diese Worte gesagt?«
» Korap!«
»Hast du das getan?«
» Korap!«
»Dann erzähle kurz, was du weißt. Aber wenn du lügen solltest, dann lasse ich die Bambusstöcke holen!«
Krabu duckte sich zusammen. Grauses Entsetzen packte ihn. Er hatte doch sein Bestes getan! Aber Prinz Surja mußte wirklich, wie das Volk sagte, von einem menschenfressenden Geist besessen sein. Krabu bereute nun bitter, daß er sich diensteifrig sofort bei ihm gemeldet hatte. Aber nun war er einmal hier und mußte sprechen.
»Prinzessin Amarin fuhr heute abend um halb acht mit Me Kam aus«, sagte er mit kläglicher Stimme. »Prinzessin Chanda wünschte nicht, daß sie das Haus verließe, da der König später zum Palais Akani kommen wollte.«
»Schwätze doch nicht so unsinniges Zeug! Was weißt du elendes Ungeziefer denn von dem, was Prinzessin Chanda will und wünscht? Sage kurz, was geschehen ist!« fuhr der Prinz heftig auf. »Ist sie fortgefahren oder nicht?«
Er war ärgerlich, und es tat ihm leid, daß er diesem gewöhnlichen Malaien einen so vertraulichen Auftrag gegeben hatte. Opiumraucher waren doch überhaupt unzuverlässig und zu allem fähig. Ein Leichtsinn, einem solchen Menschen hundert Tikal zu versprechen! Am Ende log der Kerl das Blaue vom Himmel herunter, nur um sich diese Belohnung zu erschwindeln.
»Die Prinzessin hat um halb acht das Palais verlassen. Ich kenne ihren Wagen sehr genau, weil ich ihn lange gefahren habe. Unter den hinteren Sitzen im Auto befindet sich ein Hohlraum für Gepäck, und dort habe ich mich versteckt.«
»Weiter!«
»Der Wagen fuhr zum Tempel Sutat, wo die Prinzessin und ihre Dienerin ausstiegen und in die Predigthalle gingen.«
»Dann ist doch alles in Ordnung!« rief Surja und atmete erleichtert auf. »Um mir solche alltäglichen Geschichten zu erzählen, brauchst du mir doch nicht meine Zeit zu stehlen, du Spitzbube!«
»Von da sind Sie aber bald wieder weggefahren«, fuhr Krabu schnell und ängstlich fort. Er mußte seine Geschichte eilig berichten, sonst schickte ihn der Prinz am Ende noch fort, ohne ihn anzuhören. »Ein Haus in der Sapatumstraße war ihr Ziel. Es gehört dem Prinzen Akani, wird aber augenblicklich nicht bewohnt.«
Surja wurde nun doch aufmerksamer. Dieser Mensch mußte irgend etwas wissen. Der Prinz schimpfte nicht mehr und ließ Krabu weiterreden, ohne ihn zu unterbrechen.
»Das Auto hielt im Garten. Nach einiger Zeit kroch ich aus meinem Versteck heraus, schlich mich auf die Rückseite des Hauses und verbarg mich in den Sträuchern. Eine Zeitlang passierte nichts, aber dann hörte ich ein Hupensignal auf der Straße und sah, daß die Prinzessin und Me Kam zum Tor liefen und öffneten.«
Surja richtete sich bestürzt auf.
»Ein Farang saß im Wagen ...«
»Wer war es?« rief Surja wild und sprang auf. Sein Verdacht war also doch begründet! In seiner Wut schlug er mit der Faust so heftig auf den Schreibtisch, daß mehrere Briefe auf den Boden fielen.
Krabu rückte ängstlich zur Seite.
»Das habe ich im Dunkeln nicht sehen können.«
»Was, das hast du nicht gesehen?« stieß Surja zwischen den Zähnen hervor. »Das solltest du doch gerade herausbringen, du alte Nachteule!«
Der Malaie zögerte weiterzusprechen. Er hatte geglaubt, der Prinz würde erfreut sein, daß er soviel melden konnte, und ihm die versprochene Belohnung auszahlen. Aber er hatte schon genug von Surjas bösem Charakter und seinen unberechenbaren Launen gehört. Die Leute erzählten, daß er in Europa behext worden sei. Verstört tastete Krabu nach dem Amulett, das er an einer Halsschnur unter den Kleidern trug.
»Wirst du nun bald dein schmutziges Betelmaul auftun?«
»Der Farang und die Prinzessin gingen ins Haus«, entgegnete Krabu zitternd. »Me Kam blieb unten vor der Haustür und schien aufzupassen und Wache zu halten. Ich selbst kletterte auf einen Tamarindenbaum, von wo aus ich auf die hintere Veranda schauen konnte. Dort brannte ein schwaches Licht, und ich sah, daß die beiden heraustraten.«
Furchtsam blickte sich Krabu nach dem Prinzen um. Er wollte sehen, wie seine Worte auf ihn gewirkt hatten.
Surja war ans Fenster getreten und starrte in den Park hinaus.
Krabu wußte nicht, ob er alles sagen sollte, was er beobachtet hatte. Auf alle Fälle wollte er vorsichtig sein, damit ihn Surja in seinem Jähzorn nicht noch mißhandelte oder auspeitschen ließ.
»Ich hörte, daß sie einige Zeit leise miteinander sprachen«, fuhr er behutsam fort. »Nachher wurde das Licht ausgelöscht.«
Surja stöhnte, so daß Krabu nicht fortzufahren wagte.
»Weiter!« sagte der Prinz heiser.
»Zuerst glaubte ich, sie würden fortgehen, kletterte hinunter und schlich mich hinter den Büschen nach vorne. Aber Me Kam saß noch auf der Veranda und sang leise vor sich hin. Erst nach einer Stunde kam der Farang wieder heraus. Me Kam machte ihm das Tor auf. Einige Minuten später erschien dann auch die Prinzessin. Ich nahm gleich eine Rikscha hierher, um zu melden, was ich gesehen habe.«
Surja knirschte mit den Zähnen und wandte sich dann rasch um. Seine Gesichtszüge hatten sich verzerrt.
Er setzte sich an den Schreibtisch und legte die Aussagen Krabus schriftlich nieder. Unheildrohend kratzte seine Feder über das Papier. Von Zeit zu Zeit stellte er kurze Fragen an den Malaien und las schließlich das Protokoll vor.
»Hast du noch mehr auf der Veranda beobachtet?« wollte er dann wissen.
»Nein«, erwiderte der Chauffeur leise, aber er log, weil er sich fürchtete.
»Und auch sonst hast du nichts Wichtiges bemerkt?« fragte Surja weiter und sah ihn durchdringend an.
»Ich habe die Wagennummer des Farangs aufgeschrieben: 4776. Als Me Kam später das Tor schloß, hielt ein Polizist das Auto der Prinzessin an, und die beiden mußten mit ihm zur Station fahren.«
»Das ist doch das Wichtigste! Warum hast du das nicht gleich gesagt?«
Surja trommelte nervös mit den Fingern auf die Tischplatte.
»Welche Polizeistation ist es?«
»Sam Jäk.«
»Ist sonst alles richtig, was ich dir vorgelesen habe?«
» Korap!«
Surja warf die Feder geräuschvoll auf den Tisch.
»Ich werde dem Hausmeister sagen, daß er dir zehn Tikal gibt. Wenn es stimmt, daß das Auto der Prinzessin von der Polizei angehalten wurde, und wenn sich nicht später herausstellt, daß du gelogen hast, sollst du deinen Hundelohn erhalten.«
» Korap!«