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35

Am selben Abend fand im Palastministerium zwischen Surja und Murapong eine erregte Auseinandersetzung statt.

»Du bist vollständig umgefallen«, sagte Surja heftig. »Erst gibst du mir recht, und nachher willst du überhaupt von nichts mehr wissen.«

»Du bist ein wenig zu hitzig, mein Junge. Immer willst du mit dem Kopf durch die Wand rennen. Warte doch ab, mit der Zeit werden wir die verhaßten Farangs schon klein kriegen.«

Surja wollte nichts davon hören, er lebte sich immer tiefer in seinen Haß hinein, denn alles war verkehrt gegangen.

Krabu hatte sich an diesem Tage nicht wieder gemeldet, was die Wut des Prinzen nur noch steigerte. Was machte der Kerl nur? Er hätte doch Warbury längst auflauern und erledigen können, wenn er wirklich gewollt hätte. Der Farang war in der Hauptstadt bekannt wie ein bunter Hund und leicht zu fassen. Aber Krabu hatte seine hundert Tikal in der Tasche und dachte gar nicht mehr daran, seinen Geheimauftrag auszuführen. Der Lump lag jetzt wahrscheinlich auf einer Pritsche in irgendeiner Opiumkaschemme. Auf keinen Menschen konnte man sich mehr verlassen!

Mit Murapong war auch nichts anzufangen, denn nach der Audienz beim König war ihm der Schrecken in alle Glieder gefahren, und er hatte Angst um seinen Ministerposten.

Surja erhob sich und schnallte seinen Säbel um. Er hielt es für überflüssig, noch länger zu bleiben.

Als er gerade gehen wollte, klingelte das Telefon.

Murapong nahm den Hörer ab.

»Ja – selbst am Apparat – ein Radiotelegramm von Bord der ›Manchuria‹?... Langsam diktieren!... Palastministerium, Prinz Murapong. – Prinzessin Amarin und Warbury kamen heute neun Uhr mit Motorboot zur ›Manchuria‹ stop beabsichtigten Reise nach Singapur stop auf meine Vorstellungen hat Kapitän Aufnahme an Bord verweigert stop beide mit Motorboot Richtung Ko-si-chang abgefahren. Pia Worak.«

Surja trat erregt näher.

Murapong hatte die Worte laut wiederholt und mitgeschrieben. Nun reichte er seinem Neffen das Blatt.

»Das ist ja unglaublich«, rief Surja wild und warf seine Mütze auf den Tisch, so daß sie über die Platte wegglitt und auf der anderen Seite zu Boden fiel. Dann stieß er mit dem Säbel auf den Boden, daß es klirrte.

»Poltern und Fluchen ist jetzt sehr überflüssig.«

»Wirst du nun endlich handeln, nachdem es zu spät ist?« fragte Surja spöttisch.

»Das Telegramm ändert die Lage allerdings vollkommen. Ich glaube, in diesem dringenden Fall kann ich es wagen, dem König sofort Vortrag zu halten.«

Murapong nickte befriedigt. Es war immer gut, abzuwarten, wie sich die Dinge entwickeln würden, und nicht voreilig zu handeln.

Eine bessere Rechtfertigung für die Schritte, die er unternommen hatte, konnte er sich kaum wünschen.

*

Auf der Haupttreppe des Dusitpalastes begegnete Murapong dem Tempelschüler Nen Vinai, der von einem Kammerdiener nach unten geleitet wurde. Es fiel ihm sofort auf, daß der junge buddhistische Mönch das gelbe Ordensgewand in anderer Weise um die Schultern geschlungen hatte als siamesische Priester. Es mußte also ein Mönch aus einem fremden Lande sein.

»In welcher Stimmung befindet sich Majestät?« fragte Murapong den Adjutanten im Vorzimmer.

Der Offizier zuckte die Schultern.

»Das Barometer steht auf Sturm. Über den Brief, den der Bote aus Ceylon gebracht hat, scheint sich der König furchtbar geärgert zu haben. Er ist ganz außer sich, niemand kann es ihm recht machen.«

Murapong wäre am liebsten wieder umgekehrt, aber das war unmöglich, da er sich angemeldet hatte.

Als sich die Tür zum Arbeitszimmer öffnete, stand der König an einem Fenster. Seine Hände spielten nervös mit einem Brieföffner, und in seinem Gesicht zuckte es wie Wetterleuchten.

Murapong hielt es für geraten, sich so kurz wie möglich zu fassen.

»Mr. Warbury hat Prinzessin Amarin aus dem Palais Akani entführt«, begann er.

»Wer sagt das?« unterbrach ihn Rama heftig.

»Es ist eben eine Radionachricht bei mir eingetroffen. Die beiden Flüchtlinge sind im Golf vom Dampfer ›Manchuria‹ auf einem Motorboot gesichtet worden. Ich erbitte Erlaubnis zur Ausstellung eines sofortigen Haftbefehls gegen beide.«

»Wo ist das Telegramm?« herrschte der König den Palastminister an.

Murapong reichte es ihm schweigend.

Sprachlos starrte Rama auf die Worte nieder, denn diese Handlungsweise hatte er Amarin nicht zugetraut. War es möglich, daß er sich so sehr in ihr getäuscht hatte? Mit Güte hatte er den Fall beilegen wollen, und das war nun der Dank für seine Rücksicht! Die in ihm schlummernde tigerhafte Wildheit erwachte plötzlich, als er sah, daß man seine Milde und seinen guten Willen nicht beachtete.

»Gegen Prinzessin Amarin gebe ich dir freie Hand.«

In seinen Zügen lauerten Wut und Heimtücke, und seine Finger krampften sich um den kostbaren Brieföffner, so daß er zerbrach. Die Stücke fielen zu Boden, ohne daß er es merkte. Erregt ging er mehrere Male hin und her und blieb dann vor Murapong stehen.

»Die hinterlistige Flucht soll ihr teuer zu stehen kommen! Ich wünsche schärfste Bestrafung«, stieß er zwischen den Zähnen hervor.

Murapong traute seinen Ohren nicht. Niemals hatte er einen so plötzlichen Umschwung erwartet.

Aufs neue ging Rama mit heftigen Schritten im Zimmer auf und ab. Schließlich trat er an den Schreibtisch und reichte dem Palastminister schweigend einen Brief.

Aus der Unterschrift ersah Murapong, daß das Schreiben vom Prinzen Akani kam, und nachdem er den Inhalt schnell überflogen hatte, verstand er den Zorn des Königs. Akani lehnte den Vorschlag, nach Bangkok zurückzukehren, entschieden ab.

»Als ob die ganze Familie mich verhöhnen wollte! Der Vater schützt religiöse Pflichten vor – natürlich will er nur noch größere Vorteile für sich herausschlagen! Er glaubt wohl, daß ich ihn kniefällig bitte, hierher zurückzukommen! Aber wenn er die Hand zurückstößt, die ich ihm reiche, soll er meine Macht fühlen!«

*

Triumphierend betrat Murapong sein Arbeitszimmer.

»Jetzt haben wir sie«, sagte er zu Surja, der im Palastministerium auf ihn gewartet hatte. »Die Haftbefehle sind vom König genehmigt. Ich komme eben vom Justizministerium, das die beiden Steckbriefe an sämtliche Dienststellen durch Funkspruch weitergegeben hat.«

Surja erhob sich von dem Tisch, an dem er geschrieben hatte. Er hielt einen Bogen in der Hand und las seinem Onkel vor, was er aufgesetzt hatte.

»Geheimer Befehl an die Kommandanten der Torpedobootstationen im Golf von Siam. Prinzessin Amarin und Warwick Warbury sind im Motorboot nach Insel Ko-sichang geflohen. Das ganze Küstengebiet bis Chantaburi im Osten und Patani im Westen ist abzupatrouillieren, die Flüchtlinge sind festzunehmen. Erfolgte Verhaftung sofort an Kommandanten der Torpedobootflottille nach Bangkok melden. Prinz Surja, Kommandeur.«

»Kannst du denn diesen Befehl ohne Genehmigung des Marineministers herausgeben?« fragte Murapong etwas verwundert. »Ich würde dir doch raten, erst der Form zu genügen und dich mit ihm in Verbindung zu setzen. Die Zustimmung erhältst du unter diesen Umständen doch sofort.«

»Nein, dadurch wird zuviel kostbare Zeit verloren. Die Torpedobootsperre kann er nicht durchbrechen. Ich schicke erst den Befehl ab, das andere hat Zeit bis nachher. Damit haben wir ihnen den Weg aufs Meer nach Süden und nach Singapur abgeschnitten.«


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