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Die Uhr schlug voll – in hellen Schlägen, und jedes Herz zählte pochend die einzelnen Klänge!
Selbst der Atem stockte – man hätte ein Blatt fallen hören können in dem alten Turm, der in diesem Augenblick der Gesellschaft des Vikars Aufenthalt und Schutz gewährte.
Horch! – ein Pfeifen, – entfernt, aber deutlich.
Eine Minute, lang und bang, dann wiederholte sich der Ton näher, es konnte kein Zweifel mehr sein.
An dem Rande des Waldes – von den Felsenschluchten her – regten sich dunkle Gestalten im Dämmerschein des Mondes.
Der Vikar drückte den Freunden die Hand. »Sie sind da, und die Hilfe bleibt aus!« sprach er mit leiser, aber fester Stimme.«Jetzt gilt es, uns selbst zu retten oder wenigstens das Leben teuer zu verkaufen, und Gott möge uns beistehen.«
Nun sah man einen der Banditen nach dem Pförtchen schleichen und hörte das verabredete Zeichen, ein Rabenschrei.
Dreimal wiederholte es sich, nichts regte sich im Turm, auch das leise Klopfen an der Tür blieb unbeachtet.
Verdutzt schlich der Bandit zurück und berichtete den Erfolg seinen Gefährten. Man bemerkte deutlich, wie der Haufe sich um den Anführer sammelte und eine eifrige Beratung stattfand.
Jetzt schienen diese mit ihrer Beratung zu Ende gekommen, und Pietro, der Führer, trat an das Tor.
»Pittoccone!« fluchte laut die Stimme des Banditenführers – »wo steckt der Kerl, daß er nicht öffnet! Die Brut ist ausgeflogen, oder der Schuft von Wirt hat uns verraten. Über die Mauer, Kameraden – schlagt die Tür ein, damit wir sehen, was geschehen ist!«
Die Büchsenkolben donnerten gegen das Tor. Über die Hofmauer hoben sich dunkle Gestalten.
Sir Richard fühlte, daß es Verbrechen gegen das eigene und der Freunde Leben sei, einen Moment noch zu zögern, und laut und deutlich, auch im untern Raume hörbar, erschallte das Kommandowort: »Feuer!«
Neun Gewehre sprühten ihre Kugeln auf die Banditen – der Kerl im Hofraum stürzte zusammen, Fähnrich Sanders hatte ihn durch den Kopf geschossen. Ein anderer warf die Arme in die Luft und fiel tot von der Mauer nach außen. Zwei waren verwundet und sprangen mit ihren Gefährten eilig herunter, sich in den Schutz der Wand zu flüchten.
Ein wildes Geschrei der Banditen antwortete dieser ersten glücklichen Salve der Bedrohten, Pescare stieß die wildesten Flüche aus und ermunterte seine Leute zum Angriff.
Es entspann sich nun ein regelmäßiges Feuern, bei dem sich die Banditen so gut als möglich zu decken suchten, obschon sie natürlich weit gefährdeter blieben als ihre Gegner im Schutz des Turmes.
Während einige der Banditen von vorn das Schießen unterhielten, zeigte plötzlich der Hilferuf der im Parterregeschoß postierten Verteidiger, daß dieselben eine neue Art des Angriffs gewählt. Der Vikar, nur die beiden Italiener an den oberen Fenstern zurücklassend, stürzte in das untere Geschoß, wo er sogleich zu seinem Entsetzen sah, daß die Räuber bereits Faust an Faust mit den Seinen an den Seitenfenstern kämpften. Dem Vikar gelang es, durch einen kräftigen Kolbenstoß einen der Räuber hinabzustürzen als ein röchelnder Ton durch das Lärmen des Kampfes und ein frohlockender Ruf in italienischer Sprache zu ihm drang. Er sprang von der Öffnung weg, die er verteidigt, und nach der Kammer, woher der Laut zu kommen schien – ein furchtbarer Anblick machte hier sein Blut erstarren. Am Boden lag in Todeszuckungen der junge Flinton, von Blut überströmt aus einer breiten klaffenden Wunde quer über die Gurgel. Ein kräftiger Bandit stand bereits in dem Gemach, nach dem Fenster gebückt und eben bemüht, einem seiner Kameraden hereinzuhelfen.
Der Schreckensruf des Vikars machte ihn sich umdrehen – im Nu stürzte er sich auf ihn und stieß mit dem Dolchmesser nach seiner Brust. Hunter fühlte einen scharfen, schneidenden Schmerz, aber auch, daß der Stoß ihn nicht gefährlich verwundet, stieß den Banditen mit aller Kraft von sich und sprang zurück. In demselben Augenblick auch war die Flinte an seiner Wange, und der Schuß krachte fast unmittelbar dem Räuber ins Gesicht, der mit zerschmettertem Kopf schwer auf sein Opfer niederstürzte. Ein Schlag mit dem Kolben traf die am Fenster sich festklammernde Hand des zweiten Banditen – daß dieser losließ und hinunterstürzte. Dann warf sich, unbekümmert um die Gefahr, der Vikar neben dem jungen Engländer auf die Knie, aber es war vergeblich, das fliehende Leben zu halten, der jugendliche Körper zuckte noch einige Male und streckte sich dann.
In seinem Jammer jubelte der Siegesruf seiner Gefährten – die Banditen waren auf allen Punkten glücklich zurückgeworfen und flohen, ihre Verwundeten mit sich schleppend, nach dem Rande des Waldes zurück.
Tief ergriffen verkündete der Vikar jetzt den Seinen, von denen mehrere, zum Glück nur leicht verwundet waren, den Fall ihres Gefährten.
Eine Stunde fast war seit dem ersten Angriff vergangen, niemand rechnete jetzt noch auf die Hilfe des Militärs, aber der Vikar sprach die Hoffnung aus, daß es ihnen gelingen würde, sich bis zum Anbruch des Tages zu verteidigen. Dagegen machte Fähnrich Sanders auf die Gefahr aufmerksam, die ihnen das jetzt in wenig Minuten bevorstehende Untergehen des Mondes hinter den Bäumen und Felsen nach Westen und die dadurch wieder eintretende Dunkelheit bringen konnte.
Diesen Augenblick schienen in der Tat auch die Banditen abgewartet zu haben. Bald verkündete der Ruf eines der luchsäugigen Italiener, daß ein neuer Angriff herannahe.
»Ich bin neugierig, was die Schurken mit dem Manöver beabsichtigen?« sagte der Fähnrich.
»Ich sehe glimmende Funken, wie Lunten,« erwiderte der Vikar. – »sie scheinen Feuer zu schlagen.«
»Goddam – die Burschen zünden sich Fackeln an.« rief der junge Mann.
Noch ehe die jungen Männer ihre neuen Posten eingenommen, sprangen die einzelnen Banditen, ihre Fackeln schwingend, auf das Haus zu. Die Wachen, die ihre Schüsse aufgespart, feuerten, und einer der Fackelträger stürzte, – die anderen aber gelangten glücklich in die Nähe des Turmes und schleuderten ihre Brände – große Kienäste mit Zeuglappen umwickelt, gegen das alte moosbewachsene Schindeldach, welches das Gemäuer bedeckte.
»Schießt, schießt auf die Mordbrenner!« schrie der Vikar. »Freunde – es gilt euer Leben!«
Aber das Manöver des Feindes war sehr richtig berechnet gewesen, das Feuer der Verteidiger bereits zerstreut und unsicher durch die Trennung und die raschen Bewegungen der Angreifer, und während alle Aufmerksamkeit der Engländer auf die Männer mit den Zündfackeln gerichtet gewesen war, gelang es dem größeren Haufen der Banditen, mit ihrer Last – die, wie sich jetzt erwies, ein schwerer Baumstamm war – in den Schutz des Torwegs zu kommen.
»Die Halunken – Gott verdamm' ihre Augen!« rief der Kornett – »haben uns den Vorteil abgewonnen, aber ich hoffe, es nützt ihnen wenig; denn widersteht auch das Tor nicht, so sind sie in dem Hof unseren Kugeln frei ausgesetzt, und wir können sie niederschießen wie ein Volk Hühner!«
»Aber das Dach – wenn es Feuer fängt,« erwiderte besorgt der ältere Freund, – »wir können nicht hinauf, um zu löschen!«
Schon nach wenigen Minuten verbreitete sich Rauch, und bald knisterte und loderte es über ihren Köpfen, da das hölzerne Dach unmittelbar die im oberen Stock kein Gewölbe mehr bildenden Umfassungsmauern deckte.
»Allmächtiger Gott!« rief der Vikar – »das Dach ist wirklich in Brand geraten! Die Mordbrenner haben ihren Zweck erreicht, und wir sind verloren!«
Die Hand des Vikars umfaßte krampfhaft den Griff des Säbels, mit dem er sich bewaffnet hatte. Vergebens sandte er seinen Rettung und Hilfe suchenden Blick umher – überall drohte Tod und Verderben! – »Freunde,« sprach er dann zu den sich um ihn Drängenden, »sterben müssen wir, wenn Gott nicht ein Wunder tut. Eine einzige Aussicht noch bleibt uns. In dieser Glut können wir nicht länger atmen, wir müssen den Turm verlassen und uns im Hofe zu halten suchen. Laßt uns den Schuppen gewinnen, wo die Pferde und Maultiere stehen, diese besteigen und, wenn das Tor zusammenbricht, uns mit dem Säbel in der Faust durch unsere Verfolger schlagen.«
Die anderen stimmten dem Entschluß bei. »Haltet fest zusammen,« mahnte der Vikar, »und braucht die Pistolen nur, wenn ihr nahe an den Banditen seid!«
Hunter voran, stürzten sie in den Hof.
Aber in demselben Augenblick krachte auch das Tor, das so lange den Stößen der Banditen widerstanden, und brach zusammen. Über die Trümmer hinweg stürzte der jubelnde wilde Haufe der Räuber in den Hof, an ihrer Spitze, seine Büchse schwingend mit wütendem Rachegeheul, der wilde Pescare.
»Drauf, meine Braven, und Gott helfe uns!« schrie Hunter und sprang, den Säbel hoch, auf den Banditenführer zu.
Mit einem wilden Fluch erwartete der Banditenhäuptling den Vikar und ließ den Kolben seiner schweren Büchse mit zerschmetterndem Schlage auf ihn niederfallen. Hunter parierte den Hieb glücklich mit dem Säbel, aber die Klinge zersplitterte bis zum Griff von der gewaltigen Wucht des Schlages, und waffenlos stand er nun in der Mitte des Kampfgetümmels. Mit teuflischem Lachen hob der Bandit noch einmal die Büchse zum Schlage, als Hunter, rasch entschlossen, ihn unterlief und seinen Gegner nach Ringart mit beiden Armen umfaßte. Jeder bemühte den anderen zu würgen oder sich von ihm zu befreien. Doch die Kräfte des Vikars schwanden vor dem eisernen Griff des Banditen, dem es gelungen, die rechte Faust an seine Kehle zu bringen. Er lag unter dem Räuber, dessen Knie seine Brust drückte, als seine linke Hand an dem Gürtel des Feindes etwas Hartes fühlte – den Griff eines Messers! Im Nu hatte er es erfaßt und stieß die scharfe, dreischneidige Klinge zweimal in die Seite des Banditen, daß der warme Blutstrom über ihn wegspritzte. Mit einem wilden Schmerzgeheul brach der Räuber zusammen, und mit einem abscheulichen Fluch auf den Lippen wälzte er sich in seinem Blute.
Der Vikar raffte sich auf von der blutigen Last und sprang empor, aber ihm entgegen einer der Banditen, der über dem Haupt des Halbohnmächtigen die Büchse zum gewaltigen Schlage schwang. Hunter erkannte, daß er keinen Widerstand mehr leisten konnte, daß er verloren sei! Schon – – – da – da – allmächtiger Gott! Rettung! Trompeten schmetterten – der Hurraruf deutscher Reiter klang zu ihm herüber – Kommandoruf! – und gleich den rächenden Blitzstrahlen funkelten die Säbel der braven Husaren im Flammenschein zwischen den nach allen Seiten flüchtenden Räubern.
Mit dem Arm hatte der Vikar den vom plötzlichen Schreck geschwächten und abgleitenden Hieb seines Gegners aufgefangen, aber betäubt davon und von dem Blutverlust stürzte er zugleich ohnmächtig zu Boden, und wie aus weiter Ferne nur hallte der Siegesruf seiner braven Gefährten und das letzte Kampfgeschrei der Banditen in seinen Ohren.
Als Hunter wieder zu sich kam, lag der Sonnenschein bereits hell und freundlich über dem wilden Tal. Seine Wunden waren sorgfältig verbunden, und um sich her sah er die Gefährten der Mordnacht gelagert, zum großen Teil mit verbundenen Köpfen und Armen, nur Hugh Flinton und einer der italienischen Diener fehlten; ihre Leichen lagen jetzt friedlich im Hof neben denen der gefallenen Räuber. Der Turm war gänzlich ausgebrannt, auch der spitzbübische Wirt und sein Weib hatten einen qualvollen Tod gefunden. Ringsumher aber standen Wachen und Posten von österreichischen Husaren und päpstlichen Gendarmen und umgaben in einiger Entfernung sechs trotzig blickende Banditen, welche, die Hände auf den Rücken geschnürt, dort des Transports und der Strafe am Galgen oder der Garotte harrten.
Auf den Ruf Allans versammelten sich eilig die Engländer um ihren Landsmann und begrüßten mit Jubel seine Rückkehr ins Leben. Zugleich kam der Rittmeister Graf Sternberg, der das Kommando befehligte, den geretteten Verwandten zu begrüßen, den er in Mailand kennen gelernt, als dieser Korfu verlassen. Er sprach seine Freude aus, daß er gerade noch zu rechter Zeit gekommen, um die kleine Schar der Engländer zu retten.
Die Betäubung, in die Hunter durch den Kolbenschlag versetzt worden, war bald gewichen, die wohlverbundene Arm- und Seitenwunde hatte sich als gänzlich gefahrlos erwiesen, so daß er jetzt mit seinem Vetter ohne Mühe die Stätte ihres verzweifelten Kampfes beschreiten konnte. Auf dem Platz lagen die zwölf Leichen, all mit wilden, verzerrten Mienen, wie sie fluchend dem Tode Trotz geboten. Unfern des eingestürzten Tores sah man den riesigen Leib des erstochenen Führers; ein Knabe saß neben ihm und hielt das Haupt des Toten in seinem Schoß; es war Peppino, der zu der Bande die Botschaft von der Ankunft der Engländer im Turm gebracht hatte und nun mit zornigen Blicken die Nahenden empfangend, die Leiche seines Erzeugers bewachte.
Der Vikar näherte sich ihm in dem auf Italienisch geführten Gespräch mit dem Rittmeister, dem er die Entführung der jungen Lady mitteilte.
»Ich habe bereits gestern abend Kunde bekommen von dem Überfall der Villa Sorrenti durch das Gesindel. Sobald Sie mit Ihren Freunden sich etwas erholt, wollen wir dann sogleich nach der Osteria aufbrechen, die der Comte ihnen bezeichnet, und die wir zum Ausgangspunkt unserer Operationen machen müssen. Dort können wir leicht die Verwundeten unterbringen oder sie nachschaffen. Wir wollen den Rest der Bande dieses alten Rebellen Mamiani vernichten, und kein einziger der Schurken soll mir entgehen.«
Ein kurzes Hohngeschrei unterbrach seine Beteuerung. Als beide sich umblickten, sahen sie den Knaben Peppino, der die Worte mit angehört hatte, mit tückischer und triumphierender Gebärde nach ihnen hindrohen. Der Rittmeister rief die Schildwache, aber wie ein Blitz war der Junge zwischen den Soldaten hindurchgeschlüpft und rannte über den Talgrund den Felsen zu, an denen er wie eine Ziege emporkletterte.
Das kleine Ereignis bewog den Offizier nur, desto rascher die beschlossenen Maßregeln auszuführen, damit ihr Plan durch den jungen Spion nicht etwa zu frühzeitig den Banditen verraten und es ihnen möglich gemacht werden möchte, ihre Schlupfwinkel zu verlassen, ehe das Netz um sie geschlossen war. Die Leiche des jungen Flinton wurde auf dem Sattel seines Maultiers befestigt und für zwei der am schwersten Verwundeten leichte Tragbahren aus Ästen bereitet. Die Trompete gab das Signal zum Aufsitzen, der Zug setzte sich in Bewegung und verließ das Tal in der Richtung nach Norcia, wo die Osteria lag, in der am Nachmittag vorher die Gesellschaft angehalten.
In der Lokanda des Wirtes an der Straße von Spoleto nach Ascoli, unterhalb des Monte Vittore, herrschte am anderen Vormittag ein reges Leben. Die Gendarmen und Soldaten biwakierten umher und kamen und gingen in Patrouillen nach allen Richtungen des Gebirges, die Schenke selbst war zum fliegenden Lazarett für die beim Kampf an dem alten Jagdkastell und auf dem Monte Vittore Verwundeten eingerichtet, und unwirsch schritt der Husaren-Rittmeister mit einem Gendarmen-Offizier vor dem Hause auf und ab, wo am Tisch unter dem großen Kastanienbaum sinnend der Vikar auf der Rasenbank saß.
»Es ist, als ob die Erde sie verschlungen hätte,« sagte ärgerlich der Graf, indem er mit der Säbelscheide klirrend auf den Boden stieß. »Ich muß gestehen, Sie haben ein seltsames Vertrauen, Vetter, in Ihren seltsamen Freund – diesen neapolitanischen Comte, daß Sie, seit wir den Lagerplatz der Banditen erstürmt und den Leichnam ihres Führers gefunden, keine Besorgnis mehr zu hegen scheinen um Ihre schöne Braut.«
»Sie steht in Gottes Hand,« sagte ernst der Geistliche. »Ich glaube bestimmt, hätten wir nach seiner Anweisung bis um Mitternacht mit dem Angriff gezögert, wir würden weitere Nachricht von ihm erhalten haben. Jetzt ist er vielleicht genötigt gewesen, die Banditen zu begleiten und sich mit ihnen zu verbergen.«
Der Wirt nahte sich der Gesellschaft, hielt einen Brief in der Hand und sagte zu dem Vikar: »Exzellenza, hier ist ein Brief an Sie, wenigstens glaube ich, daß er an Sie adressiert ist, Signore Hunter, in meiner Lokanda abzugeben.«
»Einen Brief an mich? – gib rasch her, Mensch! Gott sei Dank, es ist eine Nachricht von ihm selbst!«
Alle gruppierten sich neugierig um ihn her, der unterdes den Brief still gelesen hatte. Derselbe lautete:
»Mein Freund!
Des Allmächtigen Hilfe ist mit mir gewesen. Lady Adelaide, Ihre Braut, ist gerettet und ungekränkt in Sicherheit – ihr schändlicher Räuber von meiner Hand gefallen.
Gestern, als Sie an der Spitze der Soldaten den Vittore stürmten, war ich Ihnen nahe – das Schicksal, das so viel zwischen uns getürmt, hatte mich auch hier Ihnen gegenübergestellt. Der Angriff hat uns zur Flucht gezwungen und verhindert, daß Lady Adelaide schon jetzt bei Ihnen ist. Sie selbst – in allzu großem Dank für das wenige, das ich getan – besteht darauf, mich bis zur Küste zu begleiten. Sie werden die Lady morgen früh um die dreizehnte Stunde in der Lokanda des Dorfes Casoli auf der Straße von Ripatransone nach Grottamare finden. Bringen Sie eine Dienerin und Kleidung für sie mit.
Wir, mein Freund, sehen uns nicht wieder. Zu welcher Küste mich auch die Woge morgen trägt, werde ich der Feind Englands sein und der Freund derer, die seinen Namen tragen. Wenn uns Meere und Welten trennen, vergessen Sie mich nicht in Ihrem Glück an ihrer Seite!
G.«
»Sie ist frei, sie ist gerettet!« rief der Vikar, den Freunden die Hände drückend, »und wird morgen in Ihrer Mitte sein!«
»Er ist ein wackerer Soldat, und ich kümmere mich nicht, was auch Ihrer Majestät Regierung gegen ihn haben mag,« rief Kornett Pond, einen Becher Wein vom Tisch nehmend. – »Ein Hurra, Bursche, für den Kapitän Grimaldi und seine wackere Tat!«
Im nächsten Moment aber wurde er bleich, denn sein Auge begegnete dem forschenden Blick des österreichischen Offiziers.
»Kapitän Grimaldi, sagten Sie? ein ionischer Insurgent und einer der Rebellenführer von Venedig? Die Regierung meines Kaisers und die Ihrige haben einen Preis auf seinen Kopf gesetzt.«
»Entschuldigen Sie, Sir,« entgegnete der Kornett unwillig, »das, was ich sagte, galt für mich und diese Herren, und ich bin Ihnen über die Namen, die es mir zu nennen beliebt, keine Rechenschaft schuldig.«
»Sehr wohl, mein Herr,« sagte der Graf, »obschon ich Sie daran erinnern möchte, daß ich hier der kommandierende Offizier bin und daher jedes Recht der Nachfrage habe. Doch werden Sie, Vetter Hunter, mir die Auskunft nicht verweigern und vielleicht mitteilen, was dieser Brief enthält?«
Der Vikar war verlegen – endlich entschloß er sich dafür, daß eine offene Erklärung seiner am würdigsten sei. »Verzeihen Sie, mein Cousin,« sagte er, »daß ich bei allem Dank, den wir Ihnen schuldig sind, doch Ihrem Verlangen nicht entsprechen kann. Dieser Brief enthält nur die Mitteilung, daß Lady Seymour in Sicherheit ist und die Aufforderung, sie zu treffen.«
»Aber das Wie und Wo?«
Der Vikar schwieg.
»Sie weigern selbst, mir zu sagen, wo die Dame und – ihr Ritter Sie treffen wollen?«
»Ich bin gezwungen, durch jedes Gefühl der Ehre und Pflicht, dies wenigstens für die nächsten zwei Tage selbst Ihnen zu verschweigen.«
»Die erste Pflicht, die ich kenne,« sagte der Offizier streng, »ist die gegen meinen Kaiser.« Er verbeugte sich kalt und unwillig und war eine Strecke auf dem Gebirgsweg fortgegangen, als er sich plötzlich an der Uniform gezogen fühlte. Er blickte sich um, neben ihm stand der Knabe Peppino und blickte ihn mit boshaft funkelnden Augen an.
»Höre, Signor Uffiziale, ich will dir etwas vertrauen,« sagte der Knabe. »Suchst du niemand in diesen Bergen?«
»O ja – Leute deiner Familie, denn du scheinst mir ebenso zu dem Gesindel zu gehören, und jetzt erinnere ich mich, daß du der Sohn des erschlagenen Räubers bist. Holla, Bursche, nicht von der Stelle! Ich glaube, du kannst mir die beste Kunde von Grimaldi und deinen Genossen geben!
»Höre, Signor Offizier, gibst du mir die hundert Scudi, wenn ich ihn und die Bande in deine Hände liefere?« fragte der Knabe.
»Du sollst sie haben, Bursche! aber deine Banditen und Straßenräuber kümmern mich wenig, wenn ich auf der Spur dieses Mannes bin! Schnell, Knabe, sprich – wo ist der Kapitän, wie können wir uns seiner bemächtigen?«
»So höre,« sagte der Kleine, »ich will dir vertrauen. Der Capitano Grimaldi geht mit der Sennora nach Ripatransone, weshalb, weiß ich nicht. Aber ich habe erlauscht, daß übermorgen früh, eine Stunde nach Sonnenaufgang, der Capitano zwei Miglien jenseits Grottamare, wo das Gebirge ans Meer stößt, sich auf der Tartane des Schurken Petrowitsch mit dem Fremden einschiffen wird, die dort in einer Bucht vor Anker liegt.«
»Wie weit ist Grottamare von hier?«
»Fünfunddreißig Miglien, Exzellenza! Aber du mußt mich mit dir nehmen, damit ich sehe, wenn der verdammte Schmuggler und der Capitano gehenkt werden.«
»Du sollst mit mir, Bursche, und bei meiner Offiziersparole die ausgesetzte Belohnung empfangen, wenn jene Männer in unsere Hände fallen.«
Mit eiligen Schritten kehrte der Rittmeister zu der Osteria zurück. Hier fand er zu seiner Freude den Vikar bereits im Begriff, mit seinen drei Begleitern und denjenigen seiner Diener, deren Wunden das Reiten gestatteten, aufzubrechen und nur noch wartend, von ihm Abschied zu nehmen.
Dies geschah mit einiger Verlegenheit von seiten Hunters, doch half ihm wider Erwarten der Graf selbst über den unangenehmen Augenblick, indem er sagte: »Meine Fragen sollen Sie nicht weiter inkommodieren, Vetter. Es freut mich, daß ich imstande gewesen, Ihnen einen kleinen Dienst zu leisten.«
Er grüßte kühl die jungen britischen Offiziere und wandte sich zur Osteria, Hunter aber gab das Zeichen zum Aufbruch. Bald war die Gesellschaft in den Felsenwegen verschwunden.
Kaum war dies geschehen, als der Rittmeister die nötigen Befehle erteilte, um die ausgestellten Wachen des Streifkorps zurückzurufen. Ehe eine Stunde verging, schlug er mit einer Abteilung seiner Husaren und einigen berittenen römischen Gendarmen den Weg nach seiner Station ein.
Neben dem Pferde des österreichischen Offiziers lief rüstig der kleine Verräter. – – –
Auf der Straße, die dicht am Ufer des Meeres von Grottamare nach Norden führt, zogen zwei Reisende, ein Mann und eine Frau; Lady Adelaide und Kapitän Grimaldi, der Flüchtling. Sie hatten bei Sonnenaufgang die kleine Osteria verlassen, die von dem Kapitän dem Vikar als der Ort bezeichnet worden war, in dem er die Lady am Morgen desselben Tages treffen würde.
Vergeblich hatte Grimaldi in Ripatransone seinen alten Diener und eine Nachricht von der französischen Handelsbrigg erwartet. So blieb ihm nur übrig, sich der Schmuggler-Tartane seines wilden Milchbruders zu vertrauen und von dem Anerbieten des russischen Agenten Gebrauch zu machen. Dieser war mit Danilos schon am Abend aufgebrochen, um die in den Felsenbuchten verborgene Tartane aufzusuchen und nach der Stelle der Küste zu bringen, die man zur Einschiffung des Kapitäns verabredet hatte, da Lady Adelaide darauf bestanden, ihn bis zum Strande des Meeres zu begleiten.
Der Verbannte schritt neben dem Maultier der Lady her, die Hand auf die Lehne des Sattels gestützt, beide nur von Zeit zu Zeit ein Wort miteinander wechselnd.
»Es wird Theodoros, meinem alten Diener, leicht sein, nachdem er die Sorge um mich los ist, die albanesische Küste zu erreichen und mich in Cettinje aufzusuchen. Sagen Sie ihm, daß ich nur mit Widerstreben ihn hier zurückgelassen. Die Treue ist so selten im Leben, daß, wo man sie findet, man sie teuer halten und wahren muß.«
Sie reichte ihm ihre Hand, die er hinfort in der seinen behielt.
»Die Treue, Markos,« sagte sie, »jawohl ist sie selten und ein hohes Gut!«
Er senkte das Haupt. Ein Windstoß öffnete den Nebelvorhang und zeigte durch eine Klüftung der Felsen das Meer, dessen Brandung donnernd gegen den Grund schäumte.
»Dort ist die See!« sprach der Grieche, »und jener Felsenvorsprung ist der Ort, wo wir scheiden müssen. Dort, Adelaide, ist das Kap meiner neuen Hoffnung! O, könnte ich mit Ihnen ziehen in eine andere Zone – könnte jenes Schiff, das mich erwartet, uns beide vereint zu einem Lande des Glücks und der Ruhe tragen, zu einer Freiheit, fern von den Vorurteilen der Welt, wo die Träume der Liebe zur Wirklichkeit werden!«
Er drückte leidenschaftlich ihre Hand an die Brust, sie beugte sich über ihn, und eine Träne fiel aus ihrem schönen Auge auf seine Hand.
»Es kann nicht sein, Markos! Unser Glaube, der ganze Haß und Stolz zweier Völker und mehr als das, das freie Wort, das ich dem Manne gab, der meine Jugend beschützt, als ich Ihre Freiheit forderte aus den Felsenkerkern der Zitadelle von Korfu – das alles trennt uns für immer.«
Er ergriff den Zügel ihres Tieres und lenkte es schweigend von der Heerstraße ab nach den Felsen zu, die Stephanos, der Matrose, ihm andeutete.
Die Hand der Lady faßte krampfhaft die ihres Freundes, während die andere sich hinausstreckte nach dem Meer.
»Dort! Dort! – O mein Gott!«
Aus den wallenden weißen Wolken des Nebels sah man in der Ferne die Spitze zweier Masten ragen.
Mit Staunen betrachtete sie der Uskoke. »Bei den blutigen Heiligen von Ostrog – diese Masten gehören nicht zur gesegneten Tartane ›die Meerschwalbe‹.
»So liegt sie vielleicht noch im Nebel verborgen, oder du irrst dich! Der Nebel verhindert uns, das Signal zu zeigen, darum geh an den Fuß der Klippe und gib ein Zeichen, wenn du sie nahen hörst.«
Der Kapitän war mit der Lady wieder allein.
Sie zeigte ihm den Ring an ihrem Finger, denselben, mit dem er ihre Freiheit gewonnen, den er ihr im Weinbecher, als Zeichen seiner Nähe, gesandt. »Lassen Sie mich ihn zurücknehmen und tragen zu Ihrem Andenken und zum Gedächtnis der Liebe. Nehmen Sie dies Medaillon dafür, das außer Ihrer Erinnerung das einzige enthält, was Adelaide Seymour von ihrer armen Person Ihnen geben könnte!«
Dann wies er mit der Hand nach der Straße von Grottamare hin, die auf weite Distanz das Auge von hier aus beherrschte.
Zwei Reitergruppen näherten, voneinander entfernt, sich eilig auf dem sonnenbeschienenen Wege.
»Lassen Sie uns scheiden. Richard Hunter mit seinen Freunden naht dort, Adelaide, – er hat die Zeit nicht erwarten können, Sie zu sehen! Wollen Sie – daß ich der Zeuge werde seines Glückes?«
»Adelaide – for ever!«
Sie neigte sich herab aus dem Sattel und küßte seine Stirn und die Narbe, die sie zierte.
»For ever!«
Dann galoppierte ihr Tier den Klippenhang hinab nach der Straße zu und auf dieser zurück.
Der Ionier stand, die Arme über die Brust gekreuzt, mit starrem Auge die fliehende Gestalt verfolgend, auf derselben Stelle, wo sie ihm den Abschiedskuß gegeben.
Und die Brandung schlug donnernd an die Felsen.
»Das ist der Capitano Grimaldi, Signor Uffiziale, und ich habe mein Geld verdient!«
Er zuckte empor – neben ihm stand ein zerlumpter Knabe und ein österreichischer Husarenoffizier. Der eine Peppino, der andere der Rittmeister Graf Sternberg.
»Mein Herr, im Namen Seiner Majestät des Kaisers – Sie sind mein Gefangener!«
Ein entschlossener rascher Sprung rückwärts auf den Felsengrat brachte den Griechen außer dem Bereich der Hand seines Feindes. «Noch nicht, Signor! ich gebe meine Freiheit nicht so leichten Kaufs!«
Seine Hände hielten bereits die Pistolen.
»Vergießen Sie nicht unnütz Blut, Signor, und tragen Sie das Unabänderliche wie ein Mann,« sagte der Offizier mit ernster Stimme. »Sie sehen,« – er deutete nach dem Fuß der Klippe, wo bereits Husaren zu Fuß und Gendarmen, aus ihrem Versteck in den Büschen auftauchend, eine Chaine bildeten – »jeder Ausweg ist Ihnen versperrt, und hinter Ihnen ist das Meer.«
»Cospetto – auch eine Anzahl alter Freunde, die den Capitano nicht im Stich lassen! Herbei, Kameraden, und zu Hilfe dem tapferen Capitano, der Pepe erschoß!«
Nicolo sprang im Rücken des Bedrängten auf die Felsenplatte; ihm folgten vier andere Banditen, darunter Federigo und der alte Luigi.
»Sie sehen, mein Herr,« sprach der Grieche, »die unerwartete Hilfe, die Gott mir sendet. Ziehen Sie sich zurück und lassen Sie mich und diese Männer ungehindert den Boden Italiens verlassen, den mein Fuß nie wieder betreten soll.«
Die Banditen hatten sich auf der Höhe der Klippe, die den Zugang beherrschte, Deckungen gesucht und lagen hinter Felsstücken und verkrüppelten Baumstämmen.
Der von dem Schicksal so grausam Verfolgte und an der letzten Stufe zur Rettung noch Getäuschte stand auf der Höhe der Felsplatte frei und allein, den Kugeln der Soldaten sich bloßstellend. Es war ersichtlich, daß er sich der Gefahr bloßstellte und – müde der Verfolgungen und des Kampfes – sein Leben preisgab.
Aber dieser Tod schien ihm nicht werden zu sollen. Um ihn krachten die Schüsse der Verfolger, und Schritt um Schritt, Sprung um Sprung drangen die Soldaten und Gendarmen vor.
Zwei der Banditen waren bereits erschossen, ein dritter verwundet, und nur noch die Büchsen Nicolas und des alten Luigi trennten ihn von den Feinden.
Die Gegner standen einander, etwa zehn Schritte weit, gegenüber, einen Augenblick ruhte das Feuer, und man bereitete sich zu einem Handgemenge vor.
Plötzlich brachen sich durch die Soldaten und Gendarmen mit Gewalt zwei Männer Bahn und sprangen zwischen die Kämpfenden.
Der eine von ihnen – fast ein Greis, stürzte mit Jubelruf zu den Füßen des Kapitäns und umfaßte sie. »Der heiligen Panagia sei Dank, wir kommen noch zur rechten Zeit, dich zu retten, Herr!«
Die Gestalt des Fremden trug die volle Uniform eines französischen Infanterie-Majors.
»Fort da, Männer! Halten Sie Ihre Leute zurück, mein Herr!« sagte er ziemlich heftig zu dem kommandierenden Offizier; »ich mache Sie verantwortlich für alles, was gegen jenen Mann geschieht, der französischer Untertan ist!« Damit stellte er sich schützend vor den Kapitän.
»Mit welchem Recht, Herr,« fragte der Rittmeister drohend, »wagen Sie es, meine Soldaten in ihrer Pflicht zu hindern? – Ich kenne Sie nicht, und dieser Mann da ist kein französischer, sondern ein englischer Untertan, ein gefährlicher Rebell gegen seine Regierung und ein Feind der meinen, zu dessen Festnahme alle Behörden angewiesen sind!«
»Was Signor Grimaldi früher gewesen, kümmert mich nicht. Er ist gegenwärtig Franzose, Kapitän im ersten Bataillon der Fremdenlegion von Algerien, und hier ist das Patent, von Seiner Hoheit dem Prinz-Präsidenten selbst unterzeichnet und vom General Gemeau in Rom kontrasigniert.«
Er präsentierte das Dokument, das dem Flüchtling so unerwartet die Rettung bringen sollte, dem verdutzten österreichischen Offizier, der es nahm und sorgfältig prüfte.
»Ich muß Ihnen wiederholen,« sagte er währenddem, »daß ich nicht die Ehre habe, Sie zu kennen!«
»Ich bin französischer Offizier, wie Ihnen meine Uniform zeigt,« entgegnete der Fremde stolz, »der Kommandant Dugonier im Generalstab des Generals Gemeau. Wenn Sie gefälligst Ihren Blick dorthin wenden wollen, werden Sie unsere Flagge sehen, unter deren Schutz ich hierhergekommen.«
Aller Augen wandten sich nach der See, die jetzt frei von den Nebeln war und den vollen Blick über ihre Fläche gestattete. Als der Offizier jetzt sein Kasket erhob und nach dem Schiff hinüberwinkte, donnerte von dessen Bord ein Signalschuß, ein Zeichen, daß man ihn bemerkt.
Der Rittmeister reichte das Patent zurück. »Es hat allerdings seine Richtigkeit, Herr Kamerad,« sagte er entschlossen, »und ich bedaure deshalb umsomehr, darauf keine Rücksicht nehmen und von meiner Instruktion abgehen zu können. Sie befinden sich hier auf dem Boden der Legation von Ancona, die nicht von französischen, sondern von österreichischen Truppen besetzt ist.«
»Wenn wir sterben sollen,« schrie Nicola, »soll es im Kampfe gegen die Schergen sein, und ihr Blut soll zuerst die Erde tränken!« Im nächsten Augenblick wälzte sich der wilde Knäuel des Kampfes auf und nieder, denn die beiden anderen Banditen hatten sich gleichfalls mit dem Mut der Verzweiflung auf ihre Gegner geworfen und fochten, schon von Wunden bedeckt, noch wie Rasende. Der Ionier wollte ihnen zu Hilfe eilen, doch der französische Offizier drängte ihn zurück und wies nach der Seite der Felsen. »Dort hinab!« rief er ihm zu –«suchen Sie das Ufer zu gewinnen – in wenig Minuten muß das Boot der Brigg am Strande sein – ich decke Ihren Rückzug!«
Mit zwei Säbelhieben brach sich der Kapitän Bahn vor den andrängenden Gendarmen und schwang sich auf die Höhe der Klippe zurück. Der Franzose wurde zur Seite gedrängt, eine Mauer seiner Feinde begann sich um Markos Grimaldi zu schließen.
»Ergeben Sie sich, Kapitän Grimaldi!« tönte der Ruf des Rittmeisters – »jeder Ausweg ist abgeschnitten – legen Sie die Waffen nieder – Sie sind in unserer Gewalt!«
»Niemals, so lange ein Mann zu sterben vermag!«
Mit einem Sprung rückwärts befand er sich am äußersten Rande der Klippe, die über die kochende Brandung hinaushing.
Das Blitzen seines Säbels im Sonnenschein, wie dieser voran durch die Luft flog – ein Sprung – ein Schrei des Erstaunens und Entsetzens aus dem Munde kampf- und blutgewöhnter Männer –
Die Klippe war leer!
Einen Augenblick standen alle erstarrt, erschreckt vor der entschlossenen Tat – dann stürzten sie vor an den Rand der Klippe, in das tosende Grab zu schauen, das sich der Tapfere gewählt.
Noch standen alle schweigend und beklommen – als plötzlich ein Schrei von mehreren Lippen die allgemeine Erstarrung löste und viele Hände nach der Stelle wiesen, wo die Nebel des Felsenkessels endeten.
Aus dem Ausgang der Bucht, aus den wallenden Nebeln hob sich, von den rückprallenden Wellen getragen, eine dunkle Gestalt, ein Kopf tauchte aus den Wogen auf, kräftige Arme teilten in regelmäßigem Schlag das Wasser, gegen die anstürmenden Wogen tauchend und jede rückprallende Welle geschickt benutzend, um das freie Meer zu gewinnen!
Der französische Offizier jubelte laut auf. »Vive la République! Vive la fortune! – er wird entkommen, er wird das Boot erreichen!« Seine Hand schwang das Kasket über dem Kopf, den Matrosen zur Eile winkend, die von dem Gipfel einer Welle den Schwimmer gesehen und sich mit verdoppelter Anstrengung in die Riemen warfen.
»Fertig zum Feuern! – Schlagt an! – Feuer auf den Rebellen!« Die harte Stimme des österreichischen Offiziers donnerte das Kommando – noch ehe der Franzose sich schützend vor die Mündungen werfen konnte, krachte die Salve.
»Fluch der feigen Tat! Ein Barbar nur kann so handeln!«
Als der Pulverdampf sich verzogen, sah man den Schwimmer mit halbem Leib aus den Wellen tauchen – ein dunkler Strom rötete das Wasser um ihn, – das Boot der Brigg war kaum dreißig Schritt noch von ihm entfernt – wie in zorniger Verachtung des Hasses, der ihn in die Tiefen des Meeres verfolgte, schwang er den Arm – dann versank er!
Der österreichische Offizier faßte den Arm des Franzosen. »Sie werden mir Rechenschaft geben, Herr, für Ihre beleidigende Rede. Was ich getan, war meine Pflicht!«
Der Kommandant machte sich von ihm los. »Die Pflicht des Soldaten, mein Herr,« sagte er streng, »geht nicht bis zum Morde, und wo Gott selbst so schützend die Hand über den Verfolgten ausstreckt, da ist Beharren auf seinem Verderben nichts anderes als Mord! Keine Politik der Welt kann solche Taten rechtfertigen. Wenn Sie Genugtuung für meine Worte und meine Meinung wünschen, so werden Sie mich zu jeder Zeit in der Umgebung des Generals Gemeau in Rom finden. Für jetzt ruft mich die Pflicht an Bord jenes Schiffes!«
Er wandte ihm stolz den Rücken und schritt durch die Reihe der Soldaten nach dem Fuß der Klippen und zu dem zurückgelassenen Pferd.
Indem er an der Gruppe der Engländer vorüberkam, sah er die bleiche Marmorgestalt der Lady bewußtlos auf dem Rasen in den Armen ihres Bräutigams liegen. Kein Laut – kein Schrei war ihrer Brust entschlüpft – starr und gefaßt hatte sie den Tod des Teuren gesehen und erst bei der Salve der Gewehre das Bewußtsein sie verlassen.
Durch die letzten sich zerstreuenden Nebel konnte man von der Höhe der Klippe das französische Boot zu seinem Schiff zurückkehren sehen.
For ever! –?