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Auf der Burg des Herzogs Friedrich von Schwaben befanden sich Berthold von Eberstein und Albert von Zimmern als Gäste. Mit diesen und vielen andern Rittern und Edlen ritt der Herzog eines Tages zur Kurzweil nach der Burg Magenheim im Zaberngau, wo Graf Erchinger seinen Wohnsitz hatte. Nahe bei des Grafen Schloss lag ein schöner, grosser Forst, der »Stromberger Wald« genannt. Seit einiger Zeit hatte man einen gewaltigen Hirsch verspürt, allein weder dem Grafen noch seinen Jägern hatte es glücken wollen, ihn zu Gesicht zu bekommen. Als sie aber jetzt eben an der Tafel sassen, meldete ein Jäger, dass er den grossen Hirsch gekreiset habe. Jedermann war hoch erfreut darüber, besonders aber der Graf Erchinger, und sie zogen in grosser Anzahl hinaus, den Hirsch zu erlegen. Während der Jagd aber verlor sich Albert von Zimmern von den Uebrigen, und sah plötzlich einen schönen und starken Hirsch, wie er noch nie zuvor einen erblickt hatte. Er verfolgte ihn eifrig, bis er ihn mit einem Male aus dem Gesicht verlor, ohne dass er wusste, wo er hingekommen. Da trat ihm ein Mann entgegen von schrecklicher Gestalt, über dessen Anblick er über die Massen erschrack, ob es ihm gleich sonst nicht an Muth gebrach. Er bezeichnete sich mit dem Kreuze, aber der Mann sprach zu ihm: er solle sich nicht fürchten, denn er sei von Gott zu ihm gesendet, um ihn wunderbare, seltsame Dinge sehen zu lassen; er möge ihm nur getrost folgen. Nur um Eines bitte er ihn: während der ganzen Zeit kein Wort zu sprechen. Albert hatte nichts dagegen, und der Unbekannte schritt vor ihm her, bis sie das Ende des Waldes erreicht hatten. Da sah Zimmern plötzlich ein herrliches Wiesenthal vor sich und mitten in demselben ein prächtiges Schloss mit vielen Thürmen. Sie gingen auf dasselbe zu, und alsbald kamen ihnen viele Diener entgegen, die dem Ritter schweigend vom Rosse halfen und selbiges wegführten. Sein unbekannter Führer aber sprach zu ihm: er solle sich nicht wundern über das Stillschweigen dieser Leute, sondern ihm ohne Sorgen folgen und thun, was er ihn heissen würde. Sie traten hierauf in das Schloss, wo sie in einen grossen Saal gewiesen wurden, in dem ein stattlicher Herr mit seinen Hofleuten an der Tafel sass. Alle standen vor dem Eintretenden auf und grüssten ihn, worauf sie sich wieder niederliessen und fortfuhren zu essen und zu trinken. Albert aber stand immer mit dem blossen Degen in der Hand, und wollte diesen durchaus nicht von sich legen. Er betrachtete die ungemein künstlichen Silbergefässe und sah, wie man Speisen auf- und abtrug, doch Alles in grösstem Stillschweigen. Als er Alles lange genug beschaut hatte, während der Herr und seine Gesellschaft ruhig fortassen, ohne sich um ihn zu bekümmern, hiess ihn sein Führer wieder folgen. Albert verneigte sich wieder vor der Gesellschaft, die seinen Gruss erwiderte, und kam mit seinem Führer in den Hof, wo einige Diener sein Pferd hielten. Er stieg auf und der Unbekannte führte ihn wieder denselben Weg zurück, den sie gekommen waren. Albert befragte jetzt seinen Führer über das Schloss und seine seltsamen Bewohner, und erhielt folgende Antwort: Der Herr, den du gesehen, war ehemals dein Oheim, Friedrich von Zimmern, ein tapferer Mann, der oft wider die Ungläubigen gestritten. Ich aber und die Uebrigen, welche du gesehen, waren in unserm Leben seine Diener, und leiden jetzt, gleich ihm, schwere aber gerechte Strafe. Denn als dein Oheim noch am Leben war, beschwerte er seine Unterthanen mit unbilligen Auflagen, und wir, seine Diener, halfen ihm treulich dazu: desshalb hat uns dieselbe Strafe getroffen. Dies ward dir kund, damit du dich hütest vor schwerer Schuld und dein Leben bessern mögest. Siehe, hier ist der Weg, der dich wieder zurückbringt. Doch blicke noch einmal rückwärts, damit du siehest, wie die Glückseligkeit sich in Elend und Jammer verwandelt.
Mit diesen Worten verschwand der Greis Als sich aber Albert umwandte, erblickte er an der Stelle, wo das Schloss gestanden, nichts als Feuer und Flammen, und daraus schallte lautes Wimmern und Wehklagen. Voll tödtlicher Angst ritt er nach dem Schlosse Magenheim zurück, wo er aber nicht sogleich wieder erkannt wurde, denn sein Haupthaar und Bart waren ganz weiss geworden. Er erzählte Alles, was ihm begegnet, und bat den Grafen Erchinger, er möge ihm erlauben, auf der Stelle, wo er die Erscheinung gehabt, eine Kirche und ein Kloster zu erbauen. Erchinger gewährte die Bitte, und alle Anwesenden versprachen, das Werk nach Kräften fördern zu helfen. Graf Berthold von Eberstein aber gelobte zugleich, ebenfalls ein Kloster zu stiften, und erbaute hierauf das Nonnenkloster Frauenalb im Albthale.
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