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Zur Zeit, als der Abt von Salmannsweiler noch nicht gnädiger Herr hiess, sondern ehrwürdiger Vater, war der Pater Grosskellner eine fast eben so angesehene Person, als der Prälat; denn einen guten Wein nach den Horas trank jeder Mönch gern, vom Novizen bis zum Prior. Da baute einmal ein Pater Grosskellner ein Fass, so gross, dass man den Keller erweitern musste, es unterzubringen, und füllte es mit den Zinsweinen und Gülten des besten Jahrganges, der seit langer Zeit erlebt wurde. Nur wenn es Duplex war, in hohen Festzeiten, füllte er daraus die steinernen Krüge der Mönche, aber die Schlüssel zum Keller trug er stets sorgfältig bei sich.
Da traf sich's einmal, als er fest schlief, dass ein trinklustiger Bruder ihm den Schlüssel vom Gürtel löste und abdrückte in gestohlenes Kirchenwachs. Darnach machte er einen Haken und schlich nach der Mette oft in den grossen Keller, dieweil seine Mitbrüder das harte Lager suchten, und erlabte sich an Gott Bacchus' Gaben.
Doch einmal fand er, vielleicht weil der Grosskellner Argwohn hatte, den Hahn durch einen Zapfen ersetzt, den er nicht drehen konnte. Er nahm eine Leiter, stieg zu dem Fass hinan und siehe, auf dem ungeheuren Spundloche war die Thür nur angelehnt. Er öffnete sie und zog mit einem Heber so viel des köstlichen Nasses in sich, dass ihm schwindlich wurde, er stürzte hinab und fand dort sein Grab. Nach einigen Tagen verwundert sich der Pater Grosskellner über das offene Spundloch, dachte aber kaum mehr an den Mönch, weil das ganze Convent ihn entsprungen wähnte. Doch als er mit der Stange sondirte, um zu sehen, wie viel noch Wein in dem Fasse, stösst er auf den weichen Körper des Mönches. Da erfasst der Geizteufel seine Seele, und damit nicht das schöne grosse Fass als verunreinigt ausgeschüttet werde, zog er den ersoffenen Trunkenbold aus demselben und begrub ihn heimlich. Erst auf dem Sterbebette gestand er seine Schuld, bevor er aber die Stelle bezeichnen konnte, wo er ihn begraben, lähmte der Tod seine Zunge. Und ruhelos wandert er seitdem dort im Keller herum, bis ein Zufall des Mönches Grab entdeckt und ihm ein ehrliches Begräbniss wird. Die Sage vom ertrunkenen Mönche ist sogar in Schriften des siebenzehnten Jahrhunderts aufgenommen. Der Verfasser des Apiarium Salemitanum (um 1710 in Prag erschienen) stellt sie aus Gründen a priori in Abrede und meint, sie sei aus dem Scherz entstanden, dass vielleicht der Spunden die Gestalt eines Mönches gehabt und in das Fass gefallen sei. Freilich lässt sich dagegen einwenden, es dürfte leichter sein, dass ein Mönch durch ein grosses Loch hinabstürzte, als der Spunden in sein eigenes Fass. Vergl. Schnetzler, Bad. S. B. I.
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