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Unter allgemeiner Zustimmung traten die beiden Schiffe die Weiterfahrt nach dem Süden an. Inzwischen war es aber Spätherbst (1526) geworden, und widrige Winde peitschten das Meer. Oft war tagelang Sturm und Gewitter. Gleichwohl erreichte man die schon bekannte Insel Gallo.
Man landete, ohne daß sich die Eingeborenen irgendwie feindselig zeigten, rastete vierzehn Tage und besserte die Fahrzeuge aus. Auf der Weiterfahrt erreichte man die Bucht von Sankt Matthäus. Alle waren entzückt von dem hier freundlicheren Gestade, seinen vielfach mit Kartoffeln, Mais und Kakaobüschen bebauten Fluren und den zahlreichen Dörfern. Auf der Höhe von Takamez erkannte man schließlich eine kleine indianische Stadt mit richtigen Straßen und etwa 2000 Häusern sowie weiten Vororten. Näher kommend sah man deutlich, daß die Männer und Frauen Goldschmuck und Edelsteine trugen. Man befand sich an der Küste des Landes Quito, das besonders goldreich war. In Peru selbst war Juwelenschmuck ein Vorrecht der Edelleute. Hier in der Nähe vom Strom gibt es übrigens noch heute ergiebige Smaragdgruben.
Boote mit Bannern und bewaffneten Kriegern kamen an die spanischen Karavellen. Offenbar empfand man keine Furcht vor den Fremdlingen, und Pizarro hütete sich, Feindseligkeiten zu eröffnen. Er landete persönlich mit einem kleinen Trupp von Armbrustern und Bogenschützen sowie etlichen Pferden. Aber seine Absicht, sich mit den Bürgern der Stadt in gutes Einvernehmen zu setzen, scheiterte an der immer drohlicheren Haltung der Eingeborenen. So blieb nichts weiter übrig als wieder an Bord zu gehen. Die den Indianern ungewohnten Ritter zu Pferd waren es, die den Respekt vor den Spaniern aufrecht hielten. Schon sammelten sich am Hafen regelrechte Heereshaufen. Pizarro berief einen Kriegsrat. Er schilderte den Vertretern der Mannschaft die Lage, wie er sie sah. Es sei klar, sagte er, daß man sich mit anderthalbhundert Mann in der Front in diesem starkbevölkerten, sichtlich kriegerischen Lande nicht lange halten könne. Von einem Marsche tief ins Innere könne hier keine Rede sein. Man müsse es an anderer Stelle versuchen, weiter im Süden.
Der Sprecher der Männschaft forderte den endgültigen Abbruch der Expedition. Die Eingeborenen seien in ungeheurer Mehrzahl, wohlgerüstet und militärisch organisiert. Eine friedliche Unterwerfung sei undenkbar, eine gewaltsame unmöglich. Je weiter man nach Süden käme, um so zahlreicher und größer seien die Ortschaften. Kurzum, die Sache sei aussichtslos.
Almagro widersprach dem. Heimkehren, ohne das geringste erreicht zu haben, bringe Schimpf und Schande. Obendrein habe jeder Teilnehmer am Zuge in Panamá mehr oder minder Schulden und Zahlungspflichten. Der Abbruch dieser Expedition würde die Unternehmung nach Perú auf Jahre hinaus gänzlich erledigen. Die Gläubiger würden auf Erfüllung ihrer Ansprüche dringen. Folglich drohe jedem der Schuldturm. Er für seine Person irre lieber frei in der Wüste herum als daß er gekettet im Gefängnis sitze. Er schlage vor, nochmals in Panama Verstärkungen anzuwerben. Was man jetzt mit Fug und Recht vom Lande Perú berichten dürfe, von allen den offen daliegenden Reichtümern, dies werde die Unternehmung in ganz andres Licht setzen als bisher. Man könne gewiß sein, daß neue Freiwillige in Scharen zur Fahne kämen.
Pizarro lachte ingrimmig. »Das alles ist schön und gut« – erklärte er – »für Euch, Don Almagro, der Ihr auf Eurem Schiffe bequem hin und her fahrt und Euch in Panamá bei Euren Freunden pflegen und hegen lasset, während die, die hierbleiben, wie immer unter meinem Kommando, in der Einöde mit Hunger und Wilden kämpfen und Tag um Tag dem Tod ins Auge blicken.«
Almagro unterbrach ihn heftig. Dann wolle er die Tapferen führen, die bereit seien, hier zu warten, bis die sichere Zufuhr an Streitkräften einträfe. Sein Ton war derart erbost, daß nicht viel fehlte und beide Kapitäne wären aufeinander losgegangen. Schon hatten sie die Hand am Schwert. Da legte sich der Schatzmeister Ribera und der Oberlotse Ruiz ins Mittel, und es gelang ihnen, die erhitzten Führer zu beschwichtigen. Man versöhnte sich und einigte sich dahin, daß Almagro wiederum mit einem Schiffe nach Panamá gehen und Pizarro wiederum an geeignetem Orte in einem Strandlager in Perú zurückbleiben solle.
So trat man die Rückfahrt an und versuchte mehrfach, in geschützten Buchten zu landen. Aber nirgends ließ die kriegerische Haltung der Eingeborenen ein Verbleiben tunlich erscheinen.
Von neuem murrten die Mißvergnügten und Verzagten. Der gewählte Ort war als trostlos verschrien. Aber Pizarro verharrte auf dem einmal gefaßten Entschluß.
Es war wohl im Dezember 1526, als Almagro von der Insel Gallo nach Panamá abging. In den Briefen der Zurückgelassenen, die dem Schiffe mitgegeben wurden, beschuldigte man beide Führer, in ihrer tollkühnen Habsucht trieben sie die ganze Mannschaft in Tod und Verderben. Almagro war schlau genug, insgeheim eine gründliche Auslese aller Briefschaften vorzunehmen. Die Jammerbriefe flogen in die Fluten. Einer aber, in einem Baumwollballen versteckt, entging ihm doch. Er war an die Gattin des Statthalters gerichtet, strotzte von Beschwerden und war von einem halben Dutzend Miesmachern unterschrieben, wie es deren in jedem Heere gibt, sobald die Gefahren des Krieges die allgemeine Stimmung drücken.
Bald nach Almagros Abfahrt schickte Pizarro auch das andere Schiff unter dem Vorwande, es müsse ausgebessert werden, bei Nacht und Nebel nach Panama. Damit machte er die Sehnsucht nach der Heimat, die sich unter den Zurückbleibenden immer wieder hörbar machte, zur Utopie. Obendrein wußte er es so einzurichten, daß die gefährlichsten Unzufriedenen abgeschoben wurden. Eine kleine zuverlässige Schar war ihm lieber als eine größere ohne einheitliche Gesinnung.
Almagros abermaliges Erscheinen im Hafen von Panama erregte große Bestürzung unter den Freunden und Anverwandten der Perú-Fahrer. Dazu kam die Wirkung des geheimen Briefes an die Frau des Statthalters. Und schließlich machten auch die Begleiter Almagros nicht den zuversichtlichen und beglückten Eindruck, den man nach den großen Worten bei der Anwerbung erwartete. Kurzum, es verbreitete sich das Gerücht, Pizarro halte die nicht Zurückgekehrten gewaltsam an einem ungesunden und unheilvollen fernen Orte zurück, von wo wahrscheinlich keiner je wieder heimkomme.
Pedro de los Rios schenkte dieser pessimistischen Darstellung Glauben und wies das Gesuch Almagros und Luques, nochmals Teilnehmer anwerben zu dürfen, nicht nur entschieden ab, sondern verlangte sogar Bericht über den Stand der Unternehmung und Rechenschaft über die bisherigen Menschenverluste. Schließlich glaubte er sich verpflichtet, einen Beamten nach der Insel Gallo zu entsenden, mit dem Auftrage, jeden Spanier zurückzubringen, der ihm erkläre, er wünsche die Heimkehr. Seine Wahl traf einen Ritter aus Cordova namens Tafur. Mit zwei Schiffen ging er alsbald ab.
Ahnungslos von alledem, saß Pizarro mit den Seinen auf der Insel Gallo. Von den Eingeborenen hatten sie nichts zu befürchten; sie hatten das Eiland verlassen. Es regnete fast ununterbrochen. Außer Krebsen, Kräutern und Muscheln bot sich keinerlei Nahrung. Die vorhandenen Vorräte an Salzfleisch und Maismehl waren knapp. Man litt mancherlei Entbehrung, auch an Bekleidungsstücken, Decken und Gerät. Dazu gab es nicht die geringste geistige Ablenkung.
Als Ritter Tafur erschien, ward er stürmisch bewillkommnet. Man vergaß, daß man ausgezogen war und sich verpflichtet hatte, einen großen Plan auszuführen. Das Nächstliegende triumphierte wie immer unter Menschen, die sich für Notleidende ansahen. Nicht Perú, sondern Panamá war mit einem Male das Dorado.
Anders Pizarro. Luque und Almagro hatten ihm durch einen der Schiffsleute heimlich einen Brief zugehen lassen und ihn von der neuen Lage in Kenntnis gesetzt. Sie beschworen ihn, der Sache treu zu bleiben, und versprachen ihm hoch und heilig, falls er auf seinem Posten ausharre, die nötige Hilfe zu schicken, so wie es ihnen möglich wäre.
Der Capitano dachte nicht daran, als Narr an der Spitze von hundert niedergebrochenen Schelmen in Panamá zu erscheinen. Der Brief bestärkte ihn in seinem eignen festen Willen. Alsobald ließ er alle seine Offiziere und Mannschaften auf dem Waffenplatze antreten und gab ihnen in kurzen klaren Worten kund, daß er auf der Insel Gallo verbleiben werde, bis Almagro mit den beiden Schiffen und der versprochenen Verstärkung wiederkäme.
Man hörte ihn schweigend an.
Darauf zog Pizarro seinen Degen, zog eine lange Linie über den Erdboden, von Osten nach Westen, und fuhr dann in seiner Rede fort:
»Kameraden und Freunde! Hier auf dieser Seite, im Süden, wohnt Mühsal, Hunger, Entbehrung, Regen, Sturm, Verlassensein und vielleicht – der Tod! Dort auf der andern, im Norden, lockt Lust und Lotterei! Hier Perú, dort Panamá! Hier Ruhm und Reichtum, dort Spott und Armut! Die Wahl steht jedem von Euch frei. Bedenkt aber, daß ihr Kastilianer seid! Was mich anbetrifft, ich gehe in das Reich der Sonne!«
Damit überschritt er die symbolische Linie.
Dreizehn Männer folgten ihm:
der Oberlotse Bartolomäo Ruiz,
der Schatzmeister: Nicolas de Ribera,
Pedro de Candia,
Cristoval de Peralta,
Domingo de Soria Luce,
Francisco de Cuellar,
Alonso de Molina,
Pedro Alcon,
Garcia de Jerez,
Anton de Carrion,
Alonso Briceno,
Joan de la Torre,
Martin de Paz.
Mit Recht hat die Geschichte die Namen dieser dreizehn Getreuen der Nachwelt überliefert. Die andern blieben kleinmütig und verzagt.
Don Tafur war ratlos. Mit diesem Falle hatte der Statthalter nicht gerechnet. Schließlich blieb seinem Abgesandten nichts übrig, als die an Bord befindlichen Vorräte an Pizarros Schatzmeister abzugeben. Er schiffte die Abtrünnigen ein und fuhr mit seinen beiden Schiffen wieder heim. Ruiz der Lotse schloß sich ihm auf Pizarros Wunsch an.
Der Capitano und seine zwölf Helden blieben standhaft zurück. Wäre dies nicht geschehen, so wäre Pizarros Stern erloschen und Peru hätte ein andrer zu andrer Zeit erobert.
Bald nach Tafurs Abfahrt ließ er ein Floß bauen und siedelte nach der fünfundzwanzig Leguas nördlicher (fünf Leguas vom Festland gelegenen) Insel Gargona über, die er vermutlich vorher hatte erkunden lassen. Ungefähr zu Beginn des Jahres 1527 landete man daselbst. Das kleine, nur von wenigen friedsamen Indianern bewohnte Eiland war bergig, zum Teil mit Wald bedeckt, hatte Quellen und Bäche und war reich an Wild aller Art.
Hier erbaute man ein Hüttenlager, dem eine Kapelle der Madonna nicht fehlte, denn Pizarro hielt darauf, daß seinen rauhen Gefährten das Vertrauen auf die göttliche Vorsehung nicht verlorenging. Nur der höhere Mensch trägt seinen Stern in sich selbst; die ändern bedürfen einer gemeinsamen Zuflucht. Jeden Morgen und jeden Abend hielt Pizarro eine kleine Andacht ab. Er ließ ein Loblied zu Ehren der heiligen Jungfrau singen und sprach würdevoll das Gebet.
Monate vergingen. Umsonst spähten die Posten hinaus ins Meer. Es zeigte sich kein Schiff. Nur in klaren Nächten erblickte man zuweilen Feuerzeichen, die aber nicht ihnen galten: ferne Lichter auf der Höhe der Cordilleren, vielleicht an heiligen Orten, wo man dem Mond und den Sternen opferte.
Der Statthalter war über Pizarros Halsstarrigkeit entrüstet. Lange weigerte er sich ihm Hilfe zu schicken, aber Almagro und Luque hörten nicht auf ihn zu bestürmen. Erst im April 1527 gab er die Erlaubnis, daß eine Karavelle abgehe, mit ganz wenig Leuten und dem strengen Befehl, Pizarro habe binnen sechs Monaten (d. h. Ende Oktober) mit allen seinen Gefährten in Panama einzutreffen.
Fünf Monate waren seit der Abreise der Abtrünnigen verstrichen, und selbst Pizarro hegte heimlich Zweifel, ob sich Almagro je wieder sehen lassen werde. Der Jubel der kleinen Schar, als eines Tages die weißen Segel in Sicht kamen, war grenzenlos. Pizarro für seine Person war enttäuscht, als er das Nähere hörte. Er hatte auf Verstärkung seiner Gefechtskraft gerechnet. Aber wie alle genialen Naturen fand er sich sofort mit der neuen Lage ab. Wenn ihm die Eroberung von Peru vorläufig auch unmöglich blieb, so genügte es schließlich zunächst, das Reich ordentlich zu erkunden.
In dieser Absicht schiffte er sich ein. Zwei seiner Gefährten, die krank darnieder lagen, mußten unter Obhut etlicher ihnen freundlichen Indianer zurückbleiben. Natürlich nahm er jene sechs Tumbezianer mit, die inzwischen zu Dolmetschern ausgebildet worden waren.
Unter Führung des Ruiz ward der Kurs auf Tumbez genommen. Es wehte leiser Südwind, aber man kam doch langsam weiter. Vorbei an der Insel Gallo, am Vorgebirge Takames, am Kap Pasado, gelangten sie über den bisher von Europäern erreichten Punkt hinaus. Mit Genugtuung sah Pizarro, wie die Gestade ihm zur linken von Tag zu Tag fruchtbarer und lieblicher wurden. An die Stelle der Sandstrecken und Felsen traten Fluren und Wälder. Überall grüßten Hütten und Dörfer, und über den fernen Wäldern, Hügeln und Bergen verrieten Rauchsäulen, daß da auch Menschen wohnten.
Nach zwanzig Tagen kam das Schiff in die prächtige Bucht von Guyaquil. Man erblickte stattliche Städte. Der breite Gipfel des mächtigen Chimborazo ward sichtbar und der silberne Kegel des Kotopaxi. Es war wohl Anfang Juli 1527, als die Höhe von Tumbez erreicht war. An der Insel Santa Clara fielen die Anker.
Die Insel war unbewohnt, aber die Indianer, die man an Bord hatte, versicherten, es geschähen hier zu gewissen Zeiten Opferfeste. In der Tat fand man Weihgaben aus Gold. Am andern Morgen näherten sich die Spanier der Stadt.
Einige Balsas kamen entgegen. Es war ein Kriegsgeschwader auf dem Wege nach der nicht fernen Insel Puna. Man rief etliche der peruanischen Offiziere an Bord. Sie kamen. Erstaunt erblickten sie die Dolmetscher, ihre Landsleute. Durch diese erfuhren sie, die weißen Männer seien in friedlicher Absicht erschienen. Man wolle Lebensmittel gegen Waren tauschen.
Eine Menge Volk versammelte sich im Hafen und gaffte das ungewohnte Fahrzeug mit den seltsamen Fremdlingen an. Alsbald erschien der Bürgermeister (der Kuraka) der Stadt. Offenbar hielt er die Spanier für höhere Wesen und gab Befehl, ihnen reichlich Lebensmittel zu liefern. Es dauerte nicht lange, da steuerten mehrere Balsas auf die Karavelle zu, reichlich beladen mit Kartoffeln, Mais, Kakao, Bananen, Ananas und andern Landesfrüchten, für die man damals noch keine Namen hatte, wie Maiswein (Tschitscha und Sora) und Koka (einer Art Kautabak mit berauschender Wirkung). Auch Fasane und Fische brachte man, dazu etliche lebendige Lamas, die Pizarro bis dahin nur nach ein paar groben Zeichnungen kannte, die Balbao im Besitz gehabt hatte. Diese »Peruanischen Schafe« fanden große Bewunderung.
Zufällig hielt sich ein Inka-Edelmann in Tumbez auf. Als er von der Ankunft der Fremden vernahm, begab er sich in den Hafen und fuhr auf einem Boot nach dem spanischen Schiffe. Pizarro erkannte an seiner Haltung und Tracht sowie an der Ehrfurcht des Volkes, daß es ein Edelmann des Landes war, den er vor sich hatte, und empfing ihn voll Höflichkeit und Hochschätzung. Er zeige ihm die Karavelle und ließ ihm durch einen der Dolmetscher alles erklären, was ihm wunderbar vorkam. Darnach lud er ihn zur Mittagstafel ein. Auch diese erregte das Gefallen des peruanischen Grandseigneurs, insbesondere der treffliche Tarragona, den ihm Pizzaro kredenzte. Er sei besser als der einheimische Wein. Man muß wissen, daß die Peruaner überaus gern zechten, vom König abwärts bis zum Kuli. Seine Neugier ging noch weiter. Er fragte den Capitano, woher er und seine Mannen kämen, aus welchem Anlaß und mit welchem Begehr.
Pizarro hielt eine wohlgesetzte kleine Rede, die der Dolmetscher dem Peruaner vermittelte. Er sei Untertan und Abgesandter des größten Herrschers auf Erden, in dessem Machtbereich die Sonne nicht untergehe. Er, der Kaiser des Römischen Reiches, habe ihn, einen seiner Feldhauptleute, hergeschickt, den König dieses Landes zu begrüßen. Der hohe Herr glaube an einen andern, besseren und gewaltigeren Gott als die Leute dieses Landes. Dessen Verkünder sei Jesus Christus, der Herr der Welt. Wer an ihn glaube, gehe nach seinem irdischen Tode ein in die ewige Seligkeit.
Der Peruaner hörte aufmerksam zu, blieb aber schweigsam. Schließlich verabschiedete er sich auf das verbindlichste. Vermutlich waren ihm die rauhen Landsknechte, die den merkwürdigen fremden Hauptmann umgaben, höchst verdächtig. Ebenso das, was man ihm da vorgefabelt hatte von fremden Königen und Göttern. Ihm war kein Mächtigerer bekannt als der König von Perú, und daß es über dem erhabenen Sonnengotte einen noch höheren Gott irgendwo geben solle, ging ihm auch nicht in den Sinn. Gleichwohl, er war Gast auf einem fremden Schiffe an einer fremden Tafel, und so erlaubte er sich keinen Widerspruch. Beim Abschied schenkte ihm Pizarro ein Beil, daß seine Bewunderung erregt hatte. In Perú gab es kein Eisen.
Da der Inka-Edelmann nicht verfehlt hatte, die Spanier einzuladen, die Stadt zu besichtigen, schickte Pizarro Tags darauf einen seiner dreizehn Getreuen, Alonso de Molina, in Begleitung eines Negers aus Panamá, ans Land. Er brachte dem Kuraka von Tumbez ein Gastgeschenk, bestehend aus einem Schwein und etlichen europäischen Hühnern; beide Tierarten kannte man damals in Perú noch nicht.
Als Molina und der Neger dem Ruderboot entstiegen, wurden sie von zahllosen Eingeborenen umringt. Des Spaniers Gesichtsfarbe, sein langer Bart, seine Kleider, seine Waffen, alles ward angestaunt, zumal von den Weibern. Da auch sie ihm gefielen und er dies sich nicht zu knapp anmerken ließ, so bedeuteten ihm die Schönen des Landes, er solle in Tumbez bleiben und sich die Allerschönste von ihnen aussuchen.
Noch mehr aber staunte man den Othello an. Niemand wollte glauben, daß seine schwarze Haut waschecht sei, und alsbald versuchten etliche Beherzte, ihm die sonderbare Farbe mit Tüchern abzureiben. Der Mann aus Timbuktu ließ sich dies schmunzelnd gefallen, wobei er freundlich sein blendendweißes Gebiß zeigte. Da wollte sich jedermann zu Tode lachen. Nicht minder imposant dünkte den Peruanern das grunzende Schwein, und als gar der Hahn sein Kikeriki ertönen ließ, schlug man die Hände über dem Kopf zusammen und fragte, was das Tier sage. Diese Fremdlinge mit den wundersamen Tieren waren zu kurios.
Alonso ließ sich zum Kuraka führen, der in einem prächtigen Hause wohnte. Türsteher hüteten sein Tor, und im Palaste strotzte es von goldnem und silbernem Gerät. Die beiden Spanier hätten es am liebsten eingepackt, aber Beutemachen war noch nicht an der Zeit. Das Stadtoberhaupt bewirtete seine Gäste, nahm Schwein und Hühner voll Lob und Freude in Empfang und zeigte den beiden Fremden die Burg und die Stadt. Erstere war aus grobbehauenen Steinen errichtet, machte einen großartigen Eindruck und nahm einen großen Flächenraum ein. In ihrer Nähe stand ein Sonnentempel, wiederum reich an goldnen und silbernen Dingen.
Als Molina und sein Begleiter gegen Abend wieder auf dem Schiffe eintrafen und Bericht erstatteten, dünkte dem Capitano alles das stark übertrieben. Deshalb sandte er am nächsten Morgen den bewährten Ritter Pedro de Candia zur Stadt, um Molinas märchenhafte Erzählung nachzuprüfen. Don Pedro führte seinen Auftrag in voller Rüstung aus, sein Schwert am Koppel, eine Hakenbüchse auf der Schulter.
Die Leute von Tumbez gerieten ob des im grellen Sonnenschein unheimlich funkelnden Panzers in noch größeres Staunen denn Tags vorher. Um diese Wirkung ins Wunderbare zu steigern, schoß Don Pedro seine Hakenbüchse gegen ein Holzbrett ab. Beim Knall des Gewehrs fiel die Menge vor Schreck in die Knie. Um die Göttlichkeit des Fremdlings auf die Probe zu stellen (so berichtet die Sage), ließ man nun einen Jaguar, der seit langem eingesperrt war, los. Die wohl hornalte Bestie setzte sich dem Ritter gemütlich zu Füßen. Da trug die Volksmenge den »Überirdischen« jubelnd nach dem goldreichen Sonnentempel.
Sicher ist, daß sich Don Pedro eines überaus freundlichen Empfanges zu erfreuen hatte. Auch ihm zeigte man Stadt und Burg und sogar das Innere des Tempels. Als er am Abend zu Pizarro zurückkehrte und ihm Bericht erstattete, fand er nicht genug begeisterte Worte.
In der Tat war Tumbez eine blühende Hafen- und Handelsstadt. Gelegen am gleichnamigen Fluß, war es unter der Regierung des zwölften Inkakönigs, Topak Yupanki dem Großen, um 1475 zum Reiche Perú gekommen. Durch ein Netz von Bewässerungsgräben war das ursprünglich trockene und wenig fruchtbare Küstenland dieser Gegend in ein wahres Paradies verwandelt. Der Goldreichtum des Flusses hatte das Seine dazu beigetragen; kurzum Tumbez war damals ein kleines Marseille. Zwei Jahrzehnte später (1548), als Pedro Cieza de Leon, der älteste Schilderer Perús (in seiner Cronica del Peru, Sevilla 1553), die Stadt besuchte, lag die einst gewaltige Burg in Trümmern; die Stadt war entvölkert und verkehrslos, ihre ehedem herrliche Umgebung verwüstet und verödet. So wenige Jahre spanischer Herrschaft hatten ein Land von vielhundertjähriger Kultur in die Barbarei zurückgeworfen! Seit Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts ist Tumbez in neuem Aufblühen. Noch immer ist die Vegetation hier üppiger und frischer als sonstwo an der heute ganz kahlen Küste.
Pizarro und die Horde der Abenteurer berauschte sich am Berichte Molinas und Candias. So war die Kunde vom Goldlande Perú doch kein Märchen! Offenbar war es an Schätzen noch viel reicher als das so fabelhaft reiche Mexiko. Es galt also, den Zug des Cortes zu wiederholen. Am liebsten hätten die Spanier die schöne Stadt auf der Stelle geplündert und einen Beutezug ins Innere unternommen. Aber Pizarro war klug und weise; er verbot Plündern und Raub bei Todesstrafe und gestattete nur ehrlichen Tauschhandel. Hätte er die Zucht seiner Leute damals nicht mit aller Strenge aufrecht erhalten, so wäre Perú vier Jahre später nicht erobert worden. Es kann kein Zweifel bestehen: der gute Eindruck, den die Spanier 1527 in Tumbez gemacht haben, hat den Untergang des Inkareiches begründet. Nie hat sich die herzliche Gastfreundschaft eines Volkes blutiger gerächt als die der Peruaner, da sie die Spanier zum ersten Male begrüßten. Es wäre ihr gutes Recht gewesen, die habgierigen Eindringlinge allesamt mit Knütteln totzuschlagen! Wer ein Kulturvolk aus Eroberungslust antastet, hat keinen Anspruch auf Barmherzigkeit.
Von Tumbez aus fuhr die Karavelle der Spanier weiter nach Süden, immer an der Küste hin, lief im Hafen von Paita ein und erreichte, etwa Ende September 1527, die Mündung des Sana (unter dem 7. südlichen Breitengrade). Überall erblickte man saubere Dörfer und stattliche Farmen, bebaute Fluren, Heeresstraßen und Brücken, Kanäle und Teiche, zahllose Merkmale von Reichtum und Gesittung; Auf den Hügeln am Sana sah man eine peruanische Begräbnisstätte. In einem Tempel standen Mumien, behangen mit Gold und Edelsteinen. Man verstand sich im alten Perú auf diese merkwürdige Kunst ähnlich wie im alten Ägypten. Und nirgends zeigten sich die Peruaner den Fremdlingen feindlich.
Die Fahrt ging bis zum 9. Breitengrade, bis zur Bucht von Kasma. Pizarro wäre noch weiter gefahren, aber seine Mannschaft rebellierte. Ohne Zaudern gab er nach; denn der Zweck seiner großen Erkundungsfahrt war bestens erreicht.
Von der Heimreise ist ein seltsames Zwischenspiel zu berichten. Man legte an einem Orte an, den die Spanier Santa Cruz tauften. Daselbst hatte eine vornehme Indianerin ihre Besitzung. Als die Karavelle vor Anker gegangen war, kam sie auf einer Gondel, um die Fremdlinge zu sehen. Pizarro empfing sie voll Galanterie und beschenkte sie mit allerlei abendländischem Tand. Von ihr eingeladen, machte er am andern Abend seinen Gegenbesuch, begleitet von einigen seiner Offiziere. Eine Ehrenpforte aus grünem Laub und bunten Blumen empfing ihn. Während des lukullischen Mahles tanzten und sangen Jungfrauen und Jünglinge. Bei Tisch fragte die peruanische Edeldame den Capitano, was die Fremden in dies Land führe. Da ließ er sich die Standarte reichen, die sein Stabstrompeter zu tragen pflegte, hielt eine kleine heitere Rede, in der er sagte, er sei im Namen seines Kaisers gekommen, um dies Paradies samt der Schönen darin zu erobern. In der Schlußwendung bat er sie, zum Zeichen, daß sie den neuen Herrn anerkenne, das Banner zu schwenken. Die Indianerin, der ein Dolmetscher die Worte vermittelte, nahm es lachend entgegen und tat wie ihr geheißen. Pizarro küßte ihr die Hand, stolz und frohgemut, daß ihm die erste Eroberung im fremden Lande so leicht geworden war.
Im Vorbeifahren landete man abermals in Tumbez. Der verliebte Alonso de Molina und noch ein andrer blieben in der Stadt. An ihrer Stelle schifften sich zwei oder drei Tumbezianer ein, um mit nach Panama zu fahren und Spanisch zu lernen. Schließlich sollten die beiden Kranken von der Isla Gargona geholt werden. Einer war gestorben; der andre samt den Indianern, die ihn gepflegt hatten, wurde mitgenommen.
Nach einer Abwesenheit von 18 Monaten, genau am letzten Tage der vom Statthalter gewährten Frist, wohl am 31. Oktober 1527, lief Pizarros Schiff im Hafen von Panamá ein.
Seine Wiederankunft erregte das größte Aufsehen. Allgemein hatte man geglaubt, Pizarro und Genossen seien verlorene Leute. Jetzt bestaunte man alle die mitgebrachten Beutestücke, besonders die seltsamen Schafe. Man gönnte und neidete den Entdeckern ihren Ruhm, je nachdem man an die Aussicht auf ein zweites Mexiko glaubte oder bezweifelte.
Pedro de los Rios, der Statthalter, verhielt sich den Hoffnungen und Plänen des Capitano gegenüber gänzlich ungläubig; zum mindesten stellte er sich aus Mißgunst so. Das Vorhandensein eines reichen Kulturlandes im Süden war zwar unleugbar. Es zu unterwerfen, forderte aber zweifellos erhebliche militärische und wirtschaftliche Mittel. Die Sache erheischte also Geld und Menschen, die seiner Kolonie abgingen, und eine gewisse Verantwortung hatte er obendrein. Alle Utopien abwehrend, erklärte er gemessen und nüchtern, einen neuen Staat errichten auf Kosten des von ihm verwalteten älteren, dünke ihn untunlich. Und weitere Menschenleben aufs Spiel zu setzen, könne er nicht zulassen. Für die paar goldenen und silbernen Kleinigkeiten und das Dutzend Lamas seien schon genug brave Leute geopfert.
Keiner der drei Verbündeten ließ sich abschrecken. Das nötige Geld mußte beschafft werden, und es gab keine andre Hilfe als einen Appell an den Kaiser, und dies wiederum konnte nur durch die Person eines der drei Entdecker mit Erfolg geschehen. Wer war der geeignetste dazu? Luque war durch sein Amt an Panama gefesselt. Der von Gestalt kleine, im Verkehr mit hohen Herren unbeholfene, obendrein durch den Verlust des einen Auges entstellte Almagro, eine brave Wachtmeisternatur ohne diplomatische Fähigkeiten, traute sich selber nicht an diese schwierige Mission. Es blieb Franz Pizarro übrig, der Weltmann genug war, bedachtsam und zielbewußt, um auch am allerhöchsten Ort die rechten Worte zu finden. Seine Geistesgegenwart verließ ihn nie. Feigheit und Furcht kannte er nicht, und keiner konnte die Mühsale und Gefahren der bisherigen Entdeckungsfahrten und die Wunder und Schätze des neuen Goldlandes so anschaulich und verführerisch schildern wie er. Er war ein geborener Erzähler.
Gleichwohl sträubte er sich vor seinen beiden Gefährten. Insgeheim mißtraute er ihnen, überzeugt, daß auch sie ihm innerlich mißtrauten. Er hatte keine Freunde in der Welt als sich selber und seinen Stern. Vor einer neuen Fahrt in den Süden, vor einem verwegenen Zug ins unbekannte Innere seines ihm vom Schicksal verheißenen Reiches, davor bangte ihm nicht Was der kühne Cortes zu seinem Glück gewagt, wollte auch er wagen! Vor seinem Kaiser frei und ehrlich zu reden, das bereitete ihm kein Herzeleid. Aber alle die unumgänglichen Katzbuckeleien, ehe er zur Audienz gelangte, waren wenig nach seinem Geschmack. Hier sah er Gefahren, in denen er sich nicht auskannte.
Almagro legte wieder und wieder alle Gründe dar. Luque unterdrückte seinen heimlichen Zweifel und pflichtete ihm bei. Und so gab Pizarro schließlich die Zusage, indem er den beiden andern beteuerte, er werde ihren Vorteil wahren wie den seinen.
Man brachte 1500 Dukaten zusammen, damit sich der Abgesandte höfisch ausstatten konnte. Pizarro überquerte die Landenge und ging in Nombre de Dios auf ein Schiff, das im Frühjahr 1528 nach Spanien absegelte. Der Ritter Pedro de Candia, der weltgewandteste aus der kleinen Schar der Getreuen, ward ihm als Adjutant mitgegeben. Ferner wurden drei Soldaten, zwei Peruaner und drei Lamas mitgenommen; dazu eine kleine Auswahl von Schmucksachen, Gefäßen aus Gold und Silber, Waffen und Gerät als greifbare Zeichen aus dem Wunderlande.