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Nach Almagros Beseitigung beging Francisco Pizarro den großen Fehler, nicht alles zu tun und zu versuchen, sich mit der Partei des Marschalls zu versöhnen. Dank seiner Diplomatie galt nicht er, sondern Hernando Pizarro als der Mörder Almagros. Allgemein glaubte man an eine unmittelbare Rachetat Hernandos.
Der Marques zerstreute die Chilianer, die dadurch nur um so treuer zusammenhielten. Er stieß ihre Führer vor den Kopf; reizte und beleidigte sie, indem er ihnen seine Verachtung und Furchtlosigkeit bei jeder Gelegenheit durchblicken ließ. Dadurch machte er sich erbitterte Feinde.
In sonderbarem Gegensatz dazu behielt er den nun etwa zwanzigjährigen jungen Almagro nach wie vor in Lima. Allmählich sammelten sich, ungehindert vom Statthalter, eine reichliche Anzahl seiner Freunde und Anhänger in der Stadt. Der junge Mann brannte darauf, die Statthalterschaft von Neu-Toledo anzutreten, die ihm der Vater in seinem Letzten Willen anvertraut hatte. In stiller Hoffnung glaubte er fest daran, daß es seinem väterlichem Freunde Alvarado inzwischen gelungen sei, seine Bestätigung beim Kaiser durchzusetzen.
Er wie seine Anhänger waren arm und ohne Hilfsmittel. Es wird berichtet, zwölf Ritter, die in ein und demselben Hause zu Lima wohnten, hätten nur einen einzigen Mantel besessen, den sie – zu stolz, ihre Armut öffentlich zu verraten – der Reihe nach beim Ausgange trugen.
»Die armen Teufel!« pflegte Pizarro zu sagen, wenn ihn jemand vor den Chilianern zu warnen wagte. Es fiel ihm nicht ein, selbst weite Ritte in die Umgegend anders als allein zu machen. In der Stadt ging er selten mit Begleitern. Er fühlte sich frei und sicher.
Um diese Zeit traf die Nachricht ein, daß die Kaiserliche Regierung einen Richter nach Perú entsendet habe (Vaca de Castro), der sich über die Wirren in der Kolonie unterrichten solle. Pizarro war über die ihm drohende Beaufsichtigung wenig erbaut, aber es lag nicht in seiner Natur, sich Sorgen zu machen. Er war sich gewiß, daß er mit dem ihm aufgehalsten Tintenmanne schon fertig werden würde. In dieser Zuversicht gab er den Befehl, ihn bei seiner Ankunft mit den ihm gebührenden Ehren zu empfangen und ihm jedwede Bequemlichkeit im Quartier und auf seinen Reisen zu bereiten.
Almagros Anhänger setzten große Hoffnungen auf den hohen kaiserlichen Beamten. In der Annahme, daß er in San Miguel landen oder anlegen werde, wählten sie sofort zwei Gesandte, die ihn in Trauertracht begrüßen und ihm ihre Klagen vortragen sollten. Aber der treffliche Lizentiat erschien nicht. Es vergingen Monate, bis schließlich die Kunde einlief, seine Karavelle sei irgendwo im Norden an der Küste gescheitert und niemand wisse das Schicksal der Seeleute und Fahrgäste.
Das war ein harter Schlag für die Chilianer, und der junge Almagro schrieb damals einem Vertrauten, sein und seiner Freunde Elend sei zu groß geworden, um es länger ertragen zu können. Und in einem späteren Schreiben vom 15. Juli 1541 an die Audiencia von Panama sagt er, seine Leiden damals seien hinreichend gewesen, um den Verstand zu verlieren.
Die Feindseligkeit der Chilianer begann sich immer dreister zu zeigen. Man grüßte den Statthalter beim Begegnen auf der Straße schlecht, mitunter gar nicht; und einmal fand man frühmorgens am Galgen vor dem Tore von Lima drei Stricke, an den drei Zettel hingen mit den Namen: Pizarro, Velasquez (das war der Richter), Picado (der Geheimschreiber). Letzterer war besonders verhaßt, da alles durch seine Hände ging, weil der Marques bekanntlich schreibunkundig war. Picado war infolgedessen ein ebenso mächtiger wie hochmütiger Mann, dem man wohl nicht mit Unrecht vorwarf, er beeinflusse den Statthalter zuweilen nicht im Sinne des Gemeinwohls.
Im Juni 1541 beschlossen die Anhänger Almagros, zur entscheidenden Tat zu schreiten: Francisco Pizarro zu ermorden. Es sollte am Sonntag den 26. Juni 1541 geschehen. Von den Verschwörern, deren Seele der heißblütige junge Diego de Almagro war, sollten zwanzig auf dem Großen Platze im Hause Almagros zusammenkommen und den Statthalter, der Sonntags die Messe besuchte, beim Heraustreten aus der Stiftskirche überfallen. Zu gleicher Zeit sollte an einem bestimmten Fenster eines Hauses an der Plaza eine weiße Fahne herausgesteckt werden, als Zeichen für die übrigen Eingeweihten.
Die Chronisten leugnen zum Teil, daß Diego de Almagro um diesen Plan gewußt habe. Gleichwohl ist es im höchsten Grade wahrscheinlich. Sein Hauptberater war ein Ritter namens Juan de Rada, der von der Pike an gedient und dem Marschall Almagro seine Laufbahn zu verdanken hatte. Es war sein leidenschaftlicher Wunsch, den Sohn seines verehrten Generals zum Herrn von Peru zu erheben.
Es hat selten in der Weltgeschichte eine Verschwörung gegeben, die nicht auch ihren Verräter gehabt hätte. Auch hier fühlte sich einer der Geheimbündler veranlaßt, seinem Beichtvater das Geheimnis anzuvertrauen. Selbiger eilte schleunigst zu Picado, und so erfuhr Pizarro die dunkle Geschichte.
Der Marques lachte aber und meinte: »Das Pfäfflein hat Sehnsucht nach dem Bischofshute!«
Sodann ließ er sich Velasquez, den Richter von Lima, holen und bat ihn, nach eignem Gutdünken das Nötige zu veranlassen. Velasquez teilte die Unbekümmertheit seines Herrn und Meisters und versicherte ihm, es werde ihm kein Ungemach geschehen. Statt die Rädelsführer ohne Verzug in sicheren Gewahrsam zu bringen, begnügte er sich mit der Absicht, die Verdächtigen im Auge zu behalten.
Als der Sonntag herangekommen war, unterließ Francisco Pizarro den gewohnten Besuch der Frühmesse, indem er seiner Dienerschaft sagte, er fühle sich nicht wohl. Inzwischen hatten sich Rada und seine Genossen in der Halle von Almagros Haus versammelt und warteten auf den Kirchgang des Statthalters. Als der aufgestellte Beobachter meldete, Pizarro sei nicht zur Messe gegangen und angeblich krank in seinem Quartier, gerieten die Verschwörer in Aufregung und Bestürzung. Sie argwöhnten, ihr Vorhaben wäre entdeckt.
Man beriet. Die einen meinten, da ihr Leben verwirkt sei, müsse man rasch noch alles wagen. Andre schlugen vor, auseinanderzugehen und sich harmlos zu benehmen. Angesichts dieses Schwankens riß der Ritter de Rada die Haustüre auf und stürzte nach der Statthalterei mit den Worten: »Mir nach! Sonst melde ich dem Marques unsern Plan!«
Wohl oder übel folgten ihm alle andern mit dem Rufe: »Heil dem Kaiser! Nieder mit dem Tyrannen!«
Es war mittags 12 Uhr, damals die Tischzeit in den spanischen Kolonien. Für gewöhnlich war um diese Zeit der Große Platz menschenleer. Die Wenigen, die aus ihren Häusern kamen, weil sie den Tumult hörten, kümmerten sich nicht um die Bedeutung der sonderbaren Mittagsstörung.
Der Palast des Statthalters lag auf der andern Seite, dem Hause Almagros gegenüber. Der Vorhof war durch ein festes Tor verschlossen. Es stand offen.
Im Hofe traf der laute Trupp der Verschwörer auf zwei Diener. Einer rannte ins Haus; den andern stach man nieder. Der Fliehende rief: »Hilfe! Hilfe! Die Chilianer kommen, den Marques zu morden!«
Pizarro saß noch bei Tisch. Das Mittagsmahl war eben zu Ende. Drei, vier Ritter und Offiziere waren bei ihm, die sich nach seinem Befinden erkundigt hatten, dazu der Richter Velasquez und der jüngst ernannte Bischof von Quito, der sich eben beim Statthalter abmelden wollte. Auch Martine de Alcantára, Pizarros Halbbruder, sein Hausmarschall, war im Saale.
Als man den Lärm im Hofe vernahm, begaben sich fast alle anwesenden Herren in den Vorsaal und die breite Treppe hinab, um die Ursache festzustellen. Als sie die bewaffnete, wilderregte Schar in die Halle stürzen sahen, zogen sie sich zurück, um alsbald über einen Altan in den Garten zu springen und das Weite zu suchen. Velasquez befand sich unter diesen Feiglingen.
Der Marques erkannte die Gefahr. Er rief dem Ritter Francisco de Chaves, einem Offiziere seines Stabes, zu, er solle die Türe nach dem Vorsaale zu schließen. Der Befehl war im ruhigsten Tone ausgesprochen, aber die Panik war bereits eingetreten. Statt die Türe zu verrammeln, öffnete Chaves einen Flügel, um hinauszuschauen. Im selben Augenblicke stießen ihn die schon draußen Stehenden nieder und Rada und seine Genossen drangen mit blanken Waffen in den Saal, rufend und schreiend: »Wo ist der Marques? Nieder mit dem Tyrannen!«
Pizarro war mit seinem Bruder Martino in das Nebenzimmer gegangen, um den Panzer anzulegen und sich den Helm aufzusetzen. Er war noch nicht fertig. Alcantára und Pizarros beide Edelknaben stürzten mit gezogenen Degen zurück in den Saal, damit der Marques Zeit gewänne. Auch der noch anwesende Offizier vom Dienst versuchte mutigen Widerstand. Es begann ein Kampf. Zwei Verschworene fielen; Alcantára und die Pagen bluteten. Der Offizier ward überwältigt.
Da erschien Francisco Pizarro. Er hatte den Panzer fortgeworfen. Den rechten Arm mit dem Mantel umwickelt, eilte er mit dem Degen dem Bruder zu Hilfe. Es war zu spät. Martino und die Pagen sanken zu Boden.
Abermals fielen zwei der Verschworenen, vom ergrimmten Marques hingestreckt. Einen Augenblick wichen alle andern zurück; dann stürzten sie im Rudel auf ihr Opfer.
Rada packte einen seiner Genossen und warf ihn Pizarro entgegen. Der spießte ihn mit dem Degen auf. Im selben Moment erhielt er einen starken Säbelhieb am Halse. Taumelnd sank er in die Knie, von den Schwertern Radas und den andern vielfach durchbohrt.
»Jesus, sei mir gnädig!« rief er; da traf ihn der Todesstoß.