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Am Hofe zu Valladolid war man über die Ereignisse in Perú, soweit man sie erfuhr, empört und beunruhigt. Wie arg entstellt die Nachrichten lauteten, beweist allein der Umstand, daß man in ganz Kastilien glaubte, Gonzalo Pizarro sei ein verhaßter Tyrann, ewig im Kampfe mit seinen Untertanen. Die Niederlage des unfähigen Blasco Nuñez faßte man als Schmach und Schimpf für König und Volk auf.
Philipp II. (der Sohn des Kaisers, der in Flandern weilte und das Zepter Spaniens ihm anvertraut hatte) hielt eine lange Beratung ab, an der u. a. der Herzog von Alba teilnahm. Den Empörer durch eine militärische Expedition niederzuschlagen, war bei der enormen Entfernung ein Ding der Unmöglichkeit. Es mußte mit den Mitteln des Geistes erfolgen. Auf der Umschau nach dem geeigneten Manne geriet der Staatsrat auf einen Professor der Gottesgelahrtheit an der Hochschule zu Salamanca: Pedro de la Gasca (1496-1567).
Der damals fünfzigjährige Theologe entstammte einem alten Adelsgeschlechte, das sich von Casca, einem der Mörder Cäsars, herleitete. Er hatte seinem Kaiser schon mehrfach fanatische Treue bewiesen und war als Visitador besonders in den zahlreichen Ketzergerichten jener blutig-dunklen Zeit berühmt oder berüchtigt geworden. Selbst bei kriegerischen Dingen hatten seine Fähigkeiten Erfolge gehabt.
Unter dem harmlosen Titel »Vorsitzender der Königlichen Audiencia« gab man ihm weitgehende Befugnisse. Er hatte die Vollmacht, sich im gegebenen Falle an die Spitze jeder administrativen, militärischen und juristischen Behörde stellen zu können. Er war befugt, Repartimientos zu bestätigen, aufzuheben, zu erweitern, neu zu vergeben. Er durfte Truppen anwerben, Krieg erklären, Beamte absetzen, andre ernennen. Er hatte Begnadigungsrechte, vor allem für jeden, der in den gegenwärtigen oder vergangenen inneren Wirren gegen die Krone und ihre Vertreter focht. Er durfte die »Neuen Verordnungen« einschränken und aufheben. Gegen Geistliche hatte er das Recht der Verbannung. Es stand ihm keine feste Besoldung zu, aber er konnte über die Staatskassen in Panamá und in ganz Perú unbeschränkt verfügen. Für die verschiedenen Fälle gab man ihm kaiserliche Schutzbriefe aller Art mit, ja sogar eine Anzahl Blankette mit der eigenhändigen Unterschrift des Kaisers. Auch die Statthalter von Mexiko, Nikaragua usw. hatten ihm im Notfalle Hilfe zu leisten. Zu seinem Adjutanten ernannte man den Obristen Alonso de Alvarado, den ehedem so treuen und tapferen Anhänger Francisco Pizarros. Er hatte seit 1541 am spanischen Hofe gelebt und erfreute sich des größten Ansehens.
Am 26. Mai 1546 ging Gasca mit einem kleinen Gefolge in San Lucar an Bord; Mitte Juli landete er in Santa Marta. Hier erst erhielt er die Nachricht von der Schlacht bei Añaquito und ihren Folgen. Des Vizekönigs Tod war ihm nicht unliebsam, denn dadurch hatte er ganz freie Hand.
Zunächst begab sich Gasca nach Nombre de Dios, wo der Hauptmann Hernan Mexia mit einer starken Besatzung (denn der Platz war hochwichtig) den Befehl führte. Der Offizier hatte strenge Anweisung, verdächtigen Personen das Betreten der Landenge zu verbieten. Gasca kam mit dem Gebaren eines schlichten Geistlichen und täuschte zunächst den Kommandanten. Gleichwohl kam er bald dahinter, daß der Ankömmling kein ungewöhnlicher Mensch war und daß ihm das »suave in modo, fortiter in re« auf der Stirn geschrieben stand. Gasca suchte ihn tagtäglich auf, plauderte von Untertanentreue, Gehorsamspflicht, Vaterlandsliebe, Empörern, friedlichen Mitteln, Amnestie usw.; mit einem Worte, er umgarnte ihn nach allen Regeln der seelischen Suggestion und erreichte es, daß Mexia seine Treue zum Kaiser aufrichtig beteuerte.
Sodann ging Gasca nach Panamá und bearbeitete den Admiral Hinojosa, der daselbst den Befehl führte, unter dem Beistand von Mexia und Alvarado in gleicher Weise, aber zuvörderst ohne Erfolg. Hinojosa stellte die verfängliche Frage, ob Gasca auch die Vollmacht habe, Pizarro als Statthalter zu Perú zu bestätigen. Seine Verdienste wie der Wille des Volkes berechtigten ihn zu diesem Anspruche. Gasca gab die doppeldeutige Antwort, zur rechten Zeit werde er alle seine Vollmachten vorweisen; eines Punktes aber könne er im Voraus versichert sein: jeder treue Diener des Landes werde nach Gebühr belohnt.
Damit wenig zufrieden, schrieb Hinojosa an Pizarro, meldete ihm die Ankunft des verdächtigen kaiserlichen Boten und seine bisherigen Umtriebe, indem er hinzufügte, er glaube nicht, daß er ihm die Bestätigung als Statthalter bringe. Dieses Schreiben ging mit einer Galeere nach Lima ab, auf der auch ein Dominikaner die Erlaubnis hatte mitzufahren. Dieses Mönches versicherte sich Gasca. Er gab ihm einen Aufruf an die Geisdichkeit von Perú mit sowie eine Bekanntmachung, in der im Namen des Kaisers die Aufhebung der Neuen Verordnungen erklärt und jedem, der zum Gehorsam zurückkehre, Amnestie zugesichert ward. Diese Proklamationen sollte der Mönch im Lande verteilen; und er tat es auch ungeachtet der Gefahr.
Auf einem andern Schiffe sandte Gasca einen sieben Seiten langen, überaus freundlich gehaltenen Brief an Pizarro, dem ein huldvolles Schreiben des Kaisers beilag. Gasca beschwor Gonzalo bei seiner Ritterehre, der Krone Gehorsam zu leisten und keinen neuen Bürgerkrieg zu erregen. Ein zweiter Brief war an Cepeda gerichtet, der sich zum Vertrauten Pizarros emporgeschwungen hatte und großen Einfluß auf dessen Entschlüsse besaß, zumal Carbajal in Potosi an den Silbergruben weilte.
Während Gasca auf die Antwort und Wirkung seiner Briefe wartete, kamen öfters Leute aus Perú, die er bei sich empfing, um sie über die Stimmung im Lande auszuhorchen. Die Einen sagten aus, Pizarros Beliebtheit sei bei seiner Freigebigkeit und Leutseligkeit größer denn je; andre verdächtigten ihn als willkürlichen Tyrannen, Prasser und Verschwender. In Wirklichkeit erfreute er sich damals tatsächlich der Geneigtheit der guten Bürger wie des großen Haufens; man feierte ihn in Romanzen als edlen Ritter und kühnen Helden.
Obwohl Pizarro die Ankunft des »Kaplans«, wie er spottete, nicht tragisch nahm, so ordnete er doch allerlei an, um ihm und seinen Sendungen die Landung in den peruanischen Häfen zu verwehren. Er mochte wohl eine bange Ahnung haben, daß dieser sonderbare Heilige Waffen führte, denen seine Macht nicht gewachsen war. In dieser Stimmung ließ er durch Cepeda ein Schreiben an den Kaiser aufsetzen, in dem er die Vorgänge in Peru schilderte und erläuterte und um die Allerhöchste Bestätigung in seinem Amte bat. Dieses merkwürdige Gesuch vertraute er einer Gesandtschaft an, die der Ritter Lorenzo de Aldana führte und der u. a. auch Loaysa, der Bischof von Lima, zugehörte.
Aldana kam bloß bis Panamá, wo er und seine Begleiter der Redekunst des »Kaplans« unterlagen. Zugleich überbrachten sie auch ein Schreiben der Bürgerschaft von Lima, unterschrieben am 14. Oktober 1546 von siebzig der angesehensten Ritter und Ansiedler. Man beglückwünschte den neuen Statthalter, bedauerte jedoch, daß er zu spät gekommen wäre; das Land befände sich endlich in Ruhe und Ordnung; Pizarro sei geachtet und beliebt. Er habe die besten Ansprüche auf die Statthalterschaft. Man bäte daher zum Wohle Perus, Gasca möge ihn in seinem Amte bestätigen und damit neue schwere Unruhen verhüten.
Nachdem Aldana einen Einblick in Gascas Vollmachten getan hatte, hielt er seine Sendung für erledigt und stellte sich dem neuen Statthalter zur Verfügung. Sein Beispiel wirkte entscheidend auf den unschlüssigen Hinojosa. Am 19. November 1546 legten er sowie seine Schiffshauptleute ihre Ämter in einem feierlichen Akt auf der Plaza von Panamá in die Hände Gascas. Der Statthalter verkündete ihnen die kaiserliche Verzeihung, begrüßte sie als treue Vasallen des Reiches und verlieh ihnen ihre Heeresstellen von neuem. Sie leisteten von neuem den Fahneneid, und alsbald wehte auf sämtlichen Schiffen das Banner Kastiliens. Damit hatte der kluge Diplomat den Schlüssel zu Perú in den Händen.