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Mit 500 Mann (einschließlich etwa 150 Indianern) brach Francisco Pizarro an einem der ersten Tage des Septembers 1533 auf, mit ihm der junge Inka Topak Huallpa sowie der General Tschalkutschima. Die beiden ließen sich nach peruanischer Art in offenen Prunksänften tragen, umgeben von ihrem zahlreichen Hofstaate.
Der Marsch erfolgte auf der großen peruanischen Heeresstraße, die keine Schwierigkeiten bot, solange sie durch die Ebene oder durch hügeliges Gelände führte. In der Sierra hingegen überwand sie zuweilen starke Steigungen durch breite Treppen, die für Fußgänger, Sänften und beladene Lamas gangbar waren, Reitern, Pferden und Fahrzeugen aber große Mühe verursachten. Auch die Hängebrücken waren für Reiterei und Fuhrwerk unverwendbar. Maultiere, die in der spanischen Heimat unentbehrlich sind, hatte man damals in Peru noch nicht.
Über Huamachuko und Huanuco (1800 m hoch) erreichte man das fruchtbare schöne Tal von Xauxa, ohne auf irgendwelche Feindseligkeiten der Eingeborenen zu stoßen. Überall hatte man in den Tambos genügende Vorräte gefunden. Wohl erfuhr Pizarro durch seine Patrouillen, daß der Zug der Spanier von peruanischen Streiftrupps zur Seite begleitet wurde, aber diese wichen stets aus und mieden die Begegnung. Erst dicht vor der Stadt Xauxa, in der Pizarro einige Tage zu rasten gedachte, stellte er fest, daß ihm feindliche Truppen in der Stärke von etwa l000 Mann den letzten Flußübergang verwehrten. Die Brücke war abgebrochen, der Fluß von schmelzendem Schnee im Hochgebirge angeschwollen.
Der Generalkapitän ließ die Reiterei unter Sotos Führung durch das Wasser vorgehen. Trotz eines Hagels von Pfeilen, Wurfspießen und Steinen gelang der Versuch. Alsbald verließen die Indianer ihre Stellung und suchten das Weite.
Unter Trompetengeschmetter zogen die Spanier in die schmucke und saubere Stadt ein und machten es sich in den verlassenen Palästen bequem. Pater Valverde durchstöberte die Tempel, stürzte die Sonnenbilder und hängte an ihrer Stelle Madonnen auf. Gold und Silber fand sich wenig. Die Peruaner hatten alles Wertvolle in sichere Verstecke gebracht.
Während der Rasttage in Xauxa erhielt Soto den Auftrag, mit 60 Reitern einen größeren Erkundungsritt in der Richtung auf Kuzko zu unternehmen.
Soto hatte unterwegs ein Scharmützel mit Indianern zu bestehen, die ihm einen Gebirgspaß verlegen wollten. Zwei oder drei seiner Reiter fielen. Er überschritt den Mantaro und den Apurimac und zog entlang der Sierra de Vilcaconga. Als er unweit Kuzko in die Berge abbog, traf er abermals auf peruanische Streifscharen. Unter Verlust etlicher Reiter und Pferde erzwang Soto den Durchmarsch.
Er hatte einen Meldereiter zurück nach Xauxa gesandt und um Nachschub gebeten. Dieser traf unter Führung Almagros zu guter Stunde ein. Als er die Sierra de Vilcaconga betrat, vernahm er die Trompetensignale, die Soto fortgesetzt ertönen ließ, und erreichte im Eilmarsch den Schauplatz des bereits tagelangen Gefechts. Mit vereinten Kräften gewannen Soto und Almagro den oberen Ausgang des Passes, wo sie eine feste Stellung bezogen, um Pizarros Truppen zu erwarten. Die Eingeborenen zogen sich in die Berge zurück und verschwanden.
Als der Generalkapitän Meldung hierüber empfangen hatte, hielt er Feldgottesdienst ab. Es mag ihm wohl ein schwerer Stein vom Herzen gefallen sein, als er die Gewißheit erhielt, daß reguläre Truppen, vom General Kiskiz oder sonstwem geführt, auf dem Wege nach Kuzko offenbar nirgends standen und auch die irregulären Banden nicht weiter zu befürchten waren. Gleichwohl benutzte er den von Soto unterdrückten Guerillakrieg, um dem General Tschalkutschima, der ihm längst lästig war, den Prozeß zu machen.
Er warf ihm vor, in Verbindung mit den »aufständischen« Truppen der Peruaner zu stehen. Der General wies den Vorwurf würdevoll ab. Trotzdem ließ ihn Pizarro in Ketten legen.
Dazu kam der unerwartete Tod des Inka Topak Huallpa. Auch für dieses zufällige Ereignis machte man den Peruaner verantwortlich. Man verdächtigte ihn des Giftmordes am jungen Fürsten.
Es mochte Ende Februar 1534 sein, als Pizarro endlich von Xauxa aufbrach. Er ließ daselbst eine Besatzung von vierzig Mann zurück, auch sein Privateigentum. Offenbar hatte er schon damals die Absicht, aus der Stadt eine spanische Ansiedlung zu machen.
Kaxamalka war unterdessen in die Hände der Peruaner gefallen. Ein Bruder des hingerichteten Königs, Titu Atauschi, setzte sich dort fest.
Nach der Vereinigung mit Sotos und Almagros Truppen drang Pizarro in das Tal von Xaquixahuana. Eine Tagereise von Kuzko entfernt, barg es in köstlicher Landschaft zahlreiche Landhäuser und Schlösser von vornehmen Bewohnern der Hauptstadt. Hier rasteten die Spanier mehrere Tage, auf das Üppigste verpflegt. Und hier fand das Kriegsgericht über Tschalkutschima statt, eine Wiederholung der Tragikomödie, die dem Inka Atahuallpa das Leben gekostet hatte. Der peruanische General ward ebenfalls zum Feuertode verurteilt. Diesmal hatte Valverde keinen Erfolg. Als er dem Verurteilten versprach, seine Todesart werde sich mildern, wenn er sich taufen lasse, entgegnete der tapfere Offizier mit militärischer Kürze, das Christentum sei ihm unverständlich. Würdevoll bestieg er den Scheiterhaufen und starb in den Flammen, ein Lied an den Sonnengott auf den Lippen.
Zwei, drei Tage darauf machte der rechtmäßige Thronerbe Prinz Manko dem Statthalter seinen Besuch, begleitet von einem großen prunkvollen Gefolge. Pizarro empfing ihn hocherfreut und geradezu herzlich. Es lag ihm unsagbar daran, mit dem jungen Inkafürsten in gutem Einvernehmen zu stehen, d. h. auch ihn zu seinem Werkzeuge zu machen. Den klugen Prinzen seinerseits hatte die Erkenntnis geleitet, daß eine Erhebung wider die fremden Eindringlinge zunächst aussichtslos war. Die dünne Oberschicht der bisher herrschenden Inkas hatte ihren ehedem so starken Einfluß auf die Urbevölkerung verloren. Das alte Heer war auseinandergelaufen; ein neues aufzustellen, hielten ehrliche Berater für unmöglich, und mit regellosen Streiftruppen konnte man die Spanier nicht vernichten.
Am Freitag den 14. November kam Pizarro in die Nähe der Stadt. Er sah ihre Türme und Zinnen im Rot der Abendsonne, verschob aber den Einzug in die Hauptstadt seines Reiches auf den kommenden Morgen.
Gefechtsbereit marschierten die Spanier ein. Vor dem Haupttrupp ritt Francisco Pizarro, das Kaiserliche Banner hinter sich. Prinz Manko folgte ihm in seiner Sänfte. Viel Volk war, vor wie in der Stadt, zusammengeströmt, um die Weißen Männer und ihren Führer zu sehen, von denen sie schon so manches Schreckliche gehört hatten. Wenige wohl ahnten, daß mit der Ankunft der Eroberer in der Hauptstadt die Freiheit, der allgemeine Wohlstand und die hohe Kultur des alten Landes auf Jahrhunderte hinaus dem Niedergange verfallen war.
Auf der Plaza machte der Heereszug Halt. Pizarro nahm Quartier in einem großen burgartigen Palaste, den Inka Huayna Kapak erbaut hatte. Nach dem Großen Platze zu hatte er eine geräumige Halle.
Die Stadt war die größte der Neuen Welt. Die Altstadt soll damals aus drei- bis viertausend Häusern bestanden haben, die Vorstädte aus etwa 20000 Wohnstätten. Darin wohnten insgesamt etwa 160000 Einwohner. In zahlreichen Palästen hauste der Adel. Über der Stadt thronte die Königsburg. Außer dem (bereits beschriebenen) Haupttempel gab es eine Menge kleinerer Kirchen und Kapellen. Auch die Steinhäuser waren mit kunstvollen Strohdächern gedeckt. Die Straßen waren schmal und lang; sie kreuzten sich in rechten Winkern. Von der Plaza gingen vier Hauptstraßen aus, die an den Toren in die vier Hauptheeresstraßen des Landes übergingen. Der Platz war mit schönen Kieselsteinen gepflastert. Mitten durch die Stadt floß ein breiter Kanal mit herrlich klarem Wasser, der auf eine Länge von zwanzig Leguas von Steinmauern umbettet war. In bestimmten Abständen führten steinerne Brücken über ihn. Das Leben und Treiben der Indianer in ihrer bunten Tracht war sehr lebhaft. In einem fort kamen und gingen Scharen aus den Dörfern der Umgegend und der Ferne. Eine gut- organisierte Polizei regelte den starken Verkehr. Es gab Zoll- und Steuerstellen, Gerichtshöfe, große Magazine, Kasernen usw.
Pizarro, der sich gelegentlich gerühmt hat, »auch nicht eine Kornähre« wäre »ohne seine Erlaubnis« abgepflückt worden, verbot in einem Heeresbefehl seinen Spaniern das gewaltsame Betreten der Indianerhäuser. Der Befehl mag wohl im allgemeinen eingehalten worden sein, aber die Paläste, Staatsgebäude und Tempel sind planmäßig geplündert worden. Vor dieser Räuberei waren nicht einmal die schmuckbehangenen Königsmumien in der Korikancha sicher. Übel war auch die ins Sinnlose gehende rohe Vernichtung aller Kunstgegenstände, die irgendwie an den Sonnenkult gemahnten, durch die glaubenswütigen und zumeist ungebildeten spanischen Pfaffen und Mönche. Um angeblich versteckte Tempelschätze, Staatskassen, Privatreichtümer zu ergattern, sparte man die Anwendung der Folter nicht.
Es kam Beute zusammen, an Gold 580000 Pesos, an Silber 215000 Mark. Jeder Reiter erhielt 6000 Pesos Gold, jeder Mann zu Fuß 3000. Einschließlich der 40 Spanier in Xauxa belief sich die Stärke des Heeres damals auf 480 Mann. Es wird berichtet, daß Würfel und Karten unter den Spaniern maßlos im Schwange waren. Ein Reiter namens Mancio Serra de Leguizamo hatte als Beuteanteil eine goldne Sonne erhalten, die nicht in Barren umgeschmolzen worden war, weil es um die feine Arbeit schade gewesen wäre. Diese Sonne verjeute ihr Besitzer gleich in der ersten Nacht, und ein Spottvogel meinte, er habe die Sonne verspielt, ehe sie aufgegangen. Dies ist noch heute in Spanien ein geflügeltes Wort: juega el sol antes que amanezca!