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Gegen Ende des Marsches auf Tumbez erfuhr Pizarro zum ersten Male durch einen indianischen Dolmetscher vom Bruderkriege zwischen Huaskar und Atahuallpa. Nichts konnte ihm angenehmer und förderlicher sein; erinnerte er sich doch einer Weisung des Generalkapitäns Cortes, dessen Heldengestalt ihm allezeit vorschwebte: »Erzeugt Zwist im Volke, das Ihr bekriegt! Schürt ihn und benutzt ihn!« Noch waren ihm die tatsächlichen Verhältnisse völlig unklar, aber er beschloß, sich alsbald Gewißheit zu verschaffen und sich scheinbar auf die Seite des Siegers zu stellen.
Seine Hoffnung, in der Stadt Tumbez einen zuverlässigen Stützpunkt zu gewinnen, sollte sich nicht erfüllen. Er hatte im Gefängnis auf der Insel Puna eine Anzahl Tumbezianer gefunden, sie befreit und nach ihrer Heimat entsendet. Damit glaubte er sich die Stadt, die ihn im Jahre 1527 gastlich empfangen hatte, zu verpflichten. Aber die Kunde von der Grausamkeit und Raubgier der Spanier auf Puna machte in Tumbez viel stärkeren Eindruck als die Freigabe der Gefangenen. Man durchschaute die Absicht der Fremdlinge, und so ergriff man die drei Spanier, die mit den Freigelassenen gekommen waren, und opferte sie den Göttern. Ebenso ermordete man den seit 1527 in Tumbez wohnenden Alonso de Molino samt seinem Genossen. Gleichzeitig bildete man eine Volkswehr und bewaffnete sie. Eilboten an den Befehlshaber der Provinz gingen ab. Wären geordnete Zustände im Reiche gewesen, wie noch vor einem Jahre, so hätte man auf das baldigste Anrücken einiger Bataillone rechnen können. Jetzt freilich waren die Telegraphenstationen zerstört und das Heer war aus seinen Friedensstandorten weggenommen.
Notgedrungen beschloß man, die Stadt zu räumen und sich ins Innere des Landes zurückzuziehen. In der leeren Stadt und am Hafen verblieben nur Patrouillen.
Pizarro hatte auf Balsas, die ihm die Edelleute auf Puna hatten stellen müssen, drei Spanier nebst einem Dolmetscher und Tauschwaren vorausgeschickt. Als diese Leute landeten, wurden sie von den Streifscharen überfallen und samt den Waren weggeschleppt. Die Balsas wurden entfernt.
Drei Tage darauf kamen die drei Karavellen. Mit ihnen Pizarro. Er landete seine Streitmacht, was den Rest des Tages in Anspruch nahm, und sandte am andern Morgen zwei der Schiffe zurück, um den Rest seiner Leute und Pferde zu holen. Inzwischen begab er sich mit einer ausgewählten Schar von Offizieren und Mannschaften in den burgartigen Palast des Kuraka und bezog daselbst sowie in einem benachbarten, ebenfalls verteidigungsfähigen Hause Quartier. Mit Staunen nahm er wahr, daß die Stadt von ihren Einwohnern verlassen war und daß kein Palast und kein Haus mehr wertvolle Gegenstände enthielt. Wer Tumbez nicht ehedem in seinem Schmuck und Reichtum geschaut hatte, zweifelte angesichts der armseligen öden Räume an der Wahrheit aller der verlockenden Schilderungen.
Eine ausgesandte Patrouille, die den Fluß aufwärts streifte, fand weder die Balsas noch die drei Spanier noch den indianischen Dolmetscher. Man griff etliche Indianer auf und stellte fest, daß sich auf den Höhen und an den Waldrändern Scharen bewaffneter Eingeborenen versteckt hielten. Pizarro verhörte die Aufgegriffenen, ohne Wesentliches zu erfahren, und entließ sie wieder mit dem Auftrage, den Kuraka von Tumbez aufzusuchen und ihm im Namen des Kaisers zu sagen, Pizarro und seine Hispanier seien in friedlicher Absicht, ganz wie ehedem, gekommen. Er solle ihm die drei Leute von den Balsas zurücksenden und die Einwohner veranlassen, in die Stadt zurückzukehren. Niemandem werde Leid geschehen. Weigere sich der Kuraka aber, dies Gebot zu erfüllen, so müsse Pizarro mit Feuer, und Schwert wider ihn ziehen und ihn und sein Volk als Aufständische vernichten.
Mehrere Tage vergingen; es kam keine Antwort. Dagegen sah man Scharen von Indianern in der Ferne auf dem jenseitigen Ufer Schanzen bauen. Der Fluß war vom Frühlingswasser dermaßen angeschwollen, daß er ungangbar schien. Höhnisch rief man den Spaniern von drüben zu, sie sollten hinüberkommen.
Nachdem die gesamte Streitmacht in Tumbez versammelt war, ließ Pizarro ein großes Floß zimmern und setzte achtzig Mann zu Fuß und vierzig Reiter aufs andre Ufer unter der Führung des Hauptmanns Hernando de Soto. Dies währte vom Morgen bis zum Abend. Soto hatte den Befehl, die Indianer zu züchtigen, weil sie Spanier ermordet hatten und Rebellen seien. Falls sie um Frieden bäten, solle er im Namen seiner Majestät des Kaisers mit ihnen verhandeln.
Soto marschierte noch in der Nacht gegen die verschanzte Stellung der Indianer und griff sie bei Morgengrauen an. Es blieb beim Fernkampf. Eine Menge Feinde wurden getötet, viele verwundet und etliche gefangengenommen. Gegen Abend verließen die Indianer die Schanzen, und auch Soto zog sich in ein verlassenes Dorf zurück. In der Frühe des andern Morgens nahm er die feindliche Stellung und sandte Streiftrupps aus, um die Zurückgegangenen zu verfolgen. Gleichzeitig schickte er einen Unterhändler mit ein paar Dolmetschern ab.
Der indianische Führer namens Kilimassa empfing den fremden Gesandten ehrerbietig und ließ dem spanischen Hauptmann sagen, er hätte auch seinerseits gern einen Unterhändler geschickt, und nur aus Furcht, die Spanier könnten ihn umbringen, wäre es nicht geschehen. Jetzt aber werde er persönlich mit einigen Edelleuten zu ihm kommen.
Darauf verhandelte man im Lager der Spanier. Der Kazike bat, die Feindseligkeiten zu verzeihen. Er unterwerfe sich dem Kaiser und seinem Stellvertreter. Soto versicherte ihm darauf, der Krieg sei zu Ende und die Indianer sollten unbesorgt in ihre Wohnstätten zurückkehren.
Die Spanier setzten wieder über, unter Mitnahme der in der indianischen Stellung vorgefundenen Lebensmittel, und führten den Kaziken und seine Begleiter vor Pizarro. Der vernahm den Gefechtsbericht des Hauptmanns, dankte Gott, daß kein Spanier gefallen und keiner verwundet war, und ordnete einige Rasttage an. Kilimassa ward befragt, warum sich die Tumbezianer empört und acht Spanier zurückhielten. Sie wären doch gut von ihnen behandelt worden. Pizarro habe die auf der Insel Puna vorgefundenen Gefangenen freigegeben. Wenn er feindselige Absichten gehabt hätte, so würde er auch keine Waren vorausgeschickt haben. Wo seien die drei Spanier, die die Gefangenen begleitet hatten? Wo seien die drei, die auf den Balsas die Waren gebracht hätten? Wo sei Alonso de Molina und sein Gefährte?
Der Kazike erwiderte, die beiden in Tumbez zurückgebliebenen Spanier seien längst verstorben und über die sechs Vermißten vermöge er keine Auskunft zu geben. Er wäre nicht dabei gewesen, weder wie die Gefangenen von der Insel Puna noch wie die drei Balsas ankamen. Er werde jedoch Nachforschungen anstellen und die Schuldigen ausliefern, falls sie ergriffen würden. Des weiteren befragt, warum die Stadt Tumpez verlassen sei, gab er an, eine Seuche wäre daran schuld und der lange Zwist mit den Insulanern auf Puna.
So blieb dem Capitano nichts übrig als die Gesandtschaft zu entlassen; Der Kazike hielt sein Wort: es fanden keine Feindseligkeiten mehr statt. Die Bevölkerung freilich kehrte nicht zurück, und die Mörder der acht Spanier wurden nicht ausgeliefert.
Pizarro sah ein, daß die grausame Vernichtung der Insulaner ein schwer wieder gut zu machender Mißgriff gewesen war und daß er alles aufbieten müsse, um die Indianer des Festlandes nicht noch mehr zu reizen. Angesichts der ungeheuren Überlegenheit der Peruaner in der Zahl waren fortdauernde Gewaltmaßnahmen aussichtslos, ja gefährlich. Es gab nur einen Weg, zur Hauptstadt des Landes und in den Besitz der Macht zu gelangen: zielbewußte Diplomatie.
Die Stimmung seiner Leute war miserabel. Der Hinweis auf die Reichtümer von Peru, die den Spaniern sicher seien, verfehlte jetzt jede Wirkung. Man wollte Gold sehen! Da unzufriedene Truppen niemals in Untätigkeit belassen werden dürfen, entschloß sich Pizarro zu größeren Streifzügen. Den Plan eines kraftvollen Vorstoßes ins Innere des Landes, in Richtung auf die Hauptstadt, schob er hinaus. Zuvor mußte eine feste Operationsbasis gegründet werden. Tumbez schien ihm dazu ungeeignet.
Er teilte seine Streitmacht in drei Teile. Der Hauptmann Soto bekam den Auftrag, mit der einen Abteilung die Hänge der Sierra zu erkunden. Er selber rückte mit der zweiten Abteilung am Sonntag nach Pfingsten, am 16. Mai 1532, nach Süden vor. Mit dem Rest, zumeist Kranken und Kriegsuntüchtigen, verblieb Hernando Pizarro in Tumbez.
Für seinen Erkundungszug gab Francisco Pizarro den strengen Befehl, sich jedweder Plünderung zu enthalten und freundliche Indianer friedlichst zu behandeln. Lebensmittel habe man übergenug. Es gelte, einen guten sicheren gesunden rückwärtigen Stützpunkt für den eigentlichen Eroberungszug in das goldreiche Innere zu suchen und auszubauen. Ohne bereitwillige Hilfe der Eingeborenen sei dies sehr schwierig, wenn nicht unmöglich.
So begann der Marsch in der Sommerglut des schattenlosen steinigen Küstenlandes. Nach drei Tagen kam man in ein großes Dorf in den Vorbergen und rastete daselbst drei Tage. Nach wiederum drei Tagen, am 25. Mai erreichte man die breite Staatsstraße, die vorzüglich angelegt und stellenweise gepflastert war. Wiederum rastete man in einem Orte, der reich an Lamaherden und allerlei Vorräten war. Er lag an einem Flusse namens Turikarami, dem heutigen Rio Chira. Die Gegend, zumal stromauf, war dichtbevölkert. Pizarro empfing eine Reihe von kleinen Gesandtschaften. Nirgends stieß er auf Widerstand.
Pizarro erkundete das Gelände zwischen dem Rio Chira und dem Rio de Piura auf das sorgsamste, entdeckte einen guten Hafen (Payta) und fand im fruchtbaren Tale Tangara einen zur Ansiedlung geeigneten Ort, den er San Miguel de Piura taufte. Hier (unter dem 5. Breitengrade) beschloß er die erste Kolonie von Peru zu gründen. Der Ort liegt 30 Leguas (etwa 180 km) südlich von Tumbez. Man begann sofort Blockhäuser und Palisaden zu errichten. Die feierliche Einweihung des Ortes geschah am Sonntag den 29. September 1532, am Michaelistage.
Obgleich, wie gesagt, die Bevölkerung friedlich blieb, hielt es Pizarro für angebracht, eine Art warnendes Exempel zu inszenieren. Wahrscheinlich auch wollte er seiner beutegierigen Soldateska einen Festtag bereiten. Kurzum, er unterwarf ein großes Dorf in den Bergen, das sich unbotmäßig gezeigt hatte, mit Feuer und Schwert, indem er einen Hauptmann mit 66 Mann und 25 Reitern aussandte. Das Dorf wurde gestürmt, der Kazike auf den Scheiterhaufen gesetzt, und der Ort dem Erdboden gleichgemacht, selbstverständlich nach ausgiebiger Plünderung. Das erbeutete Gold und Silber ward nach Abzug des kaiserlichen Anteils an die Truppe verteilt.
Inzwischen war Soto nach mancherlei Gefahr und Mühsal und nach Entdeckung mehrerer Goldsandlager wieder in Tumbez angekommen. Er und ebenso Hernando Pizarro wurden von Tumbez nach San Miguel beordert.
Diese Reise machten sie auf den beiden Karavellen, denen sich ein Kauffahrteischiff zugesellt hatte. Es gehörte einem unternehmungslustigen Kaufmanne in Panama, der mit Waren, Gerät und Munition auf gut Glück nachgefahren war, um Geschäfte zu machen. Er kam wie gerufen und tauschte seine Waren gegen Gold und Silber um. Zugleich aber brachte er dem Capitano die mißliche Nachricht, daß Diego de Almagro in Panamá eine Perúfahrt auf eigene Faust vorbereitete.
Sofort entsandte Pizarro seine beiden Karavellen nach Panama mit soviel Gold und Silber als nur möglich, Dazu lieh er sich die Beuteanteile vieler andrer, um den Ruf seines Erfolges zu verstärken. An Almagro gab er einen Brief mit, in dem er ihm klar genug vorhielt, daß im Lande Peru niemand etwas zu suchen habe, der nicht unter des Kaiserlichen Statthalters Fahne kämpfe.
Der Bau von San Miguel schritt vorwärts. Pizarro veranlaßte die Einwohner mehrerer indianischer Dörfer, sich in der Niederlassung anzusiedeln. Er ernannte Richter, Schöffen und andre Beamte. Der Dominikaner Vicente de Valverde ward der Seelsorger der Kolonie, ein Eiferer und Abenteurer tollster Art.