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Die spanischen Gerichtsschreiber, die Grund genug hatten, auf ihrer Hut zu sein, denn im Lande der Inquisition saßen die Köpfe noch wackliger auf allzu freien Menschen wie sonstwo im Cinquecento, haben Gonzalo Pizarro und Francisco de Carbajal alle nur möglichen Schandtaten vorgeworfen. Für Pizarro sprechen seine Taten zur Genüge. Grausamer als Valverde, Vaca de Castro, Blasco Nuñez, Pedro de la Gasca und wie die Gottesmänner und Regierungsvertreter alle hießen, war er keineswegs. Im Gegenteil. Daß er, der Miteroberer des Landes, in den Kampf ziehen mußte gegen einen Rivalen, den ihm sein undankbarer, schlecht unterrichteter und gewissenloser Kaiser in den Weg sandte, um ihn rücksichtslos seiner Ansprüche zu berauben, das war sein tragisches großes Schicksal. Er war zu stolz und selbstbewußt, als daß er sich und sein gutes Recht verleugnet hätte. Wäre er Diplomat und Machiavellist gewesen wie sein Gegner Gasca: wer weiß, ob ihn dieser, aus Selbstgefälligkeit, Furcht oder Vorsicht, nicht doch schließlich als Statthalter bestätigt hätte.
Was Carbajal anbelangt, so muß man auch ihn als einen echten Sohn seiner harten und rauhen Zeit auffassen. Eines war er mehr als alle andern, die je unter ihm oder gegen ihn gefochten haben: tapfer und treu.
Noch am Tage der Schlacht, die keine war, genannt die bei Xaquixaguana, hielt Gasca das Kriegsgericht über die beiden Gefangenen ab. Alonso de Alvarado und ein Mitglied der Audiencia, der Lizentiat Cianca, hatten die fragwürdige Ehre, als Untersuchungsrichter zu tagen. Die Sache dauerte nicht lange. Pizarro und Carbajal wurden zum Tode verurteilt.
Als man Carbajal das Urteil, er solle tags darauf auf dem Schlachtfelde gevierteilt werden, verkündete, meinte er gelassen: »Sie können mich bloß töten!« Er hatte sich längst damit abgefunden.
Man wollte ihm einen Geistlichen aufdrängen. »Wozu?« fragte er. »Es lastet nichts auf meinem Gewissen, es sei denn der halbe Real, den ich einem Krämer in Sevilla noch schuldig bin und den ich zu bezahlen vergaß, als ich Anno Dazumal die Heimat verließ.«
Als er in den Korb stieg, in dem er von zwei Maultieren zur Richtstätte geschleppt werden sollte, scherzte er: »Also, nicht bloß als Säugling: auch als Greis liegt man in der Wiege!«
Auf dem Richtplatz empfingen ihn trotz aller Ablehnung etliche Geistliche. Inständig bat ihn einer, er solle ihm als Zeichen seiner Büßfertigkeit das Pater Noster oder das Ave Maria nachsprechen. Er gab ihm keine Antwort, aber als im selben Moment der Henker an ihn herantrat, spottete der Unverbesserliche: »Pater noster, ave Maria!«
Anders ging Francisco Pizarro in den Tod. Er sollte enthauptet werden. Auch in seinen letzten Stunden durfte ihn niemand in seinem Gefängnisse aufsuchen. Den Rest des Tages wandelte er in seinem Zelte auf und ab. Als die Nacht anbrach, benachrichtigte ihn Centeno, der die Wache hatte, daß seine Hinrichtung am kommenden Mittag erfolgen solle. Er legte sich zur Ruhe, schlief aber nicht lange, sondern ging wiederum hin und her, tief in Gedanken versunken, bis der Morgen graute.
Den Weg zur Richtstätte am 9. April 1548 legte er in würdevoller Haltung zurück, prächtig gekleidet, wie er dies in glücklichen Tagen geliebt hatte, in einen Mantel von gelbem Samt. Seine letzte Bitte, ihm nicht die Arme zu fesseln, wie dies bei Hinrichtung üblich war, erfüllte man ihm. Ein Mönch trug das Kruzifix vor ihm her. Als er das Blutgerüst erstiegen hatte, hielt er eine kurze Ansprache an die Landsknechte, die es umstanden. Dann, in seinem letzten Augenblicke, küßte er das kleine Medaillon, das er zu tragen pflegte, mit dem Bilde der Madonna, die seine Schutzherrin gewesen war.
Sein Kopf wurde nach Lima gebracht, wo er am Galgen neben dem Haupte Carbajals ausgestellt ward. Seine Güter nebst den Silbergruben von Potosi wurden beschlagnahmt, sein Haus in Lima der Erde gleichgemacht und der Platz zur ewigen Wüstenei erklärt. Den Leichnam ließ Centeno in der Marienkapelle zu Kuzko beisetzen. Bei seinem Tode war Gonzalo Pizarro erst zweiundvierzig Jahre alt.