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Herkules Schwach und Hugo Schnepselmann haben eine sehr wichtige Verhandlung.
»Ich, bester Herr Schwach, Ihnen? . . . Nichts als das Allerbeste . . . Sie sehen so blaß . . . . ich . . . . . 226 stets für Ihr Wohl besorgt . . . unaufhörlich, unermüdlich . . .« Und er fuhr sich mit ausgespreizten Fingern durch die Hare.
»Und Käsemenger?«
»Käsemenger . . . nun, da waltete ein kleiner Irrthum vor, ein unbedeutendes Mißverständniß.«
»Unbedeutendes Mißverständniß? – Wissen Sie, Wer hier war und was geschehen ist?«
»Keine Silbe! Sie haben mich eilends rufen lassen; bedauere gestern nicht zu Hause gewesen zu sein; hier stehe ich und harre, ganz Ohr, ganz zu Ihren Diensten!«
»Lieutenant Robert Käsemenger war hier, Niemand Anderer. Hier haben Sie seine Karte. Und noch ein Lieutenant war mit ihm, ich weiß wahrlich nicht wie er heißt, er hat keine Karte abgegeben, aber sein Name ist so was vom Eßzeug.«
»Gabler von Gabelsdorff?«
»Ganz richtig, Gabler von Gabelsdorff; und . . .«
»Und was wollten die beiden Herren?«
»Denken Sie, ich soll Fräulein Käsemenger heiraten, je eher desto besser, vielleicht gleich, ohne Verzug!«
»Und wenn Sie nicht wollen?«
»So soll ich mich duelliren auf Tod oder Leben! Denken Sie, Schnepselmann, auf Tod oder Leben!«
Schnepselmann brach in ein großartiges Gelächter aus.
»Lachen Sie nicht! Sie sind ein Tiger, ein Wütherich! Erst bringen Sie mich ins Unglück, und dann lachen Sie mich mit einer Herzlosigkeit aus, die wirklich . . .«
»Beruhigen Sie sich, mein verehrtester Herr Schwach. Robert Käsemenger ist nicht gleich so mit dem Todtschießen oder Todtgeschossenwerden da!« 227
»Glauben Sie? Nehmen Sie die Sache wieder nur recht leichtfertig; oh, das sieht Ihnen gleich!« sagte Schwach ungewöhnlich betrübt und vergaß ganz seine sonstige, unerschütterliche Gelassenheit. »Und der lange, schreckliche Lieutenant, dieser Gabler von Gabelsdorff, der ist ein Tirann, ein Wütherich; ich glaube, der könnte an Unschuldigen bei lebendigem Leibe eine Grausamkeit begehen, so ein verstockter Wütherich ist er!«
»Gabelsdorff ein Wütherich? Da kennen Sie ihn schlecht!«
»Haben Sie schon in solchen ernsten Angelegenheiten mit ihm zu thun gehabt? Haben Sie schon Lieutenant Käsemenger's Tapferkeit erprobt? Haben Sie schon jemals seine Schwester heiraten gewollt oder gesollt, und es nicht gethan?«
»Das nicht; aber . . .«
»Aber, ich bitte Sie, wie wollen Sie dann so leicht ein sicheres, endgiltiges Urtheil schöpfen? Ihre Rede ist mithin auf gar keinem Grund gebaut. – Er sieht nicht nur sich, er sieht sein Regiment, die Armee, alle Offiziere der Welt beleidigt, und will Rache!«
»Alle Offiziere der Welt, die Armee und sein Regiment? – Das ist groß!«
»Sagen Sie was Sie wollen, diesmal werden Sie mich nicht so leicht zu Ihren raschen Ideen bringen.«
»Erkennen Sie aber nicht, daß alle Offiziere der Welt sich um Robert Käsemenger gar nicht kümmern?«
»Das mag sein, und ich bin sogar selbst davon überzeugt; aber er kümmert sich um die Andern, er will glänzen, er will Blut fließen sehen, und mit meinem Blute 228 will er seinen Ruhm, den Ruf seiner Tapferkeit schmücken! – Schnepselmann, Schnepselmann, was haben Sie mir gethan!?«
»Beachten Sie es nicht, nehmen Sie es nicht zu Herzen, es ist eine Kleinigkeit!«
»O eine Kleinigkeit! – Und ich soll Ihnen wieder glauben? – Gabelsdorff wird wieder hier sein, ehe ich mich versehe, und um die Arrangements fragen. – Was soll ich thun, was soll ich thun?!« – Schwach war sehr aufgeregt. – »Sie hätten diesen Wütherich Gabler nur sehen sollen, wie ruhig er da saß, und nachdem er sich gelassen von mir eine Zigarre erbat, wie ruhig er von dem Todtschießen sprach! – Er versicherte mir, er rathe es mir ernstlich, ein Testament zu machen, und beredete mich ruhig, wenigstens des Invalidenfonds dabei zu gedenken. Ich könnte auch, sagte er, die Regimentsmusikbande dotiren, – o, er ist ein Tirann, ein grimmiger Wütherich, er kann jeden Augenblick kommen!«
»Hören Sie mich an, mein bester Herr Schwach. – Robert Käsemenger wird Sie so wenig todtschießen, wie ich. Und Gabler von Gabelsdorff wird es nicht weniger bleiben lassen. Ich mache eine Wette mit Ihnen, Beide sitzen in einer Weinstube, oder einem Bierkeller gelassen zusammen, ehe sie herkommen.«
»Dann aber sind sie noch ärger von den Spirituosen angeregt.«
»Angeregt, mag sein; aber zum Leben und nicht zum Todtschießen.«
»Ja, selbst zu leben; aber Andere todtzuschießen!«
»Auch das nicht. Wenn Sie so Furcht haben, so ist 229 ja die Sache sehr einfach; nur zeigen den Fall der Polizei oder der Militärbehörde an, und . . .«
»O, da sind Sie wieder mit Ihrem eilfertigen Rathe! Einen Offizier anzeigen! Sie kennen den Esprit de corps nicht. Zeigen Sie heute den Einen an, so haben Sie morgen, übermorgen Zehn auf Ihrem Halse, Sie sind nirgends sicher!«
»Ich bitte, Herr Schwach, hören Sie mich an. Heute sind Sie der Eilfertige, Rasche, und ich bin voll Ueberlegung. – Denken Sie Ihrer Worte von einstmals! – Käsemenger und Gabelsdorff sind beide sehr gute Leute, wenn's nicht auf Geldzahlen ankommt. Ich kenne sie aus Geschäften sehr gut. Und wenn Käsemenger, der schon Amtspraktikant, Student, kurz Allerlei war, und dem sein Offizierspatent mit schweren Geldern erkauft wurde, einen Schuß mit Ihnen wechselt, so will ich der Mann im Monde heißen!«
»Was nützt mir Ihr Name, wenn ich todtgeschossen bin?«
»Sie sind heute zu aufgeregt. Wollen Sie einmal – meinen Rath hören? Lassen Sie mich mit Gabelsdorff machen!«
Hier focht er einige Zeit in der Luft herum, als halte er Worte zurück, endlich schleuderte er die Hand nach vorne.
»Sie werden sich duelliren!« rief Schnepselmann kräftig aus. »Verstehen Sie mich? Entschieden!«
»Wie . . . . ich soll . . . . ?« stammelte Schwach bleich, und wollte schon nach kurzem Schweigen, in dem er sich erholt hatte, mit einer Rede gegen den Konfusionsrath losbrechen.
»Verstehen Sie mich! Sie werden sich duelliren, 230 zum Schein! Ich will Gabelsdorff sammt Käsemenger den Kopf voll reden und reden lassen, was Sie für ein schrecklicher Schütze seien! Ich werde geheimnißvoll eröffnen, Sie hätten bereits Jemand im heimlichen Duelle getödtet, und seit dieser Zeit eigentlich einen schwermüthigen Abscheu vor den Waffen, welcher einer Furcht beinahe ähnlich sehe. Ich werde auf jene Zeitungsartikel von einem Duelle hindeuten, derlei niemals in den Zeitungen fehlen. Ich werde sagen, Sie treffen den Pick-Neuner in allen neun Picken und noch mehr! Käsemenger sammt Gabelsdorff sollen vor Ihnen Furcht bekommen, wie vor dem bösen Feind; und wenn sie nicht Beide froh sind, mit heiler Haut davon zu kommen – dann heißen Sie mich, wie gesagt, nicht Schnepselmann!«
Nach dieser Rede fuhr sich der Agent wol sehr thätig durch die Hare; aber die ganze Rede war mit einer an ihm so merkwürdigen, ungewohnten Ruhe gesprochen, daß Schwach sich nicht enthalten konnte, ihm unverwandt, fast starr, in's Gesicht zu sehen.
»Lassen Sie mich nur machen!« fuhr Schnepselmann fort; und er ließ auf Schwach nun einen solchen Hagel von Worten und überzeugenden Beweisgründen los, daß Schwach schon aus der Hitze des ersten Zornes herausgerissen wurde. An Zügen aus Käsemenger's und des pseudoschrecklichen Gabler Leben, war der Redner reich; er wußte genau zu erzählen, wie oft Robert Geld und Gabelsdorff blos Durst aber kein Geld habe, und wie Beide ein Herz und eine Seele seien, im Gedanken: es durchzubringen. Gabler habe den jungen Menschen als alter praktischer Hase ganz in seiner Gewalt; aber er, Schnepselmann, sei auch 231 ein alter Hase, und da sei Ersterer nun einmal an den Rechten gekommen!
»Und was wollen die Beiden nun von mir, wenn es ihnen mit nichts Ernst ist?«
»Sehr einfach. Sie wollen von sich Lärm machen! Käsemenger zahlt Ihnen vielleicht selbst noch gerne etwas darauf, wenn Sie die Güte haben, ihm das Duell abzuschlagen und ihm Gelegenheit geben, Sie einen Feigling, – einen verächtlichen Hasenfuß, oder noch bedeutend Aergeres – zu schimpfen, sodann fortgehen zu können und in der Garnison, in allen Kaffeehäusern, zu erzählen, daß er sich – furchtbar, großartig, als tapferer Mann und Held gerächt!«
»Meinen Sie?«
Und Schnepselmann ging nun sehr lebhaft mit Schwach im Zimmer auf und ab. Des Agenten Hände schnitten stets durch die Luft, seine Finger fuhren durch die Hare, eine außerordentliche Aufregung war in seinem ganzen Wesen und Thun zu bemerken. Bald hielt er Schwach am Rocke, zum Stillstehen, bald riß er ihn wieder mit sich fort, zu seinen großen langen Schritten, und seine Zunge stand während der Zeit nie stille.
Je lebhafter und erregter Schnepselmann wurde, desto stiller und ruhiger wurde Schwach.
Nach mehreren Stunden waren sie endlich zum Abschlusse gekommen.
»Aber Eins,« sagte Schnepselmann endlich zu Schwach, »müssen Sie mir hoch und theuer versprechen! – Sie weichen kein Har breit von meiner Instruktion! Ein Wort anders fallen gelassen, und Alles ist verloren – vielleicht Sie selbst!« – 232
»Wein – haben Sie Wein im Hause?« frug Schnepselmann zuletzt noch. – »Gut, der ist vorhanden! – Pistolen werde ich besorgen. – Noch einmal, halten Sie Wort und seien Sie fest, sonst stehe ich für nichts!«