Heinrich Spiero
Detlev von Liliencron
Heinrich Spiero

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Vorrede

Am ersten Jahrestag von Liliencrons Hinscheiden, bei der Enthüllung seines Grabdenkmals, machte der Verleger dieses Buches mir den Antrag, Liliencrons Leben und die Entwickelung seiner Kunst in breitem Aufriß zu schildern.

Der Gedanke an ein solches Werk war mir nicht fremd; Liliencron selbst hatte mehr als einmal mir gegenüber den Wunsch geäußert, daß ich später einmal seine Biographie schreiben sollte. Ich hatte ja in den letzten acht Jahren seines Lebens viel, zu Zeiten täglich, mit ihm verkehrt, an seinen künstlerischen Plänen und an seinem Leben Anteil nehmen dürfen und im Gespräch und im Brief auch für die zurückliegende Zeit viel Wertvolles erfahren.

Dennoch kam mir der Vorschlag damals zunächst überraschend, und ich zögerte zuzusagen. Denn je näher wir der wirklichen Gestalt eines Großen noch stehn, um so schwerer ist es, den Abstand zu gewinnen, den geschichtliche Darstellung erfordert. Freilich verhehlte ich mir nicht, daß diese Nähe auch wieder gewisse Vorzüge in sich birgt, weil der Eindruck der Persönlichkeit noch frisch ist, weil manches noch haftet, was später verfärbt oder verloren wird. Vor allem aber leben heute noch fast alle, mit denen Liliencron gelebt hat, und viel kostbarer Stoff ist noch zu erreichen, der später nicht mehr zu haben sein wird.

So bin ich denn ans Werk gegangen, bei dem mir ein Glücksfall noch zu Hilfe kam. Im Jahre 1910 erwarb eine Leipziger Buchhandlung das Verlagsarchiv des Herrn Wilhelm Friedrich in Leipzig, eine Sammlung von etwa sechzigtausend Briefen aus den achtziger und neunziger Jahren des vorigen Jahrhunderts. Bei der Rolle, die Friedrichs Verlag in den Zeiten unserer letzten literarischen Umwälzung gespielt hat, war diese Sammlung von unschätzbarem Wert. Ein Leipziger Kaufmann, Herr Plotky, übereignete sie dem Königlich Sächsischen Institut für Kultur und Universalgeschichte, das Karl Lamprecht bei der Universität Leipzig gegründet hat. Eine Verfügung des Unterrichtsministeriums schloß jede Veröffentlichung aus diesen Beständen für dreißig Jahre aus; bei der Übergabe ward jedoch durch den Verlagsbuchhändler Herrn Leo Jolowicz, den ersten Erwerber, zur Bedingung gemacht, daß mir gestattet würde, die Briefe Liliencrons durchzusehn und nach Übereinkunft mit der Witwe des Dichters herauszugeben. Durch dieses dankenswerte Entgegenkommen gewann ich Einsicht in eine sehr wichtige, zum Teil noch gar nicht erschlossene Zeit aus Liliencrons Leben und konnte mein 1911 10 erschienenes Buch »Neue Kunde von Liliencron« als einen Baustein zu dem hier vorliegenden Werk betrachten.

Seine Vollendung wäre mir freilich nicht möglich gewesen ohne die freundwillige Beihilfe von Liliencrons Freunden und Lebensgefährten, insbesondre auch aus seiner Schüler- und Soldatenzeit. Ich hatte lange, eingehende Unterredungen mit Seiner Exzellenz dem Herrn Admiral von Thomsen in Kiel, mit den Herren Oberst Adolph in Wiesbaden, Oberstleutnant Busse in Hannover, Geheimen Justizrat Lembke in Altona, Oberleutnant Rudowsky, Bürgermeister a. D., in Berlin-Wilmersdorf; Herr Kammerherr Freiherr von Seckendorff in Rüsselsheim, den ich nicht aufsuchen konnte, gab mir ausführliche schriftliche Berichte über den Jugendfreund.

Seine Exzellenz der Oberpräsident von Schleswig-Holstein, Herr Kammerherr Detlev von Bülow, stellte mir rückhaltlos die Personalakten Liliencrons aus seiner Beamtenzeit zur Verfügung und ließ überdies an allen in Betracht kommenden Stellen, insbesondre auch im Archiv zu Schleswig, nach Mitteilungen über Liliencron forschen. Herr Gymnasialdirektor Professor Loeber in Kiel gewährte mir Einblick in gedruckte und ungedruckte Akten der Gelehrtenschule und erläuterte sie durch zahlreiche mündliche Mitteilungen.

Freiin Anna von Krane in München schrieb ihre Erinnerungen an Liliencron für mich nieder und überließ mir alle bisher noch ungedruckten Briefe des Dichters an sie.

Durch einzelne Nachrichten und Hinweise erfreuten und belehrten mich Frau Ida Boy-Ed in Lübeck, Frau Ida Dehmel in Blankenese, Frau Dessau in Kellinghusen, Frau Beate Heine in Berlin, Frau von Kamphövener, Exz., in Hannover, Frau Maria von Wildenbruch in Weimar, die Herren Dr. Friedrich Adler in Prag, Dr. Ferdinand Avenarius in Dresden, Prof. Adolf Bartels in Weimar, Gymnasialdirektor Prof. Dr. Alfred Biese in Frankfurt am Main, Dr. Carl Busse in Berlin-Niederschönhausen, Prof. Dr. Oskar Bulle in Weimar, Michael Georg Conrad in München, Julius Delfs in Kellinghusen, Dr. Richard Dehmel in Blankenese, Wilhelm Dreecken in Berlin, Otto Ernst in Groß-Flottbeck, Justizrat Louis Engelbrecht in Braunschweig, Gustav Falke in Hamburg, Maximilian Fuhrmann in Altona, Musikdirektor Theodor Gänge in Kiel, Hauptmann Bruno von Germar in Hamburg, Buchhändler Léon Goldschmidt in Hamburg, Ernst Heiberg in Berlin, Dr. Carl Heine in Berlin, Komponist Otto R. Hübner in Dresden, Dr. Franz Hirsch in Berlin, Verlagsbuchhändler Albert Jolowicz in Posen, Wilhelm Kotzde in Rathenow, 11 Prof. Krauth in Erfurt, Justizrat Timm Kröger in Kiel, Johannes Lahann in Kellinghusen, General der Infanterie Viktor von Lignitz, Exz., in Kassel, Wilhelm Lobsien in Kiel, Dr. Jakob Loewenberg in Hamburg, Generalmajor Julius von Loewenfeld in Naumburg an der Saale, Hauptredakteur Fr. Meyne in Hamburg, Prof. Dr. Georg Minde-Pouet in Bromberg, Dr. Bruno Alwin Müller in Hamburg, Buchhändler H. Nissen in Kellinghusen, Theobald Nöthig in Grevesmühlen, Direktor Dr. Gustav Pauli in Bremen, Staatsanwalt Günther Pogge in Hamburg, Carl Friedrich Schulz-Euler (Hanns Wolfgang Rath) in Frankfurt am Main, Verlagsbuchhändler Richard Schuster in Berlin, Prof. Dr. Adolf Thimme in Erfurt, Dramaturg Adolph Tormin in Wiesbaden, Lichtbildner Vahlendick in Kellinghusen, Schriftsteller Oskar Wiener in Prag.

Abschriften in den Königlichen Bibliotheken von Berlin, Leipzig und München verschafften mir Herr Oberlehrer Dr. Johannes Mißlack in Leipzig und meine Schwester Dr. phil. Ella Spiero in Berlin, die auch die Korrektur mitgelesen hat.

Allen diesen Helfern gebührt mein herzlicher, tiefempfundener Dank; mit größtem Nachdruck gilt er Frau Baronin Anna von Liliencron. Ohne ihre stete Bereitwilligkeit für jede Frage, ohne die Güte, mit der sie mir den ganzen ungedruckten Nachlaß ihres Gatten anvertraute, hätte ich mein Buch niemals beenden können.

Ich habe es in einer Stadt geschrieben, die mir so wenig wie meinem Helden die Geburtsheimat ist, und deren weitem und breitem Leben sich doch niemand entziehen kann, der irgendwie an ihm teilnimmt. Nur ganz kurze Zeit, in entscheidenden Jahren freilich, hat Liliencron in Hamburg gelebt, aber zwei Jahrzehnte seines Lebens in der unmittelbaren Nachbarschaft der Hansestadt zugebracht. So kommt es, daß er aus ihrem Bilde niemals wegzuwischen sein wird, daß seine Gestalt als die des größten Künstlers lebt, der um die Wende der Jahrhunderte half, das neue, verheißungsvoll aufsprießende geistige Leben Hamburgs zu schaffen und zu tragen. Er hat hier gekämpft, gelitten, aber er hat hier auch gesiegt, und so fällt von dem Dank seines Biographen ein Teil auch an das mächtige Gemeinwesen, das Liliencron so lange festhielt, und auf das von seinem Ruhm ein Teil mit zurückströmt.

Hamburg, an Liliencrons Geburtstag 1913.

Heinrich Spiero. 15

 


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