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»Nun kommt der letzte Besuch auf der Nikitskaja,« sagte ich zu Kusjma, und wir fuhren zum Hause des Fürsten Iwan Iwanowitsch.
Wenn ich einige Besuche überstanden hatte, bekam ich gewöhnlich Selbstvertrauen, und ich hätte mich jetzt dem Hause des Fürsten in ziemlich ruhiger Stimmung genähert, wenn mir nicht plötzlich die Worte der Fürstin Kornakow eingefallen wären, daß ich sein Erbe sei; außerdem bemerkte ich an der Auffahrt zwei Equipagen und fühlte wieder die frühere Schüchternheit.
Mir war's, als betrachteten der alte Schweizer, der mir die Tür öffnete, der Lakai, der mir den Mantel abnahm, und die drei Damen und die zwei Herren, die ich im Empfangszimmer traf, und besonders Fürst Iwan Iwanowitsch selbst, der im Zivilrocke auf dem Divan saß, – mir war, als betrachteten sie alle mich wie einen Erben und infolgedessen mißgünstig. Der Fürst war sehr freundlich gegen mich, küßte mich, das heißt, er legte auf einen Augenblick seine weichen, trockenen und kalten Lippen an meine Wange, er fragte nach meinen Studien, meinen Plänen, scherzte mit mir, erkundigte sich, ob ich immer noch Verse mache wie die, welche ich einst zu Großmamas Namenstag verfaßt hatte, und forderte mich auf, heute bei ihm zu dinieren. Aber je freundlicher er war, desto mehr hatte ich die Empfindung, daß er es nur deshalb sei, um nicht merken zu lassen, wie unangenehm ihm der Gedanke war. daß ich sein Erbe sei. Er hatte die Gewohnheit, – die durch die falschen Zähne, von denen er den ganzen Mund voll hatte, entstanden war, – jedesmal, wenn er gesprochen hatte, die Oberlippe in die Höhe zu ziehen und dabei einen leichten, schnarchenden Ton hören zu lassen, als wenn er die Lippe in die Nasenlöcher hineinziehe, und wenn er das jetzt tat, so war es mir immer, als spräche er vor sich hin: »Junge, Junge, ich weiß es auch ohne dich, du bist mein Erbe, mein Erbe,« und so weiter.
Als wir Kinder waren, nannten wir den Fürsten Iwan Iwanowitsch Großpapa: aber jetzt in meiner Eigenschaft als Erbe brachte meine Zunge das Wort nicht heraus, und Durchlaucht zu sagen, wie einer der anwesenden Herren es tat, schien mir erniedrigend, so daß ich mich während des ganzen Gespräches bemühte, ihn gar nicht anzureden. Am allermeisten aber verwirrte mich eine alte Fürstin, die ebenfalls seine Erbin war und in seinem Hause lebte. Während des ganzen Mittagessens, bei welchem ich neben dieser Fürstin saß, meinte ich, sie spreche deshalb nicht mit mir, weil sie mich haßte, da ich wie sie ein Erbe des Fürsten sei, und daß der Fürst der Tischseite, an welcher wir saßen, nur daher keine Aufmerksamkeit schenkte, weil wir, die Fürstin und ich, ihm als Erben gleich unangenehm waren.
»Du glaubst gar nicht, wie unangenehm es mir war,« sagte ich am Abend desselben Tages zu Dmitrij, »um vor ihm mit dem Gefühle des Abscheus vor dem Gedanken, daß ich der Erbe sei, großzutun (ich hielt dieses Gefühl für etwas sehr Gutes), wie unangenehm es mir war, heute zwei volle Stunden beim Fürsten zu verbringen. Er ist ein prächtiger Mensch und war sehr freundlich gegen mich,« fuhr ich fort, um so ganz nebenbei meinem Freunde klarzumachen, daß ich das alles nicht etwa sagte, weil ich mich vom Fürsten zurückgefetzt fühlte; »aber,« sprach ich weiter, »der Gedanke, daß man mich so ansehen könnte wie die Fürstin, die in seinem Hause lebt und sich vor ihm erniedrigt, ist ein entsetzlicher Gedanke; er ist ein prächtiger alter Herr und gegen alle Welt außerordentlich gütig und zartfühlend, aber es tut einem weh zu sehen, wie er diese Fürstin maltraitiert. Dieses abscheuliche Geld stört alle Beziehungen. – Weißt du, ich denke, es wäre viel besser, sich mit dem Fürsten offen auszusprechen,« schloß ich, »ihm zu sagen, daß ich ihn als Menschen achte, an seine Erbschaft aber gar nicht denke und ihn bitten möchte, mir nichts zu hinterlassen, nur in diesem Falle würde ich sein Haus besuchen.«
Dmitrij lachte nicht, als ich ihm das sagte, im Gegenteil, er dachte ein wenig nach, schwieg eine Weile und sprach dann:
»Weißt du was, du hast unrecht. Entweder darfst du überhaupt nicht annehmen, daß man von dir so denke wie von dieser eurer Fürstin, oder wenn du es einmal annimmst, so nimm auch das Weitere an, nämlich, daß du weißt, was man von dir denken könnte, daß diese Gedanken dir aber so fern liegen, daß du sie verachtest und auf Grund ihrer nichts unternehmen wirst. Nimm an, die andern nehmen an, daß du annimmst – mit einem Worte«, fügte er hinzu, da er fühlte, daß seine Auseinandersetzungen sich verwirrten, »viel besser ist's, überhaupt nichts anzunehmen.«
Mein Freund hatte vollkommen recht. Erst viel, viel später lehrte mich die Lebenserfahrung, wie schädlich es ist, vieles, was sehr edel erscheint, aber auf immer und vor allen im Herzen eines jeden Menschen verborgen bleiben muß, zu denken oder gar auszusprechen, – und daß edle Worte selten mit edlen Handlungen zusammenfallen. Ich bin überzeugt, daß lediglich aus dem Grunde, daß eine gute Absicht ausgesprochen wird, es schwer, ja größtenteils sogar unmöglich ist, diese gute Absicht auszuführen; aber wie soll man sich enthalten, dem edlen, selbstgefälligen Empfinden der Jugend Ausdruck zu geben? Erst viel später denkt man daran zurück und beklagt es wie eine Blume, die man – weil man sich nicht überwinden konnte – gepflückt hat, ehe sie erblüht war, und die man dann verwelkt und zertreten am Boden sieht.
Ich, der ich eben erst meinem Freunde Dmitrij gesagt hatte, daß das Geld alle Beziehungen störe, nahm von ihm am folgenden Morgen vor unserer Abreise aufs Land, als es sich herausstellte, daß ich all mein Geld für die verschiedenen Bilder und Tabakspfeifen ausgegeben hatte, fünfundzwanzig Rubel in Papier, die er mir angeboten hatte, mit auf die Reise und blieb sie ihm dann sehr lange schuldig.