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Die Stellung des repräsentativen oder von einer bestimmten Gesellschafts-, auch einer nationalen Schicht zur Repräsentation erhobenen Schriftstellers der letztverflossenen dreißig Jahre war und ist eine höchst eigentümliche. Sofern er überhaupt eine geistige und moralische Wirkung erzielen wollte, die nachhaltiger und eingreifender war als die des jeweiligen einzelnen Produkts, mußte er auf das freie und alle nahe Beziehung scheinbar ausschaltende Spiel der Phantasie verzichten und seine Figurenwelt dem Bedingten und den Bedingnissen der Zeit ausliefern. Um sich dann aber in Art und Charakter zu bewahren, bedurfte er eines beständigen sichtbaren Einsatzes von Persönlichkeit, einer Überbetonung des parteinehmenden Menschen fast, und diese Persönlichkeit stand hinter dem Geschaffenen wie ein Baumeister, der, die Maße und Formen noch in der Hand tragend, dem Bau nur mit seinen Augen glaubt, es aber nicht wagt, ihn seiner wahren Bestimmung zu überlassen. Diese eigentümliche allgemeine Verfassung des Dichters hat natürlich ebenso eigentümliche Dichtergestalten hervorgebracht, und eine der eigentümlichsten unter ihnen ist Arthur Schnitzler. Persönliches Gewicht und persönliche Form treten reizvoll zutage, auch wo Verknüpfung und Gehalt zum unpersönlich Welt-, Geschichts- und Zeithaften drängen; eine strenge spröde Wahrhaftigkeit macht ihn mißtrauisch gegen die bildhafte Übertragung, ja man könnte beinahe sagen, daß sie ihn mißtrauisch gegen die Kunst und ihr verwirrendes Spiegelwesen überhaupt macht; aber eine romanische, südliche, heitere Anmut des Geistes befähigt ihn, dieses Mißtrauen in eine Qualität zu verwandeln und ihm mit leichter Hand ironisch schwebende Gebilde entgegenzusetzen. (Dies ist auch die Quelle der vielfachen Mißverständnisse, denen er sein ganzes Leben hindurch preisgegeben war.) Die Rätsel des sinnlichen und übersinnlichen Daseins beunruhigen ihn quälend; doch während er diese unbefangen, sogar mit Naivität in sich aufnimmt und sich halb skeptisch, halb philosophierend der Bedrängnis zu entledigen sucht, wird er an jenen zum Kritiker der Gesellschaft, verspäteter Enzyklopädist, und imaginiert Beziehungen, die die Konflikte darstellen wollen, ohne sie zu lösen. Da er sich weder zu hassen noch zu lieben entscheidet, gab ihm die Natur den Spott und das Verstehen, eine oft mütterliche Art von Verstehen. Da er viel zu feinnervig und zu rücksichtsvoll ist, zu zertrümmern, sucht er gerecht zu werden, ja gerecht zu sein. Wo er träumt, neigt er allsogleich zur psychologischen Utopie; wo er lächelt, beruft er sich schon über die Menschen hinweg auf das Schicksal, und für seine Geschöpfe nimmt er alle Verantwortungen vorweg, um sie auf seiner der Tradition entrissenen Wage sorgfältig und genau zu wägen. Eine sinnvolle und edle Bemühung, eines Arztes der Seelen und Erkenners der irdischen Dinge würdig; und eine, die alterslos bleibt wie die Menschheit selbst.