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Mönchen-Gladbach war im Jahre 1640 ein kleines, aber recht freundliches Städtchen. Wenn man von Dahlen kam und die kleine Festung mit ihren Mauern und Türmen, von der Münsterkirche beherrscht, betrachtete, an der sich wie ein Silberstreifen der Gladbach und der klare fischreiche Weiher vorbeischlängelte, das Ganze von einem dichten Eichenwalde umrahmt, so gewährte dieses Bild einen wunderbar schönen Anblick. Die Stadt hatte mehrere Tore: Das erste, die Judenpforte Judenpforte. Die Jüpuot befand sich der Mittelstraße gegenüber, auf der heutigen Hindenburgstraße, welche damals die Jüddestroot hieß., so genannt, weil hier die Juden zusammenwohnten (die Jüddepuot oder Jüpuot) an der Straße auf Krefeld zu. Links vom Tore befand sich der Stadtgraben, ziemlich gefährlich für den Feind, denn hier war er breit und immer mit Wasser oder Schlamm gefüllt. Diese Stelle des Grabens hieß die Greiht. Hier lief von der Judenstraße (Jüstroot), vom Jüpött Der Jüpött lag an der Jüddenstraße, gegenüber der Metzgerei Kreuzberg. und den angrenzenden Straßen alles Abwasser und noch viel anderer Unrat zusammen, weshalb hier meistens, namentlich aber im Sommer, ein sehr übler Geruch herrschte. Das zweite Tor war unten am Weiher und hieß das Weihertor oder Eickertor (Weiherpuot). Draußen vor dem Tore hieß es »Unter-Eicken«. Ferner waren noch einige kleine, aber gut verwahrte Tore in der Nähe der Türme. An festen Türmen Feste Türme. Jetzt sind noch erhalten: der sogenannte Krapolsturm mit seinen herrlichen Kellern, in dem man in den Hundstagen Eis an den Wänden sieht, gleich daneben, im Garten des heutigen Kolpinghauses gelegen, ein kleiner Turm, und ein großer Turm im Garten an der Kapuzinerschule. Sodann befindet sich ein zum Teil eingestürzter Turm in der alten Festungsmauer am Geroplatz. waren außer den Tortürmen acht vorhanden, welche als Besatzungstürme dienten und fest in die Stadtmauer hineingebaut waren. Ferner gab es eine ganze Reihe kleiner Wachttürme. In jedem Torturme wohnte ein Torwart, welcher den Tordienst Tag und Nacht zu versehen hatte. Wenn es ruhig im Lande war, standen die Tore den ganzen Tag offen und wurden nur Abends zur bestimmten Stunde geschlossen. Derjenige, welcher nach Toresschluß noch eingelassen sein wollte, hatte seine liebe Not, und meistens kostete es ihm außer vielen Umständen und guten Worten noch ein anständiges Trinkgeld. In Kriegszeiten blieben die Tore stets geschlossen, und die Bürgerwehr, nach den einzelnen Zünften eingeteilt, bezog die verschiedenen Türme als Wache. In der Stadt oder in einem der Haupttürme befand sich die Hauptwache, welcher der Bürgermeister oder ein von ihm ernannter Stellvertreter vorstand und die von diesem befehligt wurde. Die auf Wache befindlichen Bürger wurden auf Kosten der Stadt unterhalten. Solange das Schießpulver noch keine rechte Verwendung gefunden hatte, galt Gladbach als ziemlich starke Festung. Die Einwohner darin waren stille, friedliche und biedere Leute, welche etwas Ackerbau, Kaufmannschaft usw. betrieben; auch waren viele Leinen- und Wollweber ansäßig. Daß das Handwerk hoch in Ehren stand, beweisen die Zünfte deren es mehrere bedeutende gab. Es bestand z.B. eine Zunft der Schneider, Gewandschneider, Tuchscherer und Wüllenweber, eine Zunft der Krämer, eine Schmiede- und Schreinerzunft und eine Schusterzunft.
Die Zünfte waren gleichzeitig auch Bruderschaften, welche die kirchlichen Feste feierten, auch begleiteten sie die Gottestracht Gottestracht. Fronleichnamsprozession. und die anderen Prozessionen. Wer in eine Zunft aufgenommen sein wollte, mußte zuerst den Nachweis erbringen, daß er ordentlich und vorschriftsmäßig sein Handwerk erlernt und sein Gesellen- bzw. Meisterstück gemacht hatte; ferner mußte er seine eheliche Geburt und einen tadelfreien Lebenswandel nachweisen. In der Zunft mußte er sich ehrenhaft, friedsam und anständig benehmen. Wer nicht ganz brav war oder Zank und Streit hervorrief, der wurde satzungsgemäß in eine sehr empfindliche Strafe genommen und im Wiederholungsfalle ausgestoßen. Die Zunftgenossen versammelten sich zu ihren ordentlichen Zusammenkünften und Beratungen in ihren Zunftstuben, wo der Zunftmeister den Vorsitz führte. Als Bruderschaftsmitglieder hatten sie bei ihren kirchlichen Festen außerordentliche Versammlungen ebenfalls am Tage ihres Patronatsfestes. Am St. Nikolaustage feierte z.B. die Schneiderzunft ihr Patronatsfest durch ein feierliches Hochamt und nach diesem wurde ein Festessen gehalten, wozu die Mitglieder auch ihre Frauen mitbrachten. Bei dieser Gelegenheit wurde gewöhnlich tüchtig gezecht, Rechnung abgelegt und ein neuer Zunft- oder Innungsmeister Vgl. Eckertz & Noever, Seite 94. gewählt. Die anderen Zünfte hatten andere, jährlich festgesetzte Patronatsfeste. Wer bei einem solchen Feste fehlte (nur schwere Krankheit entschuldigte) mußte die auf ihn entfallenden Kosten und außerdem eine Geldstrafe unweigerlich zahlen. War ein Zunftgenosse gestorben, so wurde er von den vier jüngsten Mitgliedern zu Grabe getragen und alle Mitglieder waren bei einer Geldstrafe von 6 Rhader Albus Rahder Albus war eine damalige Münze. verpflichtet, in vorschriftsmäßiger Kleidung zur Beerdigung zu erscheinen. Wer sich ausschloß und dadurch »solch' ein christlich Werk in veracht stellte«, dem sollte, abgesehen von schwerer Strafe von der Zunft bei seinem Tode die letzte Ehre ebenfalls nicht erwiesen werden. In der Ausübung des Handwerks hieß es aufpassen, denn darin waren die Zünfte besonders sehr streng. Da mochte wohl einer sein gutes Gesellen- und auch sein regelrechtes Meisterstück machen, wenn er aufgenommen sein wollte und, wenn er einmal aufgenommen war, dann mußte er gute Arbeit für solide Preise liefern. Für den Pfuscher war nichts zu machen. Die Krämer hatten in der damaligen Zeit einen ziemlich bedeutenden Handel in Flachsgarn, ferner in Genter und Brabanter Laken (Tuch), aus welchem ein Brautrock das ganze Leben aushielt und wovon nach dem Tode des Großvaters dem Enkel gewöhnlich noch der Kommunionanzug verfertigt werden konnte. Auswärts wurde auch viel von den Bewohnern Gladbachs gekauft, namentlich in Dülken und Süchteln.
Die alten Gladbacher waren durchaus einfache, kerngesunde, und kräftige Menschen, welche viel auf gutes Essen und Trinken hielten, und, wenn sie bei Festlichkeiten die Orte Viersen, Dülken und Süchteln besuchten, dann wurde dort mit Speise und Trank gewaltig aufgeräumt. Man sagte von einer Gladbacher Bruderschaft, wenn sie auf irgend einem Fest gewesen war: »die Kielmänns Kielmänns. Vom Kiel (Bolzen) der Armbrust, mit welcher damals bei Schützenfesten geschossen wurde. Kielen oder sich ankielen (ankeilen) bedeutete aber auch – und bedeutet es heute noch – ungeheuer viel essen, sich vollpfropfen. sind hier gewesen, und haben alles aufgegessen.« Süchteln stand wohl im Essen und Trinken bei Festgelagen obenan. Verschiedene Geschichtsschreiber berichten uns, daß von Amts wegen für Süchteln besondere Verfügungen erlassen werden mußten, da bei den dort stattfindenden Gelagen gewöhnlich soviel gegessen und getrunken wurde, daß »die Zecher auf den Tisch und überall herumb kotzten Vgl. Dr. P. Norrenberg, Geschichte der Pfarreien und des Dekanates M.Gladbach, Süchtelner Reformationswirren, S. 164. und speihten und dann noch durch die Wirtshäuser zogen und tranken, Händel anfingen und den Wirten die Bierkannen und Trinkkrüge in Stücke schlugen.«
Süchteln und Dülken waren bedeutende Handelsstädtchen. Die Bewohner von Gladbach und Umgegend kauften dort ein vorzügliches Laakedok Laake-Dook. Laake heißt im Niederdeutschen schwarzes Tuch oder Brabanter Tuch.. Von diesem wurde viel verbraucht, da auch die Frauen schwarze Tuchkleider und große Kragenmäntel aus diesem Stoff trugen.