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Das Ende eines Strauchritters.

Vit war nachmittags mit Obrist Wolf und 500 Reitern aufgebrochen. Seine eigenen Leute hatte er ebenfalls mitgenommen. Die Truppe zog über Gerkerath an Dahlen vorbei, und so kamen sie unbehelligt nach Grippekoven. Die Leute Vits wollten über die Furt schreiten, aber Vit sagte:

»Langsam, Jungens, wir wissen ja nicht, ob das Nest leer ist. Schießt einmal, wenn jemand drin ist, wird er sich schon melden.«

Einige Karabiner wurden abgeschossen, und gleich nachher zeigte sich an der Ruine ein junger Bursche, der aber sofort wieder verschwand.

»Seht ihr,« sagte Vit. »Wer mag sich denn dort eingenistet haben? Heda, guter Freund, wollt Ihr uns gefälligst Rede und Antwort stehen,« rief er hinüber, »sonst sind wir genötigt, zu Euch zu kommen.«

Jetzt trat ein junger Edelmann auf die kleine Rasenfläche, grüßte militärisch die Soldaten und fragte nach ihrem Begehr.

»Bei St. Vit, meinem Namenspatron, den Burschen sollte ich kennen!« brummte Vit.

»Großvater, der war bei der Bande des schwarzen Baas, ich erkenne ihn wieder!« flüsterte Paul.

»Richtig, der ist's,« sagte Vit, nachdem er ihn nochmals prüfend betrachtet hatte.

»Was tut Ihr hier in Grippekoven?« fragte Vit.

»Wir haben hier mit acht Mann gelagert.«

»So, hm, wir möchten das Nest einmal untersuchen, und ich wollte Euch nur fragen, ob Ihr Euch solange gefangengeben wollt?«

»Was will ich mit acht Mann gegen eine solche Anzahl Krieger hier machen? Aber ihr werdet uns doch frei abziehen lassen?«

»Das weiß ich noch nicht, Herr Junker, das werden wir nachher sehen,« entgegnete Vit kurz, indem er den Anführer nochmals scharf musterte. »Kommt, Burschen,« rief Vit seinen Begleitern zu und schritt über die Furt. Wolf und Vits Leute folgten. Die acht Burschen saßen in verschiedenen Winkeln und schienen zu schlafen.

»Hm,« sagte Vit, »es riecht hier stark nach Wein, und hier liegen auch Würfel. Die Herren scheinen von uns gestört worden zu sein. Aha, der Eingang zu dem Gange ist offen. Bleibt hier vor der Nische stehen.« Damit schritt er gebückt in den dunklen Gang hinein bis zu der Stelle, wo die Beutel vergraben lagen. Er stocherte mit dem Schwerte in den Sand herum, konnte aber nichts entdecken. Jetzt fühlte er etwas Festes, das mußten die Beutel sein! Er ging zurück in den vorderen Teil der Ruine und hörte, wie Wolf den Edelmann ins Verhör nahm. Dieser gab an, von seinen Gütern vertrieben zu sein, er sei jetzt ein fahrender Kriegsmann, welcher gegen Sold zu dienen beabsichtige.

»Lügen,« sagte Vit hinzutretend, »nichts als Lügen! Er und seine Leute sind Schnapphähne, Wegelagerer!«

»Das ist nicht wahr!« rief Otto, welcher merkte, daß die Geschichte schief auslaufen konnte.

»Wie ist Euer Name?« fragte Vit.

»Jacques Gasculin.«

»Wo seid Ihr her?«

»Ich bin Flamländer.«

»Es ist gut, wir nehmen ihn mit nach Gladbach,« sagte Vit, »er kann aber hier warten und braucht nicht mit uns in den Gang zu gehen. Doch was tun wir mit den andern?«

»He, Jungens,« wandte sich Wolf an die Burschen, »kommt einmal mit. Laßt eure Waffen nur hier.« Die Burschen stutzten.

»Es geschieht euch nichts,« beruhigte sie ihr Anführer.

»Ihr seid ja ehrliche Leute,« meinte Wolf, »kommt nur mit!« Er schritt mit ihnen aus der Ruine heraus und rief auf die andere Seite hinüber: »Korporal Roß, nehmt hier die acht Leute in Empfang und besorgt sie gut.«

»Laßt sie nur kommen,« erwiderte Roß und strich sich vergnügt den Bart.

Die acht schritten hinüber. Vit hatte mittlerweile eine Holzfackel angebrannt und eilte nun, um die Goldfüchse zu holen. Als die Erde und das Geröll fortgeräumt waren, kamen die Beutel unversehrt zum Vorschein.

»Alle Teufel!« fluchte Obrist Wolf, »das ist viel. Vit, Ihr seid sehr vorsichtig. Es ist gut, daß meine Leute nicht wissen, um was es sich hier handelt. Es ist Geld und das möchte ich ihnen doch nicht anvertrauen. Aber wie schaffen wir es fort?«

»Seid unbesorgt. Ich habe zwei Saumpferde mitgebracht. Diese tragen an jeder Seite einen Sack, worin die Beutel verteilt werden. Meine Leute befinden sich bei diesen Pferden, welche über und über mit Mänteln bedeckt sind. Es gilt nur, sie aufzupacken, ohne daß Eure Leute etwas merken.«

»Das will ich schon machen,« meinte Obrist Wolf, »ich führe sie etwas abseits in den Wald, in der Zeit machen Eure Burschen die Pferde fertig. Aber zum Henker, Vit, wo kommt all das Gold her?«

»Das habe ich einem abgenommen, der es andern geräubert hat,« erwiderte Vit.

»Dann gebt einmal so einen Beutel her. Wahrhaftig, ich bin so arm wie eine Kirchenmaus und kann augenblicklich etwas gebrauchen.«

»Da nehmt, Herr Oberst!« sagte Vit und reichte ihm einen Beutel hin, den Wolf öffnete und in dem Halbdunkel besah.

»Donnerwetter, alles Gold, wirklich echtes Gold?« Habe lange kein Goldstück mehr gesehen. Ich danke Euch, Vit, danke Euch unendlich,« und damit bemühte er sich, den Inhalt des Beutels in seinen Taschen verschwinden zu lassen. »Ich gehe jetzt,« wandte er sich dann wieder an Vit, nachdem er sich überzeugt hatte, daß der Beutel auch wirklich leer und kein Stück zur Erde gefallen war, und sagte dann zu dem draußen harrenden Junker: »Kommt, Herr Gasculin.« Damit verschwand er über die Furt, von dem Anführer gefolgt.

Vit lud die Beutel in vier Säcke, verteilte den Inhalt eines Beutels unter seine Leute und brachte die beiden Saumpferde in Ordnung. Von der Bande lagen noch verschiedene große Mäntel in dem Verlies, welche er mitnahm und über die Pferde deckte. Die Dragoner meinten nicht anders, als daß es sich um die Gefangennahme der kleinen Bande gehandelt habe.

»Kommt, wir wollen aufbrechen,« rief Vit. »Wo sind die Leute von der Bande?«

»Der Anführer ist hier, er sitzt gefesselt auf seinem Pferde. Acht Pferde von der Bande haben wir erobert und die acht Mann sind gut aufgehoben.«

»Wo sind sie denn?« fragte Vit, »ich sehe sie nicht.«

»Du, Roß, zeige dem Meister Vit einmal, wo die acht Schnapphähne sind.«

»Dann kommt hierher, Meister,« sagte Roß und trat in den Wald. Auf einer kleinen Lichtung blieb er stehen und zeigte auf die umstehenden Buchen, an welchen acht Leichname im Winde hin und her baumelten.

»Alle Wetter,« sagte Vit kopfschüttelnd, »das nenne ich kurzen Prozeß machen. So schnell gehe ich nicht vor.«

»Denkt doch nicht, Meister, daß wir uns lange mit solchem Gelichter herumschlagen. Ein starker Strick und die Sache ist abgemacht. Doch kommt, laßt uns wieder zu den Unsrigen gehen.«

»Nun, was meint Ihr, Vit?« fragte der Obrist, »sind die Burschen gut aufgehoben?«

»Ja, sie tun niemandem mehr etwas zuleide. Aber eine so rasche Justiz kann ich doch nicht billigen.«

»Ei was, wie gelebt, so gestorben!« sagte der Obrist.

»Sollen wir nicht auch den Anführer noch schnell in die andere Welt befördern, Meister Vit?« fragte Roß.

»Nein, nein,« wehrte Vit ab, »den habe ich noch notwendig in Gladbach. Aber bewacht ihn genau, daß er uns nicht entwischt.«

»Keine Sorge,« beruhigte ihn Roß.

»Vorwärts, aufsitzen!« kommandierte der Obrist, und der Zug galoppierte in den Wald hinein. Als sie sich der Stadt Gladbach näherten, verließ Vit, welcher mit seinen Leuten immer neben den Saumpferden geritten war, diese, begab sich zu dem Gefangenen und sagte:

»Vielleicht werdet Ihr in der Stadt einen Landsmann treffen, Herr Gasculin.«

»So? Wer soll das denn sein?« fragte dieser neugierig.

»Ein französischer Hauptmann.«

»Wie ist sein Name?«

»Peter van Este!«

Der Wegelagerer sah ihn entsetzt an und stotterte erschrocken: »van – Este –?«

»Nun, der scheint bei Euch in keinem guten Andenken zu stehen,« höhnte Vit, »denn Ihr seid nicht gerade entzückt davon, seinen Namen zu hören.«

»Allerdings nicht,« erwiderte Gasculin. »Ihr würdet dies auch verstehen, wenn Ihr wüßtet, was es damit für eine Bewandtnis hat. Es ist etwas, das ich nicht jedem anvertrauen kann,« setzte er in gedämpftem Tone mit einem Seitenblick auf die Dragoner hinzu: »Nur Euch allein kann ich es sagen.«

»So? Hm, macht einmal Platz, Jungens,« redete Vit die Reiter an und ritt mit Gasculin aus dem Zuge heraus, nahm dann seinen Karabiner und schüttete Pulver auf die Pfanne. Jetzt waren die Reiter vorbei, bis auf einen kleinen Nachtrab, welcher folgte, und die beiden ritten langsam weiter.

»Aber warum nehmt Ihr den Karabiner zur Hand?« fragte dann Gasculin.

»Ach, das ist so ein Gewohnheitsfehler von mir. Seht einmal, man hat Beispiele, daß so ein Gefangener wohl einmal Lust bekommt, auszureißen, und da ist es wichtig, wenn man so ein Schießeisen geladen und schußfertig hält. Aber, was ist es mit dem van Este?«

Sie waren jetzt am Blumenberg angekommen, welcher sich steil in südlicher Richtung hinzog. Der schroffe Abhang war ganz mit wilden Rosen bewachsen. Links war ein tiefer, mit Dorngestrüpp bewachsener Hohlweg.

»Ja, also dieser van Este hat eine Tochter –«

Vit horchte gespannt auf. »So, eine Tochter? sagt Ihr. Und was soll's mit dieser Tochter?«

Gasculin blickte rechts und links um sich, als ob er fürchtete belauscht zu werden. Dann näherte er sich Vit und flüsterte: »Gerade diese Tochter, Meister, umschwebt ein großes Geheimnis. Sie ist eine – –« Jetzt ergriff Gasculin blitzschnell die rechte Hand Vits, wobei sich dessen Pistole krachend entlud. Gleichzeitig versetzte er ihm mit der linken Faust einen Schlag ins Gesicht, gab seinem Pferde die Sporen und jagte mit rasenden Sprüngen die Schlucht hinunter. Das alles war das Werk weniger Augenblicke. Vit war vom Pferde gestürzt. Er raffte sich aber gleich wieder auf und bedeckte mit der Hand sein Gesicht; der Schlag hatte das rechte Auge getroffen. Die zurückgebliebenen Reiter kamen herbei und schwangen sich von den Gäulen. Vit bahnte sich mit den Dragonern einen Weg durch das Dorngestrüpp. Unten auf der Talsohle fand er den Anführer liegen, der vom Pferde gestürzt war und sich augenscheinlich schwer verletzt hatte. Das Blut quoll aus seinem Munde. Einige Schritte von ihm ab lag sein Pferd mit gebrochenen Vorderbeinen. Letzterem gab ein Soldat den Gnadenstoß.

Vit beugte sich über den Gestürzten, der laut ächzte und stöhnte.

»Ich sterbe,« – kam es stoßweise von dessen Lippen. »Sagt – meinem Bruder – van Este – er möge – mir verzeihen – was ich – an ihm – verbrochen ... Ich war's – der – seine Tochter – rauben – ließ – – –!«

Der Atem des Sterbenden ging in ein Röcheln über. Sein Blick wurde starr und gläsern. Es zuckte noch einmal durch seine Glieder, dann lag er regungslos da.

Vit stand einen Augenblick wie versteinert unter dem Eindruck des soeben Gehörten und schaute wortlos auf den Toten. Alsdann wandte er sich zu den Dragonern.

»Den Burschen nehmt Ihr mit, Jungens. Der Hauptmann van Este wird Augen machen, wenn er in ihm seinen Bruder wiedersieht und hört, welches Ende er genommen hat.«

Die Dragoner sahen spöttisch auf Vit, der immer wieder die Hand an sein zerschlagenes Auge brachte, welches ihn heftig schmerzte.

»Ich Tölpel,« murmelte Vit, »lasse mich da anführen wie ein dummer Junge! Damals war es der Leßlin, der mir die Nase platt schlug und heute erhalte ich von diesem Strauchritter einen Schlag auf's Auge, daß mir Hören und Sehen vergeht ... Doch ich bin ja nun gerächt, denn – der hat sein Fett weg!«

Einer der Soldaten warf die Leiche über die Schulter, andere nahmen das Sattelzeug des toten Pferdes, und so zog man in die Stadt hinein.

»Schafft ihn unten in die Wachtstube am Weihertore,« befahl Vit und sprengte die Weiherstraße hinaus bis zum Markte. Die beiden Saumpferde waren von seinen Leuten auf den Hof gebracht worden und sollten eben abgezäumt werden, als Vit kam und leise sagte: »Laßt mich das allein besorgen, hier, nehmt ein Goldstück und geht in eure Quartiere.« Als Vit alles Geld im Hinterhause verborgen hatte, begab er sich ins Haus. Jan van Werth war nachmittags mit 500 Mann weggeritten, wohin, war nicht bekannt. Am Abend kam er zurück mit 300 Mann und erzählte, sie hätten nachmittags Schloß Myllendonk eingenommen, der Besatzung sei freier Abzug gewährt worden. Er habe 200 Mann dort gelassen.

»Das geht ja schnell,« sagte Vit, »da wirst du wohl bald hier aufgeräumt haben.«

»Nun, die Truppen in Myllendonk waren vernünftig. Was wollten sie auch machen, da sie vollständig abgeschnitten waren. Neersen muß auch in den nächsten Tagen fallen, ich warte nur auf Besatzungstruppen, damit ich mehr Leute mitnehmen kann. Aber Vit, wie steht's mit dem Gelde?«

»Gut. Es ist hier im Hause.«

»Dann her damit, denn meine Leute werden sonst unzufrieden, Junge. Wissen sie, daß du Geld geholt hast?«

»Nein, dafür war ich doch etwas zu vorsichtig. Deine Soldaten hätten sich am Ende schon ihren Sold davon genommen, ohne mich zu fragen. Ich war eben in der Krone. Da klagte mir der Peter, eine ganze Rotte Dragoner hätte heute Bier dort getrunken und nichts bezahlt. Als er sie gemahnt habe, zu zahlen, hätten sie lachend gesagt, sie hätten nichts, unser Herrgott würde die Zeche begleichen, worauf der Peter meinte, davon könne er aber die Graut Graut. Schankgebühr. nicht bezahlen und er müsse doch auch leben.«

»Nun, Vit, meine Dragoner sind gerade keine Heiligen; das muß man so genau nicht nehmen. Die Leute haben wirklich kein Geld, und wenn die Spießbürger, für welche sie doch ihre Haut zu Markte tragen, auch einmal etwas einbüßen müssen, so ist das so schlimm nicht.«

»Aber, Jan, wenn nun diese Spießbürger selbst bis aufs Blut ausgesogen sind – –«

»Das sind meine Soldaten auch. Höre auf Vit mit deiner Quengelei. Die Steine, die man nicht heben kann, läßt man liegen. Mache jetzt einmal Licht und bringe etwas zu essen und zu trinken und dann hole die Goldfüchse.«

Vit entfernte sich und kam bald mit zwei brennenden Kerzen zurück.

Er hatte sie kaum auf den Tisch gestellt, als Jan lachend ausrief:

»Ei, wer hat dich denn da so unzart aufs Auge gefühlt?«

»Geht dich nichts an,« sagte Vit unwirsch und verließ dann wieder das Zimmer.

Obrist Sparr und Wolf traten ein, und nachdem sie den General begrüßt, nahmen sie am Tische Platz.

»Was ist dem Vit passiert?« fragte Jan den Obristen Wolf.

Wolf erzählte, wie es Vit ergangen, und alle lachten; als Vit eintrat, stimmte er selbst mit ein.

»Ihr lacht über mein blaugeschlagenes Auge, na, meinetwegen – hab's wahrhaftig verdient, ich alter Esel,« sagte er, ärgerlich den Kopf schüttelnd. »Lacht nur zu, es geht ja auf meine Kosten!«

»Hört einmal,« sagte Jan, »was mein früherer Korporal Vit Gilles mir sagte, als ich ein Troßbube von 17 Jahren war und mir ein gefangener Franzose einmal eins über die Nase gegeben hatte und dann entflohen war. »So ist's recht,« sagte er, »davon wirst du nicht dummer! Warum paßt du nicht auf, du Stockfisch?!« Oder: »Scher' dich nach Hause, Junge, zu deiner Mutter, und gehe ja nicht weiter von deinem Dorfe weg, als du den Kamin noch sehen und die Milchsuppe noch riechen kannst – du armer Schelm!« und was der Liebeswürdigkeiten mehr waren.«

Jan und alle andern lachten, und Vit sagte: »Nun ist's aber genug. Alter schützt vor Dummheit nicht, wie ihr an meinem Auge sehen könnt. Jetzt laßt's euch schmecken. Ich komme gleich wieder.«

»Aber Vit, vergiß nicht das Geld,« rief Jan ihm nach.

»Nein, ich bringe es sofort!« Er nahm drei Beutel aus dem Versteck, brachte sie in die Stube und legte sie vor Jan van Werth auf den Tisch nieder.

»Endlich,« sagte dieser. »Nun, Wolf und Sparr, laßt die Korporale kommen, damit sie die Leute löhnen können.«

Vit begab sich unterdessen zur Abtei, suchte van Este auf und erzählte ihm, was er erlebt hatte und daß sein angeblicher Bruder tot in der Wachtstube am Weihertor liege. Dann gingen sie beide dahin. Als van Este in die bleichen verzerrten Züge des Toten sah, rief er entsetzt aus:

»Bei Gott, es ist mein Bruder Otto! Oh, wie ist's möglich!« und er bedeckte sein Gesicht mit beiden Händen.

»Ja, wie ist's möglich,« bemerkte Vit, »daß ein Bruder so an seinem Bruder handeln kann!«

»Und dabei hatte ich es so gut mit ihm gemeint,« erwiderte der Hauptmann mit vor Erregung und Schmerz bebender Stimme. »Hatte ich ihn doch als alleinigen Verwalter meiner Güter zurückgelassen.«

»Na, ein schöner Verwalter,« meinte Vit, »der sich hier mit einer Bande aufhält, Mädchen raubt und der Freund und Kollege eines berüchtigten Räuberhauptmanns, des schwarzen Baas, war.«

»Habt ihr etwas bei ihm gefunden?« fragte van Este die Dragoner, welche ihn durchsucht hatten.

»Eine Börse mit Goldstücken. Überdies fanden wir bei ihm ein goldenes Amulett, das an einer seidenen Schnur auf seiner Brust hing. Hier ist es,« sagte vortretend ein junger Krieger und reichte dasselbe van Este, der damit an den Tisch trat, auf dem mehrere Kerzen brannten. »O. v. E.« las er – »Otto van Este – –!«

Erschüttert wandte er sich ab.

»Er ist es ohne Zweifel,« sagte er und schob das Amulett in seine Tasche. »Die Börse könnt Ihr behalten und den Inhalt unter Euch teilen.« Dann trat er mit Vit hinaus auf die Straße und sagte:

»Schrecklich! Nach einem leichtsinnigen Leben als Abenteurer und Verbrecher gestorben: das Schicksal, das er sich selbst bereitet, hat sich also erfüllt –! Er hat sich geschämt, mir unter die Augen zu kommen. Mein alter Pfarrer schrieb mir, welch eine tolle Wirtschaft er geführt und wie das alte Schloß meiner Väter niedergebrannt ist. Seitdem hatte ich nichts mehr von Otto gehört. Er war immer ein Leichtfuß, der in der Pariser Gesellschaft verdorben wurde. Daß er aber ein solches Bubenstück verüben konnte und mir meine Tochter rauben ließ – dazu hätte ich ihn nicht fähig gehalten! Doch ich will ihm verzeihen. Möge Gott ihm ein gnädiger Richter sein ...! Ich werde mit den Mönchen sprechen, daß diese ihn begraben. Aber, Meister Vit, wie steht's mit der Herkunft meiner Tochter?«

»Geduld, Herr Hauptmann. Ich habe heute morgen einer Stafette nach Köln einen Brief an den Herrn Hermann mitgegeben, worin derselbe gebeten wird, mit Eva sobald wie möglich hierher zu kommen, ihr Vater sei hier. Und da werden beide wohl nicht lange auf sich warten lassen.«

»Gott sei Dank,« sagte der Hauptmann, Vit die Hand reichend, »daß ich mein Kind zurückerhalte! Ich weiß dann doch wenigstens, wofür ich noch lebe. Ob ich sie wohl noch wiederkenne, meine kleine Maria?«

»Maria? Sie heißt Eva,« erwiderte Vit.

»Ach ja, so habt Ihr sie genannt.«

»Nun, sie ist ein recht braves und tapferes Mädchen geworden, welches den Offizier Hermann sowie meinen Enkelsohn Paul vom Tode rettete; sie hätte eigentlich ein Junge werden müssen.«

Sie traten zusammen in Vits Haus ein und plauderten dort mit den Kriegsleuten.

»Wird bald wieder ins Feld gezogen, Herr Hauptmann?« fragte Jan van Werth, mit van Este anstoßend.

»Meine Kriegslaufbahn wird wohl zu Ende sein, Herr General, denn mein rechter Arm ist doppelt gebrochen, wie mir Bruder Romuald heute sagte. Da werde ich Schwert und Flinte für immer an den Nagel hängen müssen.«

»Das ist schade,« meinte Jan, »solcher Haudegen, wie Ihr einer seid, hätte Guébriant mehr gebrauchen können. – Du, Vit, da hättest du eine Freude sehen sollen, als meine Dragoner wieder einmal Geld zu sehen bekamen!«

»Darum ist auch wohl überall so ein lustiges Leben in den Wirtshäusern. Sie werden doch heute wohl ihr Bier bezahlen, das sie trinken?«

»Verlaßt Euch darauf, Meister,« erwiderte Obrist Sparr.


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