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Grazia

Johann Christof ist die schöpferische Tat, Olivier der schöpferische Gedanke: eine dritte Form erst schließt den Kreis der Existenz, Grazia, das schöpferische Sein, das nur in Schönheit und Klarheit leben muß, um sich zu erfüllen. Wie früher, sagt auch hier der Name symbolisch alles: der Kraft des Mannes, dem Johann Christof Krafft, begegnet im Abendrot Grazia, die ruhige Schönheit der Frau, und hilft dem Ungeduldigen zum Einklang, zur letzten Harmonie.

Bisher hat Johann Christof nur zweierlei gehabt, Kampfgefährten und Kampfesfeinde auf seinem weiten Wege nach dem Frieden. In Grazia begegnet er zum erstenmal dem nicht gespannten, nicht aufgereizten, nicht erregten Menschen, der klaren Harmonie, die er unbewußt in seiner Musik seit Jahren sucht. Grazia ist kein brennender Mensch, an dem er sich entzündet, das Feuer ihrer innern Sinnlichkeit ist längst schon gedämpft durch eine leise Lebensmüdigkeit, eine süße Trägheit, aber auch in ihr schwingt jene »Musik der Seele«, die große Güte, die ihm Menschen erst brüderlich macht. Sie treibt ihn nicht weiter fort – er ist ja schon so weit gestürmt, weiß leuchtet das Haar an seinen Schläfen – sie zeigt ihm nur die Ruhe, »das Lächeln des lateinischen Himmels«, in dem seine wieder aufstrebende Unruhe sich endlich leise wie eine Wolke, die gegen Abend hinzieht, verliert. Die wilde Zärtlichkeit, die wie ein Krampf ihn durchschütterte, das Liebesbedürfnis, das elementar im »feurigen Dornbusch« aufloderte und seine ganze Existenz zu vernichten drohte, hier ist es geklärt in der »übersinnlichen Ehe« mit Grazia, der »unsterblichen Geliebten«; irgendein Glanz griechischer Welt zerteilt die Nebel seines deutschen Wesens. An Olivier wird Johann Christof klar, an Grazia milde: Olivier hat ihn mit der Welt versöhnt, Grazia mit sich selbst, Olivier war Virgil, der ihn geleitete durch die Fegefeuer des Irdischen, sie wird die Beatrice, aufdeutend in die Himmel der großen Harmonie: Nie ward der europäische Dreiklang in edleren Symbolen erfaßt, die deutsche dumpfe Wildheit, die französische Klarheit, die milde Schönheit italischen Geistes. In diesem Dreiklang löst sich seine Lebensmelodie. Johann Christof ist nun Bürger der ganzen Welt, heimisch in allen Gefühlen, Ländern und Sprachen, und er kann eingehen in die letzte Einheit alles Lebens: in den Tod.

Es ist eine der stillsten Gestalten des Buches: Grazia, »la linda«; kaum fühlt man sie durch die erregten Welten schreiten, aber ihr Lächeln, ihr sanftes Mona Lisa-Lächeln strömt wie ein transparentes Licht in den beseelten Raum. Ohne sie fehlte dem Werke wie dem Menschen jene große Magie des »Ewig Weiblichen«, die Einkehr zum letzten Geheimnis. Und wie sie schwindet, bleibt noch ein Glanz von ihr zurück, dies Buch des Überschwanges und des Kampfes mit leiser lyrischer Wehmut süß erfüllend und auflösend in eine neue Schönheit: in den Frieden.


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