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Intermezzo scherzoso (»Meister Breugnon«)

»Breugnon, mauvais garçon, tu ris,
n'as tu pas honte? – Que veux tu,
mon ami, je suis, ce que je suis.
Rire ne m'empèche pas de souffrir;
mais souffrir n'empèchera jamais un
bon Français de rire. Et qu'il rie
ou larmoie, il faut d'abord, qu'il
voie«.

Rolland, Colas Breugnon

 

Die Überraschung

Zum erstenmal hat dieses bewegte Leben Rast. Der große zehnbändige Johann-Christof-Roman ist vollendet, das europäische Werk getan: zum erstenmal lebt Romain Rolland außerhalb seines Werkes, frei für neues Wort, neue Gestalten, neues Werk. Sein Schüler Johann Christof ist in die Welt gegangen – als »der lebendigste Mensch, den wir kannten«, wie Ellen Key sagte –, er sammelt Freunde um sich, eine stille und immer wachsende Gemeinde, aber was er verkündet, ist für Rolland schon Vergangenheit. Und er sucht einen neuen Boten für neue Botschaft.

Wieder ist Romain Rolland in der Schweiz, dem geliebten Land zwischen den drei geliebten Ländern, das so vielen seinen Werken günstig gewesen und wo das Werk seiner Werke, der Johann Christof, begonnen und an dessen Grenze es beendet war. Heiterer, stiller Sommer schenkt ihm gute Rast: sein Wille ist ein wenig entspannt; das Wesentliche ist ja getan, lässig spielt er mit verschiedenen Plänen, schon häufen sich die Notizen für einen neuen Roman, für ein Drama aus der geistigen und kulturellen Sphäre Johann Christofs.

Wie so oft bei Romain Rolland, zögert die Hand zwischen den Plänen. Da plötzlich, wie einst vor fünfundzwanzig Jahren auf der Terrasse des Janikulus die Vision des Johann Christof, überfällt ihn jetzt inmitten einiger schlaflosen Nächte eine fremde und doch vertraute Gestalt, ein Landsmann aus Vorväterzeit und stößt alle Pläne mit seiner breiten Gegenwart um. Kurz vorher war Rolland nach Jahren wieder in seiner Heimat, in Clamecy gewesen, seine eigene Kindheit war im Anblick der alten Stadt aufgewacht, unbewußt hat das Gefühl der Heimat in ihm zu wirken begonnen und fordert von ihrem Kinde, das die Ferne geschildert, nun selbst Gestaltung. Er, der mit aller Kraft und Leidenschaft sich aus dem Franzosen zum Europäer emporgerungen und dieses Bekenntnis abgelegt vor der Welt, fühlt nun wieder rechte Lust, für sich selbst auf eine schöpferische Stunde ganz Franzose, ganz Burgunder und Niverneser zu sein. Der Musiker, der in seiner Symphonie alle Stimmen vereinigt, die stärksten Spannungen des Gefühls, sehnt sich nach einem ganz neuen Rhythmus, nach einer Entspannung in die Heiterkeit. Ein Scherzo zu schreiben, ein leichtes freies Werk nach den verantwortungsvollen zehn Jahren, wo er »die Rüstung des Johann Christof um die Seele getragen«, die immer enger ihm gegen das Herz drückt, scheint ihm nun Wollust; ein Werk ganz jenseits von Politik, von Moral, von Zeitgeschichte, göttlich verantwortungslos, eine Flucht aus der Zeit.

Über Nacht fällt der neue Gedanke über ihn her; am nächsten Tage hat er schon in froher Flucht die alten Pläne verlassen, der Rhythmus perlt in tänzerischem Fluß. Und so schreibt zu seinem eigenen freudigen Erstaunen in den wenigen Monaten des Sommers 1913 Romain Rolland seinen heiteren Roman »Colas Breugnon« (»Meister Breugnon«), das französische Intermezzo der europäischen Symphonie.


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