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Da Kaiser Rudolf meist sehr schlecht gekleidet ging, so wurde er oft nicht erkannt. Als er einst sein Hoflager in der Nähe der Stadt Mainz hatte, kam er eines Tages in seinem gewöhnlichen Anzuge in die Stadt. Es war ein kalter Morgen und ihn fror nicht wenig.
Da trat er in das Haus eines Bäckers, um sich ein wenig zu wärmen. Der Bäckermeister war ausgegangen, die Bäckersfrau aber hielt ihn für einen gemeinen Kriegsknecht und schrie ihn mit den Worten an: »Marsch, troll dich fort zu deinem Bettelkönig, der mit seinen Pferden das ganze Land aussaugt!« Rudolf zögerte. Da schrie das Weib: »Wenn du nicht gleich gehst, so gieße ich dir diesen ganzen Kübel Wasser für den Kopf!«, und überhäufte ihn mit den niedrigsten Schimpfreden.
Der Kaiser, der die Frau nicht für so böse hielt, wollte ein Späßchen daraus machen und sagte in trutzigem Tone: »Aber, liebe Frau, was fällt Euch denn ein?« Sofort erfasste sie den dastehenden Kübel und klatsch! Klatsch! Floss dem Kaiser in demselben Augenblick das Wasser über Kopf und Leib. Ein anderer würde jetzt vielleicht einen Kampf mit der Frau begonnen haben – Rudolf aber ging ruhig fort und eilte so schnell als möglich in das Lager zurück, um sich umzukleiden und zu wärmen.
Bei Tisch erzählte er dann mit der ihm eigenen kurzweiligen Art sein Erlebnis und belachte es mit seinen Gästen. Dann nahm er eine Flasche Wein vom Tische und schickte sie mit einer Schüssel voll der besten Speisen durch einen seiner Diener der unfreundlichen Frau zu, nach deren Namen er sich erkundigt hatte. »Geh«, sagte er, »und bring ihr das mit meinem Gruße und sag ihr, de alte begossene Landsknecht von heute Morgen schicke ihr das und ließe sich auch für das erfrischende kalte Bad schönstens bedanken.«
Als die Bäckerin hörte, wer der alte Mann gewesen, wollte sie vor Schreck in den Boden sinken. Sie lief eilend zu dem Lager hinaus und warf sich dem Kaiser, der noch bei Tische saß, zu Füßen, ihn tausendmal um Verziehung bittend.
Rudolf aber hieß sie aufstehen und legte ihr keine andere Strafe auf, als dann sie vor allen anwesenden Herren wiederholen musste, wie sie geschimpft habe. Kein Wort durfte sie vergessen – und wo sie etwas ausließ, da half Rudolf gleich nach. So entstand ein Auftritt, bei dem alle Anwesenden vor Lachen fast vergingen.