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Lorenzo der Alte von Medici war ohne Widerrede gewiß einer, wo nicht der erste der aller vortrefflichsten Männer, nicht nur der selbst tugendhaften, sondern auch der die Tugend hebenden und belohnenden, die da jemals in der Welt gefeiert wurden. Zu seiner Zeit nun befand sich in Florenz ein Arzt namens Meister Manente vom Kirchspiel Sankt Stephan, der mehr durch die Erfahrung als durch Wissenschaft gelehrt worden und, wenn auch in der Tat sehr kurzweilig und spaßhaft, doch so anmaßlich und unverschämt war, daß man es gar nicht mit ihm aushalten konnte. So liebte er unter anderem auch über die Maßen den Wein; er gab sich für einen großen Weinkenner und Weinschmecker aus und pflegte sich oftmals, ohne eingeladen zu sein, bei dem Erlauchten einzufinden. Diesem wurde aber seine Zudringlichkeit und Unverschämtheit allmählich so zum Ekel und Überdruß, daß er ihn nicht mehr vor Augen sehen mochte und sich im stillen vornahm, ihm einen recht auffallenden Streich zu spielen, um sich seiner auf eine Weile und vielleicht für immer zu entledigen.
Er hatte nun eines Abends vernommen, daß Meister Manente in dem Wirtshause zu den »Affen« sich so übernommen habe, daß er nicht mehr auf den Füßen stehen konnte und der Wirt, als er seine Gaststube geschlossen, ihn durch die Kellner unter beiden Armen hinausführen oder besser hinaustragen lassen mußte, nachdem ihn seine Gesellschafter verlassen hatten. Er wurde nun auf eine große Bank vor die Bude bei Sankt Martin niedergelegt, und dort schlief er so fest ein, daß ihn die Bombarden nicht aufgeweckt hätten, und schnarchte wie ein Ratz. Dies schien dem Fürsten die erwünschteste Zeit für seinen Plan. Er tat, als habe er nicht gehört, was jener sprach, der von ihm berichtete, und sei mit anderem beschäftigt, stellte sich, als wolle er zu Bett gehen, denn es war doch schon ziemlich spät; übrigens bedurfte seine Natur wenig Schlaf, und es war immer schon Mitternacht, ehe er zur Ruhe kam. Nun ließ er insgeheim zwei ganz zuverlässige Diener rufen und trug ihnen auf, was sie zu tun hätten. Die Diener gingen sodann mit verhülltem Gesichte und unerkannt aus dem Palaste und nach Lorenzos Auftrage nach Sankt Martin, wo sie auf die zuvor angegebene Weise Meister Manente schlafend fanden. Sie ergriffen ihn, stark und rüstig wie sie waren, stellten ihn aufrecht auf die Erde und vermummten ihn gleichfalls. Dann schritten sie mit ihm, indem sie ihn fast in der Schwebe trugen, von dannen.
Als der vom Weine wie vom Schlafe betäubte Arzt fühlte, daß er hinweggeführt wurde, glaubte er sicher, die Wirtsjungen oder seine Zechbrüder und Freunde brächten ihn nach Hause; so überließ er sich, schläfrig und betrunken, wie nur einer sein konnte, geduldig der fremden Willkür. Die Diener drehten sich mit ihm eine Weile in Florenz umher, kamen zuletzt in den Palast der Medici und traten vorsichtig, um von niemandem bemerkt zu werden, durch eine Hintertür in den Hof, wo sie den Erlauchten ganz allein fanden, der sie mit unaussprechlicher Heiterkeit erwartete. Sie stiegen die ersten Treppen miteinander empor in einen Zwischenstock inmitten des Hauses und begaben sich in ein ganz geheimes Zimmer. Dort legten sie Meister Manente auf Lorenzos Befehl auf ein aufgeschütteltes Federbett und kleideten ihn ganz leise aus bis aufs Hemd, so daß er es kaum spürte. Es sah nun aus, wie man einen Toten auszieht. Sie nahmen alle seine Kleider mit und ließen ihn liegen hinter wohlverschlossener Tür.
Der Erlauchte befahl seinen Dienern nochmals reinen Mund zu halten, hob die Kleider des Arztes auf und schickte sogleich nach dem Possenreißer Monaco aus, der besser als irgend jemand in der Welt alle Personen in der Rede nachmachen konnte. Sobald dieser vor ihm erschien, führte ihn Lorenzo in sein Schlafzimmer, entließ seine Diener zur Ruhe und setzte dem Monaco auseinander, was er von ihm ausgeführt wünsche, worauf er selbst wohlgemut zu Bette ging.
Monaco nahm alle Kleider des Arztes zusammen, schlich sich heimlich nach dem Hause zurück, zog die seinigen aus und kleidete sich von Kopf bis zu Fuß in erstere; worauf er sich, ohne jemand ein Wort zu sagen, entfernte und, als schon überall die Frühmette geläutet wurde, nach dem Hause Meister Manentes ging, der damals in der Grabengasse wohnte. Da es September war, hatte er seine Familie aufs Land nach Mugello geschickt, nämlich seine Frau, ein Knäbchen und die Magd; er selbst war allein in Florenz geblieben und kam nur nachts zum Schlafen nach Hause, denn er speiste immer im Gasthause mit Gesellschaft oder im Hause seiner Freunde. Sowie nun der als Meister Manente verkleidete Monaco bei dessen Hause angekommen war, holte er den Schlüssel aus der Tasche, schloß ohne Beschwerde die Tür auf, verschloß sie wieder hinter sich und legte sich, munter und guter Dinge darüber, dem Erlauchten dienstlich zu sein und zu gleicher Zeit den Arzt zu prellen, zu Bette.
Indessen kam der Tag. Als Monaco bis zur dritten Stunde nach Sonnenaufgang geschlafen hatte, sprang er von seinem Lager auf, zog die Kleider des Arztes an und einen langen Hausrock über das Wams, setzte sich einen großen Hut auf den Kopf und rief, des Arztes Stimme nachahmend, von dem nach dem Hofe zu gehenden Fenster aus einer seiner Nachbarinnen zu, er fühle sich ein wenig unpaß, er habe etwas Schmerzen am Halse, den er sich wohlweislich mit Werg und Fettwolle umwickelt hatte. Die Stadt Florenz stand eben damals im Verdachte, von der Pest angesteckt zu sein, die bereits in einigen Häusern in den letzten Tagen sich gezeigt hatte. Die Nachbarin erkundigte sich daher erst vorsichtig, was er von ihr fordere. Monaco bat sie um ein paar frische Eier und um ein wenig Feuer und empfahl sich ihr. Dann stellte er sich mit Worten und Gebärden, als könne er nicht mehr aufrecht bleiben, und entfernte sich vom Fenster. Die gute Frau holte Eier und Feuer herbei, rief ihrem Nachbar mehrmals und tat ihm zu wissen, daß sie ihm beides vor die Tür nach der Straße stellen werde, und vollbrachte es. Dreist, als ob er Meister Manente wäre, ging Monaco, mit seinem langen Hausrocke bekleidet und mit dem großen in die Augen gedrückten Hute bedeckt, an den Eingang, nahm die Eier und das Feuer auf und schlich damit ins Haus zurück, wie wenn er sich nicht mehr auf den Beinen erhalten könnte; und den Hals hatte er dabei über und über verbunden, so daß ihn alle Nachbarn, die ihn sahen, zu ihrem Leidwesen schon ganz mit Pestbeulen bedeckt glaubten.
Das Gerücht von diesem Vorfalle verbreitete sich plötzlich in der Stadt und zog denn auch einen Bruder von Meister Manentes Frau, der ein Goldschmied namens Niccolajo war, im Fluge herbei, um sich zu erkundigen, wie die Sache stehe. Er pochte an die Tür, pochte abermals, erhielt aber keine Antwort, weil Monaco seine guten Gründe hatte, nicht darauf zu hören. Hingegen bestätigte ihm die ganze Nachbarschaft, daß der Arzt ohne Zweifel die Pest habe. In diesem Augenblick ritt Lorenzo wie von ungefähr in Gesellschaft vieler Edelleute die Straße entlang und fragte, als er hier Leute beisammenstehen sah, was das bedeute. Der Goldschmied antwortete, man befürchte sehr, Meister Manente möchte von der Pest angesteckt sein. Der Erlauchte sprach, es werde wohlgetan sein, dem Kranken einen Wärter beizugeben, und ließ dem Niccolajo eröffnen, er solle in seinem Namen nach Santa Maria Nuova gehen und sich für Messere einen tüchtigen und erfahrenen Mann geben lassen. Der Goldschmied machte sich eiligst auf den Weg, richtete dem Spitalverwalter seinen Auftrag aus und erhielt sofort einen Wärter, den Lorenzo bereits in sein Geheimnis gezogen und zu dem, was er zu tun habe, abgerichtet hatte. Lorenzo der Erlauchte war indessen ab- und zugeritten und erwartete sie an der Ecke der Allerheiligenstraße; dann ritt er ihnen entgegen, tat, als schließe er den Mietvertrag mit dem Wärter ab, und empfahl ihm Meister Manente auf das dringendste. Er ließ ihn ins Haus treten, nachdem er die Tür durch einen Schlosser hatte öffnen lassen.
Nach einer kleinen Weile trat der Wärter an das Fenster und rief heraus, der Arzt habe eine Pestbeule am Halse so groß wie ein Pfirsich, er könne sich nicht vom Bette erheben und biege halbtot da; er werde ihm jedoch alle mögliche Hilfe leisten. Lorenzo beauftragte den Goldschmied, für ihn und den Kranken Speise herbeizuschaffen, ließ das Pestzeichen an das Haus befestigen und ritt seines Wegs, indem er in Worten und Gebärden nun reges Mitleid mit dem Arzte an den Tag legte. Der Krankenwärter ging zum Monaco hinein, der vor Lust und Lachen fast bersten wollte. Der Goldschmied brachte Essen in Menge, im Hause selbst fanden sie Pökelfleisch und zapften ein Fäßchen trefflichen Wein an und hielten so für den Abend einen wahrhaft päpstlichen Schmaus. Unterdessen hatte Meister Manente die Nacht und den folgenden Tag ununterbrochen geschlafen und wußte, als er sich bei seinem Erwachen im Bett und im Dunkeln wiederfand, sich nicht zu besinnen, wo er sei, zu Hause oder anderswo. Bei sich selbst darüber nachdenkend, erinnerte er sich endlich, wie er in den »Affen« zuletzt mit Burchiello, mit dem Succia und mit dem Makler Biondo getrunken hatte, darauf eingeschlafen und nach seinem Dafürhalten nach Hause gebracht worden war. Er sprang aus dem Bette, tastete vorsichtig nach einem Fenster rings umher, fand aber keines, wo er glaubte, es müsse eines sein; so tappte er denn fort, bis er die Tür eines Abtritts fand. Dort entleerte er die Flüssigkeit, wozu es ihn sehr drängte, und verrichtete seine Notdurft, drehte sich dann wieder in dem Gemache umher und kehrte endlich voll Angst und Erstaunen in das Bett zurück, denn er wußte gar nicht mehr, ob er in dieser oder in der andern Welt lebte. Er durchlief in seinem Gedächtnisse alles, was ihm begegnet war, von neuem; da ihm aber allmählich der Hunger zu kommen anfing, fühlte er sich mehrmals versucht zu rufen. Doch hielt ihn die Angst zurück, er schwieg und wartete ruhig zu, was aus ihm werden sollte.
Lorenzo hatte unterdessen bereits die Anordnung zu weiterer Durchführung seines Planes getroffen; er steckte heimlich die beiden Diener in weiße Mönchskutten, die bis auf den Boden reichten, und setzte ihnen einen großen Kopf auf nach Art derer in der Knechtegasse, die aussehen als lachten sie: solche setzte er ihnen aufs Haupt oder eigentlich auf die Schultern auf; die Köpfe wie die Mönchskutten nahm er aus der Kleiderkammer, worin unzählige andere der verschiedensten Gattung sich befanden, und ebenso Masken, die zum Fasching gedient hatten; einer hatte ein bloßes Schwert in der rechten Hand und in der linken eine große weiße brennende Kerze; der andere trug zwei Flaschen guten Wein bei sich und in ein Tuch gewickelt zwei Paare Brot und zwei dicke kalte Kapaunen, ein Stück Kalbsbraten und Obst nach Maßgabe der Jahreszeit. So mußten sie leise in das Zimmer treten, in dem der Arzt eingeschlossen lag. Da nun die Kammer von außen verschlossen wurde, schoben sie mit großem Ungestüm den Riegel weg, rissen die Tür auf, traten ein und verschlossen plötzlich den Eingang hinter sich. Der mit dem Schwerte und der Fackel stellte sich hart an die Tür, damit der Arzt nicht etwa hinlaufe und sie öffne.
Als Meister Manente die Tür berühren und den Riegel wegschieben hörte, schauderte er zusammen und setzte sich im Bette auf; als er aber die seltsam gekleideten Gestalten eintreten und in der Hand des einen ein Schwert blitzen sah, wurde er von solchem Staunen und Entsetzen übermannt, daß ihm der Schrei, den er ausstoßen wollte, in seinem Munde erstarb und er in Todesangst wie festgewurzelt erwartete, was mit ihm geschehen solle. Gleich darauf aber sah er, daß der andere, der die Eßwaren trug, das Tuch auf einem dem Bette gegenüberliegenden Tische ausbreitete und sodann Brot, Fleisch, Wein, Flaschen und die übrigen Leckerbissen darauf stellte und ihm mit einem Winke bedeutete, zuzugreifen. Der Arzt, der den Hunger leibhaftig vor sich gesehen, stand nunmehr stracks auf und fuhr im Hemd und ohne Unterkleider, wie er war, auf die Lebensmittel los; jener aber zeigte ihm auf einen Schlafrock und ein Paar Pantoffeln, die auf einem Ruhebette lagen, und bedeutete ihm, beides anzulegen, worauf Meister Manente dann mit dem besten Appetite von der Welt sich über das Essen hermachte. Mit Blitzesschnelle öffneten nun die beiden Gestalten die Tür, glitten aus dem Gemach, schoben den Riegel vor und ließen jenen ohne Licht zurück. Sodann zogen sie sich aus und erstatteten dem Erlauchten ausführlichen Bericht.
Meister Manente fand seinen Mund auch in der Dunkelheit mit seinen Kapaunen und dem Kalbsbraten, trank aus der Flasche und lüpfte ganz erstaunlich, indem er bei sich selbst sprach: »Es geht mir doch nicht gar zu schlimm. Sei es wie es will, so viel weiß ich, wenn ich sterben muß, so will ich heute nicht mit leerem Magen sterben.« Er legte die Überbleibsel seiner Mahlzeit, so gut es gehen wollte, in das Tischtuch zusammen und kehrte in sein Bett zurück, wobei es ihm doch seltsam vorkam, so allein im Dunkeln zu sein, ohne zu wissen, wo und wie und von wem er hierhergebracht worden war, und wann er von hier loskommen werde. Doch wenn er sich der lachenden Karnevalsmasken erinnerte, so mußte er auch lachen, denn das schmackhafte Essen war ihm ganz recht gewesen, und er lobte vornehmlich den guten Wein, von dem er nicht viel weniger als eine Flasche ausgestochen hatte. Des festen Glaubens, es sei alles nur ein von seinen guten Freunden angelegter Schwank, überließ er sich der Hoffnung, über lang oder kurz das Licht des Tages wieder zu erblicken, und in diesen angenehmen Vorstellungen versank er in Schlaf.
Am Morgen trat der Krankenwärter beizeiten an das Fenster und rief offen den Nachbarsleuten und dem Goldschmied zu, der Meister habe die Nacht über leidlich geschlafen; die Pestbeule komme heraus, er unterstütze ihn mit Mehlumschlägen und habe die beste Hoffnung. Als es nun Abend wurde, fand der Erlauchte zur Fortsetzung seines Scherzes die beste Gelegenheit, und ein Vorfall kam ihm zustatten, worauf er dem Monaco und dem Krankenwärter zu wissen tun ließ, was sie zu tun hatten. Es war nämlich an diesem Tage um die dritte Morgenstunde ein Roßkamm, der sich Franciosino nannte, indem er auf dem Platz von Santa Maria Novella ein Pferd zuritt und galoppieren ließ, mit ihm gestürzt und hatte durch einen mir nicht näher bekannten Umstand dabei den Hals gebrochen, während das Pferd nicht den mindesten Schaden nahm. Die Leute eilten hinzu, um ihm aufstehen zu helfen, fanden aber, daß er bereits das Bewußtsein verloren hatte. Man nahm ihn daher auf und trug ihn in das nahegelegene Hospital von San Pagolo; dort zog man ihn aus, um zu sehen, ob man ihn wieder zum Leben bringen könne, fand ihn aber tot und das Genick gebrochen. Daher machte man die wenigen Kleider, die er auf dem Leibe gehabt, zu Geld, und einige Freunde übergaben ihn als Fremden den Brüdern von Santa Maria Novella, um ihn nach der Vesper zu beerdigen. Diese brachten ihn in eines der Gräber außen unter der Treppe, der Haupttür der Kirche gegenüber. Monaco und sein Gesellschafter hatten von der Willensmeinung Lorenzos Kunde erhalten: um das Ave Maria trat der Wärter an das Fenster und rief, der Arzt habe einen so bedenklichen Anfall bekommen, daß er alle Hoffnung aufgebe; die Pestbeule verenge ihm dergestalt den Hals, daß er kaum zu Atem kommen könne, geschweige denn zu reden imstande sei. Deshalb erschien der Goldschmied am Hause und wünschte seinen Schwager doch noch ein Testament machen zu lassen. Der Wärter gab ihm aber zu bedenken, daß dies jetzt doch nicht wohl tunlich sei, und so wurden sie einig, den Kranken des andern Morgens, wenn er sich bis dahin nicht gebessert habe, beichten und kommunizieren und seinen letzten Willen aufsetzen zu lassen.
Indessen kam die Nacht, und als zwei Dritteile derselben vorüber waren, gingen die zwei Diener heimlich im Auftrage des Erlauchten auf den Kirchhof von Santa Maria Novella, nahmen den Franciosino aus dem Grabe, in das er kurz zuvor gebracht worden war, und trugen ihn auf dem Rücken in die Grabenstraße in das Haus des Meister Manente. Monaco und der Wärter harrten an der Türe, nahmen ihn stille ab und brachten ihn hinein; die Stallknechte aber entfernten sich wieder, ohne von jemand gesehen worden zu sein. Monaco und der Wärter machten ein großes Feuer an, tranken wacker und machten dem Toten ein Kleid von schöner neuer Leinwand. Sodann verbanden sie ihm den Hals mit gesalbtem Werg, machten ihm durch Draufschlagen ein geschwollenes blaues Gesicht und legten ihn ausgestreckt auf einen Tisch im Erdgeschosse nieder. Auch setzten sie ihm ein großes Barett auf, das Meister Manente zu Ostern zu tragen pflegte, bedeckten ihn über und über mit Pomeranzenblättern und gingen schlafen. Der Tag aber war nicht so bald erschienen, als der Wärter unter Tränen der Nachbarschaft und den Vorübergehenden kundtat, wie Meister Manente gegen Tagesanbruch aus diesem irdischen Leben dahingeschieden sei. Die Nachricht verbreitete sich augenblicklich durch ganz Florenz; als daher der Goldschmied es vernommen, lief er eilends hin und vernahm von dem Wärter den ganzen Hergang umständlich; und da nun keine andere Hilfe war, beschlossen sie, ihn am Abend zu bestatten. Der Goldschmied ließ es dem Gesundheitsamte anzeigen, und so warteten sie bis dreiundzwanzig Uhr, das ist eine Stunde vor Sonnenuntergang, nachdem sie auch die Brüder von Santa Maria Novella und die Priester von San Pagolo benachrichtigt hatten, bis zu der festgesetzten Zeit jeder an seinem Platze war. Mönche und Weltgeistliche zogen ein Stück Weges voraus; dann kamen die Pestleichenträger in ziemlicher Entfernung und nahmen aus dem Unterstock des Hauses den Roßkamm Franciosino anstatt des Arztes Meister Manente, wofür sie ihn unzweifelhaft hielten sowie alle, die ihn sahen, obgleich allgemein behauptet wurde, er sei sehr entstellt; man dachte aber, das komme von der Krankheit, und einer sagte zum andern: »Sieh doch zu, wie der Flecken im Gesichte hat. Es hat ihm doch recht mitgespielt, das muß ich sagen.«
Die Mönche und Priester schritten nun singend in die Kirche, um die heiligen Gebräuche zu vollziehen; die Träger aber warfen in das erste Grab, das sie an der Treppe fanden, kopfüber den Toten hinab, verschlossen es so schnell als möglich wieder und gingen an ihre Geschäfte zurück. Dem ganzen Leichenbegängnisse hatten aus der Ferne Tausende zugesehen, die sich die Nasen zuhielten, an Essig, Blumen und Kräutern rochen und die feste innerliche Überzeugung nährten, daß Meister Manente vor ihren Augen zur Erde bestattet worden sei. Seine Gestalt war auch um so leichter nachzuahmen, weil dazumal jedermann mit geschorenem Barte ging, und da man die Leiche aus seinem Hause herauskommen sah und mit dem Hute, der ihm das halbe Gesicht bedeckte, zweifelte niemand an der Sache. Als nun der Tote aus dem Hause entfernt und beerdigt war, empfahl der Goldschmied das Haus und die Habe dem Wärter und ging hin, um ihm ein Nachtessen zu schicken, und zwar ein gutes, damit er mit um so größerem Eifer und Liebe seine Schuldigkeit tue. Dann sandte er einen Eilboten an seine Schwester mit der Nachricht, ihr Mann sei schon gestorben und begraben, sie möge also nicht nach Florenz kommen, sondern ihm und seiner Besorgung Haus und Eigentum allein übergeben, im übrigen sich trösten und zufrieden leben, um nur auf die Erziehung ihres Söhnleins Bedacht zu nehmen.
Beim Anbruch der Nacht und nachdem sich Monaco mit Speise und Trank gütlich getan, wobei er sich sehr in acht nahm, nicht gesehen zu werden, ließ er den Diener allein und schlich sich ganz leise nach Hause. Am folgenden Tage besuchte er Lorenzo; sie lachten miteinander über den Streich, der ihnen so wunderbar gelungen war, und trafen die ferneren Anordnungen, um ihn zu Ende zu führen.
So gingen vier bis sechs Tage hin, während welcher indes nicht versäumt worden war, dem Arzte morgens und abends durch die zwei Verkleideten mit den großen, immer auf gleiche Weise lachenden Köpfen reichliches Essen zu schicken. Eines Morgens nun, vier Stunden vor Tag, wurde auf Befehl des Erlauchten das Zimmer von den zwei Großköpfen geöffnet und der Arzt zum Aufstehen bewogen. Durch Gebärden nötigten sie ihn, ein Kamisol von rotem Wollenzeug und ebenso ein Paar lange Hosen nach Matrosenart aus demselben Stoffe anzuziehen und eine griechische Mütze aufzusetzen, legten ihm sodann Handschellen an, warfen ihm den Regenmantel über den Kopf und wickelten ihn darein, so daß er keinen Stich mehr sah. In dieser Vermummung führten sie ihn aus dem Zimmer und geleiteten ihn in den Hof; er war aber so bekümmert und voll Herzensangst, daß er zitterte, als hätte er das Fieber. Dann hoben sie ihn auf und legten ihn in eine Sänfte, die von zwei sehr rüstigen Maultieren getragen und so gut verschlossen wurde, daß von innen nicht geöffnet werden konnte. Nun ging es auf und davon nach dem Kreuztore: die zwei Stallknechte in ihrer gewöhnlichen Tracht machten die Zugführer; bei ihrer Ankunft wurde das Tor plötzlich geöffnet, und sie zogen lustig ihres Weges weiter.
Meister Manente fühlte sich getragen, ohne zu wissen, von wem und wohin, weshalb er in Angst und großem Erstaunen war. Als er aber später, sobald es Tag ward, die Stimme der Landleute und den Trott der Tiere vernahm, war er im Zweifel, ob er träume; doch nahm er sich vor, guten Muts zu sein, und sprach sich selber tröstend zu. Die Diener aber redeten nichts, was man hören konnte, und gingen weiter, ruhten aus und aßen, wenn es ihnen gelegen war, und richteten sich so ein, daß sie gerade um Mitternacht in der Einsiedelei von Camaldoli ankamen. Der Guardian empfing sie freundlich an der Pforte, ließ die Sänfte ein und begab sich mit ihnen, nachdem sie die Maultiere in den Stall gebracht hatten, durch sein Zimmer in ein kleines Nebengemach und von dort durch eine Schreibstube in einen kleinen Saal, wo der Guardian das Fenster hatte vermauern lassen, und das mit einem kleinen Bette, einem Tische und Schemel, auch einem Kamine und einer andern Notwendigkeit versehen war. Das Zimmerchen ging auf einen sehr hohen einsamen Abhang, wohin sich weder Menschen noch Tiere jemals verirrten; es war an dem entlegensten Teile des Klosters. Man hörte von dort niemals ein Geräusch, außer von Wind und Gewitter, und manchmal das Glöcklein, das zum Ave Maria oder zur Messe läutete oder die Klosterbrüder zur Mittags- und Abendmahlzeit rief. So schien es den Knechten zu ihrem Vorhaben sehr tauglich zu sein. Sie gingen in das Gastzimmer zurück, wo sie den Tragsessel hatten stehen lassen, zogen den Arzt, halbtot vor Hunger und Durst, durch die Ermüdung und Angst in einem Zustande, daß er sich kaum auf den Füßen halten konnte, hervor, wickelten ihm den Kopf abermals ein und schleppten ihn in das für ihn eingerichtete Gemach, wo sie ihn auf seine Lagerstatt absetzten und ihn, ohne ihm jedoch die Handschellen abzunehmen, sich selbst überließen. Darauf entfernten sie sich und begaben sich nach dem Zimmer des Guardians, wohin auf ihr Gebot sogleich zwei Laienbrüder kamen, um durch Anschauung den vollständigen Unterricht darüber zu erhalten, was sie in Beziehung auf die fernere Obhut und Bedienung des Meisters Manente zu tun hätten, wozu sie indes von dem Erlauchten besondere Weisung erhalten hatten.
Die Diener hatten indessen die Kleider angezogen, die sie früher getragen hatten, nebst den lachenden Köpfen, mit dem Schwerte, der Fackel, kurz, ganz mit demselben Aufzug, den sie in Florenz gehabt hatten. So überbrachte man dem Arzt ein reichliches Abendessen, das der Bruder hatte zurüsten lassen. Sobald Meister Manente die zwei Großköpfe in der gewohnten Weise erscheinen sah, erheiterte er sich vollständig. Sobald der Truchseß die Speisen auf den Tisch gestellt hatte, ging er auf ihn zu, nahm ihn die Handfesseln ab und bedeutete ihm, sich in gewohnter Weise zu verhalten. Voll Hunger und Durst stürzte sich Meister Manente wie ein Taucher auf den Boden herab und verschlang, was er Eßbares und Trinkbares vorfand. Die beiden aber öffneten die Tür, gingen sogleich wieder weg und ließen ihn im Dunkel zurück. Um alles mit anzusehen, waren die Laienbrüder auf den oberen Boden gegangen, hatten ganz leise einen Backstein ausgehoben und durch die Öffnung alles einzelne, was unten vorging, genau gesehen. Dann gingen sie dahin, wo die Knechte waren, die sich auszogen und jenen die Kleider nebst den andern Siebensachen übergaben. Sodann aßen diese und erfrischten sich, und da sie ganz müde und schlaftrunken waren, gingen sie zur Ruhe. Des andern Morgens aber, nachdem die Knechte ausgeschlafen und ihr Frühstück eingenommen hatten, ermahnten sie nochmals den Guardian und die Laienbrüder, wenn sie dem Gefangenen morgens und abends seine Lebensmittel bringen, ja genau immer dieselben Gebräuche zu beobachten; dann nahmen sie Abschied und traten mit ihrer Sänfte den Rückweg an nach Florenz, wo sie dem Erlauchten zu seiner großen Freude und Erheiterung ausführlich über alles einzelne Bericht abstatteten.
Unterdessen hatte der Krankenwärter seine Pestwache beendigt, war, von dem Goldschmied bezahlt, nach Santa Maria Nuova zurückgekehrt und hatte Haus und Habe Manentes jenem wieder übergeben. Meister Manentes Gattin kam in Witwenkleidern nach Florenz zurück; sie betrauerte mit ihrem Söhnchen und ihrer Magd einige Zeit den Tod des Gatten und lebte in ziemlicher Behaglichkeit.
Die Laienbrüder brachten jeden Abend und jeden Morgen, wie sie es gesehen hatten, zu gewissen Stunden dem Arzte zu essen, und dieser beschäftigte sich, da er nichts Besseres zu tun wußte, mit nichts anderem, als seinen Bauch zu füllen und zu schlafen, und sah niemals Licht, als wenn jene ihm die Nahrung brachten. Er konnte sich nicht vorstellen, wo er war, noch wer seine Diener waren; er fürchtete, in irgendein verzaubertes Schloß geraten zu sein. So tat er nichts als essen und trinken in Fülle und träumen und, wenn er wachte, Luftschlösser bauen.
Um diese Zeit begab es sich, daß Lorenzo, wegen sehr wichtiger Angelegenheiten des Staates und der städtischen Verwaltung, aus Florenz sich entfernen mußte; es dauerte ein paar Monate, bis er zurückkam, und hernach war er wieder mit höchst dringenden Angelegenheiten beschäftigt, so daß er einige Zeit gar nicht mehr an Meister Manente dachte, bis er eines Tages zufällig einen der Camaldolenser Mönche vorüberreiten sah, welche die Geschäfte des Klosters besorgen. Da fiel ihm denn plötzlich der Arzt ein. Der Erlauchte ließ den Mönch rufen und gab ihm, da er von ihm hörte, er gehe am nächsten Morgen nach der Einsiedelei zurück, einen Brief, mit dem Auftrage, ihn in seinem Namen dem Guardian zuzustellen. Der Mönch übernahm das Schreiben ehrfurchtsvoll und versprach, es richtig zu bestellen, was er seiner Zeit und seines Ortes tat.
Es war bis dahin mancherlei Neues vorgefallen. Zuerst hatte sich Manentes Weib nach sechsmonatlicher Witwenschaft abermals verheiratet an einen Goldschmied Michelagnolo, den Genossen ihres Bruders Niccolajo, der ihr sehr dazu zugesprochen, ja sie inständig gebeten hatte, weil dadurch dann der Gesellschaftsvertrag auf zehn Jahre befestigt wurde. Darauf war Michelagnolo zu ihr ins Haus gezogen und mit dem Vormunde eins geworden, die Erziehung des Knaben zu besorgen. Von dem Hausgeräte hatte er ein Inventar aufnehmen lassen und führte ein Leben voller Freude mit seiner Brigida – so hieß die Frau –, die sich bereits von ihm schwanger fühlte.
Der Guardian hatte wohl gehört, daß der Erlauchte verreist sei; da er ihm aber keine andern Verhaltungsbefehle zugesandt, folgte er der bisherigen Ordnung; und da Meister Manente, als die Kälte eintrat, sich sehr unbehaglich fühlte, versah er ihn mit Kohlen, von denen er durch die ihm aufwartenden Großköpfe einige Säcke hintragen und in einen Winkel des Gemaches werfen ließ. Dann wurde ihm der Kamin angezündet und er mit Pantoffeln und Kleidern zum Anziehen und für das Bett versehen. Ferner ließ er die Decke oben durchbrechen und ihm ein Lämpchen herabhängen, das Tag und Nacht brennend unterhalten wurde, so daß es ihm das Zimmer einigermaßen erhellte. So unterschied der Arzt wenigstens, was er aß, und sah, was er tat; und um einigermaßen die Unbekannten zu belohnen, die ihm diesen Vorteil zuwandten, sang er manchmal seine Trinklieder, die er am feuchten Tische einst mit seinen Zechbrüdern zu singen pflegte, und dichtete manchmal aus dem Stegreife; und da er eine schöne Stimme und eine gute Aussprache hatte, sagte er oftmals Stanzen her aus Lorenzos neu erschienenen »Liebeswäldern«, womit er den Laienbrüdern und dem Guardian, die ihn allein hören konnten, das größte Vergnügen bereitete. Auf diese Weise vertrieb er sich die Zeit, so gut er konnte, und hatte die Hoffnung fast ganz aufgegeben, jemals wieder das Sonnenlicht zu schauen. Indessen kam der, welcher dem Pater Guardian den Brief des Erlauchten überbrachte, woraus er den Willen und die Anordnung Lorenzos vollständig erfuhr; er befahl den Laienbrüdern desselbigen Tages, in der folgenden Nacht zwei bis drei Stunden vor Tag ihn hinwegzuführen, und sagte ihnen, wie und wohin und in welchem Zustande sie ihn verlassen sollten. Als es nun Zeit war, kleideten sich diese in der gewohnten Weise an, gingen zu dem Arzte, hießen ihn aufstehen und brachten ihn mit Gebärden dahin, sich in Matrosentracht anzuziehen. Dann legten sie ihm die Handschellen und einen schlechten Mantel an mit einer Kapuze, die bis aufs Kinn ging, und führten ihn hinweg. Diesmal dachte Meister Manente, das Ziel seines Lebens sei gekommen, er habe nun den letzten Bissen Brot gegessen. Über die Maßen betrübt, ließ er sich, um nicht noch schlimmer anzukommen, von jenen führen, welche zwei Stunden oder noch länger stark gingen über Stock und Stein immer weiter, bis sie in die Nähe von Vernia kamen, wo sie den Arzt an den Stamm einer sehr hohen Tanne in einem tiefen Tale mit Zaunrüben anbanden, ihm sodann den Mantel und die Handschellen abnahmen und den Hut tief in die Augen drückten. So ließen sie ihn an den Baum gebunden und flohen mit Windeseile von dannen und auf dem kürzesten Wege, wiewohl sie ihre Fackel ausgelöscht hatten, zurück nach Camaldoli, ohne daß jemand sie bemerkt hatte.
Allein geblieben und nur schlaff und lose gebunden, spitzte Meister Manente eine Zeitlang in ängstlicher Besorgnis die Ohren, und da er nicht das mindeste Geräusch mehr um sich hörte, fing er allmählich an, die Hände an sich zu ziehen, indem er sich von seinen leichten Fesseln ohne Schwierigkeit befreite. Ebenso schob er den Hut vor seinen Augen hinweg, schlug sie empor und erblickte zwischen den Bäumen hindurch ein Stück des gestirnten Himmels, woraus er sich zu seiner größten Freude und Verwunderung überzeugte, im Freien und außerhalb des Kerkers zu sein. Er ließ die Augen umherschweifen und schaute genauer aus, denn schon begann es Tag zu werden. Da sah er die Tannen um sich her und das Gras unter seinen Füßen: so hielt er sich überzeugt, in einem Walde zu sein. Er erwartete indessen noch immer etwas Neues und Ungewöhnliches und blieb daher still und regungslos auf seinem Platze stehen und hatte kaum den Mut zu atmen, um nur nicht gehört zu werden; denn er meinte noch fortwährend, die lachenden Larven sich auf der Haube zu sehen, wie sie ihm wieder die Handfesseln anlegen und ihn von dannen führen wollen. Erst als es heller lichter Tag um ihn ward, die Sonne mit ihren leuchtenden Strahlen schon jedes Dunkel durchdrang und er weder Menschen noch Tiere in seiner Umgebung sah, faßte er das Herz, auf einem schmalen Fußpfade die steile Anhöhe vor sich emporzuklimmen, um aus diesem Tale wegzukommen, und war nun endlich seiner Sache gewiß, wieder in die Welt eingetreten zu sein. Er war nicht über eine Viertelmeile weit gegangen, so hatte er den Gipfel des Berges erreicht und kam auf eine sehr besuchte Straße, auf der er einen Fuhrmann einherkommen sah mit drei mit Getreide beladenen Mauleseln. Er ging ihm rasch entgegen und fragte ihn nach der Gegend und wie der Ort heiße, an dem er sich befinde. Der Mauleseltreiber antwortete rasch, es sei die Vernia, und fügte hinzu: »Was Teufels, bist du blind? Siehst du nicht dort San Francesco?«
Dabei wies er auf die Kirche, die am Berge stand und nicht viel über zwei Armbrustschußweiten von ihnen weg lag. Meister Manente dankte ihm, fühlte sich nun sogleich wieder in der Gegend zu Hause, die er mit seinen Freunden öfters zum Vergnügen besucht hatte, und pries und lobte Gott, indem er die Hände zum Himmel emporhob und sich wie neugeboren fühlte. Er schlug den Weg zur Rechten ein und ging in seinem roten Fischeranzuge stracks auf das Kloster zu, wo er frühzeitig ankam und einen Mailänder Edelmann antraf, der in Gesellschaft eines andern Mailänders mit Pferden und Dienern aus Florenz gekommen war, um diesen heiligen Ort zu besuchen, an dem der andächtige San Francesco Buße getan hatte. Am vergangenen Abende aber hatte er ausgleitend sich den Fuß aufgeschlagen und verrenkt und sodann durch eine zugetretene Erkältung sich in der Nacht eine Geschwulst und solche Schmerzen zugezogen, daß er sich am Morgen weder regen noch die geringste Berührung dieses Gliedes ertragen konnte, so daß er sich gezwungen sah, das Bett zu hüten. Auf Anraten der Mönche wollte er eben nach Bibbiena schicken, um einen Arzt kommen zu lassen, als Meister Manente mit einem Gruße vor sie trat und, nachdem er sich die Ursache des Übels des Edelmanns hatte sagen lassen, die Brüder versicherte, sie hätten nicht nötig, anderwärts nach Ärzten auszusenden, denn er getraue sich, den Edelmann in einer halben Viertelstunde von seinen Schmerzen zu befreien und bis zum andern Morgen gänzlich wiederherzustellen.
Wenn auch Meister Manente für einen Arzt in einem seltsamen Aufzuge erschien, so flößte sein Äußeres wie seine Rede dem Mailänder dennoch Vertrauen ein. Er ließ sich daher von den Brüdern Rosenöl und Myrtenpulver bringen, bestrich ihm die offene Wunde, richtete das ausgerenkte Bein ein, salbte ihn aufs beste, bepulverte ihm den Fuß und verband ihn sehr fest, so daß der Schmerz sogleich aufhörte und der Kranke die Nacht über ruhig schlief, während er in der vergangenen Nacht kein Auge hatte zutun können. Am kommenden Morgen stand er auf und fand sich so frei, daß er nicht nur den Fuß auf den Boden setzte, sondern selbst leicht umhergehen konnte. Er ließ sich daher die Pferde satteln, trank mit den Mönchen, schenkte dem Arzte zwei Dukaten und begab sich auf den Rückweg nach Florenz.
Der vergnügte Meister Manente nahm gleichfalls die Gastfreundschaft der Mönche in Anspruch, verabschiedete sich sodann von ihnen und schlug den Weg nach Mugello ein, um auf sein Landgut zu gelangen, das er nach einem rüstigen Marsche abends im Augenblicke des Sonnenuntergangs erreichte. Er rief nun seinen Bauern laut bei Namen, erhielt aber von einem kleinen Jungen die Antwort, derselbe sei jetzt auf einer andern, eine gute Strecke entfernten Meierei. Dem Arzte kam diese Antwort wunderlich vor, und er konnte sich nicht darüber beruhigen, daß seine Frau ohne seine Zustimmung den Mann verabschiedet und das Gut anderweit verpachtet habe; er sagte auch zu dem Burschen, er solle seinen Vater herbeirufen, und setzte diesem auseinander, wie er ein großer Freund seines Gebieters sei und ihn bitte, für die Nacht ihm ein Unterkommen zu gewähren. Da ihn der Landmann aber auf diese Weise gekleidet sah, faßte er Verdacht und beantwortete nicht sogleich sein Verlangen. Indessen wußte Meister Manente den Zweifelhaften so gut zu überreden und zu beschwichtigen, daß er es am Ende zufrieden war und ihn aufnahm; besonders tröstete es ihn, daß er keine Waffen bei ihm wahrnahm; doch hatte er sich vorgenommen, ihn hinten in die Hütte zu verweisen. Er nahm ihn also ins Haus, der Tisch wurde gedeckt, und sie hielten eine magere Abendmahlzeit. Entschlossen, sich nicht zu entdecken, richtete Meister Manente durchaus keine Fragen in betreff des Gutes und seines Weibes an den Bauer; da er aber auf einem Brette ein Schreibzeug und Papier erblickte, denn der Pächter war zugleich der Schulze der Gemeinde, so forderte er Schreibzeug, und es wurde ihm gebracht. Er schrieb nun einen kurzen Brief an seine Frau und sprach zu dem jungen Bauernburschen: »Ich gebe dir einen Carlin; geh mir morgen früh beizeit nach Florenz und gib diesen Brief deiner Herrin: die wird dir dann schon sagen, was du weiter zu tun hast.«
Dieser stimmte mit Genehmigung seines Vaters zu, führte den Arzt auf das Stroh und verschloß den Schuppen hinter ihm. Meister Manente ließ sich alles geduldig gefallen und sagte bei sich selbst: »Morgen wirst du schon die Mütze vor mir abziehen und dich glücklich schätzen, wenn ich dich im Dienste behalte.«
So richtete er sich auf seinem Strohlager ein, so gut er konnte, und schickte sich zum Schlafen an. Am Morgen, sobald es zu dämmern anfing, machte der Bursche, der schon am Abend zuvor den Carlin und den Brief erhalten hatte, sich nach Florenz auf, kam um die Zeit des Frühmahls an das Haus seines Gutsherrn und übergab der Monna Brigida den Brief, den sie sogleich erbrach, und worin sie die Hand ihres ersten Gemahls zu erkennen glaubte. Als sie ihn aber las, wurde sie von Schmerz und Erstaunen dermaßen ergriffen, daß sie nahe daran war, in Ohnmacht zu fallen, und gar nicht wußte, ob sie nur noch in der Welt sei. Sie fragte aber den Bauern umständlich nach Alter, Gestalt und Angesicht des fremden Mannes, der ihn abgesandt, hörte mit immer wachsendem Erstaunen und Schmerz zu und ließ alsbald durch ihre Magd ihren Gatten Michelagnolo aus der Werkstätte zu sich entbieten. Er kam, las den Brief und war auch seinerseits ihrer Meinung, daß die Handschrift der des Meisters Manente gleich sehe, ja genau dieselbe sei, wußte aber freilich auch gewiß, daß dieser tot sei, und wußte somit ebenso gewiß, daß das Schreiben von jemand anders herrühren müsse, und das müsse ein rechter Gauner sein, der die Frau auf eine so unerhörte Weise zu überlisten gedenke. Der Inhalt des Briefes war nämlich folgender: er tue seiner geliebten Gattin hiermit zu wissen, daß er nach mannigfaltigen und seltsamen Schicksalen und nachdem er länger als ein Jahr in steter Todesangst eingesperrt gehalten worden, endlich wie durch ein Wunder Gottes aller Gefahr entronnen sei, wie er ihr mündlich alles umständlich erzählen werde; gegenwärtig beschränke er sich darauf, ihr zu sagen, daß er frisch und gesund auf ihrem Landgute angekommen sei, und sie zu bitten, dies in Florenz überall bekanntzumachen, ihm sein Maultier, seinen Rock, Regenmantel, die großen Stiefel und den Hut hinauszusenden und dem neuen Pächter kundzutun, daß er als Meister Manente, ihr Ehegatte, sein Gebieter sei, damit er ihm sein Haus öffne, um die Nacht über bequem zu ruhen und am andern Morgen zeitig nach Florenz zu kommen und sie zu trösten.
Michelagnolo schrieb nun voll Gift und Galle im Namen seiner Frau einen Brief, der Hände und Füße hatte, und drohte ihm, wofern er nicht ungesäumt seines Weges ziehe, selbst zu ihm hinauszukommen, um ihn tüchtig abzuprügeln, oder ihm den Büttel über den Hals zu schicken. Zudem gab er dem Bauernjungen noch den mündlichen Auftrag an seinen Vater mit, den fremden Abenteurer zum Henker zu jagen. Der Junge ging eilig nach seinem Dorfe, und Michelagnolo kehrte in seine Werkstatt zurück; Brigida aber blieb in schmerzlicher Verwunderung befangen zu Hause.
Desselben Morgens lustwandelte Meister Manente nach dem Vogelherde, etwa drei Meilen von seinem Gute, gab sich aber dem Wirte, der sein Freund war, nicht zu erkennen, sondern gab sich für einen Albanesen aus; er speiste lustig und wohlgemut mit ihm zu Mittag und schlenderte am Abend in der besten Stimmung nach Hause, wo er in der festen Überzeugung, als Herr anerkannt und empfangen zu werden, sich schon vorgesetzt hatte, einem Paar Kapphähnen die Hälse umdrehen zu lassen, die er am Morgen hatte mit den Schnäbeln auf der Tenne herumpicken sehen. Er war kaum in die Nähe seiner Wohnung gelangt, als ihm der bereits zurückgekehrte Knabe entgegengelaufen kam und mit einem sauern Gesichte, ohne nur einen Bückling zu machen, den Brief, der ohne Aufschrift und Siegel war, einhändigte. Hierüber verwunderte sich Meister Manente gleich von vornherein, und es betrübte ihn; ja, es deuchte ihn der Anfang zu einem traurigen Ende. Als er ihn aber seiner ganzen Länge nach durchgelesen hatte, geriet er vor Staunen und Schmerz so außer sich, daß er weder tot noch lebendig schien. Mittlerweile kam auch der alte Bauer hinzu, dem der Sohn bereits seine mündliche Botschaft ausgerichtet hatte, und sagte ihm mit dürren Worten, er möge sich nach einer andern Herberge für die Nacht umsehen, da sein Herr ihm befohlen habe, ihm unverzüglich die Tür zu weisen. Wie empfindlich es den armen Meister Manente auch kränken mußte, sich also von demjenigen aus seinem Eigentum verwiesen zu sehen, von dem er nach der Ankunft des Briefes als Gebieter anerkannt zu werden hoffte, so erwiderte er ihm doch gefaßt und sanftmütig, er werde gehen. Er geriet beinahe auf die Vermutung, daß er ein anderer geworden sei, oder daß es mehr als einen Meister Manente auf der Welt geben müsse, und fragte den Landmann nach dem Namen seines Herrn. Er empfing die Antwort, es sei der Goldschmied Michelagnolo, und seine Frau sei Monna Brigida. Der Arzt erkundigte sich ferner, ob diese Monna Brigida schon früher verheiratet gewesen sei, und ob sie Kinder habe.
»Ja«, antwortete ihm der Bauer, »sie hatte früher einen Arzt, der, wie ich höre, Meister Manente hieß und ihr, als er an der Pest starb, ein Söhnlein namens Sandrino hinterlassen hat.«
»Weh mir«, fiel ihm der Arzt in die Rede, »was sagst du mir da?«
Dann fing er an, ihn nach allen Umständen auszuforschen. Der Pächter bedeutete ihm aber, er wisse sonst nichts zu sagen; er sei von Casentino gebürtig und habe erst seit dem August das Gut bezogen. Entschlossen, sich nicht weiter zu erkennen zu geben, schied Meister Manente, da es noch zwei volle Stunden Tag blieb, von dem Bauersmann und begab sich unverzüglich auf den Heimweg nach Florenz, in der Meinung, seine Frau und Verwandten müssen, in einem seltsamen Irrtume befangen, ihn für tot gehalten haben und eben auf diese Weise zu ihren folgenschweren Schritten verleitet worden sein; denn er kannte den Goldschmied, den Genossen seines Schwagers, recht wohl. Unter tausenderlei Gedanken rüstig zuschreitend, langte er noch spätabends im Wirtshaus zum Mühlstein, eine Meile von der Stadt, an; er kehrte daselbst ein, aß nur ein Paar weichgesottene Eier und legte sich zu Bette, wo er sich hin- und herwälzte, ohne auch nur ein Auge schließen zu können.
Des andern Morgens stand er beizeiten auf, bezahlte den Wirt, schlich ganz sachte nach Florenz und betrat die Stadt in der oben erzählten Verkleidung, so daß er von niemand erkannt wurde, wiewohl er viele seiner Bekannten und Freunde auf der Straße traf. Er durchwanderte die halbe Stadt und gelangte endlich auf die Grabengasse, wo er eben seine Frau und den Knaben von der Messe heimkehrend ins Haus treten sah. Er war versichert, daß sie ihn gesehen hatte, und doch machte sie kein Zeichen, daß sie ihn kenne; deshalb änderte er mit einem Male seinen Entschluß, und anstatt sie anzureden, ging er nach Santa Croce, um seinen Beichtvater Meister Sebastiano aufzusuchen; denn er dachte, er müßte ein guter Mittelsmann werden, um seine Anerkennung von Seiten seiner Frau einzuleiten; er wollte ihm alles anvertrauen, was ihm begegnet war, und sich mit ihm beraten; als er aber im Kloster nach ihm fragte, erhielt er zur Antwort, er sei nach Bologna übergesiedelt; in Verzweiflung darüber wußte er gar nicht, was er beginnen sollte. Er lief umher, über den Platz, über den Neumarkt, den Altmarkt, er traf unter andern Bekannten und Freunden den Makler Biondo, den Trommelschläger Feo, den Meister Zenobi della Barba, den Sattler Leonardo und kam zuletzt halb von Sinnen, wie er sah, daß er fortwährend von keinem einzigen wiedererkannt ward.
Nun war es aber schon Mittagessenszeit geworden; da ging er in die »Affen«, wo Amadore, einst sein innigster Freund, Wein schenkte. Diesen ersuchte er, ihm beim Essen Gesellschaft zu leisten, was er auch tat. Am Schluß des Essens sagte Amadore zu ihm, er meine ihn sonst schon gesehen zu haben, könne sich aber nicht darauf besinnen, wo. Meister Manente antwortete, es könne sehr leicht geschehen sein, da er lange Zeit in Florenz bei Meister Agostino in der Baderei am Platze Padella gewohnt habe, wohin er jetzt auch von Livorno zurückkehre, da er der Wasserfahrten überdrüssig sei. Während so ein Wort das andere gab, beendigten sie ihre Mahlzeit, und ohne sich zu erkennen zu geben, befriedigte Meister Manente den Wirt, ging höchst bekümmert und erstaunt, daß jener ihn nicht wiedererkannt habe, hinweg, mit dem festen Vorsatze, unter allen Umständen vor Nacht noch mit seinem Weibe zu reden. Er schlenderte deshalb so lange in der Stadt umher, bis ihm die schickliche Stunde gekommen zu sein schien, nämlich bis zu dreiundzwanzigeinhalb Uhr. Da klopfte er zweimal stark an die Türe. Die Frau sah heraus, wer es sei. Da antwortete der Arzt: »Ich bin's, meine liebe Brigida! Mach auf!«
»Und wer seid Ihr denn?« fragte jene weiter. Meister Manente, um nicht laut sprechen zu müssen, daß die ganze Nachbarschaft es hörte, gab zur Antwort: »Komm herab, dann sollst du's hören!«
Brigida hörte Meister Manentes Stimme, sah sein wohlbekanntes Angesicht, erinnerte sich des Briefes und wollte daher nicht herunterkommen, da sie irgendein unheimliches Ereignis befürchtete.
»Sagt mir nur von unten«, rief sie ihm daher zu, »wer Ihr seid und was Ihr suchet?«
»Siehst du es denn nicht?« antwortete der Arzt. »Ich bin Meister Manente, dein echter und rechtmäßiger Ehegatte; dich suche ich, du bist meine Frau.«
»Meister Manente, mein erster Mann, könnt Ihr nicht wohl sein, weil der tot und begraben ist«, sagte die Frau. »Wie, Brigida?« fragte der Arzt, »tot? Ich bin noch nicht gestorben.«
Dann fügte er bei: »Sei doch so gut und mach mir auf! Kennst du mich nicht, mein holdes Herz? Bin ich denn so sehr entstellt? Mach mir doch auf, ich bitte dich, und du sollst sehen, daß ich lebe.«
»Ei was«, fuhr Brigida fort, »Ihr seid wohl auch der Schelm, der mir gestern früh den Brief geschrieben hat. Schert Euch in Gottes Namen fort, denn wehe Euch, wenn Euch mein Mann hier trifft!«
Es waren indessen viele Leute aus Neugier vor dem Hause zusammengelaufen, und ein Nachbar nach dem andern zeigte sich am Fenster und gab sein Teil dazu. Monna Dorotea, die Betschwester, welche Brigiden gerade gegenüber wohnte, hatte alles von Anfang an mit angehört und sagte: »Nimm dich in acht, meine Tochter, das ist gewiß der Geist deines Meisters Manente, der hier umgeht, um seine Sünden abzubüßen. Er gleicht ihm vollkommen an Aussehen und Sprache. Rufe ihn ein wenig, frage ihn und beschwöre ihn, ob er etwas von dir will!«
Brigida glaubte halb und halb und fing an mit kläglicher Stimme zu rufen: »O du arme Seele, hast du vielleicht etwas auf dem Gewissen? Willst du ein Totenamt? Hast du noch ein Gelübde zu erfüllen? Sprich es nur aus, was du willst, gebenedeite Seele, und geh mit Gott!«
Wie Meister Manente dies hörte, kam ihn fast die Lust zu lachen an. Er sagte immer, er lebe, sie solle ihm nur aufmachen, und er werde sie schon vergewissern. Sie fuhr aber nichtsdestoweniger fort, ihn zu fragen, ob er des heiligen Ghirigoro verlange, bekreuzte sich, und auch Madonna Dorotea sprach: »0 du Gott befohlene Seele, wenn du im Fegefeuer bist, so sag es frei heraus, denn deine gute Frau wird für dich das Jubiläum mitmachen und dich erlösen.«
Dazu schlug sie ellenlange Kreuze und rief jeden Augenblick: »Requiescat in pace!«
So fingen denn alle umher an, sich zu bekreuzen, beiseite zu treten und grimmige Gesichter zu schneiden, denn schon hatte sich ein starkes Gedränge von Volk versammelt. Als nun der Arzt sah, daß Brigida ihm nicht mehr zuhörte, sondern in Gemeinschaft mit der Betschwester fortwährend sich bekreuzte und sinnloses Zeug schwatzte, beschloß er wegzugehen, da der Auflauf wuchs und er fürchten mußte, sich sonst noch einen schlimmen Handel zuzuziehen. Er schlug also ohne weiteres mit starken Schritten die Straße nach Santa Maria Novella ein; die ihm entgegenstehende Masse stob unter mächtigem Kreuzschlagen und Geschrei auseinander, nicht anders, als wenn sie wirklich einen Toten hätten wieder auferstehen sehen. Meister Manente wandte sich daher dahin, wo jetzt die Lastträger stehen; von dort ging er weiter durch die Mohrengasse und eilte dann halbumschauend durch die Gäßchen dort, da es schon etwas dunkel war, fast laufend; bald erreichte er so den Dreifaltigkeitsplatz; von dort ging er durch Portarossa nach den »Affen«, immer umschauend, ob die Volksmenge ihn erreiche, und sehr mißgestimmt; nun blieb ihm kein ander Mittel, als am nächsten Morgen hinzugehen und seine Zuflucht zum päpstlichen Vikar zu nehmen. Da er jedoch vorher noch den Versuch machen wollte, ob ihn auch Burchiello, sein vertrautester Freund, und Biondo nicht wiedererkennen würden, so sagte er zu Amadore, indem er ihm Geld in die Hand drückte, daß er, wenn es irgend sein könne, gern noch denselben Abend dem Burchiello und dem Makler Biondo in seiner Gesellschaft ein Nachtessen geben möchte.
»Ei, das wird schon angehen«, erwiderte der Wirt; »laßt mich nur machen!«
Er traf in der Küche die nötigen Anordnungen, nahm seinen Mantel um und ging nach San Giovanni, wo er den Biondo fand, den er gleich mit sich nahm, indem er ihm sagte, daß er diesen Abend in Gesellschaft eines Fremden und des Burchiello bei ihm speisen solle. Den Burchiello trafen sie im Hause und Laden zum Garbo, und es bedurfte bei ihm nicht vieler Worte, um ihn zu gewinnen; denn sowie er hörte, daß es freie Zeche gebe, wandelte ihn alsbald noch größere Lust an als die beiden selbst. Sie trafen demnach um ein Uhr nach Sonnenuntergang alle in den »Affen« zusammen; es mochte damals im Oktober sein, nahe um Allerheiligen. Gleich beim ersten Anblick und zumal, als er ihn reden hörte, meinte Burchiello Meister Manente zu erkennen. Dieser empfing den Burchiello mit der größten Höflichkeit; er sagte ihm, wie er, von seinem Rufe für ihn eingenommen, keinen andern Weg gefunden habe, ihn kennenzulernen, als daß er den Wirt gebeten habe, ihn zum Nachtessen einzuladen und auch den lustigen Zecher Biondo, seinen guten Freund, zur Gesellschaft zu ziehen. Burchiello sagte ihm großen Dank, und sie setzten sich in einem besonders für sie zugerichteten Nebenzimmer zu Tisch, wo sie in Erwartung einiger fetten Tauben und Krammetsvögel, wie sie die Jahreszeit bot, verschiedene Gespräche begannen, in welchen Meister Manente sie mit einem Märchen über sein Leben und den Grund seines Hierherkommens bewirtete.
Burchiello hatte bereits dem Biondo gesagt, daß ihm eine solche Ähnlichkeit zwischen zwei Menschen noch nie vorgekommen sei wie seine und Meister Manentes. »Wenn ich nicht ganz gewiß wüßte«, fügte er hinzu, »daß er gestorben ist, so würde ich sagen, es könne kein anderer sein als er.«
Der Biondo pflichtete ihm in allem bei.
Unterdessen war alles zugerüstet, und der Wirt ließ Salat, Brot und zwei Flaschen funkelnden Wein auftragen. Sie ließen nun die Gespräche ruhen und fingen an zu essen. Burchiello und Amadore saßen an der Wand, Biondo und Meister Manente ihnen gegenüber. Während des Essens behielt Burchiello den Arzt immerdar im Auge. Beim ersten Trunk sah er ihn Meister Manentes Gebrauch üben, der immer zwei Gläser Wein auf einmal hinter dem Salat zu leeren pflegte und hernach jedesmal Wasser zugoß. Dies setzte ihn in großes Erstaunen. Als sodann die Tauben und die Krammetsvögel auf den Tisch kamen und der Fremde ihnen gleich die Köpfe abriß und sie aufspeiste, weil ihm der Kopf der liebste Bissen von jedem Tiere war, so war er drauf und dran loszuplatzen, hielt jedoch noch länger an, um seiner Sache gewisser zu werden. Nun kam der Nachtisch: es waren Birnen, Sancolombaner Trauben und vortrefflicher Ziegenkäse; und jetzt wurde er seiner Sache ganz gewiß: denn als der Arzt Birnen und Trauben gegessen hatte, beschloß er die Mahlzeit, ohne den Käse zu berühren, so sehr ihn auch die andern lobten; Käse aß er aber nie, und er war ihm so zuwider und zum Ekel, daß er lieber seine Hände gegessen hätte. Burchiello wußte dies am besten. Da er nun ganz überzeugt war, nahm er ihm lachend die linke Hand, streifte ihm den Wamsärmel ein wenig hinauf und erkannte scharf am Pulse ein Muttermal mit Wildschweinsborsten, worauf er mit lauter Stimme ausrief: »Du bist Meister Manente, du kannst dich nicht mehr länger verbergen!« Damit fiel er ihm um den Hals, umarmte und küßte ihn.
Biondo und der Wirt waren voll Entsetzen zurückgefahren und erwarteten ängstlich, was der Fremde sagen würde.
»Du allein, Burchiello«, antwortete er, »hast mich unter allen meinen Freunden und Verwandten noch erkannt. Freilich bin ich Meister Manente, wie du sagst, und bin niemals gestorben, wie mein Weib und ganz Florenz zu glauben scheint.«
Jene beiden wurden bleich wie Asche; Amadore bekreuzte sich, Biondo wollte schreiend davonlaufen, und sie fürchteten sich vor ihm, wie wenn Gespenster und Tote vom Grabe erstünden. Burchiello aber redete ihnen zu:
»Fürchtet euch nicht«, sagte er, »rührt ihn nur an, betastet ihn! Die Geister und Toten haben weder Fleisch noch Bein, wie dieser da, den ihr ja mit euren Augen habt essen und trinken sehen.«
Meister Manente sagte auch: »Ich lebe, zweifelt und sorgt nicht, meine Brüder, ich habe noch nicht den Tod geschmeckt. Seid nur so gut und hört mich an: ich will euch eine der wunderbarsten Geschichten mitteilen, die man je gehört hat, seit die Sonne scheint.«
So brachte er es mit Hilfe Burchiellos endlich dahin, daß der Wirt und der Makler Biondo sich ein wenig beruhigten. Sie riefen die Aufwärter herein, ließen außer dem Wein und Fenchel alles abdecken, schickten sie zum Essen hinweg mit dem Bedeuten, anders nicht wiederzukommen, als wenn Burchiello befehle, und schlossen die Tür ab, worauf sie mit Aufmerksamkeit und Neugierde lauschten, was sie nun Seltsames zu hören bekommen werden. Und nun begann Meister Manente seine Erzählung von dem Augenblicke an, wo er schlafend auf der Bank gelassen wurde, und berichtete in bester Ordnung alles, was ihm bis heute begegnet war, so daß sie mehrmals ihre Verwunderung äußern und laut lachen mußten. Sobald er aber mit seinen Mitteilungen zu Ende war, fiel Burchiello, ein ganz feiner Kopf, plötzlich ein und sprach: »Das ist ein Streich von Lorenzo dem Erlauchten!«
Die andern setzten sich zwar allesamt dem entgegen und behaupteten, es sei durch Hexerei, Bannung und Bezauberung dahin gekommen. Burchiello aber beharrte auf seiner Meinung und fuhr fort: »Es kennt nicht ein jeder diesen wunderlichen Kopf. Wißt ihr nicht, daß er alles, was er einmal begonnen hat, zustande bringt, daß er sich in seinen Plänen nimmermehr täuscht und verrechnet, daß ihn keine Lust ankommt, die er nicht büßt? Und es ist ein verteufeltes Ding, es mit einem zu tun zu haben, der Verstand, Macht und Willen hat.«
Gegen Meister Manente gewendet setzte er hinzu: »Ich habe es mir immer gedacht, daß er dir einmal einen solchen Streich spielen werde schon von der Stunde an, wo du zu Careggi mit ihm aus dem Stegreife reimtest und dich so unartig gegen ihn betrugst. Meister Manente, Fürsten sind Fürsten und machen es unseresgleichen oftmals so, wenn wir mit ihnen auf du und du stehen wollen.«
Der Arzt entschuldigte sich mit der Behauptung, die Musen haben überall ein freieres Wort, und wußte noch hundert Gründe für sich anzuführen. Betrachtete er aber die Sache an sich selbst und Burchiellos Worte dazu, so konnte er doch nicht alle Zweifel in seiner Seele unterdrücken und mußte jenem bis auf einen gewissen Grad Glauben schenken. Als sie nun aber eine gute Weile über die Angelegenheiten des Meister Manente hin und her gesprochen hatten, ließ dieser auch von ihnen sich ausführlich erzählen, was bei der Pest sich zugetragen habe und wie es mit dem Menschen gewesen sei, der an seiner Statt tot und mit einer Pestbeule am Hals aus seinem Hause getragen worden sei. Er vermochte sich hierüber gar nicht zu beruhigen, und auch die andern zerbrachen sich umsonst den Kopf; selbst Burchiello wußte keinen Ausweg zu finden. Am Ende aber wurde es spät, und Meister Manente bat sie nun um ihre Ansicht und um ihren Rat, wie er sich aus dieser Verlegenheit ziehen möge, da es ihm doch allzu hart vorkam, Gut und Blut zugleich verlieren zu sollen. Nachdem aber vielerlei Mittel und Wege zusammen erwogen waren, wurden sie einig, daß der Arzt sich an den Bischof wenden solle. Zuletzt nahmen sie voneinander Abschied, und Meister Manente ging mit Burchiello heim, weil die andern seinethalb ihrer Sache doch nicht recht gewiß waren und immer noch ein heimliches Grauen vor ihm verspürten. Unterdessen war Michelagnolo nach Hause zurückgekehrt und hatte von Brigida einen umständlichen Bericht erhalten über alles, was sich vor ihrer Tür ereignet hatte, wobei sie ihn versicherte, sie hätte darauf schwören mögen, sie höre die Stimme und sehe das Gesicht Meister Manentes, was mit der Meinung der Monna Dorotea zusammentreffe, daß es seine arme Seele sei, die durch irgendein frommes Werk aus dem Fegefeuer erlöst sein wolle.
»Was faselst du da, dumme Gans«, versetzte Michelagnolo, »von armer Seele und Fegefeuer? Es ist ein Schelm und listiger Betrüger, und du tatest wohl daran, ihm nicht aufzumachen.«
Dennoch verwunderte er sich außerordentlich und konnte nicht begreifen, zu welchem Ende der Mensch dies begonnen habe, und worauf es dabei abgesehen sei; indes ließ er sich nichts weniger dabei einfallen, als daß Meister Manente wieder von den Toten erstanden oder daß er noch am Leben sei, sondern hoffte vielmehr, der Beutelschneider werde nach diesem ersten mißglückten Versuche nicht wieder zum Vorschein kommen.
Des andern Morgens hieß Burchiello seinen Freund beizeiten aufstehen, ließ ihm vor allem den Kopf waschen, den Bart nach der Sitte der Zeit scheren und kleidete ihn dann von Kopf bis zu Fuß in eine Kleidung von ihm, die ihm auch so gut saß, als ob sie für ihn gemacht worden wäre. Dann ging er mit ihm aus, um ihn sehen und von den Leuten wiedererkennen zu lassen; sie gingen nach Santa Maria mit der Blume, nach der Verkündigungskirche, auf den Altmarkt, auf den Neumarkt, auf den Platz: alles Volk sah ihn, viele erkannten ihn und redeten ihn sogar an, weil durch den Mund des Biondo und des Amadore die Zeitung, daß er noch lebe und Weib und Eigentum zurückfordere, allgemein verbreitet worden war. Ja, Niccolajo und Michelagnolo hatten ihn gesehen, und es kam ihnen in der Tat vor, er sei es; doch da sie seines Todes gewiß waren, trösteten sie sich wieder, er könne es unmöglich sein. Auf die Nachricht, daß er bei dem Bistum klagbar werden wolle, bereiteten sie sich zur Gegenwehr, gingen zum Pestamte, in die Sakristei von Santa Maria Novella wegen des Totenbuches, zu dem Apotheker, der die Kerzen geliefert, zu den Totengräbern und in die Nachbarschaft umher und ließen sich beurkunden, daß Meister Manente in seinem Hause an der Pest umgekommen und beerdigt worden sei. Dieser Vorfall machte in Florenz das allergrößte Aufsehen, und viele, die den Leichnam hatten in die Gruft versenken sehen, wußten gar nicht mehr, woran sie waren, und sahen die außerordentlichsten Dinge kommen.
Meister Manente begab sich nach Tische in Burchiellos Begleitung auf die bischöfliche Residenz und trug dem Vikarius den ganzen Handel vor, in dessen Folge er sein Weib wiedererstattet haben wollte. Der Vikarius, dem die Sache höchst wunderbar vorkam, ließ, um der Sache auf den Grund zu kommen, die Gegenpartei vorbescheiden, und als er dann auch Niccolajos und Michelagnolos Gründe vernommen und so viele gültige Zeugnisse und Aussagen glaubwürdiger Männer hinlänglich erwogen hatte, schwindelte ihm vollends vor Verwirrung. Da nun bei dieser Angelegenheit ein Toter im Spiele war und von keiner der beiden Parteien herausgebracht werden konnte, wer es gewesen und wie er in das Haus des Arztes geraten sei, war er überzeugt, es sei dabei ein Mord vorgefallen, und machte davon im stillen die Anzeige bei dem Rat der Achte, die sogleich ihre Häscher hinsandten. Diese trafen die Parteien noch im Streite an, nahmen sie mit Ausnahme Burchiellos sämtlich in Verhaft und führten sie zu dem Büttel ab.
Am nächsten Morgen, sobald die Gerichte versammelt waren, verhörten sie zuerst den Meister Manente, nachdem sie ihn mit der härtesten Folter bedroht hatten, wenn er ihnen nicht die Wahrheit sage. Meister Manente begann daher von vorn und erzählte der Reihe nach bis zum Schlüsse alles, was ihm begegnet war, so daß alle mehr als einmal zum Lachen gebracht wurden. Darauf schickten sie ihn in seine Haft zurück und ließen Niccolajo kommen, der ihnen ganz der Wahrheit gemäß alles, was er wußte, erzählte. Michelagnolo gab das gleiche Zeugnis ab, und zur Bekräftigung ihrer Aussagen brachten beide die Urkunden vor, in voller Überzeugung, daß der Tote der Meister Manente gewesen sei. Als nun die Achte vernahmen, daß ein Spitaldiener dagewesen sei, um den Kranken zu pflegen und das Haus von der Ansteckung zu reinigen, dachten sie vielleicht den Faden zu diesem verwickelten Knäuel durch ihn zu finden und schickten daher wirklich einen Aufwärter in aller Eile nach Santa Maria Novella, um ihn zu holen. Sie hörten aber bald von demselben Gerichtsdiener, der Wärter habe in Händeln einen Kameraden mit einer Schere im Gesicht verwundet, sei aus Furcht vor Strafe davongelaufen, und man habe seitdem nicht wieder erfahren, was aus ihm geworden sei. So waren sie also so klug wie zuvor. Man sieht, wie glücklich die ganze Geschichte angelegt war. Die Achte ließen nunmehr die Parteien in das Gefängnis zurückbringen und befahlen ihren Beamten, die Urkunden genau zu prüfen und auf alle mögliche Weise zu untersuchen, ob Meister Manente die Wahrheit gesagt habe. Diese berichteten nach zwei oder drei Tagen, es haben alle die Wahrheit gesagt, zum äußersten Mißfallen und Erstaunen des Gerichts.
Nunmehr begab sich Burchiello, um Meister Manente beizustehen, zu einem der wichtigsten Herren dieser Obrigkeit, der zugleich sein und Manentes großer Freund war, und machte ihm bemerklich, das Ganze sei nichts anderes als ein Anschlag des erlauchten Lorenzo, der es gewiß nur ersonnen habe, um mit dem Arzte seinen Spaß zu treiben, gab ihm auch den Grund und die mutmaßliche Veranlassung dazu an, indem er seine Ansicht so gut unterstützte, daß er ihn zu seiner Meinung bekehrte und sie beide zu dem Schluß kamen, auf keine andere Weise als durch Lorenzo sei in Florenz etwas der Art möglich. Er sprach daher eines Morgens in der Sitzung von dieser Angelegenheit und sagte, es scheine ihm, es wäre gut, darüber an den Erlauchten zu schreiben, der sich damals zu Poggio aufhielt, den ganzen verwickelten und bedenklichen Handel ihm vorzutragen und die Entscheidung seinem Ermessen anheimzustellen. Die übrigen Mitglieder des Rates billigten dieses Gutachten höchlich mit dem Beifügen, daß sie nicht allein dem Erlauchten ein großes Vergnügen dadurch bereiten würden, sondern daß er auch gerade der beste Richter für solcherlei Fälle sei. Es ward also einstimmig dem Kanzler der Auftrag gegeben, einen vollständigen Bericht von dem dermaligen Stande der Seiner Magnifizenz anheimzustellenden Sache abzufassen, und sobald dies geschehen war, am nämlichen Tage noch schickte man das Schreiben an ihn fort. Die Gefangenen wurden vorgeführt und empfingen den Bescheid, bei Strafe des Galgens nicht auf hundert Schritte der Grabengasse nahe zu kommen, noch mit Brigida zu sprechen, bis der Rechtshandel geschlichtet sei, den sie an den Erlauchten verwiesen hätten, der bald in die Stadt zurückkehren werde. Darauf gab man ihnen die Freiheit wieder, und sie gingen ein jeder mit der Hoffnung von dannen, die Entscheidung zu seinen Gunsten ausfallen zu sehen. Ganz Florenz war indessen voll von dieser erstaunlichen Begebenheit, Brigida war aber besonders verstimmt und bekümmert, und sie meinte den Ausgang gar nicht erleben zu können. Meister Manente zog fürs erste zu Burchiello und fing wieder an Kranke zu besuchen, die Goldschmiede aber arbeiteten in ihrer Werkstätte.
Als der Erlauchte die Zuschrift der Achte empfing, mußte er so erstaunlich darüber lachen, daß er sich gar nicht zu fassen wußte; denn es kam ihm vor, der ganze Spaß habe eine tausendmal schönere und lustigere Wendung genommen, als man sich nur immer hätte vorausdenken können. Acht bis zehn Tage darauf kehrte er nach Florenz zurück, und noch an demselben Tage ging Meister Manente zu ihm, wurde jedoch nicht vorgelassen; das gleiche war den Goldschmieden begegnet. Am folgenden Tage kam Meister Manente wieder und fand ihn gerade bei Tisch; soeben war das Frühmahl vollendet. Das Herz hüpfte dem Erlauchten vor Freude, als er kam; dennoch gab er äußerlich Erstaunen und Mißtrauen kund.
»Meister Manente«, rief er laut, »ich glaubte nicht, dich je wiederzusehen, denn man hatte mir für gewiß berichtet, du seiest tot; und freilich bin ich noch immer nicht vollkommen überzeugt, ob du es selber bist oder ein anderer, oder ob du ein phantastisches Zauberbild vor dir hast.«
Der Arzt versicherte ihn, er sei niemals gestorben, sondern immer noch derselbe, der er vormals gewesen, und wollte näher treten, um sich auf die Knie niederzulassen und ihm die Hand zu küssen. Der Erlauchte aber sprach: »Halte dich fern! Es genüge dir für jetzt, daß, wenn du wieder der echte, lebendige Meister Manente bist, du mir willkommen bist, aber wo nicht, keineswegs!«
Der Arzt wollte nun anfangen seine Geschichte vorzutragen, Lorenzo aber sagte ihm, es sei dazu gegenwärtig nicht Zeit. »Diesen Abend«, fügte er hinzu, »nach vierundzwanzig Uhr, erwarte ich dich in meinem Gemache, um deine Gründe zu hören.« Zugleich tat er ihm kund, daß auch seine Gegner sich dort einfinden werden.
Meister Manente dankte ihm für seine Gnade, zog sich ehrerbietig zurück und ging nach Hause, wo er dem Burchiello den ganzen Vorfall berichtete. Dieser mußte im stillen lachen und dachte: »Ich weiß es ja wohl, daß die Sache an den rechten Mann gekommen ist. Dem Erlauchten glückt alles nach seinem Wunsch, er hat jeden Sonntag Ostern.« Doch konnte er keineswegs voraussehen, welche Wendung die Sache noch nehmen werde.
Inzwischen war es Abend geworden, und die Goldschmiede hatten sich erhaltener Weisung zufolge bereits eingestellt und ergingen sich in der Galerie, in Erwartung, gerufen zu werden, als Meister Manente ebenfalls erschien. Seine Ankunft ward sogleich Lorenzo gemeldet, und er begab sich in Gesellschaft mehrerer Bürger und Edeln von Florenz, die allesamt Bekannte und Freunde des Arztes waren, in seinen Saal, wo er zuerst den Niccolajo und dann den Michelagnolo und später beide zusammen vorführen ließ, ihre Auseinandersetzungen anhörte, die Urkunden einsah und sich im höchsten Grade verwundert äußerte. Zuletzt traten sie ab, und es erschien Meister Manente, der von Anfang an in schönster Ordnung ihnen ganz der Wahrheit gemäß erzählte, was ihm begegnet war, ohne etwas ab- oder zuzutun. Darüber waren alle, die es mit dem Erlauchten anhörten, äußerst verwundert und mußten entsetzlich lachen, und sie konnten mit Gelächter und Erstaunen gar nicht zu Ende kommen; sondern nachdem Lorenzo den Meister Manente die Sache mehrmals hatte wiederholen lassen, befahl er die Goldschmiede hereinzurufen, und das gab für eine Weile die allerschönste und ergötzlichste Kurzweil, die er zeit seines Lebens gehabt hatte, denn nun sagten sich die Erhitzten im Ausbruche ihrer Leidenschaft die derbsten Grobheiten. Darüber kam auch der Vikarius herbei, den der Erlauchte hatte rufen lassen, und nachdem ihm alle Anwesenden ihre Ehrfurcht bezeugt hatten, nahm er seinen Platz an der Seite Lorenzos ein, und dieser fuhr also fort: »Mein Herr Vikar, da ich weiß, daß Ihr von den Streitigkeiten, welche diese ehrenwerten Männer miteinander führen bereits durch eigenes Verhör in Kenntnis gesetzt worden seid, so will ich auf nichts anderes als darauf gegen Euch drängen, wie mir als dem von den hochansehnlichen Herren Achten in dieser Sache erwählten Richter zunächst obliegt, zu erforschen, ob der echte Meister Manente jemals gestorben und also dieser hier vor uns stehende nicht etwa ein bezaubertes Trugbild oder gar ein höllisches Wesen ist, welche Entscheidung denn unzweifelhaft von Eurem Amte zu erwarten steht.«
»Aufweiche Art und Weise das?« antwortete der Vikar.
»Ich werde es Euch eröffnen«, fuhr Lorenzo fort und sagte: »Indem Ihr ihn von einigen frommen Brüdern, welche Teufel austreiben, beschwören lasset, indem man ihm Reliquien gegen die Behexung auflegt.«
»Ihr habt wohlgesprochen«, antwortete der Herr Vikar; »gebt mir sechs bis acht Tage Zeit, meine Vorbereitungen zu treffen, und wenn er alsdann den Hammer aushält, so wird man mit Sicherheit annehmen können, daß er lebt und der rechte ist.«
Meister Manente gab sich Mühe, zum Worte zu kommen; allein der Erlauchte bekräftigte die Ansichten des Vikars, erklärte, daß er sein Urteil von dem Erfolge der Beschwörung abhängig machen werde, stand auf und entließ die Sitzung, indem er sich mit den ihn begleitenden Edelleuten zum Nachtessen entfernte, wobei über diesen seltsamen Vorfall ungemein viel gelacht und gescherzt wurde.
Des andern Tages machte der Vikar, ein guter und frommer Christ und eine ehrliche geistliche Haut, im ganzen Erzbistum bekannt, daß alle Priester und Mönche, welche Reliquien besitzen, die sich zum Austreiben von Teufeln und Beschwörung von Gespenstern eignen, selbige bei Strafe seines Unwillens binnen sechs Tagen nach Florenz in die Kirche Santa Maria Maggiore bringen sollen. Im ganzen Lande sprach man nun von nichts anderem als von dieser Neuigkeit, und den Goldschmieden wie Meister Manente schien es eine Ewigkeit, bis sie aus der Sache loskämen.
Lorenzo hatte unterdessen den alten Nepo von Galatrona, einen berühmten Hexenmeister und Zauberer jener Zeit, nach Florenz kommen lassen, unterrichtete ihn von dem, was er zu tun habe, und behielt ihn im Palaste, um sich seiner bei schicklicher Zeit und Gelegenheit zu bedienen.
Von Stadt und Land war in Santa Maria Maggiore eine ganz erstaunliche Menge von Reliquien zusammengebracht worden. Am festgesetzten Tage erschien Meister Manente; man erwartete nur noch den Vikar, der auch nach der Vesper, begleitet von vielleicht dreißig der angesehensten Geistlichen von Florenz, erschien, mitten in der Kirche auf dem für ihn zubereiteten Sitze Platz nahm, Meister Manente vortreten und niederknien ließ. Zwei Mönche von San Marco sangen über ihm Evangelien, Psalmen, Hymnen, Gebete, besprengten ihn mit Weihwasser, beräucherten ihn mit Weihrauch. Priester und Mönche ließen ihn ihre Reliquien berühren, aber alles war umsonst: der Arzt veränderte sich nicht im mindesten, sondern bewies vielmehr allen seine Ehrfurcht, dankte Gott und flehte den Vikar um seine Erlösung an.
Die Kirche war voll und gedrängt in allen Ecken, denn alle erwarteten Wunderdinge, als ein feister Mönch, von Valombrosa kommend, jung, rüstig und ein erklärter Teufelsbanner, sich vordrängte und rief: »Laßt mich ein wenig schaffen! Ich will euch bald sagen, ob er besessen ist oder nicht!«
Er band ihm die Hände fest, hängte ihm nochmals Sankt Philipps Mäntelchen um die Schultern und fing an ihn zu befragen und zu beschwören. Der Arzt antwortete zwar immerfort ganz so, wie sich's gehörte; da indessen bei dieser Beschwörung der Bruder Dinge sagte, welche Steine hätten zum Lachen bringen müssen, so wollte Meister Manentes Unglück, daß er den Mund zu einem halben Lächeln verzog. Da brach urplötzlich der Mönch gegen ihn los: »Jetzt hab' ich ihn!«
Er gab ihm zwei Maulschellen aus dem Salz und rief: »Ja, ja, du bist ein Feind Gottes, und du sollst mir auf alle Weise weichen.«
Schien auch dem Meister Manente der Spaß hier ein wenig zu weit zu gehen, so sprach er doch seinerseits gefaßt: »Beschwöre du, so viel du willst!«
Der dicke Mönch aber stieß ihm unablässig mit der Faust auf die Brust und in die Seiten und schrie fortwährend: »Ei du böser Geist, dir zum Trotze sollst du heraus!« Der Arzt konnte sich bloß mit der Zunge wehren und schrie daher: »Wie, du verräterischer Pfaffe, ist das eine Art, mit ehrlichen Leuten umzugehen? Schämst du dich nicht, du Faulenzer, du Saufaus, meinesgleichen so zu schlagen? Beim Leib des Herrn, ich räche mich noch dafür!«
Als der Mönch ihn so lästern hörte, machte er sich erst recht über ihn her, warf ihn zu Boden, setzte ihm die Füße auf den Leib, packte ihn an der Kehle und würde ihn sicherlich erwürgt haben, hätte ihn Meister Manente nicht um Gottes Barmherzigkeit willen gebeten. Darauf ließ denn der Herr Bruder von ihm ab, weil er glaubte, der böse Geist wolle heraus, und fing an, ihn zu fragen: »Welches Zeichen gibst du mir?«
Jetzt gab Monaco, der auf Anordnung des Erlauchten mit Nepo in die Kirche gekommen war und sich unter das Volk gemischt hatte, diesem zu verstehen, der rechte Augenblick sei da. Da schrie Nepo plötzlich mit lauter Stimme: »Aus dem Weg, aus dem Weg, ihr ehrlichen Leute, laßt mich hindurch! Ich komme mit dem Vikar zu reden und ihm die Wahrheit zu enthüllen.«
Bei diesem Geschrei und solchen Reden richtete jeder seinen Blick auf den Sprechenden: es war eine große Gestalt, schön, schlank, mit olivenfarbiger, fast brauner Hautfarbe, kahlem Kopf, feinem magern Gesicht, braunem und bis auf die Brust herabhängendem Barte, und groben seltsamen Kleidern, so daß alle in Verwunderung gerieten und aus Angst ihm gerne Bahn machten; so drang er bis zum Vikar vor und forderte die Entfernung des Mönches von Meister Manente, der ihn als seinen Erwecker vom Tode betrachtete. Dann fuhr er also fort: Damit nach Gottes Willen die Wahrheit allen kund werde, so wißt, daß Meister Manente allerdings niemals gestorben ist, sondern daß alles, was ihm begegnet ist, durch Zauberei und Teufelskünste auf mein Anstiften geschah. Ich bin Nepo von Galatrona und kann durch meine Teufelskünste alles vollbringen, was mir gefällt und gutdünkt. Ich war es, der ihn, während er in San Martino schlief, von Teufeln in ein Zauberschloß bringen ließ und genau in der Weise, wie ihr von ihm gehört habt, daselbst so lange gefangenhielt, bis ich ihn endlich eines Morgens in der Dämmerung im Walde von Vernia wieder in Freiheit setzte. Ich steckte einen Kobold in eine aus Luft geschaffene, ihm ähnliche Gestalt, ließ ihn darin als Meister Manente scheinbar an der Pest erkranken und am Ende sterben und veranlaßte seine Beerdigung, woraus denn alles übrige entstanden ist, wie ihr wißt. Und dieses alles habe ich vollbracht, um durch solche Verhöhnung an Meister Manente eine Beleidigung zu rächen, die mir dereinst im Kirchsprengel von Sankt Stephan sein Vater antat, dem ich sie selbst nicht wieder vergelten konnte, weil er jederzeit ein Amulett bei sich trug, auf dem das Gebet des heiligen Cyprianus geschrieben stand. Und damit ihr euch von der Wahrhaftigkeit dieser meiner Worte überzeugt, so geht jetzt hin und öffnet die Gruft, worin der vorgebliche Arzt bestattet wurde: Findet ihr darin nicht die offenbarste Bestätigung meiner Aussagen, so mögt ihr mich für einen Lügner und Betrüger halten und mir den Kopf abschlagen!«
Der Vikar und alle andern hatten mit gespannter Aufmerksamkeit den Reden des Mannes zugehört. Meister Manente glühte vor Grimm, schaute ihn aber doch ganz ängstlich und wie trunken und schlafbetäubt an, und alles Volk gaffte ihn mit offenem Munde an. Um nun diese Sache völlig aufzuklären und zu sehen, wie es mit dieser verwickelten Geschichte sich verhalte, befahl der Vikar zweien Mönchen von San Marco und zweien vom Heiligen Kreuz, schnell hinzugehen und die geweihte Grabstätte zu untersuchen. Sie setzten sich sogleich in Bewegung, und viele andere Mönche und Priester und Laien in großer Zahl liefen hinter ihnen her. Nepo blieb in der Kirche bei dem Vikar und Meister Manente zurück, welche sich bald vor ihm fürchteten, so daß sie nicht wagten, ihm fest ins Gesicht zu sehen, denn sie befürchteten, wie überhaupt die Mehrzahl der Anwesenden, es sei ein zweiter Simon Magus oder ein neuer Malagigi. Indessen waren die Mönche mit ihrem Gefolge auf dem Kirchhofe von Santa Maria Novella angelangt und hatten den Sakristan herbeigerufen und sich von ihm das Grabmal zeigen lassen, worin man glaubte, daß der Leichnam des Arztes beigesetzt worden sei.
Am nämlichen Morgen eine Stunde vor Tag hatte Monaco im Auftrag des Erlauchten eine pechschwarze Taube, die ganz ausgezeichnet rasch flog, von Careggi gebracht. Sie wußte ihren Schlag so gut wiederzufinden, daß sie schon von Arezzo und von Pisa zurückgekommen war. Diese hatte er mit großer Vorsicht, daß er von niemand bemerkt werde, in das Grab verschlossen, das er genau kannte und nachher wieder so gut zumachte, daß es in zehn Jahren nicht geöffnet worden zu sein schien. Der obengenannte Sakristan setzte nun den Haken an, hob die Platte auf und öffnete in Gegenwart vieler hundert Menschen den Deckel. Da schoß nun die Taube, welche man Kohle hieß, nachdem sie mehrere Stunden im Dunkel zugebracht, nichts aufgepickt und das Tageslicht nicht erblickt hatte, in pfeilschnellem Fluge aufwärts aus der Gruft hervor und stieg sichtlich himmelan und so hoch, bis sie Careggi erblickte. Dann wandte sie sich seitwärts in dieser Richtung hin und langte in weniger als einer halben Viertelstunde daselbst an. Alle Umstehenden waren darüber so sehr mit Verwunderung und Schrecken erfüllt, daß sie auf und davon liefen und schrien: »Jesus, erbarme dich!«
Der Sakristan fiel aus Angst rücklings zu Boden, und der Stein stülpte über ihn hin, so daß er sich den Schenkel zerquetschte und viele Tage und Wochen krank daran niederlag. Die Mönche und ein großer Teil des Volkes liefen wieder nach Santa Maria Maggiore und riefen: »Ein Wunder, ein Wunder!«
Der eine sagte, es sei ein Geist herausgefahren in Form eines Eichhörnchens, es habe aber Flügel gehabt; der andere, es sei eine Schlange gewesen, welche Feuer gespieen; ein dritter wollte, es sei ein Teufel gewesen in Gestalt einer Fledermaus; die meisten aber behaupteten, den Anblick eines Teufelchens gehabt zu haben; ja, einer sagte, er habe ganz genau die Hörnchen und die Gänsefüße wahrgenommen. In Santa Maria Maggiore, wo der Vikar und Meister Manente und eine ungeheure Menge Volks wartete, kam nun fast in vollem Laufe eine Schar Geistliche und Laien an, die alle einstimmig riefen: »Ein Wunder, ein Wunder!«
Alles stieß und drängte sich um sie herum, um das Wahre an der Sache zu vernehmen, und so benützte Nepo den entstandenen Tumult, um sich unbemerkt und von Monaco und den Stallknechten gedeckt einen Weg durch das Gedränge bis vor die Kirche zu bahnen, wo ein rascher Gaul seiner wartete, auf dem er, wie ihm befohlen war, eiligst nach Hause zurückritt.
Sobald sich der Vikar von den Brüdern den Hergang hatte ausführlich erzählen lassen, blickte er staunend und etwas bestürzt umher, ob er des Nepo nicht ansichtig würde; und als er ihn nicht mehr erblickte, begann er dann zu rufen, man solle ihn suchen und festnehmen, weil er diesen wahrhaftigen Hexenmeister, Zauberer und Teufelsbanner verbrennen zu lassen beabsichtige. Nepo ward indessen nirgends aufgefunden, und man glaubte allgemein, er habe sich durch Zauberkünste unsichtbar gemacht; so daß der Vikar aus diesem Grunde Priester und Mönche insgesamt mit dem Bedeuten entließ, ihre Reliquien wieder nach Hause zu tragen, und in Gesellschaft Meister Manentes nach dem Palaste ging, um den Erlauchten zu sprechen.
Burchiello hatte mit einigen vertrauten Freunden aus einiger Entfernung alles mitangesehen und beobachtet und so gelacht, daß ihn die Kinnladen schmerzten, zumals als der dicke Pfaffe den Meister Manente so gewaltig durchprügelte. Die beiden verbündeten Goldarbeiter waren zu ihrem großen Mißbehagen und Erstaunen ebenfalls bei dem ganzen Hergang gegenwärtig gewesen, und als sie den Vikar nach dem Palaste gehen sahen, machten sie sich hinter ihm drein auch dahin auf den Weg, um zu sehen, wie doch aus diesem Labyrinthe hervorzukommen möglich werden möchte. Der Erlauchte hatte von Zeit zu Zeit genau über alles einzelne Bericht erhalten und konnte mit einigen Edelleuten und seinen nächsten Freunden nicht satt werden, zu lachen, als er hörte, der Vikar komme mit ihm zu reden. Dieser trat sogleich mit dem Ausrufe herein, er nehme den Beistand der Häscher in Anspruch, um den Nepo von Galatrona einfangen zu lassen. Lorenzo stellte sich befremdet, ließ sich alles noch einmal erzählen und sprach: »Mein Herr Vikar, ich bitte, schreiten wir nur sacht voran in allem, was den Nepo betrifft! Aber was sagt Ihr zu Meister Manente?«
»Ich sage«, antwortete der Vikar, »es unterliegt gar keinem Zweifel mehr, daß er es leibhaftig ist und niemals den Tod geschmeckt hat.«
»Nun denn«, sprach der Erlauchte, »so will ich das Urteil fällen, damit diese armen Menschen endlich einmal aus ihrer Bedrängnis erlöst werden.«
Er ließ Niccolajo und Michelagnolo, die er in der Menge bemerkt hatte, vor sich führen, vermochte sie in Gegenwart des Vikars und vieler ausgezeichneter und bedeutender Männer, den Meister Manente zu umarmen und zu küssen und Frieden mit ihm zu schließen. Als sie sich nun gegenseitig entschuldigten und den ganzen Handel Nepo in die Schuhe schoben, tat endlich der Erlauchte folgenden Spruch: »Michelangolo solle am folgenden Tage alle Sachen, die er in Meister Manentes Haus gebracht, daraus fortschaffen, Brigida dagegen nur mit vier Hemden, einem Rocke und einem Mieder sich in die Wohnung ihres Bruders begeben und dort ihr Wochenbett abwarten; nach ihrer Niederkunft solle es Michelagnolo überlassen bleiben, ob er das Kind nehmen wolle oder nicht; wolle er es nicht, so könne es der Arzt zu sich nehmen; verschmähe es auch dieser, so möge man es in das Findelhaus geben; die Kosten des Wochenbettes trage Michelangolo; Meister Manente könne in sein Haus zu seinem Söhnlein zurückkehren und müsse Brigida, sobald sie entbunden sei, wieder bei sich aufnehmen und so gut behandeln wie zuvor.«
Dieser Urteilsspruch gefiel allgemein, und jeder, dem er zu Ohren kam, pries darob den Erlauchten. Die Goldarbeiter und der Arzt dankten ihm höchlich und gingen wohlgemut von dannen. An demselben Abend speisten sie einträchtiglich miteinander bei Brigida in Gesellschaft Burchiellos, in dessen Hause sodann der Arzt die Nacht zubrachte.
Der Herr Vikar war bei dem Erlauchten zurückgeblieben und drang von neuem darauf, den Nepo einzufangen, um ihn verbrennen zu lassen. Lorenzo stellte ihm aber vor, es würde besser sein, sich ruhig zu verhalten, weil, wenn man auch den Versuch mache, es doch vielleicht nicht gelinge bei einem Manne, dem tausend Mittel und Wege zu Gebote stehen, zu entfliehen und seine Verfolger zu narren, indem er sich unsichtbar mache, als Vogel davonfliege, zur Schlange werde und dergleichen, da einmal unser Herrgott jenem Hause von Galatrona diese Gewalt zu einem von Menschen nicht gekannten Zwecke verliehen habe; dann laufe man aber auch die größte Gefahr: denn wenn Nepo die böse Absicht sehe oder bemerke, könnte er sie stumm machen, einem die Augen verdrehen, den Mund schief ziehen, die Glieder lähmen oder sonst ein bösartiges Übel anhängen. Der Vikar, der, wie schon gesagt, von gutherziger, weicher Gemütsart war, fiel auf solche Vorstellungen leicht der Meinung Lorenzos bei, entschuldigte seinen Eifer damit, daß er der Sache nicht so reiflich nachgedacht habe, und erklärte endlich ein für allemal, daß er ferner nicht mehr davon zu reden entschlossen sei. Mit diesem Vorsatze verließ er den Erlauchten nicht ohne starke Besorgnis wegen eines etwaigen bösen Übels, ging nach seiner Wohnung zurück und erwähnte Nepo in seinem ganzen Leben nicht mehr weder im Guten noch im Bösen.
Am folgenden Tage nahm Michelangolo aus Meister Manentes Hause alle seine Habseligkeiten weg, und Brigida begab sich in das Haus ihres Bruders, so daß der Arzt sein voriges Besitztum ungehindert antreten konnte und noch am nämlichen Tage wieder mit seinem Söhnchen zusammen wohnte, das ihm ein ganz unerwarteter Fund erschien.
In dieser Zeit ward in Florenz von nichts anderem gesprochen als von diesem Ereignis, und vorzüglich Nepo erntete dabei große Ehre und unschätzbaren Ruf, zumal beim gemeinen Volke, und wurde für einen großen Schwarzkünstler gehalten. Meister Manente glaubte steif und fest, daß die Sache sich so verhalte, wie Nepo erzählt hatte, und pflegte in der Folge oft gesprächsweise zu sagen: »Die Birne, die der Vater ißt, verschlägt manchmal noch dem Sohne die Zähne.«
Dies wurde von da an zum Sprichwort, das noch jetzt üblich ist. Der ehrliche Mann ließ sich auch in seinem Glauben durch nichts irre machen, obwohl nicht nur Burchiello, sondern auch sogar der Erlauchte, Monaco und die Stallknechte im Verlaufe der Zeit den ganzen Scherz erzählten, wie er sich verhielt. Er war vielmehr so verschüchtert, daß er sich viele Gebete des heiligen Cyprian kaufte, die er beständig auf dem Leibe an sich trug und auch Frau Brigida tragen ließ. Brigida nun gebar, als ihre Zeit erfüllt war, ein Knäblein, das Michelangolo zu sich nahm und bis in sein zehntes Jahr auferzog. Als dem Kinde in diesem Alter der Vater starb, machten es die Seinigen zu einem Mönchlein in Santa Maria Novella, wo es in der Folge sehr gelehrt ward und zu einem großen Prediger erwuchs, den die Leute um seiner scharfsinnigen Einfälle und anmutigen Scherze willen Bruder Grübler nannten. Meister Manente erfreute sich mit seiner Brigida eines steten Zuwachses an Wohlstand und Nachkommenschaft und feierte, solange er lebte, alljährlich das Fest des Sankt Cyprian, dem er immerdar mit besonderer Verehrung zugetan blieb.