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Der Graf Paolo Colonna, ein durch Abkunft und Verdienst angesehener Ritter, beschloß, die Heimat zu verlassen, um den Feindschaften zu entgehen, die ihn zu fortwährender Aufregung an Leib und Seele veranlaßten. Er verfügte sich daher mit seiner Gemahlin Donna Anna nach Padua; er war eingenommen für die Schönheit der Stadt, die gesunde Luft, die Artigkeit der Bürger und die Pracht der Hochschule und bezog ein Haus, das seinem nicht gewöhnlichen Reichtum entsprach. Er konnte aber nicht lange den Beschlüssen des Himmels entgehen: der Unglückliche ward von seinen Feinden auch dahin verfolgt, und zwei Pistolenschüsse streckten ihn kläglich zu Boden an seiner eigenen Tür. Donna Anna bezeigte so heftige Trauer über den Tod ihres Gatten, daß ich nicht begreife, wie ihr nicht das Herz in Tränen zerschmolzen durch die Augen abging. Doch die Tränenquelle trocknet leicht; bald gab sie sich ganz den Freuden der Sinne hin und verpfändete, ohne weiter an sich noch an ihren Gatten zu denken, ihr Herz dem Grafen Foresto, einem jungen Manne, der, alle Bevorzugungen des Glückes genießend, sich der Neigung aller Damen würdig zu machen wußte.
Donna Anna genoß einige Monate lang vollständig die Liebe des Grafen Foresto. Da es aber der Jugend oder der Menschennatur überhaupt eigen ist, eines langen Besitzes überdrüssig zu werden, wandte er seine Neigung der Gattin eines berühmten Arztes zu, der einer der vornehmsten Doktoren der Universität war. Mit Leichtigkeit gelangte er in den Besitz von Donna Candida (so hieß die Frau des Arztes), denn sie war von Natur sanftmütig und weichherzig und konnte nicht lange ertragen, daß Männer wie Graf Foresto nach ihren Reizen schmachteten. Er fand keine Schwierigkeit, sich in dem Hause seiner Geliebten einzuführen, da unter dem Vorwand der Studien auch viele Studenten sogar mit Zustimmung des Gemahls dahin kamen, der, auf hohem Fuße lebend, verlangte, daß seine Frau mit allen ohne Unterschied sich gut stelle. Sie benutzten diese Freiheit und stellten sich auch in den Stunden ein, wo der Gemahl mit Vorlesungen oder Sitzungen auswärts in Anspruch genommen war. Donna Candida aber war mit ausgezeichneter Klugheit begabt und gab es nicht zu, daß jemand sich über ihre Gefälligkeit beschweren durfte, und jeder mußte meinen, er sei allein im Genuß.
Donna Anna dagegen merkte endlich, daß bei dem Grafen Foresto die erste Sprudelhitze vorüber war, und geriet in ihrer Verlassenheit in verzweifelte Eifersucht. Sie stellte sich auf die Lauer und bemerkte, daß der Graf das Haus des gegenüberwohnenden Arztes mehr als sonst besuchte, und daß er mit vielem Hinundherspazieren sich bemühte, die Stunde aufzufinden, wo der Gemahl sich entfernte. Mit diesen Beweisen überfiel sie eines Tages den Grafen und bat ihn mit Tränen in den Augen, wenn er je von seinen Sinnen verführt worden sei, sie geringzuschätzen, sich doch wenigstens nicht mit Donna Candida einzulassen. Der Graf leugnete standhaft jeden verliebten Umgang mit dieser Dame. Er sagte, er sei ins Haus gekommen, um den Arzt und seine Freunde aufzusuchen, mit keinem andern Zwecke als zur einfachen Unterhaltung. Daß sie ihm die ungeeignete Stunde vorwerfe, sei Folge der blinden Eifersucht: denn er sei nie in das Haus gekommen, wo nicht entweder Freunde oder der Gemahl anwesend gewesen sei. Er könne diesen Umgang nicht ganz aufgeben, aber er werde so selten hingehen, daß sie selbst damit zufrieden sein werde. Diesen Gründen fügte er nach Art der Liebenden so viele Beteuerungen bei, daß sie, mehr überwältigt als überzeugt, sich für befriedigt erklärte.
Der Graf fuhr einige Tage fort, seine Besuche bei Donna Candida ganz vorsichtig einzurichten; aber sei es, daß die Leidenschaft ihn hinriß, oder daß er allzu eifrig beobachtet wurde, – er kam nie hinein, ohne gesehen und geschmält zu werden. Dies erbitterte dergestalt den sonst so sanften Grafen, daß er mehrmals auf dem Punkte stand, sich offen zu erklären und Donna Anna zu enttäuschen, um so mehr, als auch Donna Candida ihn mit folternden Klagen überhäufte und ungern in ihrer Liebe eine Nebenbuhlerin duldete. Der Zufall wollte, daß der Graf eines Morgens in das Haus Donna Candidas eintrat in der Voraussetzung, man habe ihn nicht beobachtet, während ein regnerisches Wetter jedermann zum Zuhausebleiben anhielt. Amor aber, der ein Argus ist, wenn er sich auch blind stellt, fügte es, daß Donna Anna, die mit sorgfältigem Augenmerk alle Handlungen des Grafen überwachte und zu diesem Zwecke auf der Lauer stand, ihn mit eigenen Augen in das Haus ihrer Nebenbuhlerin eintreten sah. Nun ward sie ungeduldig: sie weinte, schrie, stieß Verwünschungen aus und gebärdete sich völlig wie eine verratene Liebende. Endlich, als sie das Gift nicht mehr aushielt, das sie im Busen nährte, öffnete sie ein Fenster, das nach Donna Candidas Hause hinüberging, und erwartete dort eine Gelegenheit, ihrem Rachegelüste zu genügen oder wenigstens den Grafen wieder herausgehen zu sehen.
Während sie nun in ihrem Gemüte die eigenen Wirkungen ihres Grolls überlegte, erblickte sie eine Dienerin von Donna Candida, und es war gerade die, der die Herrin ihre Geheimnisse anvertraute, und die vielleicht auf den Balkon geschickt war, um irgendwelche Kundschaft einzuziehen. Mit einem ganz grimmigen Lächeln sagte sie: »Andriana! (–So hieß nämlich die Magd.–) Sagt mir doch, wie viele Herren habt Ihr, und wie viele Männer hat Eure Frau Candida?«
Die Magd sagte ebenfalls lachend, wiewohl mit hochrotem Gesichte: »Ich habe einen einzigen Herrn, das ist der Herr Doktor, der einzige Mann meiner Frau, bis es einmal Mode wird, daß eine Frau mehr als einen Mann nimmt.«
»Ihr täuscht Euch, Schwester«, versetzte Donna Anna. »Eure Gebieterin führt diese Mode ein, ehe es ihr gezeigt wird, denn sie hat einen Mann auswärts und einen in ihrem Zimmer, vielleicht im Bette.«
Andriana versetzte: »Ich weiß, daß Euer Gnaden solches zum Scherze redet, denn in anderem Falle würde ich das Leben einsetzen für die Ehre meiner Herrin. Nichtsdestoweniger sind diese Dinge so zarter Natur, daß, wer klug ist, auch im Scherze sich dergleichen Äußerungen enthalten sollte. Aber ich will mich entfernen, denn ich möchte nicht die Rücksichten vergessen, die ich Euer Gnaden schuldig bin. Ergebenste Dienerin!«
»Schämt Euch, liebe Andriana«, entgegnete Donna Anna, »von Ehre zu sprechen vor jemand, der alle Schande Eures Hauses kennt! Geht in das Schlafzimmer! Der Graf Foresto ruft Euch. Es ist in der Tat ein schönes Bürschchen, er verdient Eure Liebe; allein Ihr solltet mit etwas mehr Schamhaftigkeit zu Werke gehen.«
Während Donna Anna dieses sagte, stand der Graf hinter einem andern Fenster neben Donna Candida, die mit Tränen in den Augen zu ihm sagte: »Seht, lieber Schatz, wie es mir um Euretwillen ergeht!«
Der Graf antwortete nichts, sondern öffnete das Fenster und sprach mit gedämpfter Stimme: »Frau Anna, mäßigt gefälligst Eure Leidenschaft und sprecht keine Dinge aus, die eine so edle Frau wie Eure Freundin entehren! Meint Ihr nicht, die andern können auch tun, was Ihr getan habt?«
Donna Anna konnte sich nun nicht mehr halten und ließ allen Schmähworten freien Lauf, wie sie einem zornigen, rachsüchtigen Munde entströmen können. In dieser Not, da dem Grafen die Geduld ausging über solcher Schmach und er merkte, daß seine Worte zu ihrer Beschwichtigung nicht viel halfen, nahm er einige Quitten, die zufällig in der Nähe lagen, und nötigte mit diesen Donna Anna, sich zurückzuziehen, ohne jedoch darum aufzuhören, ihr die Scheiben zu zerbrechen und sie mit Schmähungen und Drohworten zu überhäufen. Da er sich übrigens doch nicht vom Doktor antreffen lassen wollte, verabschiedete er sich und hinterließ in Übereinstimmung mit Donna Candida für alle möglichen Fälle zweckmäßige Anordnungen.
Donna Anna dagegen wartete voll Wut, bis der Doktor nach Hause käme; denn da es ihr freundlicher Gevatter war, wollte sie sich seiner bedienen, um sich doppelt zu rächen. Als die Mägde ihn von ferne bemerkten, ließ sie ihn zu sich in ihr Zimmer einladen und sagte zu ihm: »Herr Gevatter, die Gunst, die Ihr immer diesem Hause erwiesen habt, verpflichtet mich zu allen Beweisen der Dankbarkeit, die einem edelgeborenen Herzen geziemen. Da ich sah, wie man Eurer Ehre nachstellte, wollte ich Euch warnen, damit Ihr die Mittel ergreifen möget, die Euch am geeignetsten scheinen. Diesen ganzen Morgen ist der Graf Foresto bei Eurer Frau gewesen; und da ich Euch zuliebe mich darüber etwas ausließ, überhäuften sie mich beiderseits mit tausendfacher Schmach.«
Der Doktor ließ Donna Anna gar nicht weiterreden, sondern ging voll Grimms in größter Eile nach Hause, so daß in ihrem Herzen die feste Überzeugung sich bildete, er werde irgendwie zu einer äußersten Maßregel schreiten. Der Doktor kam nach Hause und fragte, ehe er sich vor seiner Frau sehen ließ, alle Diener, ob der Graf Foresto ihn diesen Morgen habe besuchen wollen. Alle antworteten gemäß der gleichförmigen Anweisung einmütig, sie hätten ihn diesen Morgen nicht gesehen. Dieselbe Antwort gab ihm Andriana. Er war daher bei sich beruhigt und ging zu seiner Frau, zu der er sagte, wenn ihn nicht seine gewohnte Vorsicht geleitet hätte, würde er in Gefahr gekommen sein, einen sehr großen Fehltritt zu begehen. Darauf erzählte er ihr alles ausführlich. Donna Candida geriet darob in Wut und bat und weinte so heftig, daß der Doktor sicher glaubte, es sei eine Verleumdung von Donna Anna, und es kam ihm der Gedanke, dies mit ihrem Tode zu bestrafen. Er nahm einen bloßen Dolch, steckte ihn in sein Gewand und trat in das Haus Donna Annas. Sie und die Mägde, die freilich alles andere erwarteten, hatten ihn beobachtet; sie ließen ihn mit dem Dolche in der Hand bis halb die Treppe heraufkommen; dort aber kamen sie ihm mit einem so heftigen Prügelregen entgegen, daß er, von Natur ein furchtsamer Hase, ganz den Dolch, den er in der Hand hielt, vergaß und sich genötigt sah, sein Heil in der Flucht zu suchen. In seinem Hause kamen ihm seine Frau und die Diener entgegen, und er sagte in stolzem Tone, er habe gezeigt, wie man die Verleumdung züchtigen müsse; an Donna Anna werden schlechte Personen fortan ein Exempel haben und sich erst wohl bedenken, ehe sie Lügen ersinnen zum Nachteile des guten Namens von Ehrenmännern. So betrog sich der Doktor selbst und veranlaßte seine Frau, in Zukunft mit aller Ungezwungenheit ihre Liebeshändel zu betreiben, die ja ihr Gemahl nimmermehr geglaubt hätte.