Verschiedene Autoren
Italienische Novellen. Dritter Band
Verschiedene Autoren

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. 2. vermehrte und verbesserte Auflage. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Pietro Fortini

Der verliebte Hauslehrer

Tugendhafte Jünglinge und ihr keuschen Frauen, ich weiß nicht, ob ihr vielleicht gehört habt, wie vor einiger Zeit in Siena ein junger Mensch lebte, der auf die Hochschule gekommen war, um die Wissenschaften zu studieren, statt dessen aber gelernt hatte zu lieben und den Verliebten zu spielen; sein Name, um ihn nicht zu vergessen, war Messer Giovambatista von San Casciano.

Als er ankam, wußte er schon zu sagen »poeta quae pars est«, trat daher flugs als Hofmeister in das Haus eines unserer Edelleute, um zwei seiner Kinder von etwa sechs bis acht Jahren die Lesekunst beizubringen.

Der Pädagog war nun schon mehrere Monate in Siena gewesen, hatte Bekanntschaft gemacht mit vielen jungen Leuten und sich Zutritt in verschiedene Häuser bald mit diesem, bald mit jenem eröffnet. Auch war er vertraut geworden mit vielen Gelehrten seines Fachs, bei welchen Messer Giovambatista gar sehr den Edelmann und den Feingebildeten, vor allem aber den Gelehrten spielte; namentlich glaubte er das feinste Toskanisch zu reden, das je über italienische Lippen gekommen sei. Wenn man sich daher in großer Gesellschaft unterhielt, wie das unter Studierenden den ganzen Tag geschieht, geschah es, daß Misser Giovambatista meistenteils schwieg, weil er nicht so viele Kenntnisse besaß, als ihm hinreichten, denn der Tor verstand kaum ein bißchen Latein; auch schwieg er, weil er nicht übermäßig schlau war. Sobald man ihn nun kannte, ward er von jedermann verspottet, und wer ihm näherstand, hielt ihn zum besten und machte sich lustig über ihn. Ein paar junge Leute machten ihm weis, er sei der schönste junge Mann in ganz Siena und der größte Gelehrte in seiner Wissenschaft, der je auf der Welt gewesen, und ließen ihn auf diese Weise die größten Torheiten begehen, die je ein Mensch begangen hat. In der Tat, Martino von Amelia war gegen ihn nichts, denn er übertraf noch Calandro an Narrheit. Durch dieses Lob meinte er schon selbst der gelehrteste Mann zu sein, der in dieser Fakultät studierte; und überdies hatte man ihm in den Kopf gesetzt, er sei der reizendste, schönste und anmutigste junge Mann in ganz Siena. Jeder Student zog vor ihm die Mütze, gab sogleich nach, wenn er Behauptungen aufstellte oder Schlüsse vorbrachte, und so wurde der unvorsichtige Magister bald selbst der Meinung, er sei schon ein Aristoteles, Plato, Galen, Avicenna und Hippokrates, hielt sich für den Gott der Heilkunst und den obersten Weltweisen. Auf diese Art verharrte er in Täuschung und Selbstruhm.

Als er nun sah, daß er so sehr in Geltung stand als Gelehrter, fing er an, um universeller zu werden, auch den Apoll zu spielen und sich in alle Edelfrauen, die er sah, zu verlieben. Nach seiner Überzeugung liebten ihn alle und sehnten sich nach ihm. Unter viele andere, die er liebte, reihte ihm sein Glücksstern auch eine Frau vom besten Adel und großem Reichtum, die nicht minder mit Schönheit und Sitten geschmückt als sie an Verwandten und Vermögen reich war. In diese hatte sich unser armer Pedant aus der Maßen vergafft, so daß er nicht oder doch kaum bleiben konnte, ohne die Geliebte zu sehen oder doch den festen neidischen Mauern nahe zu kommen, die sein geliebtes Leben verbargen. Er machte es dabei, wie oft törichte, einfältige Liebhaber zu tun pflegen, die, wenn sie einen geliebten Gegenstand nicht sehen können, den Ort anschauen, wo sie meinen, daß er sich befinde, und mit ihm sprechen, gerade als hätte er Verstand; und wenn diese seine Geliebte ausging, folgte er ihr immer auf jedem Tritt und Schritt unter den überschwenglichsten Torheiten, den tölpischsten Reden und unbeholfensten Höflichkeiten, wie sie nur je ein törichter und ungebildeter Bauer vorbrachte, und mit den Augen konnte er mit ihr anfangen und von ihr erhalten, was er wollte: denn der Tor hielt sich an und für sich ihrer durchaus würdig. Diese seine Liebe dauerte lange Zeit; der Tor sah seinen Irrtum nicht ein, sondern vermehrte ihn noch angelegentlich.

Nun begab es sich, daß zufällig oder, wie wir besser sagen, wegen eines gelegenen Bedürfnisses im Hause dieser seiner Geliebten ein Priester sich befand, gleichfalls aus unserer und des verliebten Hauslehrers Vaterstadt, der einen kleinen Knaben, den Sohn dieser seiner Geliebten, im Lesen unterrichtete. Der törichte Liebhaber brachte es dahin, daß er mit ihm aufs engste vertraut wurde und in wenigen Tagen ihm seine ganze Liebe entdeckte; denn er wähnte, der Geistliche müsse ihm noch sehr dankbar dafür sein, daß er ihn gewürdigt habe, ihn zu seinem Freunde zu wählen. Er enthüllte ihm seine ganze Leidenschaft und bat ihn übrigens in ganz gebieterischer Weise folgendermaßen: »Priester, ich wünsche, daß Ihr mich Eurer Gebieterin empfehlet.«

Als der scharfsinnige Priester das törichte Geschwätz hörte, war er klug genug, ihm zu versprechen, er wolle es tun, und um ihn in seinem Glauben, daß dies geschehen werde, noch mehr zu bestärken, sagte er: »Ha, was sagt Ihr, Misser Giovambatista? Seid überzeugt, daß ich um Eurer trefflichen Eigenschaften willen nicht umhin kann, es zu tun, und daß Ihr mir nur befehlen dürft; eben darum bin ich immer zu Eurem Dienste bereit. Ich bin allerwegen verpflichtet, Euch zu gehorchen als einem, der größer ist als ich, da Ihr eine so seltene Erscheinung seid auf dieser Welt.«

Als der Herr Pädagog sich so große Lobsprüche erteilen hörte, richtete er sich straff auf, strich sich den Bart, spreizte sich in seinem veilchenfarbenen Überrock, den er als Auszeichnung trug, klopfte ein paar Stäubchen davon und sagte zu dem Geistlichen: »Ihr tut das nur aus lauter Freundlichkeit.«

Der Priester sagte, um ihn noch mehr zu schrauben: »Was sagt Ihr, Misser Giovambatista? Eure Tugenden sind so groß, daß ich Euch niemals so viel dienen könnte, wie diese verdienen.«

Nun stellt euch vor, ob der törichte Pedant vor Wonne zitterte, da er sich so heiß loben hörte! Er wurde dadurch gegenüber dem Priester noch viel sicherer und brach in die Worte aus: »Mit Gunst, Priester, macht mir ein ganz besonderes Vergnügen!«

Auf diese Worte zeigte sich der Priester noch viel bereitwilliger, ihm zu dienen, und sagte: »Mit Gunst, Misser Giovambatista, bittet mich doch nicht, sonst macht Ihr mich böse. Ich verlange, daß Ihr mir befehlt! Sagt, was Ihr wollt, daß ich tue! Habe ich Euch nicht gesagt, daß Ihr mir nur zu befehlen habt? Wenn es etwas ist, was in meinen Kräften steht, so werdet Ihr selbst sehen, daß ich nicht ermangeln werde zu folgen; eher würde ich mir selber ungehorsam sein, als Euch. Habe ich Euch nicht gesagt, daß ich mein eigenes Leben daransetzen würde?« Darauf sagte der Herr Hofmeister mit pedantischem Tone: »Ha, das Leben? Domine, non istum privare nobis; aber sehr angenehm wird es mir sein, wenn Ihr mich manchmal ins Haus nehmt, um Euer Arbeitszimmer zu sehen.«

Er hatte nicht so bald diese Worte gesprochen, als der listige Priester erkannte, was er wollte. Er merkte, daß er es mit einem Schafe zu tun hatte, und daß jener von Liebe durchsüßt war wie Honigseim, sprach also zu ihm: »Was zahlt Ihr mir, Misser Giovambatista, wenn ich Euch wenigstens auf zwei Stunden hinbringe zu Eurer Geliebten, meiner Gebieterin?«

Misser Giovambatista stieß, da er dieses Anerbieten hörte, einen tiefen Seufzer aus, gerade als wenn ein Esel anfinge zu iahen, und nach dem Seufzer sagte er: »Gewiß Priester, wenn Ihr mir das tätet, so schenkte ich Euch ein schönes Paar Schuhe, wenn Ihr wollt von Tuch; oder wollt Ihr ein Paar Handschuhe von Bocksleder nach der spanischen Mode, oder einen schönen gestrickten seidenen Gürtel?«

Er meinte ihm hiermit große Anerbietungen zu machen. Der Priester dachte, ihn nun bereits auf dem Punkte zu haben, wo er ihn wünschte, und um den Roman zu einem erfreulichen Ende zu führen, nahm er sich vor, ihm einen Streich zu spielen, und sagte zu ihm: »Misser Giovambatista, die Liebe und Zuneigung, die ich zu Euch fühle, ist so groß, daß ich Euch umsonst aus bloßer freundlicher Gesinnung dahin führen will; denn Eure Tugenden, wie gesagt, übertreffen alles andere.«

Nachdem er dies zu ihm gesagt hatte, nahm er ihn bei der Hand und machte sich auf den Weg mit ihm nach seiner Wohnung. Der Priester stand ganz vertraut mit seiner Herrschaft; denn außer seiner Lehrerstelle war er auch im Hause erzogen. Unter verschiedenen Gesprächen kamen sie an, stiegen die Treppe hinauf und fanden im Saale die Hausfrau, die in der beschwerlichen Zeit der unerträglichen Hitze hier im Kühlen Ölzweige in ein Tuch stickte. Als sie eintraten, empfing sie die Frau mit heiterer Stirn und hieß den Fremden freundlich willkommen, wußte aber nicht, daß es ihr Liebhaber sei. Wie wenn ein edler und vornehmer Gast eintritt, legte sie bei seiner Ankunft ihre Arbeit weg, ließ den gelehrten Herren Sitze bieten und unterhielt sich einige Zeit ziemlich lebhaft mit ihnen.

Der Priester versuchte mehrmals auf eine schickliche Weise ihr zu verstehen zu geben, daß der Magister in sie verliebt sei.

»Fürwahr, Madonna«, sagte er, »sehr glücklich ist der Tag, wo zwei Liebende sich zusammenfinden und sich miteinander unterhalten können, wie jetzt diese beiden Herrschaften.«

Der Herr Hofmeister verstand die Worte des Geistlichen nicht; sie aber merkte daraus, daß es ein Einfallspinsel sei.

Der gute Priester, der alles wußte, stachelte noch mit verschiedenen Reden seinen Herrn Verliebten, bis die wackere Dame vollständig zur Einsicht gelangte, daß der Hauslehrer ein Narr sei; sie faßte ihn näher ins Auge und betrachtete ihn genau. Der verliebte Pedant fühlte sich von seiner Liebe mehrmals aufgefordert, mit seiner Geliebten zu reden, wagte es aber in seiner großen Torheit nicht und wußte auf die verständigen Worte der Frau nichts zu erwidern. Der Unselige schien sich das Ansehen geben zu wollen, als gehöre er zu der gelehrten Schule der Hochtoren, und da er in dem Nähkörbchen der Frau ein kleines Büchlein bemerkte, sprach er zu ihr: »Madonna, was für ein Buch ist dies? Ist es ein Petrarca?«

Die wackere Frau las gerne in den erhabenen Gedichten Petrarcas und sagte mutwillig: »Allerdings, mein Herr, der ist es.«

Sie nahm es in die Hand und fuhr fort: »Ganz gewiß seid Ihr auch ein Verehrer dieses Dichters und kennt ihn genau, da Ihr es so gut erraten habt.«

Sie schlug das Buch auf, las ein Sonett, und als sie fertig war, wandte sie sich an den Hauslehrer Giovanni mit den Worten: »Seid so gut und setzt uns klar auseinander, was Misser Francesco Petrarca hiermit hat sagen wollen: denn mir scheint das Gedicht so dunkel, daß mein Geist nicht hinreicht, um es zu verstehen.«

Sie dachte nicht, daß er so gar dumm wäre, wie sich nun zeigte. Der arme Pedant, in der großen Liebe, die er für sie fühlte, und wegen der Lobeserhebungen, die er den ganzen Tag über sich ausgießen hörte, meinte schon, ein Dante, ein Petrarca, ein Claudio Tolomeo, ein Pietro Bembo, ein Sannazaro und dergleichen zu sein; darum übernahm er die Aufgabe; der Unglückliche sah nicht ein, daß er nicht würdig war, die Werke des Olympiers zu lesen, die selbst die Kinder verstehen. Er nahm das Buch in die Hand, fing so reizend, als er vermochte, an zu lesen in der unpassendsten Betonung und den lächerlichsten Worten, die je einfältige Leser gebrauchten, wie jener Jüngling liest in Camollia, dessen Beruf es ist, alle, die er reden hört, zu schätzen. Als er alles bis zu Ende gelesen hatte, fing er an und sprach: »Meiner Treu, dies ist das schönste Sonett, das ich je gelesen habe. O Gott! Petrarca hat es doch recht gut verstanden.«

»Seid so gut, Misser Giovambatista«, sagte die Frau, »und erklärt es uns ein wenig besser: denn aus Euren Worten habe ich großes Vergnügen geschöpft, indem ich Euch das Sonett so schön erklären hörte.«

Der arme Pädagog, der anders nichts verstand als ein wenig lesen, und der dies den Kindern beibrachte, meinte dennoch, es sei ihr Ernst mit ihrer Rede, und las also, ganz wie zuvor, das Sonett nochmals und fügte das gewöhnliche Lob bei, woraus die Frau noch deutlicher erkannte, daß er ein Tropf und ein Stock sei, und mit dem Weltpriester ganz offen ihn zu verhöhnen anfing. Beide neckten ihn nun mit anmutigen Reden, ohne daß der Tor die Sache merkte; vielmehr war er verrückt genug, zu meinen, alle Worte werden ganz ernstlich als Gunstbezeigungen gesprochen; er warf sich in die Brust, streichelte den Bart, streifte dann wieder seine tuchenen Schuhe ab und machte sich Ähnliches zu schaffen. Er nahm es als ausgemacht an, daß die schöne Frau in ihn verliebt sei, wie er in sie. Nach vielen andern Worten sagte die wackere Dame, um sich noch mehr über ihn lustig zu machen, zu ihm in so bezaubernder Weise, daß sie einen, der nie eine Frau gesehen, hätte hinreißen und jedes steinerne Herz erweichen müssen, mit einem zierlichen Seufzer: »Ihr könnt nicht leugnen, Misser Giovambatista, daß Ihr verliebt seid, da Ihr den Petrarca so gut versteht. Wie viele würden hiervon gar nichts verstanden haben! Ihr aber nehmt ihn wahrhaftig kaum in die Hand und versteht ihn, ohne auch nur daran zu denken!«

Mit diesen und vielen andern Worten lobte ihn die Frau. Und nun könnt ihr euch denken, wie der einfältige Pedant in Wonne schwamm und sich gleich für den ersten Mann in der Welt hielt in dieser Wissenschaft, nicht nur in der italienischen Literatur, sondern selbst in der lateinischen. Er glaubte diesen Lobsprüchen und hielt sich für einen Poeten, dem nichts mehr fehlte als der Lorbeer. Aber nicht nur in diesem Punkte täuschte sich der Tor, sondern auch darin, daß er wähnte, sie sage es aus lauter Liebe, die sie für ihn fühle. Der einfältige Gesell hüllte sich in diese eiteln Gedanken, und schon meinte er die Frau zu eigen zu haben. Sie unterhielten sich lange zum großen Vergnügen der Frau und des Weltpriesters; auch des Herrn Hofmeisters Freude war nicht klein, als nach langen Gesprächen die Frau der Magd befahl, zu trinken zu bringen. Die Dienerin gehorchte und holte nach der ihr wohlbekannten Sitte ihres Hauses sogleich mit Wasser aufgefrischten Wein; sie setzte den Wein und die Gläser auf einen Tisch, brachte auch verschiedenes Obst nebst Artischocken und vielem anderen, was zu einem Imbiß gehörte, wie es im Hause gebräuchlich war. Die witzige Frau sagte mit heiterer Miene zu ihrem Herrn Liebhaber: »Trinket, Misser Giovambatista, denn Ihr müßt unfehlbar Durst haben, teils wegen des Wetters, teils wegen der Anstrengung, die Ihr gehabt habt mit Eurer langen Erklärung über das vorgetragene Sonett.«

Darauf sagte der Herr Pädagog: »Recht gerne, Madonna, trinke ich Euch zuliebe.«

Sprach's, nahm ein mit Wein gefülltes Glas in die Hand, trank es aus bis auf den Grund, setzte es leer nieder und dankte ihr mit den törichtsten und unpassendsten Höflichkeitsbezeigungen, und ganz wie ein roher, ungeschliffener Bauer, der er auch wirklich war, setzte er sich nieder. Nachdem er gesagt hatte: »Ich danke tausendmal« – wußte er nichts weiter und schwieg.

Die gute Frau war sehr verschlagen; sie dachte, nun sei er lange genug bei ihr gewesen; sie hatte den Spaß satt und war ganz müde von langem Lachen.

»Hört,« sagte sie, »es muß jetzt Zeit sein, die Kinder abzuhören. Wir müssen abbrechen, damit die Stunde nicht versäumt wird.«

Der Priester merkte, daß seine Gebieterin an dieser Unterhaltung genug habe; er nahm Abschied und ging mit Giovambatista hinweg. Beide verließen das Haus und gingen eine gute Weile miteinander spazieren, über verschiedene Gegenstände sich unterhaltend. Misser Giovambatista ging in das Haus, wo er wohnte, und nahm den Priester mit. Als sie dort angelangt waren, überhörte er die Kleinen, war aber so zerstreut, daß er nicht darauf achtete, ob sie gut oder schlecht sprachen. Nach Beendigung des Unterrichts verließen sie das Haus und wanderten so lange umher, bis die Stunde des Abendessens herankam. Während sie so unter vielen Gesprächen umhergingen, sprach der Pädagog zu dem Geistlichen: »Kurz, Priester, Ihr müßt mir helfen, da Ihr mir das Feuer in der Brust geschürt habt; Ihr müßt mich manchmal ihr empfehlen und ihr sagen, daß ich ihr ergebener Diener sei.«

Der Priester antwortete: »Laßt mich nur machen! Sagt mir, habe ich Euch nicht gesagt, wenn ich Euch keine Freude mache, so habe ich selbst keine Freude?«

Nach vielen ähnlichen Reden verließ ihn der Priester und ging nach Hause. Dort angelangt hörte er auch seine Schüler ab, die ihn schon erwarteten; denn er war lange ausgeblieben. Er fand im Hause, daß sie bei Tische waren; er setzte sich auch nieder und speiste zu Nacht. Sodann nach der Mahlzeit ist es bekanntlich Sitte bei unseresgleichen und zumal bei solchen, die mehr Vermögen als wir haben, noch einige Zeit bei Tische zu bleiben, um über verschiedene Gegenstände sich zu unterhalten. Nach einigen Gesprächen wandte sich der Priester halb lachend zu seiner Gebieterin und sagte: »Fürwahr, Madonna, Ihr könnt Euch doch eines solchen Liebhabers rühmen, wie Ihr ihn besitzt.«

Dann kehrte er sich zu seinem Gebieter, ihrem Gemahl, mit den Worten: »Und Ihr müßt die Augen offenhalten, denn Eure Frau hat heute einen sehr gefährlichen Anbeter bekommen.«

Die Frau lachte über diese Worte und sprach: »Ei, er ist schön und galant, was wollt Ihr mehr? Laßt mir ihn nur in Ruhe, daß er nicht unwillig wird!«

Ihr Gemahl wollte wissen, wer dieser neue Liebhaber sei; denn er dachte, wie er auch wirklich war, werde es irgendein alberner oder leichtsinniger Mensch sein, sonst spräche jener nicht so, um ihn zu verhöhnen; und als ein scherzhafter Mann wollte er alles wissen. Der Priester erzählte nun zuerst von dem Sonette, dann von den törichten Aufträgen, die er ihm gegeben, und fügte hinzu: »Dies ist einer, der, wenn man will, alle möglichen Hänseleien mit sich anfangen ließe.«

Dabei schilderte er sein ganzes Wesen und zeichnete ihn so gut, daß man ihn erkannte, ohne daß er ihn zu nennen brauchte. Ja, er war noch nicht ganz fertig mit seiner Darstellung, als jener ihn in der Tat erkannte. Und da er von aller seiner Torheit wußte, kam ihm plötzlich die Lust, ihn wieder zum besten zu haben, wie ihm das schon öfter begegnet war. Denn noch war kein ganzes halbes Jahr vorbei, seit einige junge Leute ihm im Scherze eines Abends weismachten, gewisse Frauen seien in ihn verliebt; einer derselben sagte zu ihm im Auftrage von einer der Frauen, sie möchte ihn auf den Abend gerne zu Tisch und im Hause haben; er meinte damit einige Frauen, die im Tuchmagazin von Sankt Anton hinter der Universität wohnten. Der sich von selbst für schön haltende Pedant glaubte dies nur zu sicher, da er von vielen Seiten das Lob seiner Schönheit vernommen hatte; überdies hatte er von den ersten und besten Frauen noch nie gekostet und nur bisweilen in San Martino seine anderthalb Bajocke aufgewendet. Er nahm also die Einladung an und sagte, er wolle ihnen ein anderes Vergnügen dafür machen; und als die Stunde verabredet war, verließen sie ihn. Die Zeit kam; unglücklicherweise regnete es an jenem Abend sehr heftig; aber den lustigen Gesellen kam das zu ihrer Fopperei eben recht. Misser Giovambatista, in der Meinung, zu einer stillen Hochzeit zu gehen, begab sich zuerst nach Hause, setzte ein bürgerliches Barett auf, warf einen höfischen Mantel um, zog Tuchschuhe an, kämmte und bürstete sich von oben bis unten und hüllte sich in einen Rock von blauem kurzgeschorenen Tuche, den er als Ehrenkleid von Hause mitgebracht hatte. Als er ganz ausgestattet war zu seinem Gange, um mit jenen Frauen zu schlafen und zu speisen, verließ er in großer Wonne sein Haus und merkte gar nicht, daß eine neue Sintflut hereinzubrechen drohte. Die jungen Leute hatten untereinander verabredet, ihn trotz des Regens hinzutreiben, machten sich auf und stellten sich an den Eingang des Tuchmagazins, wo sie ihn unter den Dächern geschützt erwarteten. Als das gute Tierchen kam, das auf den Zehen einherschritt, um die Sohlen nicht naßzumachen, traten vier von ihnen aus einem Winkel mit Stoßdegen hervor und fingen an, sich viele Stiche zu versetzen. Zwei von ihnen, die bei dem Hofmeister waren, flohen wirklich mitten durch den Kot hinweg, da sie gute Stiefel anhatten, und ließen Misser Giovambatista ganz allein, nur in Gesellschaft jener Freunde, die mit ihren Degen wacker auf ihn losschlugen. Die vier jungen Leute setzten ihm wegen des heftigen Regens um so stärker mit Stößen zu und konnten unterdessen das Lachen nicht halten, da sie ihn so in den Mantel eingemummt sahen. Als er sich so schlagen fühlte, fürchtete der arme Schulmeister, man möchte ihn umbringen, da er merkte, daß es Degen waren; er wollte also fliehen und fing an zu schreien: »Hilfe, Hilfe! Kommt herbei!«

Und da er in Schuhen war, konnte er nicht laufen, schon da er in seinem Mantel stak und im Kot stand bis fast an die Kniee. Bei den Schlägen, die er erhielt, verlor er seine Schuhe vom Fuße; er fiel mitten in den Kot und wälzte sich darin unwillkürlich wie ein Schwein. Als die jungen Leute dachten, ihn nun gehörig zugerichtet zu haben, verließen sie ihn, da die Motten ausgeschüttelt waren und er in den Schmutz geworfen lag wie ein Büffel im Schlamm. Als der wackere Hauslehrer sich von den traurigen Geistern, die ihn angestachelt hatten, verlassen sah und merkte, daß sein Rücken nicht mehr zerbleut wurde, richtete er sich, so gut er konnte, auf, um fortzugehen, merkte nun aber, daß er seine Schuhe verloren hatte. In der Dunkelheit der Nacht konnte er sie nicht sehen und fing daher an, mit den Augen der Blinden im Kot umherzusuchen, scharrte auch so lange darin umher, bis er zufällig einen fand, und mit diesem ging er hinweg. Noch war er nicht fünfzig Schritte weit gekommen, als er merkte, er habe sein Barett verloren; gedrängt von dem verwünschten Kinderlehrerselend benebst der Not der neidischen Armut, kehrte er um, es zu suchen, und tappte von neuem auf der Erde herum, suchte mit den Händen im Licht der Blitzstrahlen und unter dem Platzen eines heftigen Regens, ja er suchte fort, bis er zufällig darauf trat und es im Wasser fand, das es eben von hinnen tragen wollte. Der Pedant packte es und ging sehr mißgestimmt mit einem Schuh nach Hause zurück.

Der Gebieter des Geistlichen hatte nun von dergleichen ihm früher gespielten Possen gehört und bekam den Einfäll, ihm noch einen solchen Streich zu spielen.

»Ihr müßt ihn«, sagte er zu dem Priester, »mit Worten hinhalten und ihm Hoffnung machen, damit wir ein wenig Spaß mit haben!«

»Laßt mich nur«, sagte der Priester; »ich werde das Erforderliche tun; denn diesem könnte man weismachen, was man wollte. Ich werde die Sache sogleich anordnen.«

Nach diesen Worten verließ der Priester das Haus und besuchte den Herrn Lehrer.

»Wißt Ihr noch nicht?« sagte er zu ihm, »ich habe Eure Botschaft an meine Gebieterin ausgerichtet.«

Und mit einem Seufzer fügte er hinzu: »O Ihr Glückskind! Ja, Glückskind darf man Euch nennen. Ich glaube, Ihr seid Cupido, daß Ihr so die Frauen mit Euern Augen trefft und alle dadurch in Eure Liebe verstrickt, verhext und verkettet.«

Darauf antwortete der Herr Hofmeister: »Was bringt Ihr mir denn für gute Nachrichten, daß Ihr so heiter seid?«

Dabei stieß er einen Seufzer aus nicht anders als wie ein altes Kalb, wenn es brüllt, so daß man es eine Meile weit hören konnte. Ebenso tat der Priester und antwortete ihm seufzend also: »Ach Gott, wär' ich doch so bei ihr in Gunst, wie Ihr! Ich glaube, es gäbe dann auf der Welt keinen glücklicheren Hauslehrer als mich. Sie sagte mir, sie wünschte höchlich, Euch morgen nacht unter vier Augen wenigstens auf ein paar Stündchen zu sprechen. Ich denke, Ihr versteht mich und wißt, was sie will; ich sage es aber verhüllterweise, damit Ihr mich nicht für einen Kuppler nehmt.«

»Das tut nichts«, erwiderte der Hauslehrer, »sprecht nur, wie Ihr wollt! Gebe Gott, daß es wahr ist!«

»Seid gutes Muts«, versetzte der Priester, »so ist die Wahrheit, und ich schwöre Euch bei der Liebe, die ich für Euch fühle, es ist in Wahrheit so!« Dabei machte er aber für sich eine Gebärde nach hinten.

Hierauf antwortete der einfältige Pedant mit den übertriebensten Worten, die je ein Einfaltspinsel sprach: »Um Euch die Wahrheit zu gestehen«, sprach er, »ich hatte wohl bemerkt, daß sie um meinetwillen litt; aber ich hatte nicht Gelegenheit, mit ihr zu reden. Sagt mir, um welche Stunde soll ich zu ihr gehen?«

»Um Mitternacht«, sagte der Priester, tischte ihm tausenderlei Märchen auf und sagte ihm die unglaublichsten Dinge, die je einem Kinde von den Eltern über seine Entstehung vorgemacht wurden. Der Priester sagte zu ihm, er sei der größte Hexenmeister, der je unter dem Himmel gelebt habe, er mache durch seine Kunst, daß die Frauen durch ihn liebeskrank werden, und tausend andere ähnliche Albernheiten, so daß jener wirklich auch im Besitze der Schwarzkunst zu sein glaubte.

Als sich der Meister Schafskopf solches Lob erteilen hörte, wähnte er schon hochgelehrt und weise zu sein. Der listige Priester hielt ihn den ganzen Abend über bald so, bald anders beschäftigt und begleitete ihn endlich spät in der Nacht nach Hause. Dort verließ er ihn gelehrter als Salomo, schöner als Narziß; nachdem er ihn so aufgebläht und ganz mit Torheit erfüllt hatte, ging er gleichfalls nach Hause.

Der Priester war ein sehr verständiger und gelehrter Mann, und man sollte einen solchen nie Pedant nennen, wenn er auch das Pedantenamt übte. Er versah dieses Geschäft einzig wegen der großen Verbindlichkeit, die er gegen seinen Gebieter hatte, der ihn lange Zeit von klein auf erzogen, ihn in der Tugend hatte unterweisen lassen und ihm endlich die Pfründe, die er genoß, erteilt hatte. Der Priester legte sich zu Bette und brachte die ganze Nacht in mannigfaltigen Gedanken hin. Denn als der Morgen kam, putzte sich der Pädagog, so gut er konnte, fing an, um das Haus seiner Geliebten herumzustreichen und brachte den ganzen Morgen mit Spazierengehen zu. Als dann die Stunde des Mittagessens kam, tat der Priester, als komme er von seiner Gebieterin, und sprach ganz bewegt: »Misser Giovambatista, diesen Abend müßt Ihr unfehlbar sie besuchen. Ich kann Euch versichern, seit Ihr von ihr weggingt, ist sie wie halbtot: sie will ihren Gatten nicht mehr sehen und tut nichts, als über Eure Angelegenheiten sprechen. Ach Gott, ich glaube Francesco von Ascoli hat nicht so viel von der Zauberei verstanden, als Ihr wißt. Ich sag' Euch, Ihr seid doch grausam mit ihr umgegangen. Schaut zu, ob sie nicht durch Euch zugrunde geht! Sie hat mir Geld gegeben, daß ich heute abend außer dem Hause speise, um desto besser die Sache mit Euch verabreden zu können.«

Nach diesen Worten machten sie miteinander aus, sich am Abend zusammenfinden zu wollen. Sie nahmen Abschied voneinander und gingen jeder zum Mittagessen nach Hause. Der Priester besprach nun in großer Heiterkeit mit seinem Gebieter, am Abend dem übelberatenen Pedanten den Streich zu spielen. Nachdem das Essen vorüber war, ging der Priester ganz vergnügt aus und suchte den verliebten Hauslehrer in seinem Studierzimmer auf.

»In der Tat, Misser Giovambatista«, fing er an, »ich habe Angst, Ihr habt mich auch bezaubert: ich kann keine Stunde ohne Euch sein und nicht von Euch loskommen; ich wundere mich nicht mehr über meine Herrin. Kommt, wir wollen ein Kitzlein kaufen für das Geld, das mir die Frau gegeben hat, und dann miteinander bei ein paar Freunden von mir zu Nacht essen. Nach dem Essen wollen wir dann, sobald es uns Zeit scheint, zu dieser glücklichen Hochzeit gehen, oder vielmehr, Ihr sollt hingehen. Sie hat mir angedeutet, was wir tun sollen, und alles gerüstet.«

Meister Schafskopf deuchte die Zeit eine Ewigkeit, bis er zu seiner Dame kommen durfte; ohne viele Umstände sagte er daher zu dem Priester: »Mit Vergunst, gehen wir und besorgen wir schnell, was noch zu tun ist; denn mir kommt es unendlich lang vor.«

Nach diesen Worten gingen sie aus, begaben sich zu einem Fleischer und kauften ein fettes Ziegenböckchen. Nachdem es bezahlt war, schickte es der Priester in das Haus gewisser Freunde von ihm, mit welchen er bereits den Spuk verabredet hatte. Dann gingen sie spazieren, bis die Stunde des Abendessens herankam, und der verliebte Herr Pädagog sprach zu dem Geistlichen: »Kommt, wir müssen nun nach Hause gehen, um zu sagen, daß sie mich heute abend weder zu Tisch noch zum Schlafen erwarten; denn ich werde ja bei ihr schlafen, nicht wahr?«

»Freilich«, sagte der Priester. »Geht Ihr, Misser Giovambatista, nur nach Hause, um dort anzusagen, daß sie Euch nicht erwarten sollen; ich werde mich unterweilen dahin verfügen, wo wir speisen werden, um nach dem Essen zu sehen, ob nichts mehr fehlt; dann lasse ich die Mahlzeit auftragen, denn es ist schon spät. Sobald Ihr dann Euer Geschäft besorgt habt, macht, daß ich Euch an der Brüstung der Brücke sitzend finde unter der Säule, nicht am Brunnen. Kennt Ihr den Brunnen nicht? Es ist die Tränke der Pferde und dort, wo man die Kleider wäscht.«

»Freilich, freilich kenne ich jenen Brunnen«, antwortete der Hauslehrer.

»Wenn Ihr ihn kennt«, fuhr der Priester fort, »so wißt Ihr auch, was Ihr zu tun habt; denn dorthin gehen wir zum Nachtessen.«

»Gut, ich will es nicht vergessen und meine Geschäfte besorgen.«

Nachdem der Hauslehrer dies gesagt hatte, verließ er den Priester, flog nach Hause und zeigte daselbst an, sie sollten ihn heute nacht nicht erwarten weder zum Essen noch zum Schlafen. Der gute Priester suchte einige seiner Freunde an der Brücke auf, denen er schon das Böckchen ins Haus geschickt hatte, erzählte ihnen alles und meldete ihnen von der Narrheit des Pedanten. Er ließ in ihrer Wohnung ein sehr gutes Abendessen bereiten und ging eilig nach Hause, um seinen Herrn aufzusuchen. Es wurde mit ihm verabredet, er solle ihn an einem Seile zum Fenster hineinziehen. Nachdem sie alles miteinander ausgemacht hatten, kehrte der Priester an die Brücke zurück, wo sie speisen sollten, und wohin er Misser Giovambatista den Pedanten beschieden hatte. Er fand ihn auch, denn er hatte schon eine gute Weile gewartet. Es war schon fast Nacht, als er ihn in das Haus seiner Gesellschaft einführte. Als sie daselbst ankamen, wurden sie unter vielen erheuchelten Liebkosungen aufgenommen, und mit mannigfaltigen und verschiedenen Gesprächen unterhielten sie sich eine gute Weile, so daß die Stunde der Mahlzeit schon lange vorbei war. Als es ihnen Zeit schien, setzten sie sich zur Tafel und speisten mit den feinsten Weinen und guten Gerichten zu Nacht. Dem armen Hauslehrer gaben sie listig lauter stark gesalzene und gewürzte Speisen, und jeder sagte zu dem Pädagogen: »Eßt, Misser Giovambatista, und trinkt!«

Dabei legten sie ihm immer vor und schenkten ihm unaufhörlich ein, mit den Worten: »Wer auf ein solches Unternehmen ausgeht wie Ihr, muß sich gehörig stärken, um sich vollständig kampfrüstig zu machen.« Am Ende des Essens stießen sie fortwährend mit ihm an, grade wie die Deutschen zu tun pflegen. Am meisten von allen reizte ihn der Priester und sagte: »Esset, trinket, stärkt Euch, damit Ihr Euern Ritt auf so holder Unterlage um so rüstiger ausführen könnt!«

So erhitzten sie ihn bald mit diesem, bald mit jenem dermaßen, daß er gar nicht mehr wußte, wo er war. Sie brachten ihn dahin, daß er übermäßig aß und trank, und hielten ihn lange bei Tische; und damit ihn nicht der Schlaf überwältige, ließen sie ihn das tollste Zeug von der Welt plaudern und hatten ihren Scherz bis Mitternacht.

Als nun endlich die heißersehnte Stunde kam, hatte der Hausherr des Geistlichen schon einige vertraute Freunde aufgesucht und ihnen den Spuk erzählt, der veranstaltet werden sollte. Sie gingen in das Haus, brachten das Seil in Ordnung und warteten sehnsüchtig: denn es schien ihnen tausend Jahre, bis sie ihn mit dem Seile emporziehen konnten. Sobald es nun dem Priester Zeit schien hinwegzugehen, sagte er zu dem Pedanten: »Wohlan, Missere, gehen wir: ich will heute nacht Euer Gnaden und meiner Gebieterin mit einem Schlage einen Dienst erweisen.«

Dann fuhr er fort, zu den Begleitern sich wendend: »Mit Vergunst, leiht mir die Waffen, die ich in der letzten Nacht anwandte, als ich zu einer ähnlichen Unternehmung ausging!«

Misser Giovambatista war von Wein erhitzt und rief: »Ich will mich bewaffnen, denn ich gehe ja zum Kampfe.« Er erinnerte sich, wie er jüngst die Schuhe verloren hatte, und begehrte sich zu bewaffnen. Die jungen Leute, die von dem Priester gut unterwiesen waren, brachten einen von jenen alten Harnischen herbei, schnallten ihm ihn an und sprachen zu ihm: »Was sagt Ihr, Missere? Wollt Ihr Euch besser bewaffnen? Wenn Ihr Euch rüsten wollt wie neulich der Priester, so könnt Ihr auch. Wißt Ihr nicht, wie heutzutage in Siena sich die Leute mit Schwertern und Stangen anfallen, einander auf die Beine, den Kopf und das Gesicht losgehen? Nun bedenkt Eure Lage! Wir sagen es nur zu Euerm Besten.«

»Ja, ja«, sagte der Herr, »bringt mir nur eine sichere Rüstung, damit ich, wenn Not an Mann geht, nicht umgebracht werde!«

Die wackern Jünglinge, die alles vorbereitet hatten, zogen ihm über den Küraß noch ein wohlausgepolstertes Wams an und darüber noch einen Rock, so daß kein Stoß verfangen konnte. Als er bekleidet war, gürteten sie ihm ein Schwert und einen sehr großen Dolch um. Nachdem er auf diese Weise gewaffnet und gekleidet war, zogen sie ihm den höfischen Mantel an und versteckten die Ärmel in Armschienen, als hätte er bei Tag einer Dame den Hof zu machen gehabt. Nachdem sie ihn nun nach ihrem Geschmacke aufgestutzt hatten, sagten sie: »Nun geht nach Euerm Belieben hin, wohin Ihr wollt!«

Misser Giovan der Pedant fühlte sich durch den Wein ganz gehoben und spürte gar nicht, welche Last er auf sich trug. Voll Begierde, mit der Frau handgemein zu werden, ging er wahrhaftig geradesweges auf das Pförtchen zu, hinter welchem seine Geliebte weilte. Der Priester aber begleitete ihn und sagte ihm unterwegs: »Seht, Misser Giovambatista, zur Tür könnt Ihr nicht hereinkommen, denn der Hausherr verwahrt die Schlüssel. Sie muß Euch an einem Seile zum Fenster hereinziehen, damit man es nicht merkt, wenn Ihr anderswo hineinginget.«

Diese Art des Eintritts in das Haus gefiel dem Schulmeister ganz wohl, und indem sie sich darüber unterhielten, erreichten sie das so sehr ersehnte Haus. Kaum sahen sie es von ferne, als Meister Schafshirn zu dem Priester sagte: »Pfeifet, daß wir nicht lange warten müssen!«

Der Geistliche hatte dazu noch weniger Lust als er, und sobald sie dort waren, gab er das verabredete Zeichen, und beim ersten Laute schon erschien das treffliche Seil. Der wackere Priester band, um dem Pädagogen keine Zeit zur Reue zu lassen, ihn sogleich mitten fest und gab, sobald es geschehen war, ein Zeichen an dem Seil, sie sollten ihn emporziehen. Als der Gemahl der Geliebten des Pedanten merkte, daß der Liebhaber angebunden war, zog er mit all seinen Genossen ihn auf einmal, so stark sie konnten, um den Spaß vollzumachen, empor, ziemlich hoch über den Boden. Als sie glaubten, ihn hoch genug zu haben und er schon nicht mehr weit zu den Fenstern hatte, befestigten sie das Seil an einer Säule des Fensters; dann trat er mit einem Tuche über dem Kopf ins Fenster und sprach mit verstellter Stimme zu dem Hofmeister: »Mit Vergunst, Missere, wartet ein Weilchen so! Geht nicht weg! Ich höre Leute im Hause.«

Nach diesen Worten zog er sich zurück, schloß das Fenster und begab sich in das Zimmer zu den andern, um über die Torheit zu lachen; und das taten sie auch in so reichlichem Maße, daß man ihnen hätte ohne Schmerz die Zähne ausnehmen können.

Der arme unglückliche Pedant, der so warten mußte, sagte: »Gerne!« In der Luft schwebend, erwartete er mit Verlangen den Augenblick, wo er seine Geliebte umarmen und mit ihr die süßen Früchte der Liebe genießen dürfte.

Die jungen Leute hatten sich nach langem Gelächter aus Müdigkeit teils auf das Bett, teils auf Kästen niedergestreckt; keiner konnte mehr sprechen. Sodann ging der Gatte der wackern Frau mit allen seinen Gefährten durch die Hintertür aus dem Hause, und sie kamen miteinander an die vordere Tür. Sobald sie das Tor erreicht hatten, öffnete der Hausherr die Tür mit einem Schlüssel, um der Sache mehr Anstrich zu geben. Nachdem er aufgemacht hatte, trat er noch mit jenen eine Weile hin, um zu plaudern, tat, als wisse er gar nichts von der Sache, und sie sprachen untereinander von verschiedenen Gegenständen. Der arme Missere, der über ihnen aufgehängt war, erkannte in der Tat den Gatten seiner Geliebten und befürchtete sehr, es möchte ihm etwas Mißliebiges widerfahren; und um nicht gehört zu werden, zwang er sich, so sehr er konnte, den Atem anzuhalten. Der Hausherr des Geistlichen, als ein sehr spaßhafter Mann, kam auf den Einfall, ihm noch einen andern, schöneren Possen zu spielen, und sagte, da er wußte, wie gut gewaffnet er war, leise zu seinen Begleitern: »Wir wollen ihn zum Laufen bringen.«

Nach diesen Worten rief er einen Knecht zu sich und sagte ihm mit gedämpfter Stimme, er solle ihnen fünfundzwanzig Packstöcke bringen; das sind gewisse nicht sehr dicke und zwei Spannen lange Hölzchen zum Schleudern. Der Diener gehorchte und ging in der Tat dahin, wohin sein Herr ihn gesandt hatte. Während der Diener nun die Stöcke brachte, gingen die jungen Leute und der Hausherr nicht von der Tür unten hinweg und machten daselbst tausend Späße; dem Herrn Hauslehrer aber, der am Abend zuvor über Gewohnheit gegessen und sehr gut getrunken hatte und ganz besonders angefüllt war, kehrte sich in seiner unbequemen Lage der Magen um und begann wie ein Strom die Brühe zu entleeren, so daß er die jungen Männer samt dem Hausherrn mit dem Schmutze übergoß, der in seinen Magen eingepfropft gewesen war. Während sie diesen Regen nebst dem schauerlichen Gedonner des Magens hörten, flohen sie, teils wegen des hierdurch verbreiteten Gestankes, teils weil alle mit solcher Hefe überzogen waren, in das Haus, als wüßten sie gar nicht, woher ihnen diese Bescherung komme.

Misser Giovambatista, als er von sich gegeben, was er nicht bei sich zu behalten vermochte und was ihm das Gehirn beschwert hatte, kam nach dieser Entlastung wieder mehr zum Bewußtsein. Von den jungen Leuten, die er gebrüht hatte, ging ein Teil hinauf, um sich zu reinigen, ein anderer blieb unten, und als diese sich unten gesäubert hatten, gingen sie wieder hinaus. Der, der schon zuvor in Frauenweise mit dem Pedanten gesprochen hatte, trat an das Fenster und sagte mit weiblicher Stimme: »Herr Giovan Schafskopf, geduldet Euch für heute nacht! Ich kann nicht tun, was ich wünschte, wegen meines Mannes und einiger Fremden, die hergekommen sind.«

Nach diesen Worten ließ er ihn hinab. Nachdem der Pedant vielleicht zwei Stunden oder noch länger aufgeknüpft gewesen, war er fast in Ohnmacht gesunken und konnte kaum ein Wort hervorbringen. Am Boden angelangt, bemühte er sich, so gut er konnte, sich loszumachen, damit sie ihn nur nicht von neuem emporzögen. Als er aber auch los war, konnte er sich nicht aufrecht halten und ging tappend mit seiner Eisenlast weiter. Er erblickte einen von denen, die er überschüttet hatte, meinte, es sei der Geistliche, trat zu ihm und sagte: »Priester, o Priester!«

Der junge Mann tat, als wisse er nicht, wer das sei, und sprach mit zorniger Stimme: »Was Priester oder nicht Priester! Gespenstergesicht!«

Der andere junge Mann trat herzu und sagte: »Wer ist das? Was spüre ich für Waffen?«

Der arme Pädagog wußte nicht, was er antworten sollte, und im selben Augenblick fuhr plötzlich der Hausherr des Priesters nebst den andern über ihn her, und sie fingen an, ohne ein Wort zu sprechen, in größter Wut ihn mit den Stöcken zu begrüßen, die sie hatten machen lassen. Als Misser Schafspelz sich die Stöcke um die Beine fuchteln fühlte, fürchtete er, es gehe ihm ans Leben. Da er aber mit Schienen gerüstet war, hatten sie ihn nicht beschädigt. Indem er sich nun so durchrütteln fühlte, kehrte ihm, damit er nicht erkannt würde, die schwindende Kraft zurück, und ohne ein Wort zu verlieren, fing er an heftig zu fliehen. Als die jungen Leute sein schnödes Betragen sahen, machten sie sich daraus großen Spaß, liefen ihm nach und gaben ihm noch manchen Abschiedsgruß mit den Stäben. Der Pädagog floh mit aller Kraft seiner zitternden Beine, und die jungen Leute verfolgten ihn und liefen hinter ihm drein bis zur Halle des Papstes. Auch der Priester war bis zur Halle des Papstes seinem Herrn getreulich zur Seite und gab ihm mehr Stöße als irgendeiner. So war denn der Pedant mehr als einmal zum Ritter geschlagen worden ohne Taxe und hatte so genug daran, daß, obschon sie ihm nicht mehr folgten, er doch immer noch weiter floh, so schnell er konnte, da er immer noch sie hinter sich zuhaben wähnte. So lief er bis zu San Giorgio, immer in der Meinung, sie seien ihm auf den Fersen. Und am Ende, als er sich von ihnen verlassen sah, ging er ganz ermattet und halbtot teils von der Trunkenheit, teils von dem Gewicht seiner Waffenrüstung und von der Furcht weiter, und die Zunge hing ihm eine ganze Spanne lang aus dem Munde.

Ganz erschöpft schleppte er sich nach der Brücke. Dort angelangt, wollte er den Weg nach dem Hause einschlagen, wo er zu Nacht gegessen hatte und mit Waffen bedeckt worden war, und fand den Priester neben der Säule sitzend. Als der Herr Hauslehrer ihn erblickte, wagte er vor Furcht nicht zu reden. Der Priester, der ihn kaum verlassen hatte, aber auf einem andern Wege vor ihm dort angelangt war, hörte das Geräusch der Waffen und das Röcheln seines Atems und sah trotz der Dunkelheit die Statur der Person; sonach erkannte er ihn, rief ihn zu sich und sagte zu ihm: »Misser Giovambatista, nun, wie sind die Sachen abgelaufen?«

Bei diesen Worten faßte der arme Pedant wieder etwas Mut; er hielt sich versichert, nun wirklich den Priester gefunden zu haben, und antwortete ihm: »Schlecht sind sie abgelaufen, denn ich war nahe daran, um Euretwillen ums Leben zu kommen; aber Gott hat mir beigestanden.«

»Um meinetwillen?« sagte der Priester; »wie das?«

Der törichte, einfältige Pedant erwiderte: »Ja, um Euretwillen; denn ich glaubte, Ihr seid einer, da war es aber ein anderer, und dem rief ich zu und nannte ihn Priester. Kaum aber hatte ich dies ausgesprochen, so fielen mehr als dreißig über mich her, alle mit Stangen, und ich kann Euch sagen, wenn ich nicht entflohen wäre, so hätten sie mich umgebracht. Sie schleuderten über zwanzig Lanzen auf mich ab, und nur weil sie mich nicht einholten, haben sie mich nicht umgebracht. Außer den Lanzen warfen sie auch noch Bleikugeln und Steine nach mir, ja mir schien sogar, sie schossen eine Art Dolch auf mich, – aber das Glück hat mir geholfen.«

In seinem Schmerz und seiner Bedrängnis, nach der Angst und Not, die er eben nach ausgestanden, vermochte er nicht solches zu erzählen, und bei dem übermäßigen Schnaufen vom Laufen her konnte er nicht zusammenhängend sprechen. Der Priester, um ihn noch mehr zu schrauben und um ihm alle Gedanken zu nehmen, als sei er selbst bei dem Spuke beteiligt gewesen, sagte: »Wißt, Misser Giovambatista, wären nicht diese Beine hier, ich wäre nicht von selbst hierhergekommen. Aber Gott sei Dank, sie haben mich mit wütender Geschwindigkeit hierhergebracht. Ach Gott, ich bin angefallen worden. Habt Ihr nicht den Lärm gehört von der Rotte da droben? Es hätte recht schlimm mit mir gehen können. Aber Gott hat es wohl mit mir gemacht, daß er mich furchtsam schuf; wäre ich wie Ihr bewaffnet gewesen, ich hätte mich nicht rühren und nicht fliehen können. Der Henker, meint Ihr etwa, es seien nur ein Paar, drei oder viere gewesen? Potz Sapperment, Orlando hätte nicht so viele auf der Haube haben mögen, und ich mochte sie auch nicht erwarten; und wißt, sie waren alle mit Stangen bewaffnet! Es wäre eine Narrheit, ja eine wahre Verrücktheit von mir gewesen, gegen so viele standhalten zu wollen.«

Darauf erwiderte der Pedant: »Wißt, ich hätte mich gegen vier bis sechs um keinen Schritt vorwärts bewegt; aber da ihrer so viele waren, wollte ich sie nicht erwarten; ich tat es auch, um nicht die ganze Stadt in Aufruhr zu bringen; ich bin versichert, es wären nicht über ein Paar übriggeblieben.«

Wer diesen Kielhasen hätte so großprahlen hören, hätte ihn für einen Roland nehmen müssen, – und doch war er nur ein Schafskopf.

Darauf sagte der Priester: »Sagt mir, habt Ihr niemand von allen gekannt?«

»Nein«, antwortete der Missere; »ich hatte nicht Zeit, viel umzuschauen; auch ist an diesem Orte hier nicht gut weilen; vielleicht möchte es uns noch übel gehen und wir unser Ende finden. Warum gehen wir nicht in das Haus, wo wir zu Nacht speisten? Dort können wir sicherer uns aufhalten, als wir sind. Es wäre ein Fehler, wenn man uns zum zweiten Male fände.«

Der Priester war von Lachen und von Hinterdreinlaufen ganz müde; er führte ihn daher in das Haus seiner Freunde, entwaffnete ihn daselbst, und sie blieben dort und schliefen; und als naher und getreuer Freund des Hauses legte er den Missere zu Bett, der sich nicht mehr auf den Beinen halten konnte, teils wegen der Angst, teils vor Müdigkeit von dem Gewicht der Waffen; so ruhten sie dort die Nacht über.

Als der Morgen kam, ließ der Priester den Pädagogen trostlos und verstimmt zurück und ging nach Hause, erzählte seinem Herrn und seiner Frau den ganzen Vorfall und lachte mit ihnen über die Torheit des Menschen. Ja, ich glaube, sie lachen noch jetzt oft darüber und verhöhnen ihn, sooft sie ihn sehen, mit tausend Possen.


 << zurück weiter >>