Ludwig Aurbacher
Ein Volksbüchlein
Ludwig Aurbacher

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Sechstes Kapitel.

Eines Tages trat Mephistopheles zu Doctor Faustus hin, und sprach: »Was nistet Ihr denn in Einöden, wie ein Käuzlein, und verkümmert Euer Dasein in trostloser Einsamkeit? Der Mensch ist einmal an den Menschen gewiesen, will er anders des Lebens froh sein. Kommt, ich bring' Euch wieder unter die Leute, aber unter Leute von rechtem Schlage. Die Ihr früher erwählt habt zu Euren Genossen, das waren übermütige Thoren, die sich weise dünkten, und alberne Schwätzer, die ihre eitlen Träume für Wahrheit ausgaben. Mich wundert's, wie Ihr, als ein weiser Mann, so lange dieses Gelichter in Eurer Nähe habt dulden mögen. Ganz anders sind die, in deren Mitte ich Euch nun führen will. Zwar begreift man diese Klasse Menschen unter dem Namen: Pöbel, und man will damit das Gemeinste und Niedrigste bezeichnen. Recht und genau genommen ist aber dieser Pöbel eben der Kern und das Mark des Volkes. Diese Menschen sind doch, was sie scheinen wollen, und sind es ganz. Sie haben Charakter. Und das entscheidet. Der Weise, wenn er nicht seines Gleichen findet – und wo mag er sie finden? – suchet sich geradezu den Gegenpart auf. Die Narrheit ist das Spielzeug der Klugheit, und die Thorheit die Folie der Weisheit.« So sprach Mephistopheles, der sich sofort als seinen Gesellen und fahrenden Schüler kleiden und gebärden wollte. »Es sei! sagte Doctor Faustus. Ich will einmal das Leben als ein gemeines Possenspiel ansehen, und darin die Rolle des Hanswurstes spielen. Vielleicht daß mir die Schellenkappe besser behagt und frommt als der Doctorhut.« – Sie kamen zuerst in die Stadt Leipzig. Als sie die Straßen durchwandelten, bot sich dem Doctor sogleich eine Gelegenheit dar zu einem lustigen Schwank, von dessen Ruf auch bald die ganze Stadt voll wurde. Es waren eben in einem Weinkeller Schröter beschäftigt, ein großes Faß heraus zu schaffen. Das sah Faustus und er schalt ihre Unmacht, und sagte: ein solches Faß könnte er allein von der Stelle bringen, wenn er wollte. Das verdroß die Schröter, und der Weinherr sagte: wenn er das könnte, so sollte das Faß Wein ihm gehören. Alsobald setzte sich Faustus auf das Faß, und, als ritte er ein Pferd, trieb er das Faß des Weges in die Straße hinaus, zu großem Jubel der Studenten, die umher standen. Faustus gab sogleich den Wein den Musensöhnen preis, die ihn zu Ehren ihres Patrons fein lustig austranken. – Bald hatte Doctor Faustus an solchen Possen und Schwänken Gefallen, denn er verachtete die Menschen, und vermeinte, daß sie weder der Liebe, noch des Hasses werth seien, sondern nur des Spottes und des Hohnes. Also trieb er sich überall umher unter gemeinem Volke, und neckte die Leute allwärts, wie ein Kobold. Man erzählt sich wunderliche Geschichten, von denen hier nur eine und die andere zu melden ist. Eines Mals – wie er denn am liebsten mit dem lockern Studentenvölklein Umgang hatte – führte er die ganze Burs auf einer Leiter nach Salzburg in den Weinkeller des Bischofs, wo sie sich's wohl schmecken ließen; und als sie inzwischen der Kellermeister überraschte, so entführte ihn Doctor Faustus auf eine hohe Tanne, wo er ihn bis zu Tagesanbruch zappeln ließ. – Ein anderes Mal thaten drei vornehme junge Grafen gegen ihn den Wunsch, daß sie gar zu gern auf des Bayerfürsten Sohns Hochzeit zu München anwesend sein möchten. Doctor Faustus wollte ihnen willfahren, jedoch unter der Bedingniß, daß sie während der ganzen Zeit kein Wort reden sollten, was sie ihm auch zusagten. Da spreitete er seinen Mantel aus, und hieß die drei Grafen sich darauf setzen, er selbst stellte sich zwischen sie. Auf Fausti Beschwörung erhob sich ein Sturmwind, der sie hinweg trug durch die Lüfte, daß sie zur rechten Zeit in des Bayerfürsten Hof kamen. Nachdem sie den ganzen Tag der Herrlichkeit zugesehen hatten, selbst unsichtbar allen Gästen, da gelüstete es am Abend einen der jungen Herren, ein überaus schönes Fräulein zum Tanz zu führen, und sprach sie deshalb an. In demselben Augenblicke rief Doctor Faustus »Wohlauf!« und er entschwand mit den beiden andern, die sich, wie er befohlen, an seinem Mantel fest gehalten hatten. Der dritte aber wurde als ein fremder, eingedrungener Gast alsogleich bemerkt, und ins Gefängniß geworfen. Doch befreite ihn des andern Tages Doctor Faustus, nachdem er die Wächter dermaßen verzaubert, daß sie in tiefen Schlaf fielen, und brachte den Grafen zeitlich nach Leipzig zurück.


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