Ludwig Aurbacher
Ein Volksbüchlein
Ludwig Aurbacher

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59. Der lustige Schuster.

Wer zu allen Kirchweihen, Dinzelfesten und sonstigen Eß- und Trinkgelagen von allen Seiten her geladen wurde, das war Fips, der lustige Schuster. Er verstand zwar nichts von den sieben freien Künsten und blutwenig von seinem Handwerk, aber er hatte vielen Mutterwitz, und war unerschöpflich an Schnaken und Schnurren, und besonders an Rätseln. Deshalb warb man gern um seine Gesellschaft, und er schlug auch keine Einladung aus, da, wo es wohl zu essen und zu trinken gab, umsonst und um nichts. – Einstmals lud ihn auch ein reicher Kaufherr zu Tisch, welcher mehrere gute Freunde bei sich bewirthen wollte. Fips erschien, wie sich's ziemte, im Feiertagsrocke, und war nicht der letzte, der sich setzte. Suppe und Rindfleisch schmeckten ihm wohl, das sah man; aber er that kein Maul auf, außer zum Essen. Die Gäste warteten vergebens auf die Schnaken und Schnurren und auf die Räthsel. Der Hausherr schenkte ihm ein Glas Wein ein, verhoffend, daß der Geist den Geist wecken werde. Der Schuster soff ein Glas um das andere aus und aß viel, aber es kam kein Wörtle aus ihm. Endlich forderte ihn der Hausherr auf, seine Witze loszulassen. Fips erwiderte: »Laßt mich doch erst einen Grund legen; dann werden schon die Witze aufwachsen, wie Pilze. Aber naß muß vor Allem der Boden sein.« Und er trank und aß fort. Zuletzt, als man ihm gar keine Ruhe mehr ließ, wischte er sich das Maul, trank noch ein Gläslein, und fing sofort an zu erzählen, wie folgt: »Ein König schickte eines Tags seinen Narren aus in die Welt, mit dem Auftrage, er solle nach drei Dingen forschen, und nicht eher an den Hof zurückkehren, als bis er sie gefunden. Und er legte ihm drei Fragen vor: »Zum ersten, welches Fleisch ist fetter, als Schweinefleisch? Zum zweiten, welches Brod ist weißer, als Ulmerbrod? Zum dritten, welches Holz ist härter, als Hagebuchen-Holz?« Auf dies ging der Narr fort. – – – Fips hatte dies kaum geredet, als er wieder über die Schüssel herfiel und sich eins ums andre tief zu Gemüth führte. Die Gäste hatten unterdessen angefangen, über den Räthseln zu sinnen, die dem Narren aufgegeben waren. Und der eine rieth dies und der andere jenes. Fips aber schüttelte zu allem, was sie vorbrachten, den Kopf, und aß und trank weiter, so lang es reichte. Endlich verleidete den Gästen das Rathen, und sie forderten den Schuster auf, zu sagen: was fetter sei, als Schweinefleisch, und so weiter. Fips, ohne lange nachzusinnen, sagte: er für seine Person wisse es eigentlich auch nicht, und man müsse drum schon warten, bis der Narr zurück sei von seiner Reise um die Welt; der werde es dann sagen, wenn er's eben wüßte. Der Hausherr und die Gäste merkten nun, daß sie die Gefoppten seien; doch verhielten sie's dem lustigen Schuster nicht, sondern lachten fein einander aus. Fips hielt sie auch von nun an, als er satt geworden, schadlos mit seinen Schwänken und Possen, so daß zuletzt alle zufrieden gestellt wurden. . . . Und wenn's der Leser nicht ist, so mag er den Narren machen, und selbst Umfrage halten in der Welt.


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