Ludwig Aurbacher
Ein Volksbüchlein
Ludwig Aurbacher

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25. Die Säcke.

Ein armer Bauersmann fuhr eines Tages von der Schranne aus der Stadt nach Haus, und er zählte während des Fahrens die wenigen Gulden, die er aus dem verkauften Getreide gelöst hatte, und er rechnete aus, daß wenn er die schuldigen Steuern abgetragen, und das Nöthigste für das Hauswesen bestritten, ihm nichts übrig bleibe, womit er sich und seinem Weibe und seinen Kindern auch nur einen Tag gütlich thun könnte. Indem er so in traurigen Gedanken saß, und langsam auf der Straße dahin fuhr, rasselten prächtige Kutschen und stampften stattliche Rosse vorbei; und die in den Kutschen saßen und auf den Rossen ritten, eilten nach einem nächst gelegenen Orte hin, wo sie die Abende in Saus und Braus verlebten; und er erkannte in ihnen so manchen Edelmann und Kaufmann und Gastgeber und Kleider- und Schuhmacher, lauter vornehme Herren. Bei diesem Anblick regte sich in seinem Herzen Mißgunst und Aerger, und er überlegte bei sich, wie sogar ungleich und ungerecht Würden und Bürden, Freuden und Leiden auf Erden vertheilt seien unter den Menschen. Damit legte er sich unmuthig in den Wagenkorb nieder, und, indem er von der Straße ab einen Seitenweg einschlug, so ließ er die Rößlein langsam fürbaß ziehen, und er selbst schlief ein. Da hatte er folgenden Traum. Es däuchte ihm, als käme er in einen großen, prächtigen Saal, und an den Wänden umher lagen Säcke von verschiedener Größe und Gestalt; und auf den Säcken standen verschiedene Zeichen; auf dem einen eine Krone, auf dem andern ein Wappen, auf dem dritten ein Kelch u. s. w. Indem er so voll Verwunderung umher schaute, däuchte es ihm, als hörte er von Jemanden die Worte: Lang zu! Das ließ er sich nicht zweimal sagen, und er wollte sogleich den Sack hinweg tragen, der eine goldene, mit Perlen reich verzierte Krone als Zeichen führte. Aber ach! der Sack war so schwer, daß er ihn nicht heben konnte. Er versuchte es nun, den zweiten und den dritten wegzutragen; aber auch sie waren so schwer, daß er nach wenigen Schritten unter ihrer Last niedersank. Und so probirte er es auch mit den folgenden, die ihm ebenfalls zu schwer waren. »Hm! dachte er sich; Einer wird mir doch gerecht sein; und hat er auch weniger Kostbares in sich, so ist es doch Etwas, und ich kann immerhin zufrieden sein.« Er probirte und probirte weiter; und endlich fand er einen, den er leicht fortzubringen gedachte. Wie er ihn nun aber näher betrachtete, so sah er, daß er einen Pflug als Zeichen führe; und er sagte: »Der ziemt mir, einem Bauersmann, und der Herr hat ihn sicherlich für mich bestimmt.« Und er hob ihn auf, und ging davon, des obgleich geringen Schatzes froh, den der Sack verbarg. Darob erwachte er. – Und der Wagen mit den Rößlein hielt eben an vor seiner Hütte, und Weib und Kinder kamen herbei, und grüßten ihn. Er aber rieb sich die Augen aus, und überdachte den seltsamen Traum, den er gehabt, und was in demselben für eine Bedeutung liege. Die Mutter kam indeß näher herbei und sagte: »Vater, du hast wol ein Mäßlein zu viel getrunken, daß du so verstört drein siehst?« Sein Angesicht erheiterte sich aber, und er langte der Mutter den Beutel zu und sagte: »Da, nimm! Schwer ist er zwar eben nicht; aber Gott sei's gedankt! es ist gerade so viel, als wir brauchen; und was will man mehr?« Darauf stieg er vom Wagen, und er drückte seinem Weib die Hand, und nahm die beiden kleinen Kinder auf den Arm, und trug sie in die Stube. Drauf, als die Mutter eine Schüssel voll Milch herbeigeholt, zog er den Wecken hervor, den er mitgebracht, und brockte ein, und sie alle aßen. Und er erzählte der Mutter den seltsamen Traum, und sagte, was daraus zu lernen sei; und sie genossen in ihrer armen Hütte eine Freude, wie sie jene Herren in ihren Kutschen und auf ihren Rossen und bei Bier und Wein und Schinken und Pasteten an jenem Abend wol nicht gehabt haben.


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