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Mir war es einst, als hätte mich der Felsenaar zum Licht getragen, Da hob mich Zeus, im Flügeltal, zum Unermeßlichgroßen, Ein Fordern war mein Wonneflug, dem Mannesblick ein Jagen; Ich wollte fort, bloß fort, und nirgends dort an Ziele stoßen. Mir ist es oft, als ob ein Gott die keusche Jünglingsseele küre. Wohl könnte sich die Weiblichkeit dem Schwane sanft ergeben, O Sonne, wirf uns übers Meer die blendendlichte Lebensbrücke, Durch Wellen schlängelt sichs nun her, mein Weltband hellen Sonnenlichtes! Das Ruder schöpft sich Flimmergold aus morgenblassen Spiegelfluten: So manches Segel, gelb und rot, umschwebt mich, wie Venedig |
Venedig, deine Marmorsäulenwälder Durchstreif ich tausendmal und gerne, Sie sind die bleichen, steinernen Vermelder Versunknen Seins in Meer und Nebelferne. Arkadien bist du unsrer Welt geworden: Doch ist Arkadien nicht für dich gefallen? Die Forste breiter Berge, die verkarsten, Arkadien hat sich freundlich ausgebreitet; Erwürger brachten sie: roh und verwegen. Doch blieb der Leu auf seinen braunen Matten! |
O Frühjahrsfrüh, hoch oben auf Arkadiens Bergen, Erscheine mir in deiner blassen Glut, Du sollst mir keine Zauberkraft verbergen, Die noch behutsam in den Keimen ruht. Das Licht erstrahlt aus großer Morgenferne. O Welten-Ei, mit deiner Sonnenmitte, Schon bannt das Licht die künftigen Gestalten Auf Trümmern seh ich Lichtgedanken thronen, Die Bäume spenden sich, mit vollen Zweigen, Die Macht des Lichtes, die uns weit versprengte, Die Wesen, die den Wurzeln sich entringen, Der Mensch kann die Versuchung von sich streifen. Nur eine Seele kann die Blüte tragen! Ach, welche Kluft mag mich vom Weibe trennen, Bevor der Sonnenfesttag aufgegangen, Ja, bloß ein Wesen ist für mich erschaffen! |
Die Welt kann sich durch Liebe nur erhellen, Da treu ein Stern des andern Leben hegt, Dem Weltlichtherz entschwellen Schwesterwellen: Ein Lebenslicht, das Liebe trägt und wägt. So malt die Sonne bunte Frühlingsranken Gedanken, die durch starre Felsen dringen, Ein Taggeschöpf muß sich zur Sonne kehren, In deiner Schönheit, Weib, bringst du die Schäume |
Mir ist es oft, als sehnten sich die Blumenwiesen, In heitrem Lenzesschmuck, nach einem Fernenflug, Als wähnten wir, als hofften sie, die Winde bliesen Sie munter fort, als traumhaft bunten Flatterzug. Nun plötzlich seh ich, wie sich viele regen: Nein, weiße Tauben sind das, die mich deutlich täuschen: Ich selber bin ein Wunsch nach Liebe und Entfaltung, Ich habs im Sinn, daß tausend weiße Himmelswiesen Ja, keusch ist unsre Flur, die liebend sich befruchtet, |
Mir ist es oft, wenn ich die Augen schließe, Als ob die Welt der eignen Phantasie In einem Strom von mattem Golde fließe Und traumhaft durch die wache Seele zieh! Das ist das Blut, das die Erinnrungsbilder Die Lichtgestalten haben ausgerungen! Jetzt seh ich herbstlich goldne Wälderhallen. Schon tropft das Lebensblut von Bäumen nieder. Sind auch die Blätter bald im Wald verflogen, Die Sommerfreude jauchzt in Vogelliedern, Wo arme Leute dürre Zweige sammeln, Du glaubst an einen Hauch der Menschenseele, Dann ist es mir, als schlichen Sterbewesen Die goldnen Ströme flammen auf wie Hallen! |
Versteinerte Eichen am Grund der Lagune Beginnen dem Sumpfe mit Wucht zu entwuchern: Nun wächst schon die trutzige Dünenkommune, Und Kunden erblühen von Nordlandbesuchern! Schon können sich rumpfige Gruppen erreichen. Die Seele der alten, versunkenen Wälder Schon grünt und so blüht unser keusches Venedig! Rialto, die Pulsadern deiner Entfaltung, Bald tragen die Fluten vom Osten her Rosse, Die Götter Arkadiens sind wieder erstanden. Nun tutet Neptun, bis zum Bauche erhoben, Mit glühendem Sonnenstift zeichnet sich Klio Die heldischen Zinnen, mit reinen Erdstimmen, Venedig, du selbst bist die klaffende Auster, Jetzt weben die Wellen sich Lichtflitterflore! |
O Farbenstadt Venedig, dir zu Füßen Verstreut und legt ein grüner Strom Juwelen: Das Meer will jedes Dogenhaus begrüßen, Hier dürfen nirgends Flutgeflechte fehlen. Auf himmelblauem Dunkelglutengrunde Erflimmert sind des Meeres Sonnenstoffe! Die reinsten Flammen sind Türkisen, Rauten, Ein wahrer Prachtdamast ruht vor den Stufen Die Kirchenkuppel blickt mit mildem Auge Venedig, die Empfindungsinseln stiller Stunden |
Venedig, dankbar bringen dir die Götter Gaben, Geschenke, wie sie keine andre Stadt empfangen: Du bist wie Aphrodite, der du gleichst, erhaben! Du hast erwachend stets ein trautes Brautverlangen. Bevor dein Bräutigam, das Meer, dich darf gewahren, Der Venus Tauben, kaum vom Traume aufgeflogen, Es blauen dunkle Fluten um die grünen Augen, Das Licht auf der Lagune ist der Pfau der Hera, Fürwahr, die Götter Hellas' leben in Venedig! |
Der Dogenpalast, den Phantome bewohnen, Behorcht Domgebote, die Rom streng erwogen: Und alle die blutlosen Staatsabstraktionen Beleben die Rhythmen der rollenden Wogen. Der Volkswille wird eine Weltblütenlese! Die Säulen, die prachtvoll den Staatspalast tragen, Der Mythos der Parsen, der Kult der Hebräer, In heidnischer Einfalt erblüht eine Säule! Die Eckpfeiler dieses grotesken Palastes Am anderen Pfeiler liegt Noah im Rausche: Das richtige Urteil, – wie hier zu Gerichte, |
Im Erdgeschoß tragen die Ganzunbekannten, Die Massen des Volkes, die Last des Palastes: Im Stockwerk darüber, die friedlichverwandten Geschlechter des großen San-Marco-Morastes. Auf schlankerem Schafte erblühn hier Gebilde Ihr furchtbaren Rümpfe und Staatspalastpfeiler, Ihr schnurrig verkrusteten Trumpfkapitäle, Die Volkskraft am Meere enthüllt und entwindet |
Die Markuskirche
So flammt denn auf, ihr goldnen Hallen! Erwache meiner Seele Gold: Gewaltig mag die Blutflut wallen, Erstehe, was zum Tag gewollt! O Sonnentempel, golddurchflossen, Im tiefsten Bann magst du mich halten, Ein Fremdling bin ich. Losgerissen, Nun flammt denn auf, ihr Abendhallen, Ich werde hier mein Herz ergründen. Die Sterne hab ich lang bewundert: Die Nacht hab ich mit Gold umzogen! Ihr hohen Tore aus dem Osten, Du hältst in dir, als voller Same, Es ruhen Heilige, Propheten Aus Menschennähe hoben Christen Venedig, deine Ferngestalten Man holt in goldnen Prozessionen Ein Psalm erklingt! Und Davids Name Ein Gold ist der Kometenpollen, |
Auf dem Markusplatze in Venedig finden Seit Jahrhunderten sich stets die gleichen Gruppen, Denn der Tod wird schwer Geartung überwinden: Aus den Bengeln müssen Eltern sich entpuppen. Die Gewänder und sein Erbteil nimmt ein jeder, Die Belebungsfülle aber bleibt die gleiche: Die Verblichenen, so scheint es mir, beseelen Nur die Helden konnte Christi Tod befreien! Die Vergeßlichkeit ist unser Trost auf Erden! Täglich strömen Leute aus den finstern Gassen Täglich macht der Pöbel seine alten Witze! Stilgebärden und die Sprache, die uns bleiben, Durch Verschiedenheit kann sich die Welt erkennen, Liebesstürme kennen nur die Kinderlosen: Spießbürger, ihr seid fürwahr nicht umzubringen! Nein und doch, das Liebesfeuer gärt in allen: Denn die Liebe für das liebende Gewissen Pöbel, stärker als dein Trachten sind die Plagen, Eigenmächtigwilde, zynische Projekte Ja, ein Brand geht durch die Menschheit, eine Flamme, Pöbel, nein! Ich kann dich wahrhaft gar nicht hassen, Stundenlang kann ich am Markusplatz lustwandeln: Einmal nur im Leben wird der Mensch zum Dichter, Mag er da des Eigentumes Wahrheit ahnen, Würden wir mit Würde den Geschlechtstrieb lenken, Armes Volk! Ein jeder dünkt sich frei vom Ganzen, Die Geschlechtlichkeit, das Tiefste, will bestehen! Markusplatz, du mußt vom Jenseits Macht empfangen! Zufall sagt man: kann es einen Zufall geben? Heiter bin ich jetzt gestimmt, die Saat geht weiter. Sonnenschiffe, die am Markusstrande landen, |
Die Markuskirche
Was ich denke und empfinde, Herz im Herzen, ist es wahr? Schwebt die Seele nicht gelinde Vor den eignen Wunschaltar? Götter kann ich jubelnd krönen, Goldne Traumfäden verflechten Alles, alles nur Phantome! Jedes Schicksal trüg ich gerne, Nach dem Tode sinkt der Parze Sie verspinnt ihn immer weiter, Klotho, laß dem Seelenfaden Hier im Tempel will ich träumen, Eigenwillig, ihr Erbauer, Unsre Träume haben Grenzen! Bloß gehorchen soll man – schaffen? Träume stehen auf, Propheten Und ihr hört ein Eichenrauschen: Lachesis, laß meinen Faden Liebe will ich traut empfangen! In das Wirrnetz der Moiren, Wo ist Seligkeit im Leben? Wo ich mich um Nordschein quäle, Spürend – fühl ich bloß die Leine: Glaub ich an den tiefsten Schimmer, Durch die Numen spukt das Ende, Denn aus einem Machtgeschlechte Meines Volkes Stil und Stempel Ich gehöre zu den Tauben, Wagt euch vor, verdutzte Leute! Muß es deshalb Gott auch geben? |
O Flut, du bist im Nu davongeflogen: Nun reift ein Nachmittag auf dem Moraste. Von Purpurfurchen ist der Sumpf durchzogen, Die Segel schlaffen fast von ihrem Maste. In Trägheit eingemuschelte Gestade Der Wind, der rote Barken froh geschaukelt, Ganz ockergelb, wie aus dem Lehm gezogen, Ich sehe Goldranken die Luft durchrauschen Ein Windhauch trägt mir viel zu viel vom Äther, Das Meer beflimmern immer Brisenschilder. O Sonne, deine Froheit kann ich doch ermessen! |
Nun lodern die Türme, nun lohen die Masten, Und Menschen sind ringsum von Flitter umzittert. Um gotische Eckgiebel hängen sich Quasten: Das Meer scheint mit Quecksilberdraht übergittert. Die Säulen umschleichen schon gelbliche Reben, Venedig, du hast Hellas' Götter empfangen! So wachsen die wispelnden Schatten allmählich: Die ruhigen Ranken umklammern die Bauten, Figuren um Dächer und goldne Terrassen So scheint sich das Meer an die Ufer zu lehnen. |
Sonne! Sonne! Holde Sonne, Geberin von Lust und Leid, Eine große Lichtkolonne Ist zu Streit für dich bereit! Ringen wir nach deinem Lichte, Licht, du kannst uns Richtung geben! O, den Leib, alle Gestaltung Große Formen, die sich sonnen, Sonne, du verdammst zum Tode, Dionys, du bist erhoben! |
Die Strahlen der Sonne sind blutige Speere, Im Kampfe mit Wolken und Finsternisgraun. Die Ruhe versinkt in dem dunkelnden Meere: Ich kann kaum hinab in den Grababgrund schaun. Vergangene Blüten erglühen nun wieder. Jetzt denk ich an dich, Jacobello del Fiore, Murano, du Eiland verwunderter Kinder, Es bluten die Ziegel der alten Paläste, Dann folgen die Farben der sanften Geschlechter, Jetzt schmückt sich der Himmel mit Wolken und Wappen, Auch meine Standarte mag aufgerollt fegen: |
Venedig, bunt ergießt sich deine Ernte Aus Blumenseelen in die frohe Welt, Denn jeder Duft, der sich von dir entfernte, Trug Samen in der Zukunft Blütenfeld. Die Nelken deiner Vorwelt sind erstanden. Mansueti hat ein holdes Sonnenmotto: Bellinis: du Giovanni, du Gentile, O Tintoretto, lauter goldne Trauben, Venedig, ganz Arkadien ist erstanden! |
Der Zauber, den hörbar die Nacht aufgerufen, Beginnt sich als Wunder am Meere zu regen: Im Schatten verblauen die marmornen Stufen Der stillen Paläste an wogenden Wegen. Der goldene Samen des schaffenden Tages Beim Gondeln begegnen wir Zitterpolypen, Auch mir will die Seele im Leibe entquellen! Ihr Perlen und Spangen am Grund meiner Seele, Ihr Tage vergraut! Nächte dunkelt vorüber, Wann wird mir ein Mund mein Geheimniswort sagen, Die Münder verbrüdern Millionen von Blüten, |
Auf des Tages Abendschleppe Streut der Mond sein Lichtgeschmeid, Über ferner Alpentreppe Funkelt noch das Purpurkleid. Und ein Ruhestundenschleier Wie in einem Irisbecken Viele ersterglimmte Lichter Da vor unserm Gondelbuge Kaum hält unser Fährmann inne, In den heimlichen Kanälen Seine weißen Flimmerglieder |
Steile Türme hoher Bauten Steigen übersteil empor, Ausweichrufe – horch! – verlauten! Finster bleiben Tür und Tor. Oft kann sich der Mond verstecken: Dunkel folgt der schnellen Helle. Stürmen wird es! Wind und Regen O, es drängt mich lautes Grausen |
Ein Stier mit seinem Silberhorn Trägt die Nacht aus Nebelfugen: Durch Wolkenritzen wildverworrn Siehst du kaum die Sterne lugen. In schwüle Dünste eingehüllt, Die Tiere, blind und ungezähmt, Am Hexenbuckel huckepack, Was hackt sich dort die Flügel aus? Der Wind verrammelt rasch die Tür Ein Schneegebirg, ein Slawenschloß Schon sprengt er vor, er wagt den Sprung! Wie traumversponnen sitzt sie dort, Ich bange lange dort hinein. Vom Lido hörst du, Prall auf Prall, Es scheint hier manches Marmorhaus Wer hat den Bau aus Griechenland Jetzt scheint mir, daß ein Silberwurm Auch steigt ein dichter Silberrauch Einst gab so einer Schaumgestalt Hoch oben, von der Nacht verscheucht, Die kühnste Wetterhexe wirft Am Meeresstrande aber wohnt Es schleppt sich nun ein Rittertroß Bis übers Knie sinkt jeder ein! Sie reiten mühsam bis zum Meer: Die Lappen schlottern schon vom Leib Im Dunst erstickte fast der Wind, Doch wie der Dunst sich kaum verzieht, Sie sind des Mondes Wirbelbild! Fern im Schlamme siehst du noch Ein Panzerschiff im Hafen scheint Venedig, bist du endlich frei? |