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Ich habe »Pan« in den Jahren 1902 und 1903 geschrieben. Th. D. |
Die Erde braust dem Sonnenlicht entgegen, Als flöge sie in des Geliebten Arm: Sie will sich eng an seine Fülle legen, Denn sie ergibt sich ihm bewußt und warm. Die Schöpferglut, die sich im All verschwendet, Nun beugt die Erde ihren Felsennacken Sie ist der Wonne inbrünstig ergeben! Sie kann, befruchtet durch den Sonnenwillen, Der Sonnentag, der jede Wesensregung Dann furcht er sie in alle Kinderseelen, Der Tag, die Nacht sind beide lichtgeträchtigt! Der Morgenkranz, den holde Jugendkraft gestaltet, Zum Jubeln aufgelegt sind unsre Seelen, Die Sonnenmacht, die mich emporgewunden, Denn in dich selber schlüpfst du durch die Fügung, Die Erde labt uns mit dem Sonnentranke |
Dir Pan, herrlichem Wesen, Dir Pan, Gottheit der Wälder, Bleiben die Lebenden ewge Vermelder Raschelnden Ruhmes im raschen Verwesen, Rastlosen Taumels, im Drang zu genesen! Rauschender Ursprung du, Urquell und Mündung, Du, aller Blutnatur Säftegeleisung, Anhalt und Lebenszweck rhythmischer Kreisung, Überschwall, Todessturz, Wollustentzündung, Traum über Sternen als irdische Gründung: Zeig mir die Allnatur deiner Vereisung! Inhalt und Lebensgrund wird jede Wendung Das Leben entsteht wie die Kraft des Passates! Nur Weniges kann sich ins Weite verschlagen, Uns scheint unser Trachten nordwestlich zu klimmen, |
Nach Ruhe weht das Weltverlangen! Die Schöpfung stirbt um ihren Kern. Doch kannst du nur dein Ich umbangen: Kein Herz gebiert den Ankunftsstern. Der Himmelsbau blaut ohne Ende, Gestirne suchen ihre Mitte: Ihr Starrsinn sucht sich zu erfüllen, Das Feuer wird die Schranken brechen! Ein Glutstrom stürzt, nach der Verwundung So wälzen ruhlos sich Gestirne Doch weiter glaubensheiter schreiten Ein Anfang, der noch nie bestanden, In sich verschlingt das Ei die Strahlen: |
Erscheine, Pan, tritt auf im erdbewußten Kreis, Kein Sieg gelingt, doch nichts verschrumpft, um zu verderben! Im eignen Kreis gefühlt zu sein, ist das ein Preis? Was uns entschwand, weiß neuen Anklang zu erwerben, Was eben wirkt, um unsern Sinnen sich zu zeigen, Erfassen wir, um es in uns dann zu verschweigen. Und doch, o Pan, den kurzen Einblick in Momente, Und dennoch kannst nur du mich etwas Einsicht lehren, Wenn ein Gedanke wo entsteht, geschieht das formlebendig, Kein Mieder, keine Klammer kann als Bild genügen, Ach, alles, auch das Loseste, hat volle Geltung auf der Wage Die Sonnentiefe, die wir in uns selbst empfinden, Der Stern in uns will übersinnlich Gott erreichen, Wir leben in der Sonne! Unsre Seele selbst ist sonnig! Die Welt erblicken wir, dank unserer Beschränktheit: |
Pan, Pan, so öffne deines großen Reiches Pforten, Und was ich fühlen muß, beschwere du mit Worten. In deiner Welt wird sich der Geist in Formen kleiden, Und wer dich kennen will, muß wirklich innig leiden! In deine Lebenswellen, Jubelsprudel, fällt ein Lot, Das ist der Ruhedrang, das Urbedürfnis der Natur. Es singt und trifft und mißt bei dir – und ist der Tod, Denn jedes Ichbewußtsein ist schon seine Spur! Mit Lichtgeschlechtern, die ihr Gleichgewicht erkämpfen, Läßt das Lebendige auf Erden sich vergleichen, Hier muß die Ruhewucht den Sonnensturm der Wesen dämpfen, Und nur im Traum kannst du dein Innertum erreichen. Die Welt muß vollerfüllt sein und mit scharfen Klammern, Die wir nicht sehn, erreichen sich die Zackenmassen Der Dinge, die da, allseits wechselnd, sich erfassen; Wir fühlen sie, wenn wir uns freuen oder jammern, Doch meistens müssen sie ganz ungeahnt erbleichen, Denn Pan kann sie für unsre Sinne nicht erreichen: Wir dürfen den Verstand an Lichtgesichte hängen, Und trachten dann die Freiheit zu erobern, Und wenn wir Selbstsucht mit dem Anstand schlau vermengen, Beherrschen wir den Tag und zählen zu den Obern; In Wirklichkeit jedoch sind wir dann Springinsfelder, Ganz ohne edlen Ahnenernst verlorner Wälder! Ein wahres Gleichgewicht in uns gebiert Gesittung, Da können dem Verstande Ahnungen entwallen, 481 Und Pan erfaßt und bannt sie noch in Marmorhallen. Doch bleibt der Tageshelden flüchtige Verkittung Ganz ohne Halt mit unsrer Allheit Daseinsketten. Sie sind von keiner Dauerart; beinah wie Kletten Umschlingen sie des Urgewissens Trutzbestände: Sie trachten stets, voll Hast, ihr Einzelglück zu retten, Denn sie sind schwach, des Lebenssturmes flaches Ende. |
O Pan! Ich trachte allseits deine Dagewalt zu finden, Doch in der Stille nur hast du dich wahr gezeigt: Ich wartete und fahndete nach dir, und Linden Im Walde haben sich dann still im Wind geneigt. O Pan! Was ist ein Blatt? Der Wunsch, sich lange grünend zu erhalten. O Pan! O Pan! |
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O Pan! Ich will durch deine Wälder streifen, Und mein Erschauen soll den Forstgott loben: So zeige mir, wie Sonnenwünsche reifen Und Lebensbäche in den Bäumen toben. O, lasse mich in deinem Kreise lesen, O Pan! Beharrlich ragst du in die Tanne: Mir scheinen Eichen, die den Fels zerspalten, Gleich einem Kinde spielst du mit dem Winde, Der Bäume Einfalt scheint zu Gott zu beten, O Pan! du sehnst, in grünen Efeuranken, Du willst in Pilzen dich ins Leben klemmen |
O Urwald, du Sinnbild von Lebensgedanken, Leibhaftiger Inbegriff tiefer Gefühle, Die rings sich, vom Mutterland, himmelwärts ranken, Du seliger Ausdruck vom Waldesgewühle, Entwurzelter Ursprung der Tiere der Wüste, O Pan, den ich fahndend als Erdgott begrüßte, Nun laß dir für herrliche Einblicke danken! Ich lobe die Bäume, als Gleichnis des Lebens, Lichttrunkenen, stolzen Sichsonnwärtserhebens! Ich ruhe auf schaukelndem Wildwaldgewinde. Ich liebe die Wildnis, ihr Singen im Winde. Ich hör ihre Lieder des Werdens erklingen, Ihr Ahnungsgeflatter das Blattwerk durchdringen. Ich lausche zuerst dem Gebrause der Blätter, Dann scheint sich, was grünte, zu Flügeln zu paaren, Und plötzlich gelingt schon das Freudengeschmetter, Und überall jauchzen der Waldvögel Scharen! Im Urwalde regt sich bereits das Verlangen, Das irdische Fordern, sich anzubequemen, Durch innige Lichtrhythmen rings zu verfemen: Vom Erdfeuer Inhalt und Wert zu empfangen, Um langsam den Drang, was sich bietet, zu nehmen, Durch glimmende Seelenbeginne zu lähmen! 484 Im Wasser, wo Sumpfblumen wunderbar prangen, Und Blattpflanzen, was sie verlangen, erlangen, Wo Rohrgruppen Schlangen und Schlammuscheln schützen Und stumm sind, als ob sie Geburtsrätsel bergen, Beginnen auch wirklich der Streitseele Keime. Denn hier kann, was da ist, im Schöpfungssumpf bleiben Und rastlos im fetten Morastschlamm und Schleime Sich weiterverpflanzen und weiterbeleiben. Das Schilf darf ganz schlaflos und traumlos beharren Und braucht nicht mit Wurzeln nach Nahrung zu scharren, Die Luft aber, die sich voll Hoffnung erweitert, Und die sich durch Tummelwindwirbel erheitert, Hat flatternde Blätter, auf Bäumen und Sträuchen, Und seufzende Wesen, die Schreckbilder scheuchen, Hat schließlich den atmenden Pulsschlag erschaffen, Denn Seelen entstehen, wo Blutpausen klaffen! Die Sehnsucht zur Sonne, durch die wir ersprossen, Die alles in Formen, voll Schlankheit, gegossen, Hat weiter die Seele gestählt und erzogen, Bis endlich der Geist ihr in Freiheit entflogen! Es hat sich der Leib, übersättigt, den Frieden Und eigenen Willen (als Streiter!) beschieden. So mußte das erste Bewußtsein erwachen Und Pan diesen Einfall gar herzlich belachen! Warum aber trag ich Verlangen zu rasten, Und nimmer die Lust, stets nach Nahrung zu tasten? Das ist, weil die Winde der Erde erkalten Und nimmer den Sommer und Urwald erhalten, Das ist, weil wir weiter die Sonne ersehnen Und ihr unsre Lebenserzwingung entlehnen. So sind wir dem Urwald entwachsen und haben Mit blassen und zarten Erinnerungsbildern Und anderen wachenden, wachsenden Gaben 485 Des Geistes, sich selber sein Sehen zu schildern, Versucht, unsre Wüste in Eden zu wandeln, Um drinnen (vor uns!) nach Gesetzen zu handeln. Das Heldengefühl ist ein Sprosse der Wildnis, Das Raubtier bereits dessen Gleichnis und Bildnis, Denn schleierhaft folgte es erst dem Geruche Und machte sich stumpf, durch den Staub, auf die Suche, Da mußte sein wiedererwundertes Spüren Durch Fernen zu irdischen Einsichten führen. Durch Sonnengesetze versprengt und erhalten, Hat einst die Natur, allseits, vielfach zerspalten, Auf einmal Bewußtsein und Sehkraft errungen: Ihr Werk ist ihr herrlich im Raubtier gelungen, Denn das ist genau auf die Beute gesprungen! |
O Natur, du hast harmonisch, Welt – und urarchitektonisch – Vor Äonen schon beschlossen, Daß vollendet und gegossen, Deine Schöpferhand die Zwänge Deines Wirkens tief verschlänge, Um nach ewigen Gesetzen Das Bewußtsein festzusetzen! Halleluja! ruf ich heute, Denk ich an die ferne Stunde, Da ein Raubtier seine Beute, Blutend noch aus frischer Wunde, Als sein Anrecht voll erkannte Und, sich merkend, wo sie hauste, Wenn sein Blutdurst neu entbrannte Und Begierde es durchbrauste, Dann zurückkam zu der Stelle, 486 Um zu würgen, was es brauchte: Denn das war die helle Quelle, Der des Menschen Geist enttauchte! Wars ein Vogel, der aus hohen Sonnenwarten niederschaute, Der, um Schluchten zu bedrohen, Freie Felsenhorste baute? Der zuerst die Sonnenteile Seiner klugen Seele spürte Und den Lichtruf seiner Eile Mit in Wolkenhöhen führte? Oder war die Sonnenfreiheit (Schnelle, Höhe, Wesenstrennung, Diese holde, goldne Dreiheit, Urbedingung der Erkennung Der Natur, ihrer Befehle, Die nun klar zu uns gedrungen), In der Wüstenräuberseele Einer Katze so verschlungen, Daß sie alles dies enthaltend, Angeschmiegt ans Erdbedürfnis, Und den Leib danach gestaltend, Das Bestehen im Zerwürfnis, Wie die Sonne es geschaffen, Doch am klarsten möglich machte? Eingewurzelt und mit Waffen Ausgestattet, hat die Spinne, Der Verstand, der just erwachte, Alle Netze seiner Sinne Jedenfalls so zart versponnen, Daß er seiner sich besonnen Und im Sonnenkrieg gewonnen! Einerlei, was angefangen! Tatsache: in uns gelangen Wir, als Erdenüberseher, 487 Unserm Innenlichte näher. Was sich keinen Wunsch gestattet Und beharren will, ermattet: Wälder, Fluren werden kleiner, Doch die Seele klarer, reiner. Ja, es siegt das Allerfeinste, Das das kosmische Verhältnis Der Gestirne bis ins kleinste In sich birgt, wie ein Behältnis! |
Es hebt die Sonne uns in ichbewußte Kreise Des Weltendaseins, wo sie voll ergänzt, Durch Erdensinnentäuschung wunderbarerweise, Ein Sonnenwesen sich erschuf, das engbegrenzt Und lustberauscht, auf seiner steilen Erdenreise, In Form besteht und das sein Glaube überglänzt! Doch sind die Sonne und die Erde nur die Eltern Von uns beahnten, welterherrschten Sternentstammern: Das Land empfängt die Lichtbefruchtung in Behältern Und schöpft dabei den Sternen gleichgewichtge Klammern. Und läßt der Sonnenüberschwall sich nimmer keltern, So füllt auch er nur Lücken, in das Sein gefaltet: Die Weltellipse, die sich stets zu bilden trachtet, Trägt in sich selbst Millionen Seelen eingeschaltet; Ein Wesen ist Bewegung, die ein Leib befrachtet: Ein Ruck ins All, zum Dasein umgestaltet! Jedoch bevor man unsern Tierkreis voll betrachtet, Erscheint die Art, die sich aus seiner Ganzheit spaltet. Die Schlange kann die Rundung fast allein vollenden Und aus dem Grunde jeden Wechsel überdauern, Die Natternbrut wird auch wahrhaftig nie verenden, Sie wird sich, ewig scheu, in gleicher Form zusammenkauern, 488 Die Abschäume, verdichtet noch, als Gift verwenden, Und was nur ihrem Kreis entragt, damit belauern. Die Echsenart ist von der Erde fast verschwunden, Doch lebt sie noch, in Lauf- und Kriechtiere gespaltet; Der Schleicherleib hat Tagrager aus sich entbunden, Und was dann blieb, verschlang sich oder ist veraltet; Nur kleine Echsen sehn wir noch in warmen Sonnenstunden Als Reste einer Tropenwelt, die still erkaltet. Die Wildlinge der Wälder tragen schlanke Schnelle Und der Ellipse Stille mit sich fort im Wesen, Denn die Natur hat sich zu neuer Lebenswelle Des Sprunges Höhenruck, als Anstoß, auserlesen; Und Tiere bilden so beim Hüpfen Bogenfälle, Aus denen andre Richtungsseelen stets genesen. Was deshalb Hasen, dauernd, zu vollziehn beginnen, Wird stets von Fuchs und Wolf, im Laufe, fortgetragen, Und fängt der Aufwärtsschwung an, Geltung zu gewinnen, So rückt im Maulwurf er in untre Lagen: Im Bären drängt der Tierkreis wiederum nach innen, Und der kann schwer nur kriechen, klettern, aufwärtsragen! Die Rundvernunft des nächsten Kreises ward im Wesen Der Wüstenkatze, der ein Sonnensprung gelingt, Voll Macht erfaßt, und schon im Lauern sind Synthesen Der spätern Richtungen verknüpft: ein Aufruhr schwingt Den Satz des Tieres, das soeben still gewesen, In halben Kurven, daß es knapp aufs Opfer springt. In andern suchte Pan die Haltung zu erstreben! Und diesem Trachten wurden Affen angepaßt, Doch war noch keine Sonnenwürde zu vergeben, Und so erkletterte der Drang den ersten Ast. Nun können die Makaken zwar ganz lustig leben, Ihr Tiergedanke aber ist noch karg gefaßt: 489 Die Affen trägt ja nur der Anlauf zur Bewegung, Die majestätisch, schlank, im Menschen weiterschreitet. Ein Geher aber braucht fatal die Überlegung: Die Ferne, die er fand, hat seinen Geist erweitet, Und seht, das Faultier hängt nach unten, nach der Regung Der Kreisnatur, die es vom Lichtweg abwärts leitet. In solchem Stadium aber sind die Erdenleiden Noch ungereimt und roh in ihrer Formzerhacktheit, Die Wesen können, halbbewußt, sich nur beneiden. Die Wüste herrscht in der groteskesten Verzacktheit: Statt Seelen muß der Wald die Götter rings bekleiden, Und nur vom Gurt an trotzt noch ihre Wolkennacktheit! |
Von Flimmerlüften war das Nebelmeer verschlungen, Die Täler dampften sonnvergoldet, frei, Doch alles, was zum Sonnenglück emporgesprungen, Trug in sich selbst ein Stück der Daseinswüstenei. Auf hohen Gipfeln fieberten noch Wolkenmassen Im Sieg des Lichtes wird die Wüstheit lebenstrunken, Was sonnwärts lebte, schloß, zur eigenen Bewahrung, Somit verreckten denn die allermeisten Wesen, Die Sonnenrückkehrkrone aber mußte bleiben, Vernunft ist ein erworbnes Erbstück unsrer Erde, Sie muß in sich die eigne Sonnenhöhe messen. Sie sucht den Kreis, den sie erfaßt, streng abzuschließen. So ward, fast eirund, auch des Menschen Hirnverschalung, Des Menschensamen ganz verschieden rasches Schwingen Vernünftige Erkenntnis der geschlechtlichen Erzeugung Denn dieses scheute die Vernunft als unnatürlich, Das Wechseln ward dann für die Menschen vorbehalten Nun schürt jedoch die Erde eine Einheitsflamme, Im Menschengeiste lohen hehre Farnenwälder Dort oben schimmern Goldpolypen, Purpurschlangen, Beinahe von der Eingeschlechtlichkeit gereinigt, |
Pan! Was du vom Weltall festgehalten Und dann in Daseinsformen zwangst, Gabst du, entwickelt und gespalten In Wesen, die du selbst durchdrangst, Dem Licht zurück: doch die Gestalten Der Wälder fühlen, wie du bangst, Ein Sonnenreich hier zu verwalten, Und panisch heißt dann ihre Angst! Drum hast ein Bündel du geschaffen Nun sieht der Mensch dein ganzes Wesen Gottähnlich sind wir denn geworden, |
Die Sinne, die uns in die Höhe führen, Durch die das Licht in unser Innres bricht, Durch die wir selbst die Sternenwelt berühren, Durch die das Weltgeräusch zur Seele spricht, Hat sich der Menschengeist berauscht erweitert! So ward die Seele wohl von Sonngewalten Nach ihrem Dasein unter Sternenthronen, Jetzt will die Seele lauter Fesseln sprengen, Wohl fühlt die Seele, tief in sich verschluchtet, Ein Brunststurm, der die Wildnis jäh belebte, Ist es Erinnerung, ist es ein Hoffen, Die Götter werden zwar in uns geboren, |
Als sich die Seele ihren Körper angegossen, Da trieb sie Wanderlust stets tiefer in den Wald, Denn ihrer Tage Einsamkeit hat sie verdrossen, Und Weiterschreiten ist des Menschen Grundgewalt! Doch hat im Weibe sich die Freude ihm erschlossen, Doch bleibt das Vorwärtsgehn des Herrschens Urbedingung. Beim Bergersteigen träumt sein Geist von Machterringung, Im Wandrer ist ein andrer Welttag aufgegangen. Was blüht, entblättert lieber, als am Baum zu hangen, Der Jünglingsmensch war überglücklich, als er fühlte: Und was aus seinem Innern sich zur Klarheit wühlte, Am liebsten blickte seine Seele in die Ferne, Doch einen goldnen sah er ganz besonders gerne, Er schwor, sein Leben wie die Sterne einzurichten: Er wollte sich mit einem Eid dazu verpflichten, Dann sang er auch ein Lied, voll klarem Weltempfinden, Du kannst aus meinem Banne nimmermehr entschwinden: O horch, wie stolz die Welt auf sichern Wegen schreitet, Durch tiefe Flammen wird die Liebe hoch verbreitet, Der Sterne stillster soll die Wege uns erhellen! Selbst Sterne, die sich morgens in die Tiefe schnellen, Erfreut durch sein Erfassen hoher Sternenwege, Wars doch, als ob sich Neugier plötzlich in ihm rege, |
Als sich im Menschen jener goldnen Zeiten Der Wesen Lichtpflanzung langsam geklärt, Als er erkannt, wie Menschen sich verbreiten, Daß die Natur uns Schöpferkraft gewährt, Bekamen Männer Lust und Mut zum Streiten, Denn jeder faßte, daß er Macht begehrt! Er wollte Wald und Wild und Wetter trotzen Dann drang der Mensch mit starken Achsenhieben Einst wollte er die Wildnis blind zerstören Ganz plötzlich wollte er den Wald entzünden, Da sang der Mann dem Weib von Sonnenplänen: |
Es war einmal. Der Wald stand halb entblättert, Und Gold hat sich in alles eingewoben, Die Vögel aber haben noch geschmettert, Sie konnten nie genug die Sonne loben! So klangen ringsum Herbsthymnen der Halden, Er sang, was er im Wald allein erfahren, Ich sah, wie Tiere sich ihr Weibchen suchten, Mein Stolz ward still im Walde überwunden, Ich liebte Vögel, die in Rinden schabten Am Boden lag ein Wurzelstrunk mit Rinde. Ich habe rasch den Knopf vom vordern Knoten Die Arbeit ward von Vogelsang begleitet, Auf einmal ward ich wie von Angst beschlichen: Hab ich vielleicht mein Lied in Holz gesungen? Dann trieb mich plötzlich Sehnsucht heim zum Weibe: Ich hörte, wie im Fieber, ringsum Lieder: Wie sollte ich den Wunderwald verlassen? Da schiens, daß Lichter sich zu schwirren mühten, Wohl dacht ich mir: Ihr fahlen Flackerscheine, Doch bleibt, ihr freut mich recht, ihr flinken Lichter! Ach, wenn ihr mir im Wald die Richtung zeigtet, Wie seid ihr Sonnenblättchen doch so lose, Ich griff nach einem Licht, das gleich erzuckte! Ich streichelte, was meine Hand umfaßte, Ich sah mich um, und dunkel ward die Lichtung. |
Wie oft mußte das erste Menschenpaar erstaunen! Ihm widerlegte täglich eine jüngere Gewahrung, Was sich schon mächtig eingeprägt hat als Erfahrung: Es hatten Waldgötter wahrhaftig eigne Launen! Oft kamen Tiere, die man sonst im Herbst gesehen, Wohl waren diese Tiere früher gar gefährlich, Nun hatten sie die Angst vor Feuer überwunden, Der Mensch gewöhnte sich gar rasch an die Begleitung, Bald fand das Paar der Tiere Spiele recht ergötzlich, Die große Wüste sich vor Menschenaugen zeigte! Wohl stand dort eine Goldwand, die das Land umsäumte. Die Sonne warf noch vollen, goldnen Abendpollen, Der Mensch mußte den Atem anhalten und glaubte! Lang schmiegte sichs an seines Mannes starke Glieder, |
Ein Wildbach kam von einem fernen Gletscher. Laut jubelnd, sprang er über manche Wand. Die Menschen lauschten auf sein Schaumgeplätscher Und sahn, wie er im Wüstensand verschwand. »Bevor die langen Schatten sich verbreiten,« Da warf die Frau sich selber in die Fluten, Die Braut jedoch erfreute sich am Bade: Bis ganz herab zum grünen Rande, Der Schleier, der sie brausend hell umschmiegte, Sie ließ das Gold nach ihrem Wunsche fallen. Dann blieb er drüben oftmals stumm und traurig |
Die Purpursonne war schon tief hinabgesunken, Und dunkle Schatten schwankten nun den Fluß entlang, Schon glühten hoch die allerschönsten Himmelsfunken, Und da begann das Weib: »Der Abend macht mir bang. Mir ists, als ob ich aus dem Traumlande entflöhe! Sie müssen wohl die holden Sterne noch entzünden, Dann nahm der Mann sein Weib am Arm und trugs hinüber, Da fielen nun des Weibes dunkelschwarze Haare Als sie den Wüstenuferrand beinah erreichten, Am Ufer wuchsen schattenbleiche, blaue Blüten. Kaum hatten sie der Wüste Blütensaum durchschritten, Die Welt birgt weniger Gefahr als unser Wesen, Vielleicht umhüllen diese blauen Blumen Lichter, Ach, würden sie des Nachts in deinem Haar erglänzen, Du würdest meinen Armen immer mehr entweichen, So leg dich nun zu mir, in trauter Seelenstille, Den Würmchenglanz, der deine Haare grün besternte, |
Als morgens Mann und Weib im Wüstensand erwachten, Betrachteten sie rings die Welt und blieben stumm. Das war, weil sie ihr Träumen langsam überdachten, Dann blickten sie sich an und wieder schüchtern um. Doch endlich sprach der Mann zu seinem teuren Weibe: Sie herrschen da und würden sich am Menschen rächen, Sie brachen auf. Von voller Wanderlust getrieben, Ja, eine innre Wildnis bäumte sich und schäumte Nun mußte tausendfach im Menschen sich verbinden, Als Felsenfinger Wälder immer mehr umkrallten, Der Sonnenwechsel blieb dem Herzen vorbehalten, Denn wir sind hier das älteste Geschlecht auf Erden, Die Seelen haben sich der Umwelt fast entkleidet Doch hat der Mensch der Wesen Ihmkunft schroff durchbrochen? Die hohe Sonneneigenheit der frühen Ahnen |
Gar traurig zog der frühe Mann mit seinem Weibe, Durch Ginster und durch Sand, im wüsten Lande ein, Es dachte erst, daß er die Tiere rings vertreibe, Und ach, da fühlten beide sich so sehr allein! Sie dachten kaum ein Wanderjahr zu überleben. Als einst das Paar durch Sturm und Nacht dahingezogen Wie ist das Tier und auch der Mensch beglückt erzittert! Als bald darauf das Paar einmal im Staub geschlendert So sind wir beiden Menschen und der Hund verloren, Drauf sprach das Weib zu ihm: »Zwar bin ich arg verdrossen, Vernahmst du nicht das Wiehern unbekannter Tiere? Des Weibes Rede hat den Mann zur Tat begeistert, Von nun an spähten beide, auf der Wüstenreise, Die Menschen und die Tiere blieben lang verwundert, Dem Weib gefielen bald die vollen Ziegeneuter, So wurden Wesen fast zu wandelnden Oasen; |
Die Wüste hat bald schon von Menschen gewimmelt, Die Wildnis sich waldwärts Verträumter bemächtigt, Das Licht und die Geistigkeit wurden verhimmelt, Das Leben jedoch mit Gespenstern geträchtigt. So mußte der Urwald sich wiedergebären, Er suchte den Zwist der Gefühle zu fassen, Bald mußten die Sänger am Liede erkranken, O Menschheit, wie bist du mit Rätseln geschwängert! Man geht eine Strecke und sieht seine Ziele, Wir ordnen das Dasein nach eigenen Rhythmen, Das Licht hat uns ragende Höhe beschieden, Versucht der Gedanke, dem Leib zu enteilen, Der eifernde Geist braucht den Urwald der Seelen, Wir folgen der Sonne zu höchster Bestimmung. |
Der Verstand ist Mann und Wüstenkönig Und begreift das Leben fast im Sprung: Irrte er beim kühnen Satz ein wenig, Wagt er kaum noch einen andern Schwung. Er verfolgt die tiefsten Rätsel lauernd, Des Verstandes Jagden sind verwegen, Grausam spielt er gerne mit der Beute, Denkt und überlegt er lang und reiflich, Kunst und Glauben werden bald verschwinden, |
O Weib, was mußtest du am Wüstenweg erdulden, Du schmiegtest dich ans eigne rätselhafte Sein, Gleich dunklen Winterwolken in verschloßnen Mulden, Sank schwerer Kummer leise in dein Wesen ein. Du Sonnentochter bliebst den Erdenwünschen günstig, In dieser Wildnis will, was sich besaß, umfassen, Das Weib hat uns die Seelenweichheit hold gerettet, Sanft trägt das Weib in sich die Seelenmacht verschlossen, |
Ihr Seelen, haltet euch in trauter Lust umfangen: Was ihr an Güte habt, das legt in euren Kuß! Entzündete die Keuschheit früher eure Wangen, So glüht auch euer Glück nun einen Seelenguß. O Weib, so nimm den Mann! Du darfst ihn ganz umschlingen, Ihr Seelen, schöpft nun Atem, da ihr Leben wittert! O Seelen, haltet euch in Seligkeit umfangen: |
Wie still es ist. Wo sind der Seele tiefe Stürme? Sie gleicht dem Meere, das die Flut zur Ruhe bringt, Mir ists, als ob sie Leben, wie die See beschirme, Sie kühlt und schützt die Lenznatur, die sie umschlingt. Dann scheint dirs auch, als sei die See die Erdenseele, O See, o See, so habe doch mit uns Erbarmen! Wenn wir, verborgen, uns nach stillen Fluren sehnen, O See, o See, du schenkst als Wolke dich der Wüste |
Des Weibes Seele ist ein tiefer Bronnen, Der klar und rein dem Mann entgegenstrahlt, Und wenn sich Glücksgefühle drinnen sonnen, Erwacht des Wassers stille Schreckgewalt. Du siehst die Freude, die das Weib uns spiegelt, Es rächen sich in dir die leergelebten Tiefen, Doch nein! Hinweg mit diesen Marterträumen, O, steigt der Mann mit seinem Weib hernieder, Die Schöpfung zittert tief in sich zusammen! |
O Mann und Weib, die Schrecken könnt ihr überwinden, Die aus dem Urwald ihr in euch verpflanzt: Ihr wißt ja Seelen tausendfältig zu verbinden, Denn ihr begeistert euch, wenn ihr im Reigen tanzt! Ein Wollustwunsch scheint eure Arme auszustrecken, Gar schön habt ihr erfaßt, was euch zum Tanz gezwungen, Oft will sich nur ein Übermut aus euch ergießen, Beim Reigen scheint die Wollust oftmals auszutoben, O Mann und Weib, habt ihr euch traut und wahr verstanden, Sind eure Wesen voll von Sehnsucht und Verlangen, Die innre Wildnis, die euch oft als Traumbild peinigt, Beackert und bewaldet rastlos, schmückt die Wüste, Doch herrscht dann lichthaft über Wälder, Felder, Gärten, |
Hold jubelt die Flur. Eine kühlende Brise Durchflattert das flimmernde, flatternde Haar Vergnügter Gespielen, auf blühender Wiese: Und plötzlich erscheint eine tanzende Schar. Das sind lauter jauchzende, lustige Kinder, Schnell laufen die Mädchen und rascher die Knaben, Wie flimmern die Wiesen! Da balgen sich Kinder. Dort horchen sie still auf das Flöten der Hirten, Die Wiesen durchrieseln laut plaudernde Bäche, Ihr Grün ist zum Spiel mit dem Winde ersprossen, Vom Walde her tönen die lustigsten Lieder, |
Tief unten, im schattigen, windstillen Tale, Entstanden einst Hütten nach ländlichem Brauch, Dort richten die Mütter soeben zum Mahle, Denn über den Bäumen verästelt sich Rauch. Allabendlich ruft er die Hirten hinunter, Sowie sie erflattert, faßt Hirten ein Bangen, Oft scheint es, als balle sich Kummer zusammen, Ergehen sich Hirten, bei Mond erst, nach Hause, Umragen den Talhang gespensternde Zeichen, Am liebsten ist Hirten die friedliche Fichte. |
Lichter müssen zart zersplittern, Gold erschimmert im Geäst, Und die Lispelblätter zittern, Weil die Sonne uns verläßt. Lauter dunkle Seelenfunken Ja, er hat an Duft und Pollen Wo sich nur die Zweige regen, Wo die Sonne Abschiedsküsse Sonderbar, die muntern Lichter, Flackern sie als goldne Flügel? Da nun buntes Licht im Walde Staune, lausche! Tausend Quellen Wie das zwitschert, zaubert, feiert! Goldnes Abendrotgefieder O, ihr hohen Schwalbenschwärme, Horch! Nun laufen ganze Rudel |
Geheimnisse in meiner Kinderseele, Erklärt euch, denn was habe ich erfahren? Du Ruhe, während ich mich sinnend quäle, Ich will ein rätselloses Ich gewahren! Ich bin mit allen Wesen hell verkettet, Ein Lied, das ich bestimmt allein empfunden, – Ich lebe doch – da ich mich selber frage! – O Winde, seufzt nicht! schweigt, ihr dunklen Bäume! Wozu denn auch – sie ist doch nicht gestorben – Doch nein! Das Lied wird nie in mir verstummen, Die frischen Blüten, die am Friedhof blühen, Der Schmerzen nimmerstiller Seelenfriede, Jetzt singt das Lied die weite Lichtentfaltung Ich hör den Überschwang zur Daseinsklage: Die Vögel, die nicht mehr die Jungen finden, So ist das Lied und nicht dein vieles Leiden! |
Ich kann ihn schon so sanft im Wald vernehmen, Auch seine Worte kann ich bald verstehn! Zurück! ich muß mich vor dem Sänger schämen, Von weiterher soll mich sein Lied umwehn: »O Orpheus, Trauer trägst du im Gemüte!« »Dahin sind meine holden Sommertage, Oft perlt ein Tau auf unsre Leidensblume, Mein Weib im Ich, auf Wegen ins Vergessen Wenn letzte Stimmen bald um mich verstummen, Ich weiß wohl, so ein kindlich Sterngewirre Ihr Bienen seid ein Sterngedicht der Erde, Nun sanft! Das Glimmen wird zu stillen Stimmen! ›O Bienenstrauß, ihr Funken unsrer Liebe!‹ ›Du, goldnes Sterngewirr, mein Bienenschleier!‹ Die Bienen fort? Ach still! Zu Sternenbrücken Doch Schwalben, die ihr nun den Heimweg findet, |
»Ach, wenn doch meine bleiche Braut noch lebte, Sie war so mein! Seit urgetroffner Wahl! Auch wo das Schicksal mir entgegenwebte, Umglühte uns der einzge Sternensaal. Nun aber schweigt sie, tiefer als die Sterne, Ich zähle nicht die Lichter, die uns scheiden, Ich fühlte, ach, schon einmal ihre Nähe! Mir aber sagte eine Kosestimme: Euch Schwalben seh ich wieder heimwärts fliegen, So hört! Wenn wann ein Brand das Dorf zerstörte, Auch meine Sehnsucht flattert hin und wider, Ihr Schwalben könnt euch andre Nester bauen, |
Zwischen lauter lauten Unken, Boten alter Pein und Qual, Zieht nun Orpheus sternentsunken Westlich durch ein feuchtes Tal. In der heitern Dämmerferne, Ja! Die Nacht wird flimmerdichter, Orpheus ist die Nacht vertrauter, Sie erzählen und verschweigen, So, jetzt läßt er Blättersätze Orpheus kennt des Windes Wesen, Seine Seele liebt die Stürme, Winde, Raubvögel ergänzen Nun wird von des Wildes Seelen Mag ein Herwehn sich gestalten, Orpheus kann den Wind verstehen! Wie den Wogen schnell entritten, |
Orpheus faßt es nun vom Meere, Das ihm tot entgegengähnt: O wie oft nach dunkler Leere Sich des Sängers Seele sehnt! Winzig flimmern sichre Sterne, Goldhaft schäumt jetzt, wie verschlagen, Nun ists finster. Linde Winde Niedlich sind die kleinen Haufen, Wie, jetzt gibt es kleinen Ärger? Horch! Wohl tönt nun aus dem Meere Arme greifen aus dem Wasser Lauter Mutterwogen rollen Wimmelviele Arme fielen Ach, das sind die Kinderseelen, Fast und kaum, am Meeresstrande, Orpheus weiß, von vielen Kindern, Leise zog sie's zu Gespielen Kindlein, die bloß halb erwachen, Orpheus singt: »Erwünschtes Leben, Seine Jugend überwinden O, ich bin so sanft geblieben, |
Junger Mond, du gießt die Stille Deines Wesens auf die See, O, ein letzter Wellenwille Wiegt des Meeres weiches Weh. 531 Wo sich Nacht und Naß umfassen, O, dort taucht im Mond ein blasser Schwan, der mich so stolz geblendet, |
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Stille, kurze Stunden senken Schwer sich über Land und See, Orpheus sucht noch wach zu denken, Denn er scheut das Traumesweh. Ja! Das ist die Zeit der Ängste, Aber die Gedanken kreisen Ach, in seine Trauernetze, Eurydice ist erschienen. Still mit bleicher Trauermiene O, wie bluten seine Wunden, Nimmer wird er sie erblicken, Selbst die höchste Sternenkrone Streckt das Meer die Nebelarme Doch Gespenster, die da schwanken, Wie sie auf und nieder fliegen, Jetzt erwischt des Satans Base Bleicher Eile Zwitterbilder, Was einmal der Mond besessen, Um des Klumpen Durst zu laben, Auch die Träume schwerer Nächte Flegel, die sich Träume mieten, O, es fluten hier die Seelen Nebel, Schrullen, Träume gleichen Gallert-Albe, die veralten, Schlüpfen, hüpfen sie in Hüllen, Juden, die sich überlisten, Huren, die aus Fenstern nicken, Wünsche, die in Seelchen leben, Racker, die ein Fräulein schreckten, Traum und Träumer wechseln solche Wuzelwesen, Glast des Hirnes, Hexen, die zu Tieren greifen, Zwischen fahle Fabelfalten Aufgeregte Seelen streben, So ein Welttraum überwindet Stürzten auch durch unser Wesen Wolken, Wälder, was an Tieren Durch den Schwang zum Flug erwachen Jagen uns auf einmal Drachen, Ja! Beim Seelenrundgang finden Jene Leere, die in Herden, Klafft auch oft durch dunklen Schlummer Was sich aufreckt, wird zur Beute! Auch die Haustiere verrecken Selbst den Menschen halten Ketten |
»Was soll mir diese Schaukelpantomime, Was dieser Spuk in feuchten, fetten Lüften? Er trägt, ein Weibsgehüpf, die gleiche Miene, Und lüstern schwankt der Kreis auf fixen Hüften: Ich aber will, daß er mir redend diene!« Ruft Orpheus in das Fluchtgegrau aus Grüften. Ganz langsam vor und hin und her geschoben, Begrinst ihn nun der freche Troß von Schemen; Das Weibsgewipp scheint sprachlos und verlottert, Nur ein Gespenst hält seinen Arm erhoben Und spräche wohl, doch mag es Bangen lähmen! Da herrscht der Sänger: »Sprich!« Dann hört er Stottern. Der Spuk sucht Laut und Zeichen zu verbinden, Da süße Mundkunst ihm so karg verliehen! Doch Orpheus hofft, des Raschelns Sinn zu finden! Er atmet stark, um mit gepreßten Lippen, Beim Horchen, spannenlang nicht einzuziehen. Umsonst! Er läßt den Atem völlig stocken 538 Und sieht nun Wichte immer näher wippen: Fast scheinen sie ihm eigne Odemsflocken, Doch schimmern unter ihrem Lichtkleid Rippen. Ganz langsam regen sich die dürftgen Münder, Und endlich spricht ein Schaumgebild verständlich: »O müder Orpheus, krauser Lichtverkünder, Wir suchen dich, und unser Gruß heißt: Endlich! O hör uns an, wir sind der Traum der Sünder, Und Sünde tragt ihr tief in den Gebeinen: Die Knochen, Knorpel, Fleisch, das euch umwandet, War Lust, bevor ihr Menschen Lust empfandet. Wo Licht und Erde sich zum Kuß vereinen, Muß Leben, mit dem Schreck zugleich, erscheinen. Auch mir gab Sonnensehnsucht die Beseelung, Doch schwach war unser Griff nach eurer Erde: Was ist ein Leib, wenn nicht Geschickserwählung? Sieh! Jeder wollte, daß er glücklich werde; Wir tauchten auf und lebten eine Weile: Verreckt, erlangten wir zum alten Glücke Stets wiederum die gleichen Körperteile; Auf einmal aber schlugen Donnerkeile Der Sonne unsre Erdhüllen in Stücke! Da euch das lichte Recht nun frei beschieden, So mußten wir uns zu den Trieben schlängeln Und wurden dann zu Ränken, euern Mängeln, Drum werden unsre Trümpfe gern vermieden! Als Laster, ha! als Feinde euerm Frieden, Verstießt ihr Menschen uns zu jenen Engeln, Die euren Seelen Daseinszangen schmieden: Wir aber zollen hohler Lichthoffnung Verachtung Und wünschen uns zurück in Glücksumnachtung! Verdammt, die Liebesketten zu erhalten, Die weithin, über alle Lasterspalten, Das Trieblichsein der Geistigkeit verbindet, Sind wir der Schwindel, den der Mensch empfindet, 539 Die Viper, die er auf dem Lichtweg findet, Und das Verderben seiner Erzgestalten, Bis wir dereinst zu vollem Schlaf erkalten!« Und Orpheus spricht: »Kann ich euch recht verstehen, So seid ihr die verpönten Erdenfreuden Und drum als schal und grausig anzusehen, Denn in der Lebenswüste Lust vergeuden, Ist urverdammt: ein trauriges Vergehen!« Doch blaß umstottern ihn die Schatten: »Für Menschen bleibts nur Traumwunsch, doch gefährlich, Beim Wandern im Dereinst hold zu ermatten, Wir selber wünschen: Klimmt im Leben ehrlich, Denn so gebührts euch Erdenüberwindern! Doch im geheimen bleibt etwas begehrlich, Um eure Pein, mit unserer, zu lindern; Durch euch wird mir, als Freude, süß erklärlich, Was unser Schlottertum mit Hoffnung schwängert Und schwaches Wachsein im Gespenst verlängert; Es kann uns doch vielleicht, durch List, gelingen, Ins heitre Leben hochzudringen, Um oben klare Tage zu verbringen. Wir wußten kaum wohingeträumt wir wallten, Da hat dein Wandeltum uns festgehalten! Nun laß uns fort: wir sind euch nicht gefährlich, Die Macht der Träume ist im Menschen spärlich! Dort! spür: dir nahen nackte Kraftgestalten, Obzwar sie Geistern für verschollen galten, Kann manche Schein und Dasein kurz vertauschen, Um sich und euch noch einmal zu berauschen. Ihr habt auf Erden abermals Mänaden: Haha! Blick auf, gar feist sind ihre Waden!« 540 |
Wahrhaftig! Da wirbeln nun blasse Figuren. Sie schwingen den Thyrsusstab, grüßen mit Bändern, Vielleicht ihren Farben aus grauenden Ländern. Sie kommen im Takte mit goldenden Spuren! Wer klatscht jetzt? was mag ihren Traumtritt verändern? »Ich grüß euch, Mänaden auf blühenden Fluren!« Das glückt dem Geweihten, den Spuk zu belauschen. Er mag sich den Aufbraus zum Traumball erklären. Ein Halbmond im Tanz, aus silbernden Bauschen, Erflimmern, auf Spitzenschritt, Nachtbajaderen. Nun winkt eine Mohrin. Jetzt lächeln Hetären. Die Lieblichsten wirbeln ihr Schleiervertauschen. So muß hold ein Schauspiel die Sinne berauschen! O, Blicke versprühen Smaragdenbegehren: Beperlte erschimmern, den Glanz blaß zu mehren, Die Keckste, ein Mondschalk, beginnt sanft zu sprechen: »Komm, Orpheus, wir wollen dich lieben und ehren, Wozu, ohne Tanz mit der Tänzerschar brechen? Verschenke dich uns, wie Hephaistos, aus Schlünden Des Ätna, sein Glutherz emporwirft den Sonnen!« Da antwortet Orpheus: »Zu funkelnden Bünden Mit Sternen hat Gluten in Geistern begonnen! Wir wünschen die Blume der Welt zu entzünden: Sie sprüht in die Nordnacht! Erseligte Bronnen In Menschen beleben die Spendung auf Erden. Begeisterten Herzen entblättert das Feuer! Den Tau senden Sterne: ihr himmlisches Werden Erblüht unter Frommen! Verstoßne, Bereuer Umflügelt ein Gotthauch. Gesegneten Herden Mit blumender Glut nahen Feuerbetreuer!« »Gewahre«, umhalst ihn ein Weib, »unsre Rosen! Sie blühen auf schneeweichen, seidenen Decken: Ihr Atmen erduftet betauendes Kosen Um Schläfen und Mund. Die Lust kann sie wecken! Sacht mahnt ihr Zerflattern an schlafende Flammen: 541 Sie träumen! Doch sinkt bald der Blutrausch zusammen; So schlummern sie gut, wie sanft reifende Früchte. Da liegen sie! Zarter als Äpfel im Winter: Ein schmackhaftes Dauern. O, huldsam gesinnter Verkünder von Wonnen, durch frühe Gerüchte Erkommnen Erlauchtseins, beim Segnen der Seelen, Verbleib uns!« Doch Orpheus ruft: »Schatten, ich flüchte Vor nachtendem Wünschen zu Sonnenbefehlen!« Er kann sich mit Sanftheit aus Armen entranken Und sagt der Gestalt: »Du darfst mich nicht wählen! Ich mag euern Garten, voll Gaben, durchschwanken, Um einst mich, in Keuschheit, noch frei zu vermählen! Ich suche mein Weib in den Schleiern der Sterne: Noch fühl ich sein Winken, doch hab ichs verloren, Ich trage ein Herdopfer Feuern der Ferne: Ersterne mein Herz, vor den strahlenden Toren Des Heimgangs: dort wartet die Frau hold geborgen. Auf einmal ersonnt sie: aus uns kommt der Morgen!« »Ich seh dich dem Zwillingstal leise entschweben. Du suchst Eurydice!« erzählt die Mänade Dem Sänger: »wohl spüre ich freundliches Beben Von Sternen, die himmlischen Zwillinge weben Das Seelengewand deiner Braut am Gestade Der traurig Verblichnen! Auch dich haben Flammen Des sternenden Paares zum Dichter erhoben. Nun kennst du die Pfade zu euerm Entstammen, Den Zwillingen magst du dein Opfer geloben, Doch fort ist das Weib! Bei den ewigen Ammen Umraunt sie das Deuten von Heldengeschlechtern; Sie ahnt dort, auch Orpheus gelangt zu den Wächtern In Strahlen, an Pforten des Heimgangs zu thronen! Sanft sagt sich die Braut: »Mein Sänger der Milde Erwandert die Sonne durch Blumengefilde, Doch ich muß in schimmernder Grottenflucht wohnen!« 542 Der Dichter fleht lispelnd zu sich und den Sternen, Doch hörts die Mänade: »Schon silbern die Fernen Der Urmondumfangnen hervor in das Wehen Verstorbener Seelen. Ich selbst bin bei Toten! Ich kann meine kommenden Feindinnen sehen. Jetzt silbern die Säulen von Friedensgeboten: Hier weilt Eurydice im Tempel der Ehen!« Da weint die Mänade und sagt sacht dem Sänger: »Verbleibe! Die Gänge vor dir werden enger. Du kannst nicht die Fluren der Träumenden finden, Doch spürt dich die Braut: das Gerücht macht sie bänger. Sie weiß dein durch silbernde Wirrnis dich Winden Und kann dir nicht helfen! So weile: wir scheiden Nun bald aus dem Grauen der bleichen Gestalten. Wir folgen dir gern in den Hain eurer Leiden: Du magst unser Reich an der Sonne verwalten! Noch kannst du die goldenen Spuren des Stieres, Der einstens das Weib, als du, Zwilling, die Schwester Und Gattin verloren, davontrug, gewahren. Hier siehst du ein Sandmal: bewünsch und umgier es! Dem Hufschlag des Tieres entschimmerten Nester, Durchzwitschert von fröhlich beflügelten Scharen Entblauender Vögel. Sie folgten dem Weibe, Das brünstig der Stier sich geraubt hat. O Dichter, Gar weit weilt Europa! Kein Weg zum Verbleibe Der Braut, die du kürtest, erglimmt dir, durch Lichter Und wissende Vögel gesäumt. Bleich und weiter Umträumt dich die treue Gefährtin: ihr Sterben Entflammte den Stier für Europa. Nun werben Wir Weiber, im Wandel der Nacht, um Geleiter Ins Weltsein des Widders zum sternenden Erben Des irdischen Stieres!« Kaum hört jetzt der Seher Der Wolkhaften Worte, als blitzend ein Reiter Auf goldenem Widder dahersprengt. Hold näher: Er trägt eine Jungfrau! Sein Antlitz ist heiter. 543 Noch schläft die Genossin. Verwunderte Späher Am Strande der Weltsee erkennen ihn, rufen: »Das Hauptjahr wird wir!« Von gestirnten Stufen Entsausen die drei. Blasse Unterweltsweiber Erklimmen das Ufer, durchhuschen die Wogen, Und tummelnde Meerwichte haschen sich Leiber: Ermenscht überwölbt hold das Meer hoch ein Bogen. Der Widder schwimmt flügelnd. Da rufen am Strande Die Späher: »Jetzt herrsche der Jüngling!« Nun stürzt Dem Reiter die Braut in die jauchzenden Wellen. Sie kräuseln sich steiler! Zum wartenden Lande, Das voll von Geruch für den Widder ist, kürzt Der Stürmer den Seeritt. Erschimmernde Stellen Erblickt schon das witternde Tier. Über Steine Entklimmt es – verschwindet. In silberndem Scheine Bleibt Orpheus vereinsamt. Er seufzt, und er sehnt Die schaumhaften Weiber herbei, doch die sind Den Ammen entflohn, zu Müttern gekommen. Da schwankt noch der Sänger, er ahnt wohl, dort lehnt Sein Leib leicht an Pfosten: er tastet wie blind, Wohin er sich stützt. Was er faßt, bleibt verschwommen, Doch weiß er nun tief, daß, in holdem Gedulden Behutsam ein Halt, sanft als Hilfe, ergraut. Jetzt klagt eine Stimme. Sie kommt wie aus Mulden Gefelsten Geklüftes. Sein Seherherz schaut Die Wand alter Trennung. Dort singt seine Braut. Wie Sterne so ferne: »Sei treu, ohne Trauer! Uns werde Geduld eine himmlische Huld!« Und Orpheus stimmt ein: »O herrliche Dauer, Die tief uns geteilt, hier heilt lange Schuld Sich holender Seelen: wie nah du mir bist, Ach, einzig Verlorne!« Nun singt nur die Braut: »Die Meere sind Tränen vor unserer Frist, Die nimmer verläuft, hart aus Leiden gebaut!« »Erjammerte Wand!« fährt der Sänger nun fort, 544 »Wann tilgt diesen Ort ein entschleierndes Wort?« Ihm klagt Eurydice: »Der wimmernde Mond In Seelen zerschmerzender Herzen: ein Tod! Zieht Zähren zu sich. Ein See, hold gewohnt, Dem Monde zu folgen, erwogt uns, beloht Von silbernden Schwirrern. Gebiete der Not!« Und Orpheus hebt an: »Unser Meer ist ein Sang! Wir geistern empor. Über Sterne und Klang. Wohl dauert die Mauer: ein seelischer Spalt Entrückt uns, doch bleibt er, mir Schwankem, der Halt!« Die Braut singt mit Orpheus: »Mein Ich tief im Lied, So nah in der Seele, getrennt für den Leib, Der stirbt, mir verdirbt, dir dem Mann, mir dem Weib; Erperle die See, die ein Seelenmond sieht. Erschaudre vor Fischen, mit sternendem Klang! Sie leuchten aus dir: ich fühle sie bang. Sie holen uns zwillingshaft heiter empor: Die Welt wird ihr Ton. Blasser, klingender Flor Umweht dich. Wir singen. Und mich bringt ein Fisch Zu Sternen im Ich. Doch ich lisple: Erlisch! Wir schwimmen als Sonnen vom Boden hervor!« |
Dunkel? Orpheus lauscht: bekannte Stimmen Sprechen nahe. Echo schwirrt vom Sinter. Flügelstürze! Letzte Hellflecken verschwimmen. Stumm wirds! Wie ein Bienenkorb im Winter. Blickt er? Silberts durch gezopfte Grotten? Der Gespenster schwaches Lichtgesicker Knapp am Ich, ergraut um seine Lenden, Was zerfinstert? Wohl ein Bauch mit Rippen? Was den Seher wohl am Sterben hindert? »Wicht, wie wirst du dich im Moloch retten?« Kupferklammern strecken das Geäder. Was will Orpheus' brauner Saus verkünden? Jetzt erklärt sich ihm die Falle: Um verbrauchten Pustdunst auszufauchen, O das harte, starre Poltern, Das ist ein gegoßner Götze! Laut im Bauche surren Firlefanzer, Plötzlich schrillt es durch das Lärmen. Der Koloß ertönt: »Des Blutens Kinder, Da die Sonne meinen Erzrumpf sprengte, Orpheus, sieh, es sind noch meine Glieder Einst beim ersten Schritt, von mir zum Kulte Unsern Ursprung hab ich auch vergessen, Kriecht ein neuer Gott aus meinem Bauche, Rot, wie jedes magre Kind, geboren, Kommt es schließlich gar zum neuen Glauben, Meine Übermacht im Sphärenstreite Nacht und Ärger steigt aus meinem Trichter Meine Macht kann sich geheim bekunden: Forscht nach ihm, ihr könnt ihn nirgends finden! Herrschte ich, so wär ich längst verschwunden, Doch ich bin die Gegenwart der Dinge, Nichts kann die Unendlichkeit umspannen: Was ich trachte, ist: mich selbst zu fassen, Doch die Ewigkeit ist urvorhanden, Schwärme nie von Ferne oder Größe! Haßerfüllt erweitert er die Wunde, Scheelsucht ist des Werdenden Erreger, Weißt du es? Der Starrsinn ist mein Schreiten, Feuer freut und heuchelt euch verteufelt: Ja, es lodert, lacht in grellen Scheinen Ja! Ich hab das Licht erfunden, Stille Würde ist mir schon gelungen. Wie das Feuer hab ich eure Freuden, Höre noch – erfahr mein Sein –: durch Flammen Angst und Martern können mich mit ihnen Mensch, von Sonnengnaden ein Schmarotzer, Wüstlinge, ihr wollt euch hier entwurzeln? Bleibt euch treu: es wird euch manches schmecken! Euern Drang nach Gleichheit muß ich loben, Doch euch krönt Geschick. Im schlichten Manne Sich in eignen Kindern nachbestellen, O, ich preis das Land der Pyramiden, Orpheus! Zwecklos scheint mir deine Reise, Sei beglückt, dich einst ins Grab zu legen: Habt ihr doch die leckern Flammenwedel Falsch sind auch die warmen Sonnenstrahlen, Laßt die Blumenflur die Sonne loben, Laßt die Sonne euch im Schatten lungern? Alle Spenderlohe ist verflogen! Orpheus, kannst du meine Nacht verstehen? – Wie, du schweigst? – So muß ich weiterreden. Unhaschbare Daseinsketten schlingen Meine Macht, die sichtbar alle Welten, Um die Herrschaft muß ich mich zerwühlen Mit der Sonne war dereinst die Erde Doch die Rückkehr zu der Sonne lohte Grüble sinnlich dich über die Zeiten, So verstehst du tief, warum das Leben Dieses letzte Erd- und Sonnverhältnis Fängst du an, die Geisterwelt zu wittern: Orpheus, wenig nur kann ich dir sagen, Schweigst du, Orpheus? – Soll ich fort erwägen? Jeder Trieb kann mich im Menschen greifen, Ich, das Ursprungslose, Unnennbare, Doch ich meine, jene innern Mächte Menschen, seid ihr eines Endes Boten? Euer Schicksal kann nur ich erraten, Leiblich seid ihr Menschen fast nur Schlangen, Leben kann ich dieser Welt verheißen, Folgt der Sonne, denn ihr werdet leben, |
Orpheus sieht sich um. Der Unhold ist verschwunden. Er bemerkt nun, daß er selber laut gesprochen: Allen Lebensekel hat er überwunden, Freude ist sogar in ihm hervorgebrochen! 556 Doch umgeben ihn noch immer Nebelmauern, |
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Wie fängt da des Schauers Herz an zu pochen! O, wie weiß er großes Mitleid zu verspüren, Und schon kommen die Gespenster angekrochen, Um, ganz nahe, sein Gemüt noch mehr zu rühren! Hurtig schwingt der Spuk um Orpheus eine Kette, Die Gerippe klappern hart mit ihren Knochen, Hirnbewirbelnd ist das grelle Zähneklappern, Nun beginnt der Haufe sich erst freizulachen, Ringe nicht nach Mitleid, spar es dir zum Troste, Bleibe lieber gleich im bleichen Schattenreiche, Sag uns, sehnst du dich zurück zum Erdenjammer? Dumm und nutzlos sind die kühnsten eurer Kämpfe, Um ein Mitteltum von Menschen zu erhalten, Um das Volk vor Trug und Spottlust zu beschützen, Wahrlich, für das Glück und etwas Zucht der Rotten Wisse, Elend und das Eigenfesselnschmieden Orpheus, auch du, Holder, solltest nicht vergessen, Schmach, die dein Verstand nicht wagt bei Tag zu denken, Weise ist, wer auf das Wünschen frei verzichtet, Orpheus, folg und hilf uns wiederzuerstehen! Bettler sind wir nicht, die auf die Kniee fallen! |
Geier der Verzweiflung krallen Gierig sich in Orpheus' Herz, Rücklings wird er überfallen, Rot erwirklicht sich der Schmerz. 559 Taumelnd schließt er nun die Augen: Bittre, speibereite Galle Doch er mag sich nicht ergeben: Nein! Sich eigen zu bewegen, In zerschlissenen Gewändern Bis zum Knie in Dunst versunken, »Räuschen mußt du dich ergeben! Dann keuchts weiter: »Schelten, Scherzen Klugheit führt euch leicht zum Geize, Euch den Leichtsinn zu erklären, Des Geschickes kühne Sätze Mit den Winden munter segeln Weise, fast so leicht wie Toren, Wenig wird ein Mensch erklügeln, Nein, bedenkt nicht lang die Wege, Durch' ein Schauspiel voll Entsetzen Wie im ersten Morgengrauen Hebt der Wind dieses Gesindel? »Graust dir noch vor unsern Räuschen?« Sinke, bis ins Mark getroffen, Sieh, was meine Säufer sehen, Lasterlinge, die zerfallen, Euch, den Menschen, unsern Tieren Ratten seid ihr, feig und kleinlich: Eigne Spuren wegzuwischen, Doch die Ratten und die Kröten Kommt mir mit Gemüt und Güte: So! Ihr wollt das Schönste, Beste? Wollt ihr Kenntnisse erbetteln, Doch versteht ihrs oft, wie Spinnen Nein! Doch scheint ihr nicht erschaffen, Sänger! Du willst Schatten haschen, Fängt dich Liebe an zu plagen, |
Orpheus ist in einen schwarzen Schlafsarg eingesunken: Oder haben die Gespenster sich versteckt? Weg sind die betrunknen Huren und Halunken: Kein Getümmel mehr, das ihn als Traum erschreckt! Doch das gute Dunkel hat nur kurz gedauert. Um ihn her entschleichen noch verkappte Schatten, O, wie ist die bleiche Stunde ungeheuer! Eurydice! Kann er seine Braut nun sehen? Schon erblickt er rings nur Leichenzüge. Orpheus! Atme, tiefster Huld dich zu besinnen! Orpheus schaudert nun hinab in Traum und Trauer. |
Orpheus fühlt, er bleibt verlassen, Aber nimmermehr allein: Traumessanfte Hände fassen Ihn behutsam an: und rein! Hei! Jetzt rauscht es in den Pappeln! Windumheulte Wolken drängen, Orpheus packt Besinnungsschauer: Mit den Seelen unsrer Fluren Nicht allein ist sie vergangen: Um sie wieder einst zu finden, Doch die frische Dämmerstunde Nur im Walde hört er klagen; Hinter einem Geisterzuge Ja! Der Schläfer Jagdbegehren |
Orpheus packt ein Walderschauern: Er will tiefbefragt erbleichen. O, er weiß, am Morgen lauern Traumgespielen unter Eichen. Wenn die toten Helden wieder O, es singen Frauenstimmen Sie beflügeln die Gefühle Orpheus bleibt umlispelt stehen, Sollte Weh sein Herz beschleichen? Dort im kalten Dunkel harren, Hohle eingerollte Bäuche |
Orpheus wandert. Wo ein Ziel: die Richtung? Leise blinkt im Wind ihm eine Lichtung, Wo im Morgenrote Wolkenleiber Sich, wie traumerwachte holde Weiber, In betauten Blütenpfühlen regen: Ach, da wieder traurig, still, verlegen! Volle Arme tragen Glutgeschmeide, Hüften hüllen sich in grüne Seide: 568 Blumenkissen, weiche Purpurdecken, Morgenflechten, seltne Mondlichtschnecken Wollen Wimpel froher Morgen hissen! Ihm sinds Schlangen: zu Gewissensbissen! Altverscharrte Träume glimmen wieder: Sanft vertraut beblickt er holde Glieder Samtig schöner, wollustheißer Frauen. Höchste Wonne darf sein Auge schauen! Grauen faßt ihn; ja, verwolkte Zeiten Wollen Traumgeschleier mild durchblauen: Bei Geburt besonnter Jugendweiten, Als er Eurydicen bräutlich kannte Und zur Liebe singend sich ermannte, Fühlte er in Fiebertraumgewittern Ihre Hand auf seiner Stirn erzittern. Ach, er griff danach. Schon war es Morgen. Süße Stunde sachtentschlafner Sorgen! Doch er träumte noch! Entzückt – lebendig! Seine Blicke glühten wildgeständig. Seine Hände fühlten ihren Schatten, Der sich wehrte, liebesanft ermatten; Rauschhaft sich voll Anmut ihm ergeben Und die Liebe mit der Lust verweben! Eurydicen hielt er da umschlungen. Damals schwanden die Erinnerungen Trauter Stunden unter andern Träumen. Doch nun sieht er sich als Schaum, in Räumen Oder unter Bäumen, die er kannte, Als er Eurydicen an sich bannte! 569 |
Eurydice, weiße Braut der Nächte, Hat, Geträumte, dich mein Traum gekränkt? Wandelst du errötend durch die Schächte Tiefen Grauens, das dich steil umdrängt? »Traute Braut, nach deinem blassen Scheiden, Ach, dein fahles Bild war bald verdunkelt! Damals traf mich keines Sternes Strahlen: Tückischgrause, frühergraute Stunde, Fieberflammen meiner Inbrunstküsse, Eurydice! Keusche, reinstes Wesen! Erst als du aus unserm Glück geschieden, Was jetzt atmet, lebt geheimer Stille. |
Sonne, heitres Herrscherauge, Meine Inbrunst wogt dir zu, Wenn ich stumm dein Schenkenwollen sauge, Überströmt mich sichre Ruh. Sonne, du vergibst die Sünden, Bloß durch kühne Sonnentaten Das Geträumte überwinden, Euer üppiges Erschauen, Schaffend kann ich Kühnes sagen, Nur der Sonne kanns gelingen, Werd ich je die Braut vergessen, |
Die Fluren singen ihre frischen Sonnenlieder. Die späten Nebel legen sich, wie müde Kinder, In tiefen Schluchten, ihren kühlen Pfühlen, nieder, O Morgenwind, du wehst noch wonniger und linder! Auch Orpheus schöpft nun Macht zu neuen Wanderleiden, Ist es ein Lied, so mag es dort erst frei ertönen, Auch soll sichs, als ein schlankes Weib, im Schaume baden, Am Strande aber steht bewegt ein andrer Sänger, Doch späht er scharf, vom andern sich zu unterscheiden: Doch sieht er jetzt: steil kreist auch überm andern Seher Von seiner Seelenhöhe frei, beim Flug, getragen, Das Ungefüge will, daß man es sich erkläre, So wird auch Orpheus stolz vom andern angesprochen, Der Fremde spricht: »Allmächtig ist des Menschen Freude, Die Erde ist ein schönes Weib mit vollen Brüsten, Ich hasse Wächter alter Staaten, die zerfallen, O Menschen, merkt das häßliche Verhängnis! Ihr trachtet nun in kluggefügte Weltgebäude Ich hasse Heuchler, ein Geschlecht voll Weiberweichheit, Ich bin am Anfangsabhang Menschen Machtverkünder, |
Es blickt nun der Fremdling empor zu den Bergen, Die Wolken, wie Raubvögel schwebend, umwittern, Zu Schluchten, wo Dunsteulen grau sich verbergen Und scheu vor Gewittern des Tages erzittern. Dann sieht er zum Meere, das schwankende Fäuste, Nun ruft er, was hold seine Seele vernommen: Er spricht mit den Felsen, er ruft zu den Fluren, Die Erde verschlang einst die Wucht ihrer Wildnis, O Dionys, feurige, schäumende Seele, Du herrliches Kind selbsterplötzlichter Weite, Erscheine im glühenden Schweif der Kometen, Entreiße den Menschen der Ursprungsbestimmung Ich glaube an keine ergrübelte Einheit, In Haderschaft herrschen nun Götter und Helden, Jetzt hascht sich dort Jupiter eine der Nymphen! Er findet sie nicht: was wird sich erleben? Nun rühren sich urhaft verkrümmte Giganten, Schon hoffen die Wachen auf Sieg und auf Rache, Von Schäfchen, den winzigsten Wolken, gezogen, |
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Bestürzt merkte Juno das Unheil, das Zeus Im Zorne den Hirten und Tieren bereitet, Sie hört noch des Bergausbruchs Brodelgeräusch Und sieht, wie ein Riese die Täler durchschreitet. Ihr Herz hat gezagt. Sie ist zweifelnd genaht Und sinnt nun auf Rache, für Trug und Verrat; Ihr Antlitz verhüllt sich, aus Ärger und Scham: Sie fühlt wohl, zu lange verhielt sie den Gram! Die Dünste der sterbenden Riesen verfauchen, Da will sie die Göttin, beim Bau einer Mauer, Zum Schutz ihrer zürnenden Trauer gebrauchen. Doch Jupiter hat ihren Anschlag gewittert: Schon sprengt er mit Blitzen den brockigen Wall; Und Wolken, wie Linnen, vom Sturme zerknittert, Entwuchten dem Luftbau und donnern beim Fall. Beim Zinnenbruch werden die Riesen zertreten, Genebel verschwindet, zu Stürzen zerstreut, Die Wolken jedoch, die den Öta umwehten, Umstarren die Urkraft, die Ruhe gebeut. Nun haben auch späte Giganten verschnauft: Die Stürme läßt Jupiter hurtig entwischen, Sich selbst aber zeigt er als riesiges Haupt, Das Blitze, wie Adern im Zorne, durchzischen. Die Herrschaft der Stolzen ist wiedergekommen, Die Macht der Olympier noch froher erglommen, Sie zeigt ihre heitre und sonnige Pracht: Höre drum, Mensch, Pan ist erwacht! 578 |
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So hat unsre Seele die Freiheit errungen: Sie lebt ohne Zweifel, verleugnet den Zweck, Kein grausamer Wahnwitz hält Menschen umschlungen, Ein tückischer Spuk hat für uns keinen Schreck! Nun herrschen die Götter vergnügt und zufrieden: Die Eigenart schaffe allein die Belebung! Der Wahn, daß ein Eigner in Gleichheit verschwindet, |
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Kaum hat nun der Mann diese Worte gesprochen, So blickt ihm erst Orpheus ins Marmorgesicht, Sein freies Herz fängt dabei hoch an zu pochen: Es mahnt ihn an Abschied und Freundschaftverzicht! Noch findet kein Mund die entfernenden Worte, Doch Orpheus bleibt kühn und verzückt an der Küste Wohl hat noch der Wandrer die Worte vernommen! Er rastet versunken, auf felsigem Hange, Noch schlummern in mir stille Mittagsgefilde, Der Meergott entrunzelt die funkelnde Stirne, Jetzt sieht meine Seele geflügelte Schimmel – Sie dursten! Sie schlürfen die ruhenden Fluten: Wildwiehergewimmel hat Dünen erklommen! Hui! Hurtig vertrocknen die salzigen Pfützen, Du, Orpheus, siehst freundlich den Frieden sich weiten, Ich spüre jetzt Pferdnebel Schwimmhäute spreizen, Erstaun, wie sich schleiernde Falter entpuppen, Jetzt fliegen auch Katzen mit winzigen Köpfen; Ich hasse die Fratzen und Nebelgesichter Ich warte darauf! Bald donnert es wuchtig. Verzückt hat der Fremde durch Felsen gerufen! Schon ahnt er Geschlechter machtheischender Ringer; |
Der Mittag erstrahlt in kristallener Klarheit, Und Orpheus erbaut einen Sonnenaltar, Sein Mund kündet Worte von Weisheit und Wahrheit, Und morgenfroh lauscht eine friedliche Schar. Wohl hörten die Hirten vom sanften Erzähler, Der Älteste bittet: »Gib himmlische Kunde, Da lächelt der Dichter und fragt seine Hirten: Ich bringe, um Götter mit uns zu versöhnen, Vernehmt nun ein Gleichnis, hört fein, wie ichs deute, Drum brauch ich, um Liebe und Licht zu verkünden, Bringt Bräute, in Farben des Lenzes gekleidet, Bald mögen die Lieder der Liebe erklingen! Erscheint, wenn ihr heiratet, fein in Geschmeiden Dann singt, was ihr heimlich im Walde gedichtet! Doch werden Gestorbne zu Grabe getragen, Ermurmelt Gedenken, so lange ihr schreitet, |
Der Dichter hat bebend die Worte gesprochen Und knickt jäh zusammen; sein Herz weiß bestimmt: Dahin alles Hoffen, sein Stern ist gebrochen! Schon fühlt er, wie langsam das Leben verglimmt. Da schleichen die Hirten hinweg vom Altare: Schon ziehen sie fort durch die heißen Gelände Ein Jüngling jedoch ist von ihnen gewichen! Er fürchtet, ein Kind noch, es sei ungebührlich, So blickt er denn schweigsam ins knisternde Feuer Doch Orpheus erspürt seine schwankende Nähe Bald fängt dann der Jüngling an, sachtsam zu stammeln: Wer macht es, daß Hunde die Menschen bewachen? O sage, warum sich die Tiere so hassen! Oft schein ich mir selber den Tieren zu gleichen, Ich bin im Gebirge nicht gerne alleine! Der Dichter kann lange vergrübelt nicht sprechen, Der Aufruhr der Lichter, der Ausbruch der Töne |
Und Orpheus singt, umringt von hohem Vogelbogen! Der Löwe horcht, ein Knabe ist an ihn gelehnt: »Der Sonne gleich ist unser Geist emporgeflogen! Dein Herz erweckt ein Stern, der sich nach Sternen sehnt. Du wirst nicht Sonne, bleibst nicht Erde; du bist Fehde! Im Lied erglimmt dir Friede: Fehde schafft noch Rede! Die Seele ist ein Schlund, in Sonne eingesenkt, Wie See in deine Erde, die uns Wolken schenkt. Und du wirst Traum! Der jüngste Mond im All! Du bist ein Brunnen. Unterm Ich erwirbeln Wir: Ein Sturz in dich ist tiefster Wonne steilster Fall: Ich zittre still, daß ich in dir mein Ich verlier! Du hast die Erde, eine Mutter: lieb' sie hold! Doch bleibst du Sonne: Mond dein Träumen; Taten Sterne! Der Tod ist oft eine Gestalt im Schleiergold, Das hoch dein Sonnlich-Sein zu stolzem Flug entrollt. Das Herz allein birgt Größe: du erdichtest Ferne! Dein Sterben sei dir Halt: das Ich im Urverloren Hat fromm, durch Selbstgeburt, den Tod erkoren! Er hält dich fest. Bei Sonnenhochflut droht Ertrinken: Kommt Gott in uns, so wollen wir in Ihn versinken, Doch wird dein Herzensstern den Sturz ins Licht verwinden! 586 Du bist der Tod. Du wirst dich heimlich wiederfinden! So wunderbar, so unberührt, Durch Sonnenfügung jung zu dir geführt, Du ewig Wort, du oft dein Tod, du Mensch, erkürt, Mit wachem Geist die Schlummersterne zu verbinden, Du bist der Flug, das Ich der Sonne zu erreichen! Doch unsre hellen Schwingen dürfen sich nicht gleichen, Ihr nennt sie Tugenden, die Seelen unversehrt zu eigen, Um hold besonntem Traumgetal sanft zu entsteigen. Wer weiß, ob Ichbesinnungen sich leis erhalten? Wo bin ich Ewigkeit? In Traum gewolkt die Seelen! Der Sonnenmündige? stürzt ab: er kann erkalten! Du findest dich vielleicht, wo wir uns fast verfehlen: Wohl mag ich euerm Stern die Sonnenwelt verheißen, Doch fühl ich auch in mir verwünschter Feuer Wüten. Beim Fluge faßt der Tiefen Flamme meine Flügel, Sie fürchtet uns, will dich in Finsternisse reißen. Sie nistet im Genick! Dir. Eier auszubrüten. Sie blickt wie Giergeier vom Abhang über Hügel: Dir eingeeignet, unsre Flamme! Traumgefilde Sind Sonnenlehnen ihr, die Händen traut gehören; Erfrommter Füße goldnes Spuren mag sie stören. Sie weiß: der Kundige wird einst die Welt ererben. Ihr Geisterblick bespäht die Welt zerteilt: in Scherben. Ein Feld beim Feld, zum Eigentum dich zu betören! Doch birgt dein Feuerleib noch andre Ungeheuer: Ein Busch aus Blut, korallenrotes Ganggeäder, Du drohst der Sonne: Tod! und bist der Sternerfreuer. Gerechtes Fügen stützt in dir die Himmelsräder, Doch wirst du, fieberndes Gesträuch, beim Sprung zum Fluge In eitler Brunst, ein unterweltlicher Entzünder Von Urverruchtheiten, Erdenker und Verkünder Des Sonnenabsturzes! Du bist im Sternenzuge Erfinder eines Mondes, der dir Heimat war, 587 Bevor der Sonne Ich durch dich Vernunft gebar; Du ahmst den Mond nach, so dich selbst! vermehrst dich, stirbst! O Mond im Menschen, Stein im Herzen Urgefahr! Gewagte Welt, du wirst dein Gott oder verdirbst!« »Ummenschter Tod: gefürchteter, doch holder Mond! O bleicher Leichenstein auf Sonnen leiser Nacht!« Fällt hold der Knabe ein: »Wie hoch dein Kommen thront; So silbre fern: du hast mich schon zu Gott gebracht!« »Mein Liebling,« schluchzt nun Orpheus, »halte glücklich ein, Vielleicht ist unsrer Wagniswelt Beschluß: der Stein!« »Als ich heranschlich, fing mein Herz an hoch zu pochen: Ich wollte dich verstehn, du solltest mich beloben: Ich horchte, als dein Wort die Sonne ausgesprochen, Und kam zu Gott. Auch du versinkst: still bleibt es oben!« Das sagt der Knabe und erstummt auf Orpheus' Schoß. |
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Der Sänger lispelt: »Liebling, sing dich los Von meiner Brust, umwolktem Fels, betannter Schlucht. Mein Hirtlein, liegst du still im Moos, So überträume der Gewitterzüge Wucht. Und bleib um mich, denn wisse: ich bin sichre Flucht! Mein Liebling lausch: dein Leib ist bloß, Die Seele rein: ein sternendes Gefäß. In dir sind Sonnen Gold und groß! Nimm das Gefäß, so faß dich, folge mir: und drehs In himmlischer Verschwendung um! Dann schäumt der Kelch: verschäumt das Du! Der Wald wird stumm. Die Eiche hier ist Sternenwuchs. Ein Baum ein Stern! Ein Lied erreicht den Stern. Erfreiter Erde Spende |
An Orpheus lehnt der Knabe in verzückter Rührung Und schaut empor in hohe, himmlische Bewegung. »Jetzt kommen«, spricht sein Mund nach holder Überlegung, »Lebendge Vögel unter engelhafter Führung, Die sich nicht blicken läßt, in stillem Kreis zu dir!« »So sing ich ihnen«, sagt der Sänger, »Freudenschürung! Erwecke gut die Glut, in Blut von Baum und Tier; Ein sanftes Feuer glimmt durch milde Erdenkinder: Aus unsern Herzen sternte tiefer Glutenmund. Die sachte Flamme macht die Sonnenangst gelinder: In keuscher Reinheit glüht der Seelen Liebesbund. So horch! zu Glück durchschauert uns geheimes Feuer, Die Mutter Erde soll ein eigner Glanz umglühen! Ein innrer Feuerbund durchglüht die Sonnenwesen, So holdes Wort entgoldete des Sängers Leier. |
»Geliebter!« sagt der Knabe traut zum Sänger, »Der Flug der Tauben, Habichte wird enger. Und Sperber drängen sich zu deinem Sang: Ein Adlerpaar umrauscht sie hoch und lang.« Und Orpheus fragt: »Erblickst du keine Rehe? Sie kommen fromm, sie wittern unsre Nähe! O Schmetterling, auf meines Löwen Ohr, Hol deine Frau, die sich ins Korn verlor!« Das gelbe Tierchen folgt, – fliegt fort. »Nun ist der Löwe voll von goldnen Bienen!« Der Knabe merkt es, findet flugs das Wort: »Ein Bär ist da, er trampelt hinter ihnen. Doch lockt ihn wohl dein honigsüßes Lied: Hier läuft der Wolf, der Luchs ist auch erschienen; Dort kommt ein Wolf, wie man ihn selten sieht!« Und Orpheus zeigt, wie Friedlichkeit geschieht: »Das ist das leise Lied der sachten Liebe, Die in den Seelen ewig aufersteht: 591 Denn stille Wesen sind die Sehnsuchtssiebe Des Feuerwunsches, der die Flur besät. Aus allen Blüten lachen Erdengluten, Erblüht nicht fast die Scham in wilden Tieren, Drum mögen Wesen sich auch treu bewachen, Nun stürzt ein Eber durch das Goldgetreide; Nun schwirren Schmetterlinge, gelb, zu Paaren, Der Sänger schwärmt: »Gestreute Wesen finden, Der Vogellieder helle Freudenkette Du bist die Zuflucht geisternder Gewitter, Hört, unsre Worte sind der Freiheitssamen, Im Wald erschallt ein echoreiches Schreien! Ein Ibis, hergereiste Reiherreihen, Noch freier greift jetzt Orpheus in die Saiten: Wenn Feuerfreuden aus dem Sänger steigen, Dann mag ein Stimmenregen sich ergießen: Die Erde sprüht den Funkenstrauß der Liebe, Der Knabe ruft: »Gesegneter! Gazellen Kamele wandeln klug in alten Fellen: Doch Orpheus singt: »Der Erde Feuersamen Der Güte Samen ist die volle Blüte! Auf einmal muß der Sänger tief verstummen! Nun kommen Männer, bringen fette Stiere! Der rote Flügelschlag der Scham erzuckt im Dichter. Nun schürt der Sänger, rasch erblaßt, die Flamme. |
Orpheus' Blicke schweifen in die Weite: Feinde kommen, doch er scheut sie nicht. Hirten bleiben still sein Talgeleite, Und er singt, denn sagen ist ihm Pflicht: »Flammen fühl ich durch die Seele schlagen: Milde glimmt die stille Liebeskette, Durch das Erdgeschlecht, das haßt, sich peinigt, Purpurmut, der unser Wesen schwängert, Wolken fliegen fluchthaft durch die Täler. »Uns erwarten blutgeweihte Mäler!« Orpheus segnet: »Schwärmt dahin, ihr Lieben! Feinde! Daß ich eure Geister stähle, Doch der Geist, der weiß, daß er in jeden Willst den Menschen du aus Sonnenkreisen, Hilfreich rollt ihm Feuer durch die Adern; Flügle, Gut im Blut, du Glut der Erde, Schwalben zittern wie durchbangte Herzen. Weg der Wind, mit seinen Wolkenscherzen! Orpheus blickt gefaßt nach oben! Hirten aber mag er loben, Heller muß er in die Saiten greifen: Reinen Samen will ich hoch verstreuen: Ja! Mein Lächeln gleicht dem Glanz vom Meere, Einem Meere, das sich langsam kräuselt, Wellenschäumen mag ich euch vergleichen: Vor dem Sturme reißen hohle Wellen Laßt mein Wesen, hier in eurer Mitte, Meine Braut mag ich am Weg ereilen! Jünglingsscharen stürzen laut zum Sänger: Stück um Stück, Bestürzling, Fluchtheiß, Dränger, »Alle Leiber werden auferstehen!« Aus des Fleisches schwerem Lustbegehren Seht das Meer mit seinen reichen Brüsten: Vollen Daseins Liebeskette sprengte Starkes Feuer glüht, verwahrt im Manne, Wird ein Weibchen hinterrücks genommen, Herz an Herz und Blick in Blick versunken, Liebe können Paare sich verschenken, Fort ist jeder Vogel! Aufgeflogen. Nur der Löwe blieb! In holdem Bogen Auch des Sängers Liebling ist verschwunden – Sonnenglut und Erdenblut verbunden, Orpheus singt: »Wir Menschen: Glückes Träger, Unsre Seelen sollen lieben, lieben; |
Gejauchze ist laut durch Gesang vorgebrochen! Im Walde erbraust eine rasche Bewegung; Das Herz jedes Hirten fängt wild an zu pochen: Was tanzt und erwogt da in toller Erregung? Die Pinien erzucken und schlanke Zypressen, Ein Schauder umhüllt nun des Dichters Umgebung; Entzweiung? Verschwunden sind alle Mänaden! Und Orpheus singt lispelnd: »Unendliche Stille, Ihr Freunde in Buchten, auf ruhenden Booten, |
Mänaden sammeln sich im alten Pinienwalde: Sie fürchten, draußen fern, die fremde Fischerflotte. Das ahnt und, ohne Sterbensbangen, sagt der Skalde: »Hört noch mein Wort! Dann, Feinde, lebt es euerm Gotte! Es gibt im Geist auf Erden: Sonne-Sein! Kein Scheitern: Ich danke euch verblendet rasenden Mänaden, Was Liebe und was Haß! Ich will der Flamme Wirkung! Bei Eurydice hör ich bald den Klang der Dinge Du kannst nach mir dich, Unterwelt, nicht mehr gedulden! Ja! Wer einst suchen wird, sein innres Licht zu finden, Was Ewigkeit in sich verschließt, kann nicht veralten! Der Mond war ein Versuch, die Sonne zu versöhnen: Nun will die Erde einen zweiten Mond gebären, Im Inderlande kommt der Erdensohn stets wieder, An unseren Gestaden kommt er urgespalten! Da wir uns schon, durch das Geschlecht getrennt, erheben, |
Das hallt und das schallt nun noch lauter im Walde! Viel wiehernde Pferde erscheinen am Feld. Bacchantische Weiber durchtollen die Halde: Das schwirrt und erzittert, das raschelt und gellt! Das singt und durchtummelt sich hurtig und munter, »Pan!« »Pan!« »Pan!« 605 Wie? Mag sich der Tag noch am Abend erheitern? Das Meer schimmert milchig, doch Purpurglutadern Horcht! Überall donnern jetzt mächtige Wogen, Nun sind die Mänaden am Strande entkleidet! Das hatte sich schon mit den Blicken besessen, Nun ruft wohl die schönste der nackten Gestalten: Wir spielen und wühlen in wallenden Flechten, Wie Fluten sich stumm zwischen Wäldern verschluchten, Ach Orpheus, du bist eine einsame Klippe! Genieße das Wogen der fleischlichen Liebe: Doch Orpheus, es machen uns Klippen verlegen, Doch antwortet Orpheus gefaßt und prophetisch: Was sprecht ihr vom Leben, Entschleicher der Gräber? Ihr merkt, wie Erstandenes traurig verschwindet, Die Seele der Klippe, ihr stolzes Beharren, Ihr wollt nicht die Liebe, wie ich sie verschenke, |
Gebilde von Schleiern, Gestalten und Lichter, Wie selten sie Dichter im Überschwang sahn, Umwallen den Schmachter. Mänadengesichter! Sie möchten ihm, vorsichtig anschwebend, nahn. »Pan!« Den Dichter ergreift sanfte Reinheit des Tanzes: Er liebt diesen rhythmisch entfesselten Takt! Wie freut ihn der Anblick des wallenden Glanzes: Die tanzenden Weiber sind brünstig und nackt. Ein Kräuselwind rauscht nun im Haupt von Zypressen. |
Schon ist nun die Sonne gesunken, Das Licht in den Fluten ertrunken. Der Wind saust; und draußen das Meer. Ihr Brausen tönt doppelt und schwer. Der Tag hat, durch Morde verdrossen, Der Abend ging blutlos verloren! Nun geht ein so mildes Verstehen, Der Wind springt jetzt lustig durch finstre Gefilde, Erzähle, warum diese lustigen Winde Wie scheinen sich Winde und Lieder zu gleichen! Ach Orpheus, besinne dich einsamer Nächte! So ist einst ihr Traumbild zu dir sanft gedrungen! Nun sind unsre Lieder dein Stöhnen im Walde. |
Es wurde Nacht. Verdeckt sind Sterne und Mond. Die Hirten liegen, um Orpheus lauschend, gelagert. Schon starrt alle Schroffheit tief finster betont: Auch scheinen Zypressen im Schwarz abgemagert. |
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Ein Jüngling spricht –: »Ach Orpheus, milder Meister, So sag, wozu versteigt sich unsre Flur? Wo bleibt der sanfte Sang erlauchter Geister, Ein Liederhauch, der mild vorüberfuhr?!« Und Orpheus sagt: »Mein Herz ist schwer beklommen: Nun harrt ein Sturm im dunklen Wolkenmeer, Sein Nahen hat die Seele bang vernommen; Im Walde rüstet sich der Feinde Heer. Sahst du am Abend nicht die Sonnenspangen? Sie hielten Wolken lange eingepreßt. Schon war die Furcht vor Sturm in mir vergangen, Doch wehe, wenn der Tag uns jäh, wie heut, verläßt!« Was glitzert jetzt gerötet durch den Wald? Mänaden scheinen Feuer anzufachen. So manche hat die Rüstung umgeschnallt Und denkt sich rasch zum Kampf bereit zu machen! Nun fangen tausend Weiber an zu lachen. Auf einmal alles still: kein Lärm im Wald. Doch was? Nun scheint man Fackeln zu erheben! Wer hat sie, Fäusten gleich, emporgeballt? Mänaden oder wer? Was fängt drin an zu beben? Ach nein! So kommt noch nicht der wilde Sturm! Nur wackelt wohl schon mancher Dunkelturm, Und es entkriecht ihm auch sein Wolkenwurm, Doch meistens legt er sich um Felsenkuppen, Als wäre so ein Gipfel sein Gehäuse. Auch hängen dran verkrampfte Wolkengruppen, Wie schlafumfangne, finstre Fledermäuse. Da spricht der Dichter: »Stürme, fangt doch an zu heulen! 614 O Wolken, die ihr Hügel überdacht, Heut schützt ihr keinen stummen Riesen über Nacht! Schon zittern und bald knittern Nebelsäulen: Mein Herz, bestehst dus, deinen Weltbruch zu betrachten? Begänne doch das Sturmeswüten und das Schlachten!« |
O Nacht, o unendliche, herrliche Nacht, Bald wird dir die Menschheit Genesung verdanken! Du fügst ja, was stürmisch vom Lichte entfacht, Ursprünglich, lebendig, auf Erden erwacht, Allmächtig, allmählich, in zwingende Schranken! Du willst alle Stürme des Tages entladen! Du suchst deine Ruhe in ewigen Kreisen! Du singst deiner Schönheit unendliche Weisen, Um stumm deine stille Vollendung zu preisen! Es dichtet der Sänger: »Ihr mögt mich zerreißen, Jetzt siege die selig erhabene Nacht: Ich habe den Menschen ein Machtwort gebracht, Nun sollen es andere rauschend verheißen: Schmerzstillende Mutter, am Ende der Schlacht, O Nacht, wieder ringsum gestirnte Nacht, Ich kann dir allein mein Geheimnis beklagen, Wer Bacchus ist, dir, die es ahnen muß, sagen, Denn er ist so alt wie du selber, o Nacht: Und wo deine Jugend im Urwalde lacht, Ist Bacchus in Sternen und Blumen erwacht. Er ist ja die Schönheit und Reinheit der Dinge, Der Schmelz alles Frischen, die Würde des Alten, Der Ewigkeit alles durchdringendes Walten: O laß, daß ich Bacchus, erbleichend, besinge! O Dionys, Liebe des Mannes und Weibes, Gynandrische Sehnsucht der beiden Geschlechter, Enthüllung der Weiche des weiblichen Leibes, 615 Geschickeverflechter und Freund von Gelächter, Erfüllung der Reize erblühter Epheben, Asketenverächter und Traumpalastwächter, Du Wiedergeburt und du ewiges Leben, O lasse mich jetzt durch dein Seelenreich schweben! O goldener Gott, große Sonnenerscheinung, Du endliche Streiter- und Heldenverneinung, Du männliche Wärme, du Erdenentsprießen, Ich konnte dich lange als Wandrer genießen, So schicke den Tau, deinen himmlischen Regen! Eröffne die Erde! Ich forsche nach Wegen Zum Reich des Empfangens und Wonneverlangens: Nun will sich der Wandrer zu Wartenden legen!« |
Ende des Intermezzos