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Die Pyramide
»Verwegener, was willst du? Was peitscht dich aus der Ruh?« Erscholls in meinen Träumen, Als jähbewußter Schrei! »Ich kann dich nimmer zäumen, Du Lichtbrunst schön und frei. Ihr Wünsche zu erfahren, Euch schnellt ein Sonngeheiß, Die Lust am faßbar Klaren, Empor zum Bild von Sais!« Dies hab ich rasch gestammelt, Als ich Ägyptens Ra, Vor Tempeln traumverrammelt, In heilger Würde sah. Das Volk war laut versammelt. Da schien es mir beinah, Als trügen jene Scharen In sich den Urbeweis Der Kraft des Sonnenwahren Bis vor das Bild zu Sais. Dort hockten stumme Beter. Da drang, nach Art und Weis Der Krieger, ein Trompeter Hervor aus einem Kreis Ekstatisch krampfverdrehter Erleuchteter von Sais! Er blies und rief: »Für Väter Der Gaue schafft ein Gleis, Ihr andern folgt erst später: Der erste sei ein Greis!« Ich aber rief: »Wo geht er? Daß er um keinen Preis Vor mir, dem Lichtvertreter, Den Schleiertand zerreiß?« 110 Nun hört ich ein Gezeter. Es heulte das Geschmeiß Der Weiber, Missetäter, Besessenen zu Sais. Da lag das Pack in Krämpfen. Ein Knäul von nacktem Fleisch! Um Wut und Brunst zu dämpfen, Schrie Ra durch das Gekreisch: »Das Heil will ich erkämpfen: Verstummt, da ichs erheisch!« Doch brüllten Weiber, Kinder Jetzt stärker und zu Fleiß. Und Bauern trieben Rinder, Mit Peitschen, in den Kreis. Sie riefen: »Schmerzverwinder, Wann hilfst du uns zu Sais? Was soll mir Pein und Mühe, Was Plage, Drangsal, Schweiß, Zerstampfen Stier und Kühe, Das eigne Weib, – als Geis! Wenn ich in Fieber glühe, Am Feld, das junge Reis!« »Es sollt ihr armen Bauern, Versammelt hier zu Sais, Im Traume nicht erschauern,« Rief Ra; »und zum Beweis Begründ ich vor Beschauern Was stets Ra-Arbeit heiß! Die wird euch überdauern; Ihr gebt mir nur den Gneis: Ein Werk daraus zu mauern, Wie ich allein es weiß! Kein Volk wird es betrauern: Der Welt vermach ich Sais!« »Wir werden schmähen, keifen, 111 Bis du uns nicht erhörst, Uns fest darauf versteifen, Daß du den Alb zerstörst, Und jammernd Sais umschweifen, Bis du den Spuk beschwörst! Wir schließen einen Reifen, Und wenn du dich empörst, So wird man sich vergreifen, Weil du das Land betörst. Versuch nicht zu entkneifen, Da du den Strauß verlörst!« So schrie beim Stadtumstreifen, Ägyptens Volk vor Sais. Dies ward ein Johlen, Pfeifen, Ein wütendes Gekreisch. Selbst Kinder sah man kneifen, Zur Stärkung ihres Schreis. »Ihr seid zu viele Bauern: Ich schaff den Priesterstand! Wenn Träume euch belauern, Entschüttelt sie durch Sang Und gebt mit Felsbehauern, In einer Riesenwand, Tief zwischen Felsenmauern, Dem Schreckgesicht Bestand!« Dies hatte Ra verkündet! Wo man sich schlug und wand, Da war sein Kult begründet, Im nilgebornen Land. Da hat den Glaubensbrand, Wo still der Schlammfluß mündet, Die Sprache Ras entzündet, Gott schaffend, gottgesandt! »Die Widder kommen nächtlich, Als Spuk, in unsern Gau: 112 Die Zahl ist gar beträchtlich, Wir sehn sie ganz genau; Stumm sehn sie und verächtlich Auf uns, in unsrer Au, Und scheinen unanfechtlich Bis spät im Morgengrau: Drum sperr du sie bedächtlich Des Nachts in ihr Verhau!« So rief man. »Ist es rechtlich, Daß eine große Sau Mit Ferkeln, mitternächtlich, In unserm Kürbisbau Gefräßig und geschlechtlich Am Dasein sich erbau?« So mischten mit Emphase Sich andre ins Geschwätz: »Bei uns ist es der Hase, Der wider das Gesetz«, Schrie plötzlich eine Blase, »Uns plagt. Und wie ich schätz, Frißt er den Kohl im Grase, Wenn je ich solchen setz!« »Kein Alb soll euch entsetzen, Daß man sich drauf verlaß, Ich kann ihn grabwärts hetzen!« Rief Ra begeisterungsblaß. »Nach seinen Lebensplätzen Sucht traumgrau, voller Haß, Was ihr mit Axt und Netzen Und ohne Unterlaß Getrachtet zu verletzen! Drum zieht nunmehr fürbaß, Das Tierbild beizusetzen Im eignen Nachtgelaß!« »Kein Reiher läßt sich fassen, 113 Wenn ich im Schlaf mich wetz! Des ganzen Gaues Sassen Verstricken sich im Netz, Wo Vögel früh verblassen, Ob sie das Licht verletz: Drum sag, wie man Grimassen Der Nacht sich widersetz?« So riefen die Erwerber Der Landschaft hart am Nil. – »Und uns umrauscht der Sperber, Wir töteten zuviel! Wir wurden Jagdverderber, Weil Morden uns gefiel: Kein Landvolk hauste herber Beim grausen Jägerspiel!« So rief ein starker, derber Gaustamm mit Aarprofil; »Jetzt sind wir Rangbewerber, Mit Hohenpriesterziel: Sind wir einst Machterwerber, Bleibt doch der Stand servil!« Da rief der Kraftverleiher, Ägyptens Ra: »So seis, O Sperbergau, du freier, So komm, ich überweis Dir Macht und Schutz vom Schleier Der Gottgewalt zu Sais! Euch Priester, Prophezeier, Euch Wissende umkreis Der Sperber heilger Weiher, Als Sohn des Sonnen-Eis: Am Mittag aber sei er Euch Sinnbild, Hort und Preis! Ich will, daß man ihn feier, Verehr und monatweis, 114 Als Sohn vom Lebensfreier, Von Ra, der Urkraft, preis! Ihr andern nehmt den Reiher Und was euch quält, – die Geis! Die Hasen, Storch und Geier, Gewährt euch wechselweis Mein Gau und Gotteinweiher: Auch Träger des Geweihs Bekommt ihr Bauern, Meier, Nach Schreck und Zweck zu Sais!« Nun heulten Männer, Weiber: »O Herr, ein böses Tier Ist unser Ruhvertreiber! Doch sind wir alle hier: Gesellen, Weber, Schreiber, Und flehen fromm zu dir: O heile Seelen, Leiber Vor der Dämonengier! Wir sind nicht Übertreiber! So glaub, ein Albvampir Ist jener Nachtdurchbleiber In unserm Schlafquartier; Wir spüren nur den Schrecken, Wir fühlen einen Druck Und können uns nicht recken, So bleischwer wiegt der Spuk! Ein Sarg will uns bedecken, Da kann kein Stoß und Ruck Der Sklaven uns erwecken, Da ist es, als verschluck Ein Würgerschlaf, in Säcken, Den Rumpf, daß er verzuck!« »Das sind die Totenlehren!« Rief Ra gedankenschwer: »Verstorbene begehren 115 Die Sonnenwiederkehr! Sie wollen euch beschweren: Begrenzen euch stets mehr, Zurück zu sich zu kehren, Was langsam im Verkehr Sich ändern kann, verzehren: Denn bleibt ihr wie bisher Und haltet ihr in Ehren Was heilig ist und hehr, So könnt ihr fort euch wehren: In ewger Todeswehr Wird jung sich das gebären, Was nie den Stamm versehr! Dann taucht ihr in der Rasse, Als Form, die stets sich gleicht Und werdend nur erfasse, Was ihr die Urform reicht, Als ewger Hintersasse, Empor, wo Gleiches weicht! Und solche Völkermasse Erzeugt sich stracks und leicht: Denn, daß Bewehrtes passe, Bleibt überall erreicht. Kein Krieg, geschürt vom Hasse, Der, kommend, euch durchschleicht, Erzwingt sich eine Gasse, Die Jungformen umdeicht. So horcht auf eurer Ahnen Sichselbsterhaltungsschrei! Auf friedenfreudges Mahnen Und Schlafaufwiegelei! Beschreitet ihre Bahnen, Macht euch vom Albdruck frei! Der Kultus, den wir planen, Verlängert eure Reih 116 Zu Lebenskarawanen Im Schutz der Wüstenei. Verbleibt beim Gutgetanen, Aus Ahnenschwärmerei Und steht als Untertanen Den Ra-Erstarkern bei!« So sprach der Gott, da brachte Ein junger Menschenbund, In dem der Kult erwachte, Ein Untier groß und rund Aus einem tiefen Schachte Vom Fels herab zum Sund. Beim Tragen überdachte Sein Rumpf die Männer, und Der Eindruck, den es machte, War wunderlich und bunt. Man trug den Unhold sachte Und gab den Leuten kund, Dies sei ein Gott und schmachte Nach Kult und Erdenrund! Man rief, er übernachte Verschrumpft am Grottengrund, Und wenn auch tot, so trachte Der hohle, heilge Fund, Daß ihn der Mensch betrachte! Trotz Bauch- und Leberschwund, Empfehl es sich, man schlachte, Für den bezahnten Schlund, Ein Opfertier und achte Auf seinen Rumpfbefund; Und wo man dies erdachte, Ward man zur Stund gesund! »Ach Ra, aus Schreckensnächten, Vom Zorn des Albgottskloß, Mach uns mit regelrechten 117 Beschwörungsformeln los: Bestimm, uns selbst zu knechten, Wir wünschen den Verstoß Und wollen nimmer rechten, Denn unsre Not ist groß! So hilf den Spuk zu ächten: Gar schrecklich ist das Los, Gewürgt von Werggeflechten, Erstarrt und atemlos, Verklemmt in Todesschächten, Zu sinken in den Schoß Von feindlich-schlechten Mächten: Die Freiheit gib uns bloß!« So schrien bejammernswerte Gepeinigte nach Fron. Und Ra, der Gott, bescherte Ägypten seinen Thron. Dem Volk zu Sais erklärte Er kühn die Sonnvision: »Das, was ich euch gewährte, Wird jetzt zur Religion. Es sehn die Priester schon, Daß sich zum Guten kehrte, Was euch, zu Spott und Hohn, Als Alb, den Schlaf verwehrte; Drum lebe jetzt und wohn, Wer lang die Rast entbehrte, In Glück daheim, zum Lohn: Und Priester und Gelehrte Bewachen die Nation! Ihr müßt euch gleich erhalten! Drum schafft ein Glaubensbild Des gutbewährten Alten! Und Inbrunst kühn und wild, Laßt rings im Stein erkalten! 118 Was jung und frisch entquillt, Mag eure Kunst gestalten. Doch was am meisten gilt: Euch selbst müßt ihr verwalten, Wie Ra euch einst gedrillt! Dies wird den Kult entfalten, Und durch ein Lichtgebild Bleibt ihr dann ungespalten: Der Wechseltrieb gestillt!« Da war es, als entflamme Urplötzlich Ra das Land. Im aufgebrachten Stamme Geschah schon allerhand. Da schrie man: »Ra, verdamme, Was dir als fremd bekannt, Und schütz mit festem Damme Nur was uns eng verwandt; Erzwing durch unduldsame Verbote den Bestand!« »Ich laß vom Bräutigame!« Schrie plötzlich brunstentbrannt Ein Mädchen. »Zieh als Amme Zum Kalb, das Ra gesandt!« Befahl dem Weib ein Gatte, Der eben sich entmannt. »O Vater mein, gestatte,« Rief jemand überspannt, »Daß ich dich neu bestatte, Der du in Nacht gebannt! Ich heb die Felsenplatte Vom Grab mit eigner Hand; Was ich am liebsten hatte, Das sei dir zugewandt. Nun ruh auf andrer Matte, Da nimm auch mein Gewand!« 119 Dann war es, als ermatte Der Grabgestikulant. Nun wurden lange Züge Einander stumm gewahr. Die brachten Eimer, Krüge Und was ihr Hof gebar, Den Fruchtpreis ihrer Pflüge, Spontan zum Ra-Altar! Man dachte, es genüge, Bringt jeder Opfer dar, Daß sich ein Staatsgefüge Fest aufbau und bewahr. Doch änderten die Züge Der opferwillgen Schar Sich rasch, als Ra, zur Rüge, Nun aufschrie: »Die Gefahr, Die Gauen droht und Glauben, Ist stets der Seelengeiz! Wohl haben Lämmer, Tauben Für Priester Wert und Reiz, Doch nie werd ich erlauben, Daß sich ein Reicher spreiz, Weil er von üppgen Lauben Am Felde, allerseits, Die beste Frucht kann klauben! Zur Lindrung eures Leids Müßt ihr euch schwer berauben: Beim Schwören eines Eids An alle, die verstauben, Wird nur des Ahneneids Plagkraft und Wucht verschnauben. Drum nehmt das Liebste! Weihts Für ewig euren Toten, So lang ihr lebt und leibt! Auch euch wirds einst geboten, 120 Wenn ihr euch jetzt verschreibt Und tut, was ich geboten! Der Sohn, der hinterbleibt, Erhalt euch mit devoten Gefühlen wohlbeleibt Und frag bei Totenboten, Ob ihrs, wie einstens, treibt! Im Dasein sich verknoten Vermag, wer sich beweibt. Doch das ist tief verschieden, So wie es Könge gilt Mit Freuden, wie hienieden, Im westlichen Gefild, Für ewig zu umfrieden! Denn Könge sind gewillt, Von allen Unterschieden Der Stände sich ein Bild Im Tändeltraum zu schmieden: Drum bergt, was ungestillt Verloht, in Pyramiden! Auf Sorgen, flüchtig wild, Legt einen todsoliden Sargdeckel, wie ein Schild.« Da schleppte man die Blöcke Ekstatisch hin zu Ra. Auch waren Opferstöcke Von überall schon da. Geschrei und Bocksgeblöke Verrieten, was geschah. Die Obern schwangen Stöcke Und töteten beinah; Doch band man sich an Pflöcke Ganz willig, und man sah, Wie Menschen – Kühe, Böcke – Umtanzten mit Hurra! 121 »Laßt Urerfüllungszacken Als Wunderbau entstehn! Die schwanken, scharfen Haken Der Bilder, die verwehn, Ergreifen sich und packen Euch stets beim Untergehn. Jetzt tragen sie als Nacken Von Männern, die da flehn: Kein Albgott soll sie zwacken! Sie türmen auf, zergehn. Ihr Sein ist Ziegelpacken, Befehlen und verstehn, Verunglücken beim Backen, Vor Schmerz das Aug verdrehn!« Rief Ra. »Fürwahr, das Große Ist nötig, schon getan. Nun lohts vom Erdenschoße Empor als Menschenwahn. Der Schmerz vom wuchtgen Stoße Gab Schürung dem Orkan: Daß man sich schlag, erbose, Gehört zum Brunstvulkan! Doch bleibt vom Tagalbkloße Nichts übrig als ein Zahn; Beim Aufbau schon Ruine, Durchweht vom Todeshauch, Entsteh das Grab – und diene, Beim Werden, als Verbrauch Des Seins und als Maschine, Die Sonnwucht knapp verpfauch! Doch Bauer und Beduine, Im Bann vom neuen Brauch, Der Menschen Stromlawine, Die sich ums Zweckmal stauch, Das Weib mit Schreckensmiene, 122 Mit aufgeschlitztem Bauch, Das gläubig zu empfangen Sich wild der Frucht entleert Und, voller Brunstverlangen, Die Ahnen, die es ehrt, Die längst schon heimgegangen, Als Kinder nur begehrt, Das sind die Schicksalszangen, Die ewig unversehrt, Aus dumpfem Zukunftsbangen, Urmächtig, unverwehrt, Scharf ineinanderhangen! In diesem Fall verzehrt Der Raffzahn der Erfüllung Sich spurlos nicht und läßt Des Nötgen Leibumhüllung Als Felseck scharf und fest. Und tiefster Kraftverknüllung Stumpfwunderlicher Rest Erstarrt in Stein auf Erden!« Der Pöbel schien mir Gleis Und Pläne zu gefährden, Da blickt ich sehnsuchtsheiß Empor aus diesen Herden. Inmitten des Geschreis Stand Ra, mit Kraftgebärden. Sein Mantel, schwer und weiß, Konnt nimmer blutig werden, Und zu mir sprach er leis: »Nach Trübsal und Beschwerden Berausch dich nun zu Sais!« 123 |
Ach, Fata Morgana der Sagensahara, Erhabener Abglanz des alten Ägypten, Ich las deine Texte von Wandmanuskripten, Ich wagte und schwankte; da kamen und kippten Die Tempel mit Inschriften um. Und all das sah Ra! Da stand er auf endlosen, schwebenden Treppen. Ich kniete auf Stufen, am untersten Rand, Und fühlte des Baues erstarrten Bestand: Da wollt ich mich lichtwärts zum Taggotte schleppen. Es warf noch sein Leib einen menschlichen Schatten, Der fiel über Treppen, als Teppich, herab. Ich stammelte lange, und bat ihn dann knapp, Er möge mir Eintritt und Einsicht gestatten. Dann kam ich zum Schatten. Ich faßte den Saum. Denn dieser war wirklich, die Treppe ein Traum! Ra blickte nach Westen und streckte den Arm Zur Sonne hinüber, die aufwärts gewuchtet. Der Tag war entflammt und das Dunkel verschluchtet: Sein Auge ganz klar und sein Atem so warm. Und Ra starrte schweigsam dem Taggott entgegen, Der war uns im goldenen Karren genaht: Kein Wind schien durch Ärmel und Falten zu fegen, Und dennoch verwehte und schwand sein Ornat; Auch brauchte kein Wollen den Ra-Arm zu regen, Nackt ragte er sonnwärts, als Warnung und Tat! Da packten gar grimmige Riesen den Wagen, Der Horus von Osten herübergetragen. Sie ballten und krallten sich fest an die Räder. Sie sprühten und glühten und bebten aus Wut. Es barst fast ihr rachsuchtentflammtes Geäder, Da nirgends der Himmel Gewitter entlud! Nun zogen auch wirklich die gierigen Hände Der feindlichen Mächte den Wagen hernieder. Nun wars, als ob alles im Brande verschwände. Es fanden der Rosse geschmeidige Glieder, 124 Samt Speichen und Deichsel und Karre, ihr Ende. Da öffnete Horus, der Lichtgott, behende Das flimmernde, herrliche Tagesgefieder! Zum blauenden Saume verzitterte Iris. Es trugen des Sonnenballs machtvolle Spannen, Zerflitternd den leuchtenden Ra-Sohn Osiris, Aus flammendem Karren der Ankunft, von dannen! Von Eindrücken, die mich so innerlich packten, Hat wohl mein Bewußtsein nur einge erhascht. Wo war ich? In grabpyramidenumzackten Gefilden des Delta, mit Staub überascht? Hat Fließen und Branden von Nilkatarakten Vielleicht meinen Halbtraum gar stark überrascht? Ein riesiger Kessel umschloß mich im Kreise. Auch stand ich so hoch, daß ich Gleise und Reise Des Stromes in weitester Ferne gewahrte. Ich sah, wie der Nil sich im Süden zerteilte, Durch Schluchten schnell eilte, im Sande verweilte, Sich einte und trennte und abermals paarte. Doch gab es kein Ende, als glühenden Sand Und, näher beinah, eine flammende Wand Und rückwärts vielleicht einen anderen Brand! Der Nilstrom schien langsam herunterzufließen. Er schlich durch die Wüste in breiter Verschlingung, Um rasch unter mir dann vorüberzuschießen. Dies war wie ein Anlauf zur Aufstiegserzwingung, Um mühsam den Schlamm in die Höhe zu wälzen Und endlich empor auf den Abhang zu kommen. Gar prächtige Vögel auf riesigen Stelzen Umzogen den Strom, der die Nordwand erklommen, Dann schienen sich Haine und Licht zu verschmelzen! Dies war wohl ein Trug, der am Himmel erglommen? Oft schien er so deutlich, oft goldrauschverschwommen! Nun konnt ich den Blick schon zur Sonne erheben, Zwar tiefer als wir steht sie nirgends und nimmer 125 (Die Warte sei hoch oder meerspiegeleben!) – Doch scheint sie des Morgens der See zu entschweben, Versinkt sie des Abends im flutenden Schimmer, So stehn wir so hoch wie die Purpurglutbrandung, In der sie im eigenen Lichtsturm zerprallt, Denn nur was uns scheint, trägt der Logik Gewandung Und gibt unsrer Urvernunft dauernden Halt! Ihr Gräberkolosse, erzirkelt und protzig, Erstarrte Symbole unbändiger Stumpfheit, Ihr macht mich rebellisch, verwegen und trotzig! Nur anspruchsvoll, ausspruchslos, dumm fast und klotzig, Verwahrt ihr die Mumien in modriger Dumpfheit; Ihr sagt zwar, daß Völker gar lang, als Barbaren, Des Stammlandes Wesensart halten und wahren, Und wenn innre Gluten den Wechsel entfachen Und Horden als fahndende Menschen erwachen, So wuchte die Starrform gespensterhaft nach Und baue sich Fetisch und Ahnengemach! Doch ist, was nur ruhn will, verrucht und verflucht! Die Scholle soll geben. Die Erde muß spenden. Und wer sie begehrlich, mit Lust, untersucht, Den will sie mit Schätzen verwirren, verblenden, Dem wird sie auf Wänden mit Schattenlegenden Die Bahnen bedeuten, das Werk zu vollenden, Um Furcht von sich selbst und der Menschheit zu wenden! Sie schenkt und versagt ihren weiblichen Reiz: Vergibt uns die Habsucht, doch nimmer den Geiz: Mir selber verzeiht sie und liebt mich bereits!
Ihr Seelenkrampfkristalle, tote Pyramiden, Ein Albdruckgebirge, menschmächtig und nächtlich, |
Waren dies die Sphinxfelsfibern, Die da schwollen und erstarrten? Wars ein Ruck von Weltverschiebern, Die noch tief in Grotten harrten? Oder kam ich selbst ins Fiebern, Als um mich die Berge knarrten! Welch Gezücht von Ottern, Bibern Quietschte in den Felsenscharten, Als, aus Höllenschluchtkalibern, Grufteinbrüche sie verscharrten. Bäche sträubten sich und zischten Auf und nieder durch Kulissen: Wo sich Fels und Wasser mischten, Ward der Strudel fortgerissen. Eulen, die mit Hast entwischten, Prallten auf an Hindernissen; Und ich sah die mörderischten Szenen jetzt in Schattenrissen. Riesengroße Schlangen fischten, Aufgereckt, nach Leichenbissen! Aufwärts langten sie nach Beute. Senkrecht standen sie im Kessel. Und ich wußte: dies bedeute, Daß, was tot schien, sich entfessel: Und bald peitscht die Albspukmeute Uns mit Dorngerank und Nessel! Mumien sehn ein neues Heute. Tod, sitz fest auf deinem Sessel, Denn, was deine Hand zerstreute, Bricht die Raum- und Zeitmaßfessel! Und als Schlangenhälse barsten, Da entkrochen Lurchenkröpfen Nestbesätze mit bizarrsten Schwulstentschlüpften Doppelköpfen; Und die allersonderbarsten 129 Vögel, mit Gesicht und Zöpfen, Flogen aus den totenstarrsten Mumien auf und Urnentöpfen. Schlünde sah ich rasch verkarsten Und im Nu ihr Schreckbild schöpfen! Felsen zeigten, daß sie leben, Daß die totgeglaubten Steine, Ewig wechselnd, sich erheben. Katzenklumpen, Riesenschweine Schienen fast im Sprung zu schweben; Und im letzten Wonnehaine Trat ein Stier auf heilge Reben. Rosse schleppten Menschenbeine, Und von Dreck und Aas umgeben, Schnaubten Hunde Feuerscheine. Plötzlich klaffte eine Spalte, Und des Tages gelbe Grelle, Die ins dunkle Wirrsal prallte, Bannte uns an Ort und Stelle. Nur ein Mannestorso ballte Sich empor mit Riesenschnelle: In ihm staute und verkrallte Sich die letzte Lebenswelle, Und der Glast, der einwärts wallte, Glich da einem Löwenfelle. Ja, es krümmten sich und zuckten Rumpfgestalt und Muskelbänder, Denn sie alle würgten, schluckten Untierspuk und Leichenschänder. Keine Kopfknaufschwülste guckten Wuchernd über Halsstumpfränder, Denn die Brut von Spukprodukten Lang verheerter Unglücksländer Schrumpfte ein, und manche duckten Selber sich im Zweckvollender; 130 Berge wurden Muskelgruppen, Rückgratfurchen Gießbachschachte! Achselhöhlen Grottenkuppen: Jedes Ungeheuer brachte Abfallschnitzel, Wesenschnuppen Unter, als ihr Herr erwachte. Knorpeln, Muskeln, Fleisch entpuppten Stets, was ihr Entstehn entfachte: Drachen, Lurche, Urbrunsttruppen Wurden, daß ein Arm sie schlachte! Rings auf albbefreite Länder Schien der Mittag heiter nieder, Wolkenberge, Inselränder Gaben klar die Wollust wieder, Die das Meer, der Liebesspender, Aus dem Irisflittermieder, Rings durch Schleier, durch Gewänder Und mit Lust- und Luftgefieder, Wallen läßt, als Freudensender! Steil um schroffe Inselglieder Wand sich eine Strandgirlande, Und die See, die weiblichweiche, Spielte mit dem feinen Sande. Sie, die trug- und schimmerreiche, Schwellte Flittergold zum Strande: Und da warfen Klippen, Teiche, Scheine, Splittergold, zum Pfande, In die See zurück, fürs gleiche; Und so suchte, im Verbande, Jedes, daß es Lust erschleiche! Aus den Rätselbuchten fuhren Windgetragne Segelboote, Und auf ihren goldnen Spuren Sah ich, wie die Schönheit lohte. Volle, junge Kraftnaturen 131 Folgten da dem Lichtgebote, Fernen, fremden Kreaturen Hold zu sein als Liebesbote: Und ich wünschte, fern auf Fluren, Glück dem Schönheitsaufgebote! Rings um Brunnen, klare Quellen, Wuschen Königskinder Linnen: Solches Mädchenspiel mit Wellen Wollte Venus einst ersinnen, Daß der Busen holdes Schwellen, Vor der Mädchen Prüfersinnen, Sich dort spiegeln und erhellen Müßte, stündlich, vor dem Minnen: Pracht zur Strahllust zu gesellen, Ist der Venus Urbeginnen! Aller Herrlichkeit Vollendung Sah mein Aug, im Abendglanze, Vor sich stehn, als reife Sendung. Nackt, mit einem Myrtenkranze, Ward ein Weib, mit keuscher Wendung Ihrer Hüften, jetzt der ganze Zaubertraum von Schönheitsspendung! Ach, in einem Totentanze Traf mich plötzlich volle Blendung: Helena stand auf der Schanze Priamus', – und Troja brannte! Und ich sah, wie sich begehrlich Heldensinn zu Fernen wandte! Völker schienen unversehrlich, Als die Not sie westwärts sandte: War die Fahrt auch grundgefährlich, Kam man doch um Riff und Kante; Fehlte auch, was unentbehrlich, Wenn kein Wind die Segel spannte, Blieb doch Raubsucht unverzehrlich! 132 Grüne, schmale Länderstrecken Zwischen gelben Horizonten, Silberranken, Städte, Flecken, Felsenlehnen, die sich sonnten, Kolossale Gräberrecken, Ewig stumme Gruftremonten, Tempel zu Begräbniszwecken, Schrecklich starre- Festungsfronten Sah ich rings das Feld bedecken, Das mir Träume geben konnten. – Aller Vögel Zufluchtstätte, Anhalt meiner Trostgedanken, Reich der Toten, stau und rette, Was du kannst, in schattenschwanken Wunschphantomen: ach, verkette In den blassen Traumesranken, Jetzt im stummen Spukballette, Aller jener, die versanken, Die, die ich so gerne hätte: Ach, vermöcht ichs, dir zu danken! Helden wohl, nach dem Gebaren, Mann und Weib in Brunst verschlungen, Konnt ich nun berückt gewahren. Just ist Lust ins Weib gedrungen. Er, bedeckt von ihren Haaren, Schwand beinah vom Weib bezwungen: Manneswucht zu offenbaren, Ist er keuchend aufgesprungen! Sie ist mit emporgefahren: Keinem ist der Sieg gelungen. Tief verschmolzen, brunstbeklommen, Konnte niemand matt entschleichen, Zueinander zuckten, klommen Beide wonneschauergleichen Leiber, deren Lust erglommen. 133 Wieder hat sie seine reichen Lebenskräfte aufgenommen, Doch nun mußte sie erbleichen, Plötzlich war sie weißverschwommen: Dort ihr Fleisch schien zu erweichen. Noch! Sie hockten alle beide So verkrümmt, aus Brunstverlangen, Daß die Blicke, voll vom Leide Ihrer Lust, mich wild bezwangen. War ich beider Augenweide? Galt mein Schmerz und Schauderbangen Als der Ausdruck nur vom Neide, Weil sich Schemen hold umschlangen? Hell erblitzte ihr Geschmeide, Ihre Augen, ihre Spangen, Denn nun war sie weiß wie Kreide. Wieder hat ihr Leib empfangen. Dennoch wars, als ob er leide: Sprühend waren seine Wangen, Unerschöpft die Eingeweide: Sie doch blieb, von ihm umfangen, Ein Skelett im Schleierkleide: Ihre letzten Gluten drangen Wie durch leichte, bleiche Seide. Augen und Rubinenschlangen Glühten jetzt so schauertrunken: Alles, was ich um mich sah, Schien ein Streit von Wollustfunken, Ach, und ich erkannte da Jener Augen Glühn und Prunken: Meiner Toten war ich nah! Wie! sie winkte halbversunken? Gräßlich war nun, was geschah: Schon zersetzten dunkle Tunken Antonius und Kleopatra! 134 Wie bist du furchtbar hingeschwunden, Geliebte mein, Geliebte mein, Wie konntest du mich so verwunden, War deine Seele niemals rein? Nein, nein, sich so verrucht bekunden: Der Frevel geht mir nimmer ein! Als Buhlin jenem dort verbunden, Soll dies ein Neugierantrieb sein, Daß ich in grausen Marterstunden Dich nun verfolg mit Graun und Pein? Ist dies die Feindschaft der Geschlechter, Der ewge Amazonenkrieg? Schon seh ich Männerscharen, Fechter, Mit ewigvorbestimmtem Sieg! Dort ists! Als ob ein Troß bezechter Mänaden sich durchs Dunkel schmieg: Und schon durchzuckt mich Brunstgelächter, Das lang in meiner Seele schwieg. Auch träumt sich kaum was folgerechter, Als, daß schon eins beim andern lieg! Nun will das Weib den Mann bezwingen. Wie es bestrickend ihn umnetzt! Er muß die Weiblichkeit durchdringen. Ach, wie der Mann die Beute hetzt! Nein, beide wollen sich verschlingen! Der Haß wird langsam abgewetzt. Der Friede will auch hier gelingen: Es ist im Urlauf festgesetzt, Daß Ruheformen jung entspringen, Wo irgendwas das Maß verletzt. Die Schatten seh ich rings verschwinden. Nun taucht ein Jüngling strahlend auf. Mein Auge scheint fast zu erblinden, Als ob es Goldgeflock betrauf! Wie Knospen langsam sich entrinden, 135 Entschwillt nun Anmut jedem Knauf Der Sehnen, die sich herb verbinden, Und endlos ist ihr Fleischverlauf. Des Jünglings Namen will ich finden, Ich denke nach, wie ich ihn tauf: Antinous, nicht Bacchus heißt er Und wird als Ziel emporgeschnellt. Als Frucht entschwundener, entgleister Gestalten, die er rings zerschellt, Ist er versuchsgeburtumkreister Endzweck, der sich ins Menschtum stellt! Wird ein Geschlecht sein hehrer Meister? Erscheint die Zeit, da er verfällt Und andre junge Sonnengeister Befruchten, was sein Maß erhält? Leibhaftig sah ich ihn soeben! Die Einsicht hat ihn mir erhellt: Weltkräfte, die uns Knorpeln geben, Die Weiblichkeit, die Busen schwellt, Die haben sich als Formbestreben Zusammen hier als Leib gesellt. Von Milch der Weiblichkeit umgeben, Von Mädchenanmut zart umwellt, Seh ich den Jüngling keusch erbeben: Um den Epheben ringt die Welt! Tod, du menschlicher Gedanke, Sag, wann wirst du ausgewischt? Was nicht harren kann, das Kranke, Wann wirds plastisch aufgefrischt? Werden uns nach wildem Zanke, Wenn die Rachsucht einst verzischt, Feste Bissen mit dem Tranke Selger Räusche aufgetischt? Noch erzwingt sich keine Schranke, Bis der Aufruhr nicht erlischt! 136 Hier in diesem Herd der Gärung Seh ich Bilder wild vermengt: Sklaven, ohne Rast und Zehrung, Werden rasch zurückgedrängt. Wer nichts suchte als Belehrung, Wurde nutzlos angestrengt. Wünschte jemand gar Bekehrung, Weil ihn Todesfurcht bedrängt, Hat er Urteil, Gott, Entbehrung Selber über sich verhängt! Zwischen rundverzweigten Schienen Ist der Tod ein Sektorschnitt, Durchgefurcht durch Brunstlawinen, Voll bewegtem Lebenskitt. Hier kann nur Erfahrung dienen, Sonst hält der Verstand nicht Schritt! Unter Fratzen, wilden Mienen, Geht der Tod mit Würde mit, Doch er ist als Bild erschienen: Platon ists, der ihn vertritt! Unfügbar ins Wechselganze Bleibt das feste Ideal, Drum gehts auch im Totentanze Weiter ein für allemal. Tod, zu unserm Lebensglanze Bist du selbst der tiefste Strahl: Larven auch, zum Mummenschanze, Schenkst du uns, zur eignen Wahl: Gott und Mensch und Tier und Pflanze Streben aus der Scheidungsqual! 137 |
Aus dem Schäumen des Gesagten und den Rhythmen, die mich trugen, Aus den Wogen des Gewagten, die mich leidenschaftlich schlugen, Zog mich Halberschöpften plötzlich Ra empor, mit starkem Arm: »Fühl dich fest und ursprungssicher, dieses Land ist lebenswarm! Kannst du völlig uns begreifen, schwindet bald dein wilder Harm. Lös dich los von jenem schwanken, rast- und zweckelosen Schwarm: Gierig sind die Schemen alle, aber schrecklich beutearm. Komm, mein Sonnenkind, und walle tiefberuhigt durch die Halle, Fürchte nichts vom Widerhalle, folge mir: vor jedem Falle Wahrt dich meine Götternähe!« Also ward zu mir gesprochen, Und ich fühlte dann: ich stehe wirklich fest mit Fleisch und Knochen. Endlich wußt ich auch: ich sehe, denn der Tag war angebrochen, Und es hatten Nacht und Wehe tief in Winkeln sich verkrochen. Und ich flehte: »Nun vergehe, meines Herzens graues Pochen!« »Sieh die große Tempelhalle mit den hehren Königsbildern, Keine Zunge ist imstande, ihre Herrlichkeit zu schildern, Kein Gedanke, keine Sehnsucht ihren Schreckensernst zu mildern, Faß dich drum, du wirst erfahren, was gestaltbelebend wirkt: Freue dich, du wirst gewahren, daß kein Rätsel sich verbirgt. 138 Höre rasch auf mein Geheiß: hier im Heiligsten zu Sais Dreh dich rings herum im Kreis, nirgends steht ein Gottbeweis. Jenes Bild ist eine Sage: Antwort gibt auf jede Frage, Hilfe doch bei keiner Klage, das Bewußtsein, das ich trage!« Also ward ich angeredet, dann gab Ra mir die Erklärung: |
»Den Urkern aller Selbstverzehrung, Den Quellgrund eigner Lichtgewährung, Den Weltzwang unsrer Lebensnährung, Die kennst du, durch dein Grübeln, alle längst, So daß du mich durch Einsicht vorwärts drängst. Nur was dem Geiste nach ägyptisch, Doch für das Volk hier unerfaßbar, Daß aller Urgrund ruhelliptisch, Dies sag ich dir nun leiblos, – haßbar. Der Laut durchbraust uns als der hellste, Wo er am zartesten entschwellt: Das Licht erscheint uns als das grellste, Wo es verzitternd fast sich wellt: Denn mächtger als ihr Ruhestreben Hat da ihr Ursprung sich entschnellt: Verschlängelt muß sich drum erheben, Was ruheflüchtig sich erhält! Der Mensch, durch Sonnenzwang erhoben, Verkrümmt sich bald zur Niederkehr, Doch da ihn Gluten wild durchtoben, So streift und streckt er sich noch mehr. Der Affe ist einst aufgeschossen, Nach andern hast dus selbst erschaut, Bis spät in seinen graden Sprossen Sich Erdwucht üppig angestaut. Ein Neugeschlecht ist vorgeschritten. Sein Lichtgang, erdbewußt und fest, 139 Hat mit dem Lichttrieb hold gestritten, Der sich ein Seelchen fast entpreßt. Das Faultier, das herabgefallen, Erstrebte den Ellipsenschluß, Doch sonnwärts muß Belebtes wallen, Drum war das auch kein Dauerguß. Nun will der Mensch sich frei erheben Und schwingt sich kühn der Seele nach, Wenn beide sich einst jung verweben, Schwebt vor, was sich die Flügel brach! So schlängelt ihr euch hin zum Lichte! Verkrümmt bleibt drum der Höhenlauf: Durch stille Kult- und Selbstverzichte Gebt ihr das Überwundne auf. Der Sphinxe kühnes Haupterheben Entsteht elliptisch-schön im Leib Und zeigt, wie Formen sich beleben: Aus Drang zum Licht, wie zum Verbleib! Zum Manne klimmt die Weibesseele Und sträubt sich vor dem Leibverein, Es scheint, daß sie der Antrieb quäle: Sie bildet sich zu gerne ein! Doch habt ihr sie einst fortgerissen, So gibt sie Scham und Glauben auf, Wird gerne Lustversprechen missen Und willigt in den Daseinskauf. Man kanns im kleinen schon erleben, Du selbst bist da kein Sonderling, Du scheinst zu stark am Weib zu kleben, Als daß dein Geist sein Werk vollbring! Zwar ist die Schwäche stark geschwunden, Du hast dich Toten nachgeschnellt, Du hast sie – ehrlich! – nicht gefunden, Doch du entdecktest diese Welt. So laß denn gehn, was längst zersplittert, 140 Doch nimmermehr vor dir erscheint: Du hast als Bock herumgewittert, Doch war der Anlauf gut gemeint. Die Tote müßtest du vergessen: Sie war zu nichtig und zu klein Für dich, der sich so hoch vermessen!« Da aber fiel ich plötzlich ein: »Du, Ra, bist wahrlich unermeßlich, Grad ragt dein Geist zur Sonne auf, Doch etwas bleibt mir fremd und gräßlich, Daß Wehmut nie dein Herz betrauf, Du bist fürs Weib ganz unberührbar, Uranisch bist du, nichts als Mann! Der Lichtweg ist in dir durchführbar, Und geistig wirkt, was dumpf begann; Doch sag, wo ist das Weib geblieben? Denn ihre Fährten such ich nun. Du sprachst, die mußten sich verschieben. Nein, nein, wo ist der Toten Spur, Wo ist, was sich beinah vom Leibe Der Mannellipse einst getrennt? Du sagst, wir sind nicht weit vom Weibe, Ich glaub, man hats, wo man es nennt!« »Fürwahr, du bist nicht leicht zu bessern, So stürm ihr nach, wenn dus vermagst, Wenn du in blassen Sumpfgewässern Die Taube ohne Pfeil erjagst. Doch hehrer wärs, beim dumpfen Waten, Wo du nichts Flügges haschen kannst, Du läßt den Seelenwurf geraten, Indem du dich zum Flug ermannst! In Geistellipsen aufzuspüren, Ist schrecklich schwer, doch wonnehell: Es gibt das grellste Lusterglühen, Erfahrs aus deinem Strahlenquell!« 141 So hatte Ra zu mir gesprochen, Und wieder flammte jedes Wort: »Es schlängelt, ewig ungebrochen, Das Leben sich zur Sonne fort: Es sucht im Grund die runde Ruhe, Doch lichtwärts führts sein Sonnenzwang. Daß sich das Muß nicht schlaff vertue, Sorgt stets der Sonnenmutterstrang; Denn nie verrunzeln Nachtplaneten, Von ihrem Urlicht ganz getrennt: Sie bleiben, in empfundnen Nähten, So lang das Heben dumpf verbrennt, Mit ihrem Mutterstern verbunden: Und wenn sich Sonnenhöh erkennt, Wird sich das Muß als Macht bekunden, Indem es Zwänge Schöpfer nennt! Ein Kind hat Freuden und Gedanken Der Mutter immer zugewandt, Und seine ersten Schritte schwanken Zur hilfbereiten Menschenhand. So kommts, daß sich der Erdenkinder Urstamm dem Kult der Sonne weih, Dann kommen schlaue Gotterfinder Und fühlen sich, begeistert, frei!« »Ein freier Gott ist Menschenfreiheit!« So jauchzt ich in die Rede ein: »Und das Gelingen zeigt die Dreiheit, In der es stets in uns erscheint. Was du mir zeigst, ist ra-mechanisch, Es ist das Uhrwerk nur von Gott, Doch was ich fühl, ist überpanisch: Erst jetzt wird mein Beginnen flott! Nicht nur der Mutter urverbunden Scheint mir ein Mensch, der wirkt und liebt, Er hat in langen Schauerstunden 142 In sich versenkt, was nie zerstiebt: Was Raum, was Zeit, wir sind erwachsen! Ich fühle, was mein eigen war: Wann kreuzen sich die Lebensachsen? Was schimmert dort auf dem Altar?« »Dir werde, was du kannst erzwingen! Vermagst dus, sprenge jedes Tor, Der Lichtwucht wird noch viel gelingen!« Sprach Ra; »doch höre mich zuvor: Wohl schwingt sich fort, was du vollbrachtest Doch krümmst du selbst dich bald zurück: Seitdem du ichbewußt erwachtest, Verglühte ein Ellipsenstück. Das Beste, was du hier vollbrachtest, Lebt fort: es war dein größtes Glück; Nun gilts, daß du dich selbst betrachtest Und sich dein Urlauf niederbück! Dein zweiter Brennpunkt wird erscheinen, Den du in dir fürs Menschtum siehst. Es schafft dein Wollen ihn, dein Meinen, Vom Standpunkt, dem du nie entfliehst. Bald brennt in deinem Busen Theben, Weils viel zu viele Gluten barg. Der andre Brand in deinem Leben Der Stadt, die siebenhügelstark, Ist längst verglommen und vorüber: Du hast ihn unbewußt entflammt, Denn damals war dein Wesen trüber Und hat halb ahnungslos verdammt! Doch hör, es strahlt beim Brand von Theben Der Sonnenkult mit Macht empor, Und es versagt sein Glanzbestreben In Rom, wo er die Schlacht verlor! Vernimm vom Strahl der andern Schlange, Die langsam aus der Erde reift, 143 Die zündend, oft im Überschwange, Die große Brunstspirale streift. Sie strebt viel grader und viel greller, Mit gleicher Schnelligkeit, zum Licht: Der Erdenkern, ihr Machtentschneller, Bewirkt, daß sie den Tod durchbricht. Sie weht in uns gar sonnenähnlich, Sie macht uns frei und mild und gut: Und bleibt die Sonne stets ersehnlich, So liebe auch die innre Glut, Die Flamme, die vom tiefsten Kerne Der Erde durch die Menschheit steigt: Sie freue dich, habe sie gerne, Wo sie im Nächsten sich verzweigt! Die Erde streift den Schwang der Seelen Beim Sonnumkreisen ewig ab: Nach Rhythmen, die sich da entschälen, Ists, als ob Chaos gierig schnapp! Die meisten sind für uns verloren, Nur wenge werden festgeschweißt Und leiblich angepackt, geboren, Weil sie die Erde niederreißt, Die, ihre Achse rasch umschwingend, Noch Abgewetztes stark ergreift Und, unsre Flucht mit Wucht bezwingend, Uns leiblich wieder niederschleift. Von zwei Bewegungen erschaffen, Wo sich zwei Richtungen erraffen, Kommt auch ein Wesen nur zur Welt, Das die Geschlechtlichkeit erhält! Du siehst auch die Natur auf Erden, Wie sie den Samen voll verpraßt, Wie selten nur die Wesen werden, Weil ihre Keimlust Kraft erfaßt. Doch fruchtlos scheint mir keine Liebe, 144 Denn Seele ist sie selber nur; Und glaubt man auch, ihr Rausch zerstiebe, So läßt sie dennoch eine Spur. Und was dem Ball, im All, entwuchtet, Ist andrer Welten Keimgewalt, Und was im Dasein nichts befruchtet, Wird herrlich noch zu Glut geballt. Und um die Pole glüht der Same, Den unsre Erde üppig streut, Ein Wink, daß nie die Macht erlahme, Die Wechselordnung sich gebeut!« Da fiel ich ein mit sanfter Stimme: »Jetzt fühl ich wohl, daß ich nun bald Die Höhe eines Seins erklimme, Da jeder Laut mich hold umhallt. Ich bin befreit von jedem Grimme. Ich habe selbst mich in Gewalt. Mir ists, als ob das Leid verschwimme, Ich fühl mich leicht und glutdurchwallt!« »Du weißt, was heute sich begegnet,« Hat Ra nun freundlich eingestimmt, »Was flammenhändig alles segnet Und um die Pole kalt erglimmt: Doch ohne Schreck ists nicht entstanden! Du weißt: der Erde Kernglut kreißt, Stets rüttelnd an den starren Banden, Womit der Rundball sie umschweißt, Da zum elliptischen Beharren Sie selbst ihr Flammenwesen weist: Doch Lavakrusten, die erstarren, Der Kugelschädel, der vereist, Will selbst die Achsendrehung ändern, Wenn eine Wechselkraft erkreist: Es trachtet stets nach gleichen Rändern, Was Starrsinn in die Ruhe reißt! 145 So dient die Kugel sich zum Schutze Vor kosmischer Zersetzungswut, Die Achse ändert sie zum Trutze, Denn ihr ist Gleichheit ewge Hut! Doch stört sie stets ein aufgeblähter, Schnell schwingender Äquatorreif: Denn innre Glut, verwandt dem Äther, Wirkt urelliptisch, ruhereif. Das Mittelding von Fels und Helle Umkämpft den alten Achsenstand Und sprengte oft, als Wechselschnelle, Die innre starre Kugelwand. Doch jetzt ist dieser Ball gegossen. Der Makrokosmos schrumpfte ein. Urfremdes hat sich angeschlossen Und schafft das Leben im Verein!« . . . . . . . . . . . . . . . . |
»Das mystische Suchen, das Mythenverbuchen, Der Pakt der Eunuchen, die Kraft zu verfluchen, Die Inbrunst beim Beten, das Wunschkrautentjäten, Das Werk der Asketen, die Sehnsuchtsraketen Verflachen am Ende: du stehst an der Wende, Empfange die Spende verschwendender Brände!« So hörte ich plötzlich die Stimme von Ra. Nun war es ergötzlich, was vor mir geschah. Ich fiel in die Rede des Herren des Lichtes: »Am Ende der Fehde, des Eigenverzichtes, Wo bald die Ellipse des Übergewichtes Den Leib sich erschwingt, der den Aufschwung vollbringt, Den Formguß erringt, der selbstherrlich erklingt, Durchbraust mich und winkt mir, was traumhaft gelingt! Wo nichts als die Nacht den Altar mir enthüllte Und flimmernde Pracht sich dann langsam verknüllte, 146 Da seh ich nun Schleier ein Bildnis umwallen, Es öffnet ein Weib seine goldenen Schnallen, Nun werden die Hüllen den Hüften entfallen!« Jetzt hör ich mich selber, mein Rufen erschallen, Mein eigener Name erbebt in den Hallen, Schon sind Leib und Leib ineinandergefallen Und fühlen an Liebe, am Dasein Gefallen! Mein Weib ist mir wieder in Wonne gegeben, Ich hab es errungen, ich hab es erkämpft: Jetzt will ich nur leben, berauschend erbeben, Kein Glück sei verschwiegen, kein Schaudern gedämpft! »Du hast deine Höhe im Dasein erklommen, Du bist an dein Lichtziel, als Wesen, gekommen, Nun mußt du dich eigenselbst immermehr neigen, Zurück in sich selbst wird dein Tun sich verzweigen: Hat einst sich die Leidenschaft völlig empfunden, So darf auch die Lichtbrunst verstumpfen und schweigen!« Dies konnte mir Ra noch, verdunkelnd, bekunden, Dann ist mir der Nume für immer entschwunden. »Das sind deiner Augen hinsterbende Blicke, Glückwerbende Funken im dunkeln Geschicke, Das ist deines Mundes lustseliges Lachen, Wenn Freuden und Gluten der Wangen erwachen Und morgenzart Träume des Glückes entzünden Und Wolken der sonnigsten Wonne verkünden. Du schäumende Seele, du träumende See, Dein fruchtbares Fluten, dein dunkelndes Weh, Dein weichliches Wogen und furchtbares Grollen, Dein weibliches Wähnen und funkelndes Wollen Entschwellen dem Busen, gebären den Lenz, Mit dem ich Gestalten und Tempel bekränz: Du bist meine Kraft, du mein selger Genuß, Ein Sommer erglüht jedem brennenden Kuß!« »Und du meiner Träume kometvolle Nacht,« So flüstert das Weib, fast unhörbar und sacht, 147 »Du birgst meiner Sehnsucht grellzwinkernde Zwecke, Drum weck ich der Sterne unendliche Decke, Die Lust und Begehren beharrlich umblaut Und tief aus der Seele den Frieden erschaut!« »Es glühn die Gefühle, die goldenen Schwäne, Die Löwen des Himmels mit schweifender Mähne, Empor in die Nacht, die um uns sich verschluchtet, Da jedes Erzittern ein Weltbild befruchtet!« Dies jüngste Empfinden versenkt ich, bis tief, Wo traumlos die Seele des Weibes noch schlief. Dann rief sie: »Dein Wirken ist Fiebern und Wittern, Dein Rhythmenempfinden ist Liebeserzittern, Und was du erfaßt, das begreifst du mit Lust, Du fühlst, was du herrlich beseligen mußt. Es schmerzt dich, du herzt es, und rhythmisch durchpulst, Entmerzt das Gebild sich dumpfschwelendem Schwulst!« »Ich lieb dich, dein Wittern, du wirst zur Gestalt, Zum Blut, das berauschend die Glieder durchwallt!« Dies hab ich gerufen, gestammelt, gelallt, Dann sagt ich ihr stiller, voll Freudengewalt: »Du Lust, du Bewußtsein, du Lustwut und Hunger, Es ist, ob ein Brunsthund dich unstet umlunger, Doch du nur bist wahrhaft, als scheinloses Spiel, Dein Dasein ist Wirkung, ist Anfang und Ziel. Die Erde ist erst mit den Menschen entstanden, Die Geister beherbergend Urlust empfanden. Nur Aberwitz zählt nach der Sonnenumkreisung, Denn tot sind Äonen der Weltenentgleisung: Unzählbar Epochen sonnüppiger Speisung Stumpf niedriger Kriecher, die widrig zerstieben: Uns sind nur Impulse von allem geblieben! Ein Krieg ist ein Brunstwolf, ein Weltjahr Lichtfiebern, Und liebender Menschen erzitternde Fibern, Erzuckende Nerven empfinden der Welten 148 Entstehn und Vergehn, denn dumpfbrunststumpf zerschellten Die Kegel und Gipfel, wo Menschenerkenntnis, Ermessend nur, Anläufe annimmt und Endnis! Ich liebe, ich herze, ich halt dich umschlungen, Nun werd ich vom tiefsten Ereignis durchdrungen: Aus unsrer Umarmung entsteht eine Welt, Durch jedes Gefühl wird ein Lustlicht geschwellt! Wir zittern erzuckend: Jahrhunderte, dringt Empor aus dem Chaos, entsprüht uns, entspringt. – Wir leben: – Jahrtausende, sterbt und versinkt!« 149 |
Lotos
Ich liege im Kahne und fahre nach Theben Und sinne, wie Seelen sich sorglos verweben, Es träumt und es lächelt ein Mädchen daneben, Sie schläft nun, da Winde sich kühlend erheben. ie schwellenden Segel entschleichen der Stille. Die Mystik der Stille scheint Träume zu wecken: Kann leise der fiebernde Lotos erwachen. Der Nil überschwemmt bald mit Schlamm alle Saaten. Du Mädchen im Kahne, du kindliche Seele, Und Küsse auf Küsse entblühen dem Munde: Du Kind, überreich noch an Lust und Begehren, Schon staut sich das Dunkel ringsum zu Ruinen! Die Sterne zerflackern in rauchroten Gassen, |
Theben ist eben dem Leben ergeben! Wohl hör ich sein Brausen, doch fehlt mir das Auge, Mich vollauf mit all seinem Rausch zu verweben. Ein Traum, der mich würgt, dem ich Sphinxmilch entsauge, Doch die brodelt weiter, dickqualmig, albträchtig: Und was einst geschah, schien mir leibhaft ergötzlich: Der Herrscher Ägyptens berief, um in Menschen zu prassen! Wohl sollte der Nahenden Zahl durch das Rascheln bereits überraschen. So staute sich Anzahl auf Anzahl, daß nimmer der Volksanprall raste. Entferntere kamen von weit, herwandernd zum heiligen Ziele, Wohl hatten die Wandrer im Nile beim Nahen ein ernstes Gehaben, Da wurden auch Wasser und Schaum zu Schemen von Menschen und Rossen: Lang folgten sich Troß über Troß, für Ammon, die Gottheit, zu eifern! Gleich stürzten die Bestien sich wild, voll Grimm, auf die frommen Genossen: Und immer noch wälzte der Nil die Massen gewaltig und träge Dann plötzlich enttauchten der Nacht, dem Dunkel, die Staatselefanten; Dann reichte der König voll Huld dem Kanzler des Festraumes Schlüssel. |
Wohl freit ich ein Kind, Urjung wie die Nacht, Bevor sie erwacht Und des Tags sich besinnt. 153 »Sei heut meine Braut!« Sie blickte mich an, Sie folgte mir treu, |
Es sangen Gespielinnen lieblich beim Reigen: »Ergib dich, du herrlichste Freundin und Schwester, Bezaubre den Fremdling und sei ihm zu eigen, Daß nie seine Zunge Niltöchter verläster! Dein Wesen umschmiege den Stolz seiner Seele, Wir Mädchen zerknicken, vom Manne gebrochen, Wir ähneln Agaven, die wuchern und wuchten, Der Aloë gleicht unser traumhaftes Wesen: Es gleicht unsre Liebe der Luftlust am Dufte, |
»Wie die Blume nach der Blüte, Sehnt die Jungfrau sich nach Liebe; Wacht, daß sie ein Glück behüte, Das dann rasch als Lust zerstiebe! Jüngling, hör, ich bin die Blume, Jüngling, glaubs, ich bin dein eigen: Komm, o komm, mit raschen Schritten, Trag mich, über Marmorstufen, |
»Mondlicht weckt die Zauberstille, Priesterin im Heiligtume, Das ein frommer Weltenwille bildet ohne Tun und Lärmen: Schweigsam, schuldlos, jungverwundert blüht am Nil die Lotosblume, Und sie fühlt ihr zartes Träumen sacht zur Sternennacht entschwärmen. Jungfrau, laß, wenn Freudenschäume perlend deinen Leib erwärmen, Jungfrau, hell wie eine Woge, wie der Ton der schlanken Vasen, Streu die Perlen, streu sie schimmernd auf das Lager, über Kissen, |
Brust an Brust in Lust versunken, Halt ich dich mit warmem Arm: Meiner Glücksgefühle trunken, Schenk mir deinen Fieberschwarm. Denn der Seele Wollustfunken Deine Träume mag ich haben. Schrecklich muß ich mich beglücken: Sternennächte, groß im Raume, Kannst nur du, mein Weib, mir schenken! Dichte Augenzwinkerhaufen, Sterne, Sterne sprüht die Seele: Ziellos ziehn die Sternenwelten, Sterne, Sterne will ich haben: Nein, du spendest unermüdlich! Wüte nicht, ich kanns nicht fassen! Was ich kann, muß ich entpressen, Dies sind meine Schicksal-Leuchten, Ha, nun hab ich mein Geheimnis! |
Es schweigt der Silbersichelsee. Drin blitzt das Licht der Himmelsbilder. Nur Krieger flüstern in der Näh: Im Mondlicht blinken ihre Schilder. Sie spielen wohl die ganze Nacht. Die Erde, die zum Himmel gähnt, Sie peitscht die Opfer rings herbei: Als Werkzeug dient ein Riesenpflug, Der Pharao, im Festsaal, läßt Die ganze Hand wird abgehackt, Im Saale wird nun aufgetischt, Erschrocken fahren andre auf Ringsum, im Festraum hingestreckt, Geschultert werden Bein und Arm, |
Mir träumte nun, uns allen träumte, Daß, was da zuckte, vorwärtsglitt Und so die Welt zusammenräumte, Denn jeder Abfall hupfte mit! Das Blut, das noch aus Schrammen schäumte, Ward abermals zum Daseinskitt: Was krampfhaft sich zusammenbäumte, Verschrumpfte rasch beim Übertritt Zum Jungwurf, der sich kraus umsäumte, Denn kleinlich war der neue Schnitt. Was Menschen stündlich wüst verwuchern, Des Kloben schwammige Substanzen, »Zwerg, Wirbelknirps,« rief ich, »belustig Falls alle schwarzen Larven fallen, Statt Masken, dunklen Spukhalunken Mein Sinken mocht ich nur vermuten, Schon tauchten ihre schwarzen Flechten Kaum war das Weib ans Land geschwommen, Des magern Weibes starre Glieder Zu Muskeln wurden Marterknuten: Die Seele fing an aufzuwachen. Scheingreise grinsten rings im Kreise, Die Schaulust-Unken, Lasterkröten, Quoll hoch empor in Weibeswangen! Tief ein ins fremde Weibeswesen. Es mochte nun zum Wasser langen, Zuerst erstarrten Hand und Sohle. Lauter winzge Silberwische Waren das die Brunstgedanken? Eine Lotosblume ragte Denn der Blüte blasse Blätter Ein erzuckendes Empfinden, Welturanisch, unerklärlich In den letzten Brunstgewittern, Nächtlich keimen und entrollen Ohne leiblos auszurasten, |
»Barbaren!« war der Warnungsruf, »Die Feinde!« der Verzweiflungsschrei, Dann traf mich schon ein Pferdehuf, Und rings begann die Metzelei! Nun bin ich wach und seh genau: Ein feindlicher Volksstamm, mit Rossen und Wagen, Durchplündert und brandschatzt den Usgau, Da kommt er mit Pferden, auf Menschen zu jagen: Die Hyksos erscheinen, Ägypten zu plagen! Sie fahren im Karren, zertrümmern, zerschlagen, Was faßbar sich aufreckt und auftürmt, Wo Reiter und Roß wild dahinstürmt. Hier schnalzen die Hyksos, hier wiehern die Rosse! Dort blinken die Lanzen, schon schwirren Geschosse! Jetzt pfeifen die Lenker, hier grinsen die Weiber! Gewimmer entschnarrt einem rauchenden Haufen Verreckender Menschen, verzuckender Leiber, 169 Die röchelnd sich bäumen, – zuletzt noch zu raufen! Bewußtlose Menschen empfinden die Hiebe Der Hufe, verscheidend, beinahe als Lust: Zerquetscht durch die Räder im Karrengetriebe, Verschnarcht mancher Rumpf mit zerschlagener Brust. Nun rasen die Wagen bergauf über Leichen: Da macht erst der Ansturm die Insassen munter, Doch weiche Kadaver belasten die Speichen, Drum stürzt Roß auf Roß katarakthaft herunter: Ein irdisches Fiebern durchschüttelt Ägypten! Ein Lichtbraus, der hurtige Hyksos beflügelt, Durchschauert das Land, wo die Bauern versippten Und menschlicher Starrsinn ein Hiersein erklügelt. Die Lichtwucht will liebreich Erdkinder durchdringen, Doch kann Mann an Mann nur im Kampfdrang heran: Wo nötig, gelingt es dem Mann, durch das Ringen Zu fassen, was haßvoll ihm zustürmt im Mann! Drum wälzt sich ein Wüstengetümmel herüber, Sein wildes Gewimmel verirrt sich zum Nil: Nie färbte der Flutschlamm die Flußwässer trüber, Als da die Sahara das Tal überfiel! Ein rasender Reitertroß würgt und verstümmelt, Mit Wagen und Waffen, was rastete, praßte; Ich selbst habe nackt unter Nackten gelümmelt, Bis Angst mich vor kalten Kadavern erfaßte. – Ein Roß überstürzt sich, jetzt muß ich ersticken! Es wiehert, ich beiß ihm mit Lust in die Nüstern, Nun wirds mich erdrücken, ich fühl mich zerknicken, Doch hört mein Bewußtsein noch weltwirres Flüstern. Ich blute bestimmt, bin verwundet, zerschunden, Gewahre im Mondlichte Rümpfe und Fratzen: Ich schleiche durch Leichen, mit triefenden Wunden, Um gierig das Fleisch von den Schädeln zu kratzen. Nun packt mich ein Grauen, verkrampft mich in Mähnen: Ein Pferd, das verreckte, versteckt meine Glieder, 170 Denn überall lecken und schnuppern Hyänen: Nie ward mir ein Albdruck so schrecklich zuwider! Es dürften am Schlachtfeld wohl Tausende weilen, Ich merk es am Lecken und hörbaren Trinken, Drum such ich zum Schutze nach Lanzen und Pfeilen, Die müssen im Mondlichte irgendwo blinken. Und immer noch rasen Sahara-Barbaren, Wie Schatten des Wahnes, empor aus der Nacht: Wer kann ihre Wagen am Schlachtfeld gewahren, Da nirgends ein Tempel uns steil überdacht? Vermag die Sahara das Tal zu verscharren? Versandet das Land und zerfallen die Hallen? Ja! Scharen von Hyksos, auf Rossen, im Karren, Entfahren der Ferne, sich hier einzustallen. Sie jagen durch Tempel und Tempelruinen: Da wenden sich ihnen rings Menschen entgegen; Vom sterbenden Mondscheine gelblich beschienen, Beginnen sich etliche Gegner zu regen. Verwesendes Theben, entstehn dir jetzt Helden? Vermag denn die Schlachtenwucht Mut zu gebären? Beginnt sich die Schmerzbrunst Geschlagner zu melden? Die Wurmlust der Ohnmacht sich stumpf zu verzehren? Was Ehren, was Trotz, was Gefasel von Taten, Zum Schluß hilft die Geilheit beim mutvollen Sterben! Mag plötzlich den Feigling Beherztheit beraten? Ich seh ihn, verderbend, um Lustjucken werben, Drum greif ich zum Scheine nach Pfeilen und Lanze Und hoffe, nun wird mich der Tod nicht verschonen! Dem Feind winkt der Speer mit erbebendem Glanze, Der Opfertod möge mein Großtun belohnen! Komm, Hyksos, erfreu dich beim Stechen und Schnüren, Ich trachte, dir katzenhaft-fahl zu entweichen, Dann kann ich mein nahendes Ende verspüren Und langsam erkalten wie andere Leichen. Verzagtheit und Keuschheit, ihr, Ehrfurcht und Grauen, 171 Stets habt ihr mir Tatkraft und Werblust versauert, Nun laßt euch, als Ohnmachtsgauch kauernd, durchschauen: So seid noch mein Lustwurm, von Abscheu durchschauert! Erblickt mich der Krieger, der einsam dort reitet? Ach, käm er herüber, ich wags nicht zu winken. Wie werd ich gering, wenn der Angstkrampf sich weitet, Bald muß ich in schrecklicher Schmerzlust versinken! Unheimliches Kommen, angstschwangerstes Nahen, Ich kann dich erwartungsstumpf, einsam ertragen. Mir ist es, als ob wir uns kannten und sahen, Nun komm, Mann, mich Wehrlosen roh zu erschlagen! – Halb Unding, halb menschlich empfundener Schatten, So springt jener Klotzgnom vom zottigen Rosse: Ach, bald kann ich schlaf-schlaff erblassen, ermatten, Wie groß wird doch plötzlich mein Schlußlustgenosse! Mein Henker, mein Richter, ergötz dich beim Köpfen, Die Freude wirft ewig qual-lüsterne Schatten: Nur du magst das größte Glück, tötend, erschöpfen; Da bist du, nun geht die Vernichtung vonstatten! Ich fühl alles Zagen, voll Wollust, verrunzeln, Jetzt kann ich die ganze Verachtung ertragen: Nun seh ich den Henker, ganz blitzrasch, geil schmunzeln Und lüstern, als Jüngling, mich kühn überragen! Sind Kopf jetzt und Wesen gefällt und zerspalten? Mir ist es, als sauste der Henker selbst nieder: Fast wach ich, verkrampft unter Schattengewalten: Und Dunkel und Ruhe belasten die Glieder. Ein Sturmbraus durchwuchtet mein schluchtiges Wesen, Mein Henker ist selbst in mein Innres gefahren, Nur so kann die Seele der Schmachlust genesen: Ich reiß mich empor, um mich selbst zu gewahren! Da kommen die Hyksos, von Raublust gepeinigt! O könnt ich ein Pferd ohne Reiter erspähn, O wär meine Seele von Feigheit gereinigt: 172 Ich würde nicht Raub und nicht Totschlag verschmähn! Jetzt schnell ich empor, um ein Roß zu erfassen, Schon schnüre ich Nüstern und würg einen Reiter: Ich schlag ihn zu Boden; ich seh ihn erblassen, – Ich saus auf den Gaul, und nun brausen wir weiter. Das war jetzt ein angstfreier, klarer Gedanke! Ihr eigenstes Glück hat sich Kühnheit errungen, Nun fall ich dem Feinde, zu Pferd, in die Flanke Und streite als Reiter: mein Streich ist gelungen! Jetzt hetz ich mein Pferd ins Gemetzel von Schlemmern. Bewußtlose Menschen zertritts mit den Hufen, Und Halbtoter Schläfen beginnen zu hämmern, Und wollusttoll hör ich Verendende rufen! Verächzen, Gestöhne, den Schrei der Hyäne Vernehm ich beim Ritt über Rümpfe und Stummeln: Es ist, als ob Erbschmerz der Dumpfheit entgähne; Nun will ich, zu Roß, auf dem Schlachtfelde tummeln! Hier bin ich der Meister, der Held und der Sieger, Ich kann dich, Sahara-Nacht, qualbar, verachten: Ich bin kein Verreckender, bin auch kein Tiger, Ich bin das Ereignis nach brunstwuchtgen Schlachten! Ich werde der Lebensrausch krampfstarrer Reste: Geschwellt von der Sprudelbrunst sterbender Welten, Erhält sich der Geist, als urewige Feste, Die leidlos empfängt, was die Sinne vergelten! – Gedanken, als klare, kristallkalte Drachen, Ereignen sich tief, ich durchschau sie mit Muße! Sie flattern wie Banner. Allflammen erwachen. Und leibhafte Sieger tun schmerzverkrampft Buße. Sahara, du hast deine Rasse geboren! Schon schwängern die Schatten der Toten die Leiber: Im Weib wird der Feindesschleim fertig gegoren: Der Hyksossohn sei einst der Hyksosvertreiber! Im Weibesleib treffen sich feindliche Rassen, Dort keimen dumpf, unerfüllt, männliche Seelen: 173 Im Weib kann die Eigenheit jung sich erfassen, Aus breiter Eintönigkeit Formen entschälen. Die Frau ist das Traumesgraun schlummernder Lenze, Die Ahnung, den Urbrunstdurst selbstlos zu schöpfen, Die Nacht aller Möglichkeit, weit ohne Grenze, Das Staunen vor Höhen ergrübelnden Köpfen! Den Mann hat die Ra-Gewalt sonnhoch erhoben: Der Drang und das tiefste Ding bleiben das gleiche, Doch schufen die Sinne, die lustbunt vertoben, Den Trieb, der die Einsicht im Eignen erreiche! – Die Kette der Liebe ist nirgends zerrissen: Zwar hat die Sahara uns zahllos gespalten, Doch knotet das Weib die verschiednen Gewissen, Und drum wurden Wesen geschlechtlich erhalten. Der Urgrund der Seele ist wesensuranisch Und soll sich, verkörpert, geschlechtlich empfinden: Oft opfert der Sonnkern sich heldisch, titanisch, Daß alles, was Weib wird, tiefinnen verschwinde. So faß ich ra-tapfer Sahara-Gedanken: Kein Weib kann das Weib meines Wesens erwecken, Die Reinheit des Einblicks gebiert ihre Schranken, Und schrecklos läßt Klarheit in mir sich erstrecken. Ihr zwinkert, ihr Sterne, auch ihr seid nur Sünder! Ists Licht auch naiv, das ihr selbstwesend spendet, So seid ihr Entzünder des Lebens auch Gründer Verdunkelnder Schollen, wo Wollen verendet. Ihr weckt die Planeten, die selbst sich verdichten, Die furchtlos vom Tag in die Dunkelheit tollen, Die Finsternis lieben, verschließen, verkneten Und, ewig vertrieben, enttollen, verrollen! Heut gleicht euch mein Geist, an Gewalt und an Würde: Er selbst ist ein Stern und ein Tag aller Klarheit; Er ruht und erträgt seine kosmische Bürde, Sein Wesen, ein Ganzes, ist sonnhohe Wahrheit. Er strahlt aus sich selbst, wenn die Erde verdunkelt, 174 Er kennt seine Macht, wie einst Simson die Kräfte: Dich, Tempel der Welt, der als Raum mich umfunkelt, Verklammert mein Urgrund jetzt blindlings, wie Schäfte. Versänk ich und wollt ich das Sein überwinden, So würdet ihr, zitternde Sterne, zertrümmert, Ihr müßtet im finstersten Nichts mitverschwinden: Das All wäre leer, um sich selbst unbekümmert! 175 |
Ra
O Sonne, dein Wesen ist ewiges Siegen! Dein Wollen ist Licht, deine mystischen Flügel Erstrahlende Wärme: dein Siegen ist Fliegen, Und hoch überblickst du die Täler und Hügel. Dein Anblick ist herrlich, erscheinende Scheibe, Fast atemlos starr ich dich an, gutes Feuer, Erwachen die Strahlen des Tages, am Morgen, Doch kann die Sahara dich abends verscharren, Was da ist, ist da, weil es nachahmt und trachtet, Wir wollen uns formen, wie du es beorderst, Es hüpft unser Herz, wenn wir folgsam Geheiße Dir zwitschern frühmorgens die Vögel entgegen, Du, mannbarer Ra, hast das All erst erschaffen, Du blickst in die Tiefe erschreckender Meere, Doch Du dauerst fort. Von Rätseln durchschauert, Ra, Allmacht Ägyptens, du Weltfelsentürmer, Dich rufe ich an, als dein Diener Chuenaten! Du, Ra, gabst der Menschheit das Recht auf Gebieter, Das Weib hat das Recht, einem Mann zu behagen, Die Lüfte der Wüste, aufs Meer sich zu stürzen, Verstorbne auf Ruhe und Murmelgebete, Und Dumme? Daß Gauner sie oftmals belehren, Du, Ra, hast ein Recht auf die Werbegebete, Du bist ja der Reichtum, der alles verschwendet! Doch Ra, ich, der König, verkünde dein Wollen, Ein Urtrieb der Menschheit, gehorsam zu dienen, Ich bin wie des Niles belebende Fluten, Du siehst und erkennst dich in Meeren und Seelen Das alles, o Ra, will ich folgsam erringen! |
»Chuenaten!« rief Ti, seine Mutter; »Chuenaten, Dein Morgengebet ist fürwahr unbesonnen, O laß dich, du törichter Schwärmer, beraten! Das Werk, das dein herrlicher Vater begonnen, Zerstöre es nicht durch verzweifelte Taten: Chuenaten, Chuenaten, die stolzen Kolonnen Der Kämpfer für Ra, deine bravsten Soldaten Sind ringend gefallen, und wer hat gewonnen? 179 Es stehen die Festen und Tempel von Theben! Und mag deine Würde auch ruhmvoll erstrahlen, So weißt du, was Anbeter Ammons erstreben: Die Priester der Hauptstadt verstehn mit Kabalen Gar bald noch den Aufruhr im Land zu beleben! Du fahndest fanatisch nach Ra-Idealen, Du wandelst auf einsamer Bahn, und daneben Vergißt du der andern Gedanken und Qualen. Ich warne dich. Sage, was bringt dich zum Rasen? Ein Wahn ist in dich, mein Chuenaten, gefahren. Was wallt in dir auf? Ach, laß die Ekstasen Den Armen, den Kranken, die das offenbaren, Was lange Ra-Priester vor Priestern verlasen. Begrab die Gefallnen und laß die Fanfaren, Die Frieden verkünden, zum Totenfest blasen! Das Ahnenverscharren bewahrt vor Gefahren: Zur Zeit, als mein Mann Amenemhotep lebte, Befand sich, wo immer man Kriegsruhm erstrebte, Im Heere des Lands ein Kadaververpacker, Der sorgsam die Mumien der Helden verklebte: Und sieh, auch dein Vater war tapfer und wacker! Doch weiß ich von Unheil, das wild uns umschwebte: Einst warf die Sahara gar waghalsge Racker Bis Theben, zu Pferd, daß die Erde erbebte, Und damals, nur damals, verwesten die Leichen. Chuenaten! So banne die schwankenden Schatten Und laß uns nicht wieder von Ahnen umschleichen; Sie kamen zuerst als verhungernde Ratten Hervor aus den dumpfen, verdunkelten Reichen, Und als wir für sie keine Nahrung mehr hatten, Da mußten die Lebenden selber erbleichen: Drum sollst du, mein Sohn, deine Toten bestatten, Um nimmer den bösen Barbaren zu gleichen! Ja! Zeichen erscheinen am Himmel, auf Erden, Die gleichen, die einstens auf Elend gewiesen; 180 Die Priester erzählen mit Schauergebärden Von Tempelgespenstern und Schattenriß-Riesen. Chuenaten, was soll aus den Nilländern werden? Die Äcker sind brach, kein Vieh auf den Wiesen; Sieh, niemand bekümmert sich mehr um die Herden, Die Steuern sind höher, geringer die Priesen, Und Bauern vertummeln ihr Gut mit den Pferden! Fürwahr, mein Chuenaten, du gleichst den Barbaren: Ra-trunken zerbrachst du Altäre und Städte, Doch sag, kann dein Ra dich vor Schaden bewahren? Ich seh in den Tempeln, in Theben, Skelette, Rings Menschen im Elend, statt ra-starken Scharen. Man raschelt den Namen von Ra um die Wette Und ahmt dich auch nach, mit verwandtem Gebaren: Doch Ra, wenn er Allkraft und Dankbarkeit hätte, So könnt er Ägypten den Ra-Krieg ersparen! O glaube dem Weib, das mit Leid dich geboren, Dem Ammon und Ptah bleibt die Kraft für die Rache, Schon jetzt ist dein Werk und dein Welttraum verloren, Schon ahn ich der Ra-Feinde gräßliche Lache! Die Ra-Macht zerprallt vor den Ammonstadttoren: Es spiegelt der Mond sich im Blutsprudelbache, Der aufschäumt aus Mündern, aus Wunden und Ohren: Mir ists, als ob Ras Tempel berste und krache, Als hätte das Land gegen dich sich verschworen! Chuenaten, Chuenaten, du hast keine Söhne, Es konnte dir Ra keine Knaben bescheren, Das bleibt deine Schuld, – drum hör mich: versöhne Dich rasch mit den Feinden, die wilder sich mehren: Chuenaten, o hör auf das Völkergestöhne Und laß uns nicht länger den Frieden entbehren! Vermähle die schönste der Töchter und kröne Den Freier zum König, bestürm ihn mit Ehren, Daß niemand dereinst dein Gedenken verpöne!« »Ach Mutter!« rief plötzlich fanatisch Chuenaten, 181 »Kein Weib wird mein Streben und Wirken verhindern, Das Dasein von Ra kannst du nimmer erraten, Da gibts keine Milde, da läßt sich nichts lindern. Das da ist das Drama aus Ras Manngewalten, Die allseits erwachen, den Ra-Kampf entfachen, Beim Dreinschlagen lachen, die Maße zerspalten, Die Staaten gestalten, die Sklaven bewachen! Ra selbst ist der mannbare Daseinsgedanke, Der geisterhaft wächst und den Leib überwindet: Er selbst der Ra-Sehnsucht asketische Ranke, Ist das, was im Menschen das Lichtall verbindet! Er kehrt von der Erde den Blick hin zum Lichte, Er kennt seine Ewigkeit zwischen den Welten, Er wirkt, daß die Zeitleiter selbst sich vernichte, Und liebt, was fanatisch bleibt, furchtfrei und selten. Ra selbst ist das Dasein von Menschen und Tieren, Ra tötet, was schwach wird beim Sichselbsterringen, Ra will, daß wir Männer den Erdtrieb verlieren, Ist Ra doch das Schicksal: wer mag es bezwingen? Die Ra-Flamme stirbt nicht, denn Licht ist ihr Wirken, Ihr Anfang, ihr Aufschwall und zielloses Ende: Sie will sich entzirkeln, entstrebt den Bezirken Und schafft drum den Urschein von Raum- und Zeitwende. Chuenaten, o Mutter, wird nimmermehr sterben: Ihm konnte kein Weib seine Söhne bescheren, Ich werde einst selber mein Wirken ererben, Die Flamme in mir kann sich nimmer verzehren. Bald wird die Sahara das Niltal verscharren, Das reiche und üppige Leben verwesen, Das Schwache erstarren, die Ra-Kraft beharren, Drum trennt sich, was Mann ward, vom weiblichen Wesen. Bei Fischen, bei Fröschen, bei Kröten und Schlangen Sind Männchen und Weibchen von nämlicher Gattung, Die Tigerin hat noch das Raubtierverlangen 182 Des Tigers und zeigt keine Weibheitsermattung. Die Löwin ist tapfer, doch fehlt ihr die Mähne, Schon konnte der Löwe den Königskopf krönen: Bei Vögeln, bei denen uns deucht, als ob sich Erhöhung ersehne, Ist schön nur das Männchen, an Formen, an Tönen! Der Stier ist das reifste der männlichen Tiere, Die Kuh bleibt verschrumpft, und sie gleicht einer Mutter: Für uns scheint es gut, daß sie Wildheit verliere, Sie sucht nur ihr Futter, sie kalbt und gibt Butter: So mag sich im Weib alle Weiblichkeit sammeln, Der Mann muß, was schwach ist, von Anfang an, bannen; Es darf das Geschlecht keine Ra-Bahn verrammeln: Und wird man ganz Mann, kann man fast sich entmannen!« »Chuenaten, erscheine beim Fest der Kastraten!« Schon waren die Weiber nicht länger zu halten: Oft warfen sich Männer orgiastisch zu Boden: |
Unfaßbar viel Volk ist nach Theben gekommen, Und immer noch folgen sich Schiffe auf Schiffe: Da kommen schon wieder Nilflotten geschwommen! Gar viele umschifften gefährliche Riffe: Zumal die den Weg durch die Schnellen genommen, Sind fix und verstehn sich auf Nilschiffahrtskniffe! Verankerte, heimische Barken entladen Die nächtlich erbeuteten Austern und Fische: Gar sorgsam entklaubt man von schillerndem Faden Des Netzes die Zappler, daß keiner entwische; Und nah, am Gestade, lustwandeln und baden Thebaner, erquickt durch die silberne Frische. Jetzt nähern sich mondblaß die Segler dem Strande: Verschiedene bringen aus Punt Spezereien; Die Händler erscheinen im besten Gewande, 184 Um sich und der Ware den Glanz zu verleihen: Das hebt gar natürlich die Freude am Tande, Und gleich fängt man an, Wert und Preis auszuschreien. Die Mannschaften klettern; sie reffen und raffen, Mit Hast, doch im Takt, daß die Kraft nicht erlahme; Fast würdevoll sitzen hingegen die Affen Mit vagen Besitzerbegriffen im Krame Und lassen sich gerne vom Haufen begaffen, Und einer begrinst eine alternde Dame. Die Frauen aus Punt sind rundputzig und tragen Verteilt und versprengt, fast verloren, geraten Des Ra-Tempels Diener umtanzen, umspringen, »Nun seht,« spricht Chuenaten, »ich fühle die Hände,
Nun bringen auf einmal fanatische Frauen |
»Chuenaten,« spricht Ti, seine Mutter, »Chuenaten, Der Kampf war gewaltig, der Sieg ist errungen, Die Feinde, die Ammon und Theben vertraten, Sind alle zerspalten, beinahe bezwungen. Chuenaten, doch laß dich trotz allem beraten, Du hast viele Fremde als Söldner gedungen, Erhalt sie und laß deinen Bauern den Spaten, Der Friede beweist, was im Kriege gelungen. Chuenaten, auch ich habe große Gedanken, Ich wage es, einen dir flüsternd zu sagen: Die Fremden, Chuenaten, zerbrachen die Schranken, Die ewig im Niltal dem Staat unterlagen; Ich glaube, sie alle sind wuchernde Ranken, Die schwer nur die Stämme Ägyptens ertragen: Nie darf unser Land an der Gastsucht erkranken, Doch sollst du sie plagen, nicht wahllos verjagen! Chuenaten, du bist durch die Fremden betrogen: Sie haben gestohlen, geschachert, erbeutet, Gar listig Ägypten die Nährmilch entsogen, Und wo ihr euch hadernd im Niltale bläutet, Dort haben sie ihre Erfolge erwogen! Und wenn ihr euch herrlicher Siege erfreutet, Ward immer von Fremden der Kampfplatz bezogen: Sie nahmen, was ihr zu erringen euch scheutet, Mein Sohn, und du bist solchen Leuten gewogen! Erfülle, Chuenaten, die einzige Bitte, Behalte die Fremden als Sklaven im Lande Und töte die Reichen, nach üblicher Sitte: So bringst du gewaltige Feste zustande, Und Niltäler richten dann lieber die Schritte Nach Städten des Ra und erneuern die Bande Mit dir, großer König, und lösen die Kitte Der Gaue mit Theben, dem Ammon zur Schande: Denn sieh, dein Chutaten liegt fromm in der Mitte Des Landes und prächtig am Weg zu den Meeren: 191 Dort kannst du die Straßen nach Theben verlegen, Den Zulauf zu Festen des Ammon verwehren Und leichter Ägypten zum Ra-Kult bewegen! Doch Ra, der dir half, sollst du einzig verehren Und Haß gegen Fremde und Günstlinge hegen; Auch sollst du den Erben nicht länger entbehren, Was ist dir an Weib und an Töchtern gelegen, Ein jüngeres könnte dir Knaben bescheren!« Worauf jetzt der König entschlossen erwidert: »Die Fremden besitzen ein gutes Gedächtnis, Sie sahen erstaunt, was ich ra-stark gegliedert, Wer weiß, übernahm man dabei mein Vermächtnis?!« »Mein Kind,« wimmert Ti nun verletzt und erschrocken, »Nicht wurden die widrigen Hyksos vertrieben, Um ärgere Feinde ins Niltal zu locken: Noch ist uns die Macht zum Beherrschen geblieben, Mein Sohn, und du lockerst den Staat, um die Brocken Ägyptens dem gierigen Feind zuzuschieben: Zum Schluß soll das elende Kusch noch frohlocken, Und du wirst Kuschitinnen hätscheln und lieben, Mein Kind, dies erwog ich und sag es nun trocken!« »Ach, Mutter, du sprichst nur, du weißt nicht zu sagen, Du willst nichts erfragen, du hast nichts verloren; Das Weib bleibt das Übel, dem Täter entragen, Und sieh, Männer sagen, als wissende Toren!« Kaum hat diese Worte die Mutter vernommen, So gibt sie zur Antwort: »Du sollst mich belehren, Mein Sohn, alles Große, stets soll es dir frommen, Du konntest Ägypten zum Ra-Kult bekehren, Dein Heer hat die Mauern von Theben erklommen, Drum soll dich das Vaterland lieben und ehren; Es seien die Fremden im Ra-Staat willkommen, Dein Schutz sei vollkommen, du magst ihn gewähren, Doch hält deine Rachsucht mein Herz arg beklommen!« 192 »Der Mann ist der Sünder, das Weib seine Sünde: Es würgen und sän doch die nämlichen Hände; Verrucht ist der Staat, den ich eben begründe, Doch laß, daß ich schrecklos mein Werk jetzt vollende!« »Du zitterst, mein Sohn, laß, mein Kind, dich begreifen,« Hat Ti nun als Antwort, auf Antwort, gegeben, »Du fieberst,« so spricht sie, »Gesichte umschweifen Dich jetzt und verdrängen dein frömmstes Bestreben; Du solltest dich besser auf Ra-Werte steifen Und andre aus göttlichem Ansehn entheben: Du magst dich an Götzen wie Ammon vergreifen, Doch nimmer so tief in dir selber erbeben, Ach, ruh nun und laß deine Ra-Saat erst reifen!« »Nein, Mutter, noch stehen die Tempel von Theben, Die werden schon heute, zum Fest der Kastraten, Entflammende Arme zum Himmel erheben Und beten und flehen, daß alle drin braten.« Kaum hat nun der König die Worte gesprochen, So schreit seine Mutter: »Üb Gnade, Chuenaten, Schon hab ich die Flammen seit Wochen gerochen, Ich sah dich, aus Wahnwitz, in Blutlachen waten; Das Feuer ist rasch in der Stadt ausgebrochen, Drob bist du in arge Bedrängnis geraten.; Auch waren um dich alle Wachen bestochen Und stießen dich nieder, als Feinde dir nahten: Noch jetzt läßt der Anblick mein Herz rascher pochen!« »So werde ich alle Ägypter entlassen Und Fremde zu Wächtern und Anstiftern wählen, So mag denn die Glut gleich ganz Theben erfassen, Und niemand sich feig aus der Feuersbrunst stehlen!« Den Worten des Königs wirft Ti sich entgegen Und schreit: »Warum willst du die Hauptstadt verbrennen? Wie kannst du so ruchlose Lauerwut hegen, 193 Wie wagst dus, den grausamen Plan zu bekennen? Wozu blindlings dreinhaun und Feuer anlegen, Warum nicht den Freund erst vom Erbfeinde trennen? Du dürftest mich nimmermehr ›Mutter mein‹ nennen, Vermöchtest dus nochmals den Brand zu erwägen!« »Ein großes Bewußtsein ersetzt tausend Theben, Denn Ra wirkt im Hirne, gewaltsam und herrisch, Er muß sich aus Kampf und Krampf ewig ergeben, Drum ist solch ein Wahnwitzbrand fürwahr nicht närrisch!« Kaum sagt das der König, so spricht Ti entschlossen: »Ich kann deinen Worten wahrhaftig nicht trauen, Ins Schloß, wo du einst meinem Schoße entsprossen, Begeb ich mich jetzt, ohne Zaudern und Grauen: Inmitten von Theben, vom Feind eingeschlossen,. Erwart ich mein Schicksal, umgeben von Frauen. Ich hoffe, ihr habt eure Pfeile verschossen, Ich will, daß die Bauern den Usgau bebauen, Von Bränden, von Possen, erzähl Zechgenossen!« Allein zu sich selbst sagt nun grimmig Chuenaten: Gott selbst ist der Sünder, die Schöpfung die Sünde, Drum darf ich das Weib, nicht sie mich verraten, So brenne denn, Mutter: ich wüte, entzünde! |
»Was mag der Krawall im Ra-Lager besagen? Es klappern wohl endlich die krätzigen Fremden, Man will vielleicht Aussatzbefallne verjagen, Und kreischt oder feilscht nur um prunkvolle Hemden. Ägypter, die Zucht unsrer Väter verkümmert!« Schreit jetzt Ammons sehender Priester und wimmert: »Der König hat hier unsre Gottheit zertrümmert Und uns und sich selber das Dasein verschlimmert! Fast trachtet der Tag heute länger zu dauern, 194 Es scheint sich ein Glastwall um Theben zu stauen: Bespickt mit Beschauern sind alle Stadtmauern, Rings mag sich die Ra-Schar am Ballfall erbauen, Man ahnt wohl, daß heute das Glück Thebens scheidet, Denn morgen schon werd ich in Blutgossen waten: Ach Ai, warum hast du uns albern beneidet, Und ach, was verbrachst du, waghalsger Chuenaten!« »Was machst du da, Papis, fast scheinst du zu warten!« So schrein aus dem Tempel Altartanztrabanten, »Komm, laß uns die Seele von Ammon entfachen, Wir wollen toll schweißen, was andre umrannten!« »Ach laßt mich«, sagt Papis, »den Abend betrachten Und warten, bis sacht alle Strahlen verglühen; Jetzt wallen Gefallne vergangener Schlachten Durchs Tal: sagt, was treibt euch, das Fest zu verfrühen? »Schon zieht der Tanz Tote an!« schrein Korybanten, »Gewesene hetzen uns, jung zu entstehen, Und wo sie mit Krallenkraft Paare festbannten, Umschauert gleich Mann und Weib des Werdens Wehen!« »Ich komme gleich, Kinder mein, ihr mögt genießen,« Spricht Papis; »das Licht ist nun ziemlich verschieden, Doch seht, wie um Theben sacht Glutähren sprießen: Ein Goldrausch erwacht nun statt Silberfrieden!« »Die Männer vermummten, verhüllten sich alle, Die Mägdlein erscheinen wie Lichtmeteore, Drum walle zum Schalle, zu Ammons Nachtballe!« So gellts aus des Tempels verdunkeltem Tore. »Ich komme, ich komme, doch horcht aufs Geprassel, Ja, Flammen und Waffen des Ra seh ich nahen!« Ruft Papis, dann hört er nur Schall und Gerassel Der Scharen, die rings seine Ahnung bejahen. Im Tempel das Fest ist schon lange im Gange: Die Männer, in Mäntelgewändern verkleidet, Versuchen, verdunkelt, im Tanzüberschwange, Ein Mädchen, das keine Gestalt unterscheidet,195 Für sich zu erhaschen und rasch einzufangen. Die Mädchen, in flimmernden Schleiern, vermeiden Zu flugs in die Freiersgewalt zu gelangen, Woran sich die Sinne der Teilnehmer weiden. Es ist das der Tanz heller Glanzmeteore! Erstrahlende Mädchen entwallen dem Dunkel Und wirbeln und kreuzen sich, rhythmisch im Chore: Sie tanzen nach Harfen; ihr Perlengefunkel Erzittert so reizend wie Mondlicht im Nile. Schon sieht man so manche im Mantel verschwinden, Da treibt sie ihr Freier zu lieblichem Spiele, Wenn andre sich lang noch dem Dunkel entwinden. »Ihr Kinder, ihr Kinder, was hab ich geraten, Das Fest ist ergötzlich, doch falsch Ort und Stunde!« Ruft Papis. »Beim Feste uns fremder Kastraten Darf niemand mehr tändeln; vernehmt meine Kunde: Es mag jetzt die Gottheit durch euch nicht genesen, Es steht unser Ammon mit Ra tief im Bunde; Wir werden im Tempel verbrennen, verwesen, Schon flammen die Häuser ringsum in der Runde!« »So komm in den Tempel, dein Fieber zu kühlen, Wir kennen die Männer nicht, die uns verführen, Doch hold ist ihr Atem, und süß, ihn zu fühlen, So komme denn selber, ein Mädchen zu küren!« So singt man im Tempel, doch Papis ruft traurig: »Ach, seht wie die Nacht sich mit Purpur verschleiert, So glaubt an die Glut, denn sie naht und ist schaurig: Es geht nicht, daß ihr, wenn man Ra anruft, feiert.« »Die Sterne sind heiter und flimmern wie immer, Das ist ein Komet, der uns goldig umschmeichelt, Wir lieben sein schwirrendes, lichtes Geflimmer, Er ists, der uns anhaucht und liebkosend streichelt«, So singt man im Tempel; doch Papis schreit grimmig: »So seht doch die Funken, die hoch euch umschweben, 196 Erhebt einen Gottsturm, so betet einstimmig, Es möge uns Ammon das Zögern vergeben.« »Die Sterne stehn fest, doch wir Taumelnden schwanken: Wir zittern und beben, uns schwindelt, wir sinken; Zu groß ist das Glück, um jetzt Ammon zu danken, Wir wollen Lust trinken, da Sterne uns winken«, So singt man im Tempel; doch rasend ruft Papis: »Zertrümmre, du bübischer Stümper, Chuenaten, Den Ammon, den Ptah, und vertreibe den Apis, Doch wahr uns vor Flammen; ach laß die Soldaten Rasch Eimer ergreifen, statt nutzlosen Lanzen: Verschone Ägypter, die nie Arges taten, Sie mochten nur glücklich sein, jubeln und tanzen, Du darfst nicht brandschatzend das Niltal verraten!« Das Feuer haust immer noch näher und näher: Die Männer zerstampfen die Mäntel und Larven Jetzt sträuben die Häuser entsetzt Flammenmähnen, Die Windsbraut, die Brunstbraut, entfahren den Dächern, Was rasen auf einmal die Menschen in Haufen Nun kracht es und poltert auch, blitzt gar entsetzlich: Nun trachtet er kriechend dem Tod zu entkommen Jetzt tragen die Winde die Flammen zu Haufen: |
Es war das kein Brand, sagt sich selber Chuenaten, Und was da noch aufflammt, kann keiner mehr werden: Ich wurde vom eigenen Anhang verraten, Was hilft nun ein Anruf, was Menschenbeschwerden! Wir werden ja selber von Theben verschlungen. Ich mag auch mein Weib und die Kinder nicht retten: Es ist mir der Ra-Staat, das Lichtreich, mißlungen; Was kümmern mich da alle Kerker und Ketten! Doch kann ich den nahenden Tag nicht erwarten, Ich müßte, aus Scham, vor dem Lichte erröten: Es glaube nicht Ra, daß wir alle ihn narrten, Er findet noch Theben, doch ich will mich töten! Ach Mutter, wie eigen sind doch unsre Lose; Du sagtest, es würde mich niemand bestatten, Und siehe, du selber versprühst in der Rose Erglühender Blätter, die flammend ermatten! Wie mochtest du doch ob des Feuers erschrecken, Nun bist du verloren, auf ewig vernichtet, 204 Nun kann dich Osiris nicht wiedererwecken, Doch ich werde bald von ihm selber gerichtet! Nie soll jemand wissen, wohin ich mich wende, Kein Sklave Chuenatens Kadaver verraten: Ich will, daß kein Feind meine Grabstätte schände, Drum berg ich den Leib vor Gewaltattentaten. Ich klopf an die Tore der Stadtnekropole: »Ihr Würmer der Unterwelt, öffnet die Pforte Und sorgt, daß der König nicht oben verkohle, Gehorcht, denn das sind eines Selbstmörders Worte!« »Amenemhoteps Sohn ist jetzt König im Lande, Er nennt sich: der Abglanz vom Ra-Ball, Chuenaten, Er warb fremde Häscher und herrscht uns zur Schande, Er fahndet fanatisch nach wahnwitzgen Taten.« Kaum ward diese Antwort im Keller gesprochen, So faßten das Königsherz Scham und Entsetzen: Er fing, halb gebrochen, an rascher zu pochen Und drohte noch, flehte schon folgende Sätze: »Ich heiße Chuenaten und trachte zu sterben! Ihr Priester, empfangt meine letzten Befehle, Doch wählt ihr dann selber, zum Dank, meinen Erben Und hütet dafür auch das Blut meiner Seele!« »So töte dich draußen, du König der Häscher, Wir warten auf dich mit dem Bauchaufschlitzmesser: Die Priester, Osiris' Gedärmeauswäscher, Bereiten dich dann für den Rangsargzumesser.« Kaum hört das Chuenaten die Priesterschaft sagen, So ruft er verzweifelt: »So laßt euch verkünden, Ich will das am lebenden Leibe ertragen, Doch tut es, sonst laß ich ganz Theben entzünden!« »Chuenaten, so nahe den schlafenden Ahnen Im Urall, wo Dauer und Ewigkeit kämpfen: Es fahnden fanatische Ra-Karawanen Zuletzt nach Schlußkrämpfen, die Leid und Lust dämpfen!« 205 Kaum wurden die Worte von unten gesprochen, So ward eine winzige Steintür entriegelt, Und flugs ist der König durchs Felsloch gekrochen, Dann hat man es eilig versperrt und versiegelt. Rasch folgt nun Chuenaten dem Priester durch Gänge, Hindurch zwischen Bergen von Mumien und Särgen, Jetzt kommt er zu einem, der hat seine Länge, Da sagt ihm der Führer: »Der da wird dich bergen!« Chuenaten entblößt seinen Bauch und sagt tapfer: »Da lieg ich im Sarge, der knapp ist und sackhaft! Nun walkt, Darmauspacker und Blutsturzabzapfer Im Bauchwurm herum: mancher Krampf ist auch schmackhaft! Es freun mich die eignen und anderer Schmerzen, Drum laßt auch mein Blut, langsam tröpfelnd, entfließen Und greift dem lebendigen König zum Herzen: Ich will noch den Balsam der Mumien genießen!« »Chuenaten, du forderst unsagbare Leiden, Wie kannst du dich selber so wahnwitzig hassen, Wir töten dich erst, um dich dann aufzuschneiden«, Erwidert der friedliche Priester gelassen. Drauf sagt kurz der König: »Ich kann euch nicht trauen, Ich will die Gewähr meiner Wiederkunft spüren; Ich mag mich beinahe als Mumie beschauen, Drum wetzt eure Messer und laßt euch nicht rühren.« Drauf murmeln die Männer der Mystik zusammen, Und endlich spricht einer: »Dein Blut darf nicht fließen, Sonst kannst du dich selber zum Nichtsein verdammen, Es muß dirs Osiris einst wieder eingießen.« »So sammelt, was abfließt, in Schläuchen aus Därmen, Und legt es mir bei, in der Höhlung des Bauches; So wird es mich einst, bei der Wiederkunft, wärmen, Doch folgt sonst in allem den Formen des Brauches!« 206 Kaum hat das Chuenaten ekstatisch gesprochen, So sind alle Priester zum Schlachten entschlossen: Man bindet ihn fest, dann wird rasch zugestochen Und nichts von dem Blute Chuenatens vergossen. »Ra! Ra!« rast Chuenaten, »du schmerzwahres Alles, |