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Sechstes Capitel.

Ich erzähle nur kurz, daß das Mittagsmahl, welches einzelne Herren im Speisesaale des Vicegespans, die Edelleute aber in der Scheuer verzehrten, eines der glänzendsten und magyarischesten war, die man sich nur vorstellen kann. Oben bei den Herren vierundzwanzig Schüsseln, größtentheils Süßigkeiten, bei denen die Saucen dergestalt verschwendet waren, daß bei jedem der vier Eingemachten je ein Beisitzer angeschüttet wurde, und der Daumen des servirenden Comitatshusaren zur Hälfte in der Tunke badete; ungarischer Champagner, Tokayer, Gefrornes, mit einem Worte ein lucullisches Mahl. Unten bei den Edelleuten Gulyás und Pörköltfleisch, Tarhonya Drei Nationalspeisen; unübersetzbar, aber sehr wohlschmeckend., Kraut, Topfennockerln, Knödel, Braten, Wein, Branntwein, mit einem Worte, eine ganze Hochzeit. Bis zum letzten Zigeuner war nicht Einer, der – insofern er aufzustehen vermochte – nicht vergnügt vom Tische aufgestanden wäre.

Nach dem Diner, sobald der Kaffee herumgetragen ward, entfernte sich Etelka unter dem Vorwande von Kopfschmerzen; sie hatte die ganze Zeit über alle Pflichten des Hausfräuleins mit der höchsten Anmuth erfüllt. Frau von Réty unterhielt sich mit einigen der hervorragendsten Beisitzer und Prediger, die übrigen Herren rauchten theils im Vorhause, theils vor dem Hause, und wenn wir den hoffnungsreichen Notär von Sz.-Vilmos, der sich während des Mittagsmahles durch viele feinausgezirkelte Toaste ausgezeichnet hatte, nicht unter den Uebrigen sehen, so ist die einzige Ursache wahrscheinlich die, daß Etelka's Stubenmädchen, Rosi, in dem andern Flügel des Hauses wohnt.

Ákos und Kálmán lustwandelten in den entlegenen Partien des Gartens. Sie waren so ziemlich eines Alters, überdies Nachbarskinder, und so lebten sie seit ihren ersten Kinderjahren immer zusammen; es ist daher kaum nöthig, ihrer Freundschaft zu erwähnen, die im ganzen Comitate gleichsam zum Sprichwort geworden war. Aber obgleich unsere beiden jungen Freunde einen großen Theil ihres Lebens zusammen verlebt hatten, obgleich sie an Alter und Empfindungen sich nahe standen, war doch ein großer Unterschied zwischen beiden. Die häuslichen Kreise, in denen sie erzogen wurden, waren zu sehr von einander verschieden, als daß es hätte anders kommen können.

Der alte Kislaky, in dem Kálmán seinen Vater, das Comitat seinen einstigen Vicegespan und zugleich seinen ehrlichsten Mann verehrte, gehörte nebst seiner Gemahlin zu jener Classe ungarischer Edelleute, die in unserer Zeit leider mehr und mehr ausstirbt, und bei all' ihren Schwächen und Fehlern schon deshalb unsere Achtung verdient, weil sie die Gewohnheit und die Nationalität der Voreltern unserer Zeit rein aufbewahrt hat; zwar mit allem Mangel an Bildung, ja mit Vorurtheilen, die unseren Tagen ganz lächerlich erscheinen, aber auch mit jenem festen Glauben, ohne den unsere Nationalität in ihren schweren Kämpfen sich nie würde erhalten haben: »daß der Ungar nie von der Erde verschwinden wird.« Es ist außer allem Zweifel, daß die Verdienste dieser Classe um die Aufrechthaltung unserer Nationalität unberechenbar sind; und die Zukunft würde sich des schmählichsten Undankes schuldig machen, wenn sie je vergessen könnte, daß die Zweige jener edleren Bildung, deren Früchte sie einst genießen wird, ihre Fruchtbarkeit nur der Kraft jenes rohen Stammes verdanken, auf welchen sie gepfropft wurden. Aber ebenso gewiß ist es auch, daß, wie bei allen andern menschlichen Begebenheiten, auch die ungarischen adeligen Häuser bei all' ihren Verdiensten in der geschichtlichen Ferne größer und schöner erscheinen, als sie wirklich sind, wenn wir sie in der Nähe betrachten. Wenn z. B. einer meiner Leser Herrn Valentin Kislaky besucht, und in das thorlose Haus hineinfahrend, wahrnimmt, daß außer den Wolfshunden, die jeden Nahenden beinahe zerreißen, Niemand im Hause seine Schuldigkeit thut, und die Landwirthschaft abgerechnet keine Spur von Ordnung zu finden ist, so glaube ich, daß er trotz der Herzlichkeit des Hausherrn, dem unausgesetzten Nöthigen der Frau Barbara, ja sogar trotz des Indians, der eigens für ihn gebraten wurde, Der alte Ungar setzt einem willkommenen Gaste einen Indian als Braten vor. sich nicht behaglich fühlen würde. In diesem Kreise wuchs Kálmán auf, beneidet von der ganzen Umgegend, geliebt von seinen Eltern, gelobt von den Gästen, verehrt von den Hausleuten, gepriesen vom Prediger und Schulmeister, bewundert von den Wirthschaftsbeamten, angebetet von der alten Haushälterin. Von dem einzigen Sohne dieses alten ungarischen Hauses konnte Niemand verlangen, daß er etwas anderes werde, als ein ungarischer junger Herr. Kálmán kannte aber auch die Welt: Pest, wo er seine Studien beendet, und wo er seine glücklichste Zeit verlebt, auf die sich der Ungar noch im siebenzigsten Jahr mit Sehnsucht zurückerinnert: ich meine die Juratenzeit. Auch seine Freundschaft mit Ákos, durch welchen der wohlhabende junge Mann auch gegen seinen Willen in höhere Kreise gezogen wurde, konnte nicht ohne Einfluß auf den hoffnungsreichen Erben der Kislaky's bleiben, und der alte Herr Valentin und seine Hausfrau Barbara seufzten oft stundenlang über die feineren Gewohnheiten ihres Herrn Sohnes und über die neumodischen Grundsätze, die er aus der Stadt mitgebracht. Wahr ist es, Kálmán hatte sich in Pest verändert; der Landjunker trug Wiener Kleider, fluchte weniger und hatte viel von jenen guten Sitten verloren, die einst unter der Jugend als Nationalität im Schwunge waren, und durch das Prügeln eines Kellners, das Zerbrechen von Flaschen und Fenstern und reiche Belohnung eines gut musicirenden Zigeuners die Landesbewohner an das Bestehen der alten Verfassung mahnten; besiegt aber nicht gebrochen, schlief der Betyár Betyár – beiläufig was der Renommist auf den deutschen Universitäten ist. zwar in Kálmán, aber es bedurfte nur der Gelegenheit, nur einer kleinen ländlichen Gesellschaft mit etwas Musik und etwas mehr Wein, und der alte Bursche erwachte aus seinem langen Schlummer, und seine Pester Freundinnen, die seine Bescheidenheit gepriesen, hätten in dem jungen Herrn, der zwar nicht einen Türken mit den Zähnen, aber eine Flasche in der Hand haltend, Kiniszi's Tanz Nach der Schlacht am Brodfeld, in welcher die Türken waren geschlagen worden, tanzte Kiniszi, einer der Heroen aus der Zeit Mathias Corvinus', indem er die Leiche eines Türken mit den Zähnen festhielt. mit zügellosem Jubel ausführte, schwerlich ihren beliebten Tänzer erkannt.

Ákos war hierin von seinem Freunde ganz verschieden, ja gewissermaßen sein Gegensatz. Durch den Reichthum der Familie Réty, durch die zahlreichen Verbindungen, in denen er mit hohen Familien stand, gehörte er unter Jene, die vom Adel gewöhnlich mit dem Spitznamen »Viertel-Magnaten« bezeichnet werden. Der Viertelmagnat ist in Ungarn ein ausnahmsweises, man möchte sagen, amphibisches Wesen; durch seine Stellung dem Adel, durch Neigung und Wünsche den Magnaten verbündet, gibt es keine Stellung, die er nicht für sein Element hält, und wieder keine Stellung, in der er sich ganz heimisch fühlt. Verletzt durch seinen eigenen Hochmuth, wenn er in die Kreise Höherer tritt, denen er sich weniger gleich fühlt als gleich zu sein stellt; beleidigt durch jeden Bedienten, der ihn nicht »hochgeboren« nennt, vermehrt die Berührung mit höheren Classen der Gesellschaft, die er unausgesetzt sucht, nur jene Bitterkeit, die er seit den Kinderjahren gegen sie in der Brust fühlt. »Welch' ein lächerlicher Stolz,« so spricht er, wenn er in das eigene Haus zu den Seinen zurückkehrt, »welch' ein abscheulicher Hochmuth; als ob in unserem Lande nicht alle Edelleute gleich wären, als ob der Titel Graf oder Baron mehr wäre als ein kleines Wörtchen, das einzelnen Namen blos deshalb angehängt worden ist, weil sie allein ausgesprochen sich nicht Achtung zu erwerben vermochten.« Aber wenn der gnädige Herr Vicegespan oder der hochgeborne Herr Kammerherr auf diese Weise seinem Grimm Luft gemacht, da glaube du, der du auch Edelmann bist, aber aus dessen Familie noch keiner Vicegespan war, Kämmerer aber gar nicht werden könnte, oder der du jährlich um dreißigundsechs Kreuzer weniger Einkünfte hast, nur ja nicht, daß diese schönen Grundsätze der Gleichheit auf dich ausgedehnt werden. Sobald dich Jemand braucht, siehst du Niemanden neben dir, der nicht sagt, daß er deines Gleichen ist; aber geh' nur einmal in die Wohnung deines freisinnigen Adelsgenossen, reiche ihm vor seinem Bedienten die Rechte, die er bei der Restauration so oft gedrückt; wage es, seine Tochter zur Frau zu begehren: und wenn du dies versucht hast, dann sprechen wir weiter von deiner verfassungsmäßigen Gleichheit, und sage mir dann, was du davon hältst.

Jeder Mensch, der mehr scheinen will, als er wirklich zu sein fühlt, wird durch die Bestrebungen nach seinem Ideale lächerlich. Gerade in dieser Lage waren auch die Réty's. Alter Adel, schönes Besitzthum, Vicegespanstelle, ein schöner Sohn, der noch ledig war, was brauchten sie noch zu einer angenehmen Stellung im geselligen Leben? Aber ihr Hochmuth bedurfte noch anderer Nahrung, und der Vicegespan Réty mühte sich ab, mehr zu scheinen, als er von Geburt aus war; und trotz seines hundertjährigen Adels und unzähliger Ahnen schaute doch der Parvenü überall heraus, wenn er am liebsten von seiner Tante, der Baronin, von seinen Verwandten, den deutschen Grafen sprach, und damit prahlte, daß er mit diesem und jenem Herzog in sehr enger Verbindung stehe, oder daß er heute von Baron F. oder Grafen H. einen Brief erhalten u. s. w.

Ákos, den die Eltern zeitlich nach Pest gesendet, und der im Hause seiner Tante, der Baronin Andorfy, in der besten Gesellschaft seine Tage verlebt hatte, besaß viel zu viel Verstand, um nicht die Schwäche seiner Eltern zu bemerken, und das führte ihn gerade zum Entgegengesetzten. Ákos wurde ein Betyár, oder um richtiger zu reden, er strebte darnach, für einen Betyár gehalten zu werden, worüber sich freilich nicht seine Familie, wohl aber Andere freuten, die in dem französisch und englisch Redenden, durch die halbe Welt gereisten jungen Mann, der ihren Betyárismus so viel als ihm möglich nachzuahmen strebte, gleichsam die Rechtfertigung ihres eigenen Benehmens sahen, und Ákos deshalb so liebten, wie Niemand anderen im Comitat. Daß Ákos durch diese Volksthümlichkeit in seinem erzwungenen Betyárismus bestärkt wurde, wollen wir umso weniger leugnen, als der Zwang, den sich Réty's Sohn hierbei anthat, zwischen ihm und Kálmán zuweilen die lächerlichsten Contraste hervorbrachte. Denn wie Ákos in den Betyárismus, so setzte Kálmán seinen Stolz in die Geschliffenheit, und so diente einer dem andern gleichsam zum Muster. Wenn im Winter der Comitatsadel sich im Comitatshause versammelte, wo alle Tanzunterhaltungen gehalten werden, oder wenn bei irgend einem bedeutenderen Beisitzer ein Namenstag gefeiert wurde, lärmte hierbei Niemand mehr als Ákos, und keiner trat moderner auf als Kálmán; aber wenn unter den Gläsern oder im Lauf der Unterhaltung jeder dessen vergaß, was er scheinen wollte, so wechselten sie die Rollen, und statt Ákos, der des Morgens aller Welt erzählt hatte, wie oft er schon betrunken gewesen, schauten Abends Kálmán's Augen schief, obschon Vormittags Niemand des Freundes Sauftheorie stärker getadelt hatte, als eben er.

Ákos, der sich Gewalt angethan, war heute beim Beginne des Mahles förmlich Betyár; aber je mehr und größer Lärm ihn umbrauste, umso wortkarger wurde er und überließ sich ganz jenen düsteren Gedanken, mit denen unglückliche Liebe sein Herz erfüllte. Kálmán, der bei dem Mittagsmahle neben Etelka saß und durch ihr freundliches Benehmen außergewöhnlich erheitert ward, hatte zwar wenig Wein getrunken, aber dennoch fiel er bald aus der gebildeten Weise, durch die er sich bei den ersten Speisen auszeichnete, immer mehr in den Landjunkerton, bis Etelka's Blicke und kurze Antworten ihm seinen Mißgriff bemerkbar machten, und gegen das Ende des Diners saß er, wie sein Freund, stumm; er wagte es kaum, die Nachbarin anzusehen, geschweige denn mit ihr zu reden.

Sobald das Mittagsmahl zu Ende war, zog Kálmán seinen Freund in den Garten, damit er ihm sein ganzes Unglück klage.

»Freund,« so rief er aus, indem er sich auf eine Rasenbank niederwarf, »ich bin der unglücklichste Mensch von der Welt. Hast du deine Schwester heute gesehen? Sie liebt mich nicht; sie verabscheut, sie verachtet mich.«

»Du bist außer dir,« antwortete Ákos, indem er ihm die Hand drückte, »du sprichst im Wahnsinn.«

»Nein, nein! ich weiß Alles. Etelka liebt mich nicht, sie wird mich nie lieben, und sie hat Recht; ein Mensch wie ich verdient sie nicht – ich entsage – ich –«

»Trinke nie Wein, Kálmán, mir scheint, er macht dich traurig.«

»Also hast du es auch bemerkt? also ist es wahr? und ich soll entehrt vor ihr erscheinen? Nein! nie! Morgen bitte ich den Vater um die Erlaubniß zu reisen, und fort geh' ich in ein Land, wo mich Niemand kennt, und wo ich deiner Schwester nie ungelegen sein werde – wo –«

Hier unterbrach ihn Ákos wieder und erkundigte sich um die Ursache seines Kummers, worauf der Andere mit all' jener Umständlichkeit, deren nur ein Verliebter fähig ist, erzählte, wie freundlich Etelka mit ihm zu Anfang des Diners gewesen; er habe auf Ehre nur ein paar Gläser Wein getrunken, aber, wie es scheine, sei er sehr aufgeregt gewesen, und so habe der Wein stärker auf ihn gewirkt, und so müsse er etwas Unschickliches gesprochen haben; denn gegen das Ende des Essens habe ihn Etelka gar nicht mehr angesehen; daß nun Alles aus sei, daß ein verabscheuungswürdiges Wesen wie er zu einem Engel wie Etelka nicht aufblicken dürfe, daß er sich freuen werde, wenn Etelka in den Armen eines Andern all' jene Glückseligkeit finden werde, die sie von ihm nicht annehmen wollte, aber wenn sie Jemanden zu Theil werde, den er kennte, so bräche er ihm den Hals. Wie bei jeder Destillation auf dem oberen Theil der Retorte häufig Tropfen sichtbar werden, so strömten die wässerigen Theile des Érmellékers Érmelléker, eine Weingattung. in hellen Thränen über Kálmán's Angesicht, und Ákos, obschon er sehr wohl wußte, woher diese Thränen, liebte seinen Freund doch genug, um ihm die Theilnahme zu zeigen, die derselbe bei wirklicher Ursache verdient hätte. Er versicherte den Freund der Liebe Etelka's, und was noch mehr, daß seine Schwester den häßlichen Grafen nicht nehme; mit einem Worte, er war ein so geschickter Tröster, daß Kálmán sich nach und nach aufheiterte, den Freund mit dem Schwure leidenschaftlich an die Brust drückte: daß er nie mehr Wein trinken werde, und endlich aus Freuden all' jene Thränen neuerdings weinte, die sich während des Essens in seinem Thränensäckchen angehäuft hatten.

Kálmán, der wirklich mehr von Liebe als vom Wein berauscht war, kam endlich beinahe ganz wieder zu sich, und die beiden jungen Männer gingen dem Hause zu, um Etelka aufzusuchen, damit, wie Ákos sagte – die Feierlichkeit des großen Friedensschlusses baldmöglichst vor sich gehe. Aber wer unter uns armen Sterblichen kann selbst auf die nächste Minute sicher rechnen? besonders bei Restaurationen, wo außer dem Schicksal auch noch die Cortes über unsere Zukunft verfügen?

Während die beiden jugendlichen Freunde im Garten verweilten, hatte der alte Kislaky, der in der Freude seines Herzens um ein oder auch um ein paar Gläser Wein mehr getrunken hatte, als zur Stillung seines Durstes nöthig gewesen, andere Pläne für seinen Sohn entworfen. Der alte Herr hatte Etelka schon lange für seinen geliebten Sohn ausersehen; ich will nicht behaupten, daß ihn nur des Mädchens Vermögen auf diesen Gedanken gebracht habe, aber nachdem die Güter der beiden Familien aneinander grenzten und nachdem beinahe das Gesammtvermögen der Réty's sich auch auf die weibliche Linie vererbte, folglich ein Theil Etelka zufallen mußte, konnte Kislaky mit Recht sagen: daß die Kinder für einander geschaffen seien. – Der Wein ist ein großer Schmeichler, der Jeden in seinen Wünschen bestärkt, und der alte Kislaky, dessen Augen während des ganzen Essens an seinem Sohne hingen, fragte den rechten und den linken Nachbar wohl dreißigmal: ob sie wohl zwei junge Geschöpfe gesehen, die besser zusammenpassen; und so wurde er nach und nach von der Verwirklichung seiner Hoffnung dergestalt überzeugt, daß er, obgleich er auf die förmliche Brautwerbung, die er nach Tische vorbrachte, vom alten Réty nur die Antwort erhalten hatte, daß er die Neigungen seiner Tochter nicht kenne, und von Frau von Réty, daß es besser sei von so wichtigen Dingen erst nach der Restauration zu reden, Alles in Ordnung wähnte, das Geheimniß jedem Freunde vertraute, und jeden wenigstens dreimal umarmte.

Sich die Hände reibend, ging der Alte in der Freude seines Herzens im Hofe auf und ab; in seiner Einbildung sah er schon Kálmán's und Etelka's ganze Nachkommenschaft, und des gutmüthigen Vaters Herz pochte lebhafter bei diesen Träumereien, als der lärmende Jubel, der ihm aus der Scheune entgegenscholl, seinen Gedanken eine andere Richtung gab. – Die Cortes, die, großen Künstlern gleich, durch vieles Proben sich zur eigentlichen Vorstellung vorbereiteten, in der sie eine Hauptrolle spielen sollten, wiederholten jetzt zum zweitenmale ihre Probe und waren in dem Augenblick eben zu dem Vicestuhlrichter gelangt, als der Rentmeister, der hier als Candidat die Stelle des Obergespans vertrat, den ersten Vicestuhlrichter des Szent-Vilmoscher Bezirkes erwähnte, worauf ein dreimaliges » Éljen! Kálmán Kislaky!« antwortete. Kislaky – denn welcher Vater bliebe ruhig, wenn er mit eigenen Ohren den Ruhm seines Sohnes hört – schwamm in Wonne, und da er eben seinen Ispán Ispán, ein untergeordneter Wirthschaftsbeamter. der Scheune zueilen sah, flüsterte ihm ein guter oder böser Geist zu: wie Schade, daß meines Sohnes Ruhm in einer Scheune verklingt – und wie gut wäre es, wenn Etelka Zeuge davon sein könnte! Er rief also den Ispán zu sich, und vertraute ihm das große Familiengeheimniß, welches bereits Alle wußten. Nun fragte ihn der Alte, ob es nicht gut wäre, wenn die Cortes Kálmán im Garten aufsuchten, und ihn im Triumph in Etelka's Zimmer bringen würden? Der Ispán war ganz einverstanden mit der Ansicht seines Herrn und wie er in die Scheune trat, und durch ein halbviertelstündiges: Halljuk! sich Gehör verschafft hatte, redete er so meisterlich, daß der ganze Haufe sich auf den Weg machte. Wahr ist es, daß Kislaky's Abgesandter vom Geheimniß eben denselben Begriff hatte, den so viele andere Menschen haben, die hierunter nur so etwas verstehen, was wir uns selbst zu erzählen nicht trauen, und es also durch Jemand andern der Welt kundgeben lassen; es wurde also Etelka's und Kálmán's Heirat gleich im Beginne seiner Rede ausposaunt, und mit »Éljenruf« begrüßt. Dem sei aber wie ihm wolle, so viel ist gewiß, daß die dreihundert Edelleute von Szent-Vilmosch, von denen man vor einer Viertelstunde hätte schwören mögen, daß sie wie die dreihundert Spartaner bei Thermopilä auf ihren Plätzen liegend gefunden würden, unter entsetzlichen »Éljen!« gerade nach dem Garten ihren Weg nahmen, und daß der alte Kislaky, Freudenthränen in den Augen, still vor sich hinmurmelte: » Hej! Hej! Ein ungarischer Ausruf. Volksthümlichkeit ist doch ein schönes Ding!«

Kálmán und Ákos waren schon dem Hause nahe, als sie mit dem alten Kislaky und bald darauf mit der ganzen Cortesschaft zusammentrafen, die durch Rasen und Blumenbeete ihren Weg gerade gegen sie einschlug. Der Alte, seinen Sohn umarmend, konnte nur die Worte hervorbringen: »Hörst du, Sohn? das gilt dir!« erklären konnte er ihm nichts, denn schon waren sie von den Szent-Vilmoschern umringt. » Éljen! Kálmán Kislaky! und seine himmlische Braut, Fräulein Etelka Réty!« brauste es gegen den Himmel, und jedes Gespräch mußte verstummen.

Kálmán und selbst Ákos waren dergestalt überrascht, daß sie im ersten Augenblicke nicht wußten, was zu thun; aber als der Ispán mit herzerschütterndem Schalle rief: »Tragen wir den jungen Herrn zu Fräulein Etelka, unserer geliebten Stuhlrichterin!« und wie nun auf einmal zehn Arme nach dem glücklichen Liebhaber sich ausstreckten und ihn emporheben wollten, kam Kálmán von seinem Erstaunen zurück, und begann sich zu vertheidigen. Er bat, er fluchte, der alte Kislaky selbst, der wohl seinen Sohn Etelka zeigen, aber die Heirat nicht ausrufen lassen wollte, that alles Mögliche, auf daß Etelka's Name aus der Festrede ausgelassen werde. Umsonst, mit dreihundert Szent-Vilmoscher Gurgeln könnte nur die Posaune des Weltgerichts rivalisiren; und da Worte nicht fruchteten, so kam es zur That. Kálmán arbeitete gegen den andrängenden Haufen mit all seiner zurückstoßenden Kraft, und es ist nicht zu läugnen, daß er starken Eindruck auf manche für ihn glühende Szent-Vilmoscher Brust hervorbrachte; aber all sein Sträuben nützte nichts, und bald war sein schöner Attila Ein Nationalkleidungsstück. zerrissen, eine Flasche rothen Weines, die man ihm hinreichte, über seinem Haupte zerbrochen, wodurch der Ringende vom Kopf bis zu den Füßen übergossen wurde, und plötzlich schwebte er zwischen Erde und Himmel auf den Schultern von sechs kraftvollen Burschen; vergebens gebrauchte er Faust und Sporen, er wurde schnurgerade unter dem oberwähnten Zuruf zu dem Zimmer seiner Geliebten getragen.

Der Lärm lockte alle Gäste aus dem Hause, und Etelka's und Kálmán's Namen hörend, verwunderten sich die Einen, die Andern gratulirten; der Vicegespan lächelte verlegen, neigte und wiegte das Haupt, so daß seine Bewegungen weder als Ja, noch als Nein ausgelegt werden konnten, bis die Frau Vicegespanin, der zum Glücke der Einfluß Kislaky's bei der Restauration in den Sinn kam, sagte: »Das ganze ist ein Irrthum, und es war davon noch gar keine Rede;« Karvay aber schloß sich den Schreienden an und verkündete mit seiner mächtigen Stimme Ruhm und Preis des schönen Paares, dessen Szent-Vilmoscher Anhänger schon an Etelka's Thüre standen, an deren Schwelle ihr unglücklicher Verehrer in den Lüften tanzte.

Kálmán war außer sich, so vor der Geliebten zu erscheinen, die er noch früherer Fehler wegen um Vergebung zu bitten hatte; mit zerrissenem Attila, mit Wein übergossen, in den Armen von dreihundert Cortes – wer fühlt das Peinliche dieser Lage nicht!? Er bat, weinte, fluchte, alles zugleich, und alles ohne den geringsten Erfolg, wenn jene Göttin, oder jener Engel, der wahre Liebe schützt, es nicht so geleitet hätte, daß Etelka nicht in ihrem Zimmer gefunden wurde, sondern an ihrer Statt ihr zitterndes Stubenmädchen Rosi, und – o staunenswerthes Spiel des Schicksals! – neben ihr der hoffnungsreiche Notär von Szent-Vilmosch am Fenster erschienen wären.

Nach dem Entzücken, das wir bei dem Anblicke der Geliebten empfinden, ist das größte Glück, in gewißen Situationen mit dem Abgott unseres Herzens nicht zusammenzutreffen; und Niemand empfand dies lebhafter als in diesem Augenblick Kálmán, besonders als Ákos, um das stete Schreien des Namens seiner Schwester zu enden, die verehrte Versammlung aufmerksam machte, daß jeder Stuhlrichter auch einen Geschworenen brauche, und daß zu diesem Amte wohl Niemand tauglicher sein könne als der Notär Valentin Pennaházy, der nach diesen Worten unter entsetzlichem Lärm, statt von Rosi, von der öffentlichen Meinung in die Arme geschlossen, und mit seinem künftigen Stuhlrichter tanzend auf den Hof getragen wurde, um dem Vicegespan vorgestellt zu werden, der zu allem unausgesetzt lächelnd, seine volle Zustimmung gab.

Wenn irgend einer meiner Leser glauben sollte, ich hätte die Wahrscheinlichkeit dadurch verletzt, daß wir den Notär von Szent-Vilmosch bei Rosi gefunden haben, so kann ich zu meiner Rechtfertigung nur sagen, daß Rosi's schwarze Augen, wie Pennaházy's blonder gut aufgedrehter Schnurbart von der Art waren, daß nachdem Rosi und er zu Szent-Vilmosch, von wo sie aus einem adeligen Hause gebürtig war, öfter zusammengetroffen, es eben nicht zu wundern war, daß sie sich auch in Tiszarét aufsuchten; hierüber kann man sich also nicht wundern, wenn ich auch nicht erwähne, daß sowohl was ihre Persönlichkeit als ihre gesellschaftlichen Fähigkeiten anbelangt, keine zusammenpassenderen Individualitäten zu finden waren, auch wenn wir ihre schwarzen Augen und seinen blonden Schnurbart nicht berücksichtigen.

Meine Leser, von denen die meisten wohl wissen werden, wie unangenehm es Frauen, besonders aber Stubenmädchen ist, mit einem Manne allein getroffen zu werden, können sich Rosi's Verwirrung in Gegenwart so vieler Männer denken; aber nachdem sie ihren geliebten Notär auf den Schultern der Cortes neben Kálmán erblickte, nachdem sie die Stimmung der öffentlichen Meinung gehört, die ihn als Geschworenen bezeichnete, beruhigte sie sich, und mit dem Stoßseufzer, daß Pennaházy bald Geschworener und sie Frau Pennaházy werde, bereitete sie sich eben, in die Kaffeeküche zu gehen, als die Thüre des Nebenzimmers, welches auf denselben Gang mit Etelka's Zimmer ging, geöffnet wurde. Rosi blieb auf der Schwelle stehen und vernahm deutlich Macskaházy's Stimme, der die Thüre wieder schließend – denn er wohnte in dem Zimmer – zu seinem Gesellschafter die Worte sprach: »Punkt 7 Uhr bei dem Garten des Notärs.«

»Ich werde dort sein, gnädiger Herr!« antwortete die andere Stimme, die zwar ebenfalls morgenländisch, aber nicht die eines Ungars zu sein schien.

»Den Lohn kennst du,« erwiderte Macskaházy, und die beiden Sprechenden entfernten sich.

»Weh mir!« seufzte das erschreckte Stubenmädchen, als die Schritte der Forteilenden auf dem Steinpflaster des Ganges verklungen waren, »Macskaházy war im Zimmer und hat Alles gehört; denn solche Ohren hat Niemand auf der Welt. Er wird doch der gnädigen Frau nichts erzählen!« und nun schloß sie die Thüre ab, und entfernte sich, zwischen den Zähnen über den Fiskal und seinen Juden schmähend.

Und nun, geliebter Leser, wenn auch manchem unter euch Rosi's Gesellschaft unterhaltender scheinen möchte, ruft uns doch Wichtigeres ab; der Vicegespan hat auf sechs Uhr eine Conferenz Conferenzen nennt man in Ungarn die Privatberathungen der Parteien. angesagt; die Stunde naht, gehen wir in den Saal. In unserem Vaterlande besteht ein gewisser Zusammenhang zwischen Mittagsmahl und Politik; ich habe wenigstens immer gefunden, daß so wie mit einem guten Koch versehene, gastfreie Beisitzer nie ohne politischen Einfluß waren, so auch zu den Berathungen der öffentlichen Angelegenheiten zumeist solche Orte gewählt werden, wo jeder Sessel an ein vergangenes oder künftiges Mittagsmahl erinnert. Der Speisesaal, denn dies war der Ort, wo sich die Conferenzmitglieder nach und nach versammelten, erscheint jetzt in ganz anderer Gestalt. Statt des schneeweißen Tuches bedeckt grünes den großen Tisch, statt Flaschen und Gläser große Tintenfässer, und vor jedem Stuhle statt eines Tellers je ein Bogen Papier; und wenn nicht ein schwacher Krautgeruch und die Wände die nämlichen geblieben wären, so würden wir den Saal, der jetzt durch silberne Armleuchter erhellt ist, kaum als denselben erkennen, in dem vor ein paar Stunden so viel Lärm und Toaste gehört wurden. Jetzt war die ganze Gesellschaft in kleine Zirkel aufgelöst, die sich am Kamin, in den Fensterbrüstungen und um das Canapé herum, wo die Frau Vicegespanin saß, leise besprachen.

In einer Fenstervertiefung standen getrennt von der übrigen Gesellschaft, und wie es schien von wichtigen Gegenständen sprechend, drei Männer. Der eine mit dem gestutzten schwarzen Bart und aufwärts gestrichenen Haaren, der mit so viel Würde sein Haupt erhebt, als ob ihm seine Klafterhöhe, die er von der Natur erhalten, noch zu wenig wäre und er deshalb größer scheinen möchte, ist Slacsanek, bevollmächtigter Güterdirector des Grafen Kováry, des größten Gutsbesitzers im ganzen Comitate; nur aus Bescheidenheit nennt er sich Güterdireetor, nachdem derjenige, der, wie er, frei über etwas schaltet und den größten Theil der Einkünfte bezieht, sich mit Recht Besitzer nennen könnte. Der kleine untersetzte Mann neben ihm, der immer spricht oder doch von Zeit zu Zeit mit dem Kopfe nickt, mit den Händen gestikulirend seine Zustimmung ausdrückt, und durch gewichtige Ausrufungen als da ist: »Versteht sich! warum nicht gar! ej! ej! wer hätte das gedacht!« am Gespräche theilnimmt, ist Seine Hochgeboren Baron Sóskúti, ein wahrer Cavalier, wie die Frauen behaupteten, der beste Magnat Ungarns nach dem Urtheile der Männer, in dessen Gesellschaft Niemandem einfällt, daß er es mit einem Magnaten zu thun habe, dergestalt, daß er auf dem Debrecziner Markte einmal wirklich für einen Seifensieder war gehalten worden; ein verehrungswürdiger Mann, den man selten deutsch, nie französisch sprechen gehört hatte, und dessen conservative Grundsätze umso achtungswerther waren, weil Jedermann sah, daß er für seine Person auf die angestammten Güter keinen Werth legte. Der Baron mochte an die sechzig Jahre zählen, sein einst rothes Haar begann zu erbleichen, und am Abende des Lebens senkte sich die Röthe, wie es des Abends immer zu geschehen pflegt, tiefer auf sein Angesicht. Daß in der Gesellschaft solcher Männer, deren einer ein wirklicher Magnat, der andere noch etwas mehr ist, nämlich der Güterdirector eines reichen Grafen, der bei Restaurationen über beinahe tausend Stimmen zu gebieten hat, ein so vernünftiger Mann wie der Obernotär Krivér sich nur unterthänig benehmen konnte; daß sein Körper sich nur zu verneigen, seine Lippen nichts anderes zu sagen vermochten, als wie sehr er sich geehrt fühle, und »wenn Sie gütigst zu erlauben geruhen« – das werden die weisen Leser selbst einsehen; wer aber dieses Benehmen tadeln möchte, dem diene zur Erklärung, daß erstens Krivér zum zweiten Vicegespan gewählt werden möchte; zweitens, daß es ihm zur zweiten Natur geworden war, sich zu erniedrigen. Der Obernotär gehörte unter jene Männer, die ihre politische Laufbahn als Schreiber oder Secretäre großer Herren beginnen, und auch später Jenen gegenüber, von denen sie etwas zu erwarten haben, umsomehr Unterthänigkeit bewahren, je weniger sie von dieser christlichen Tugend unter Leuten verbrauchen, die unter ihnen stehen.

»Sie wissen also gewiß,« so sprach Slacsanek zum Obernotär, »daß der unglückliche Veszösy sich den Bántornyi'schen angeschlossen hat?«

»Gewiß, mit Schmerz muß ich es sagen, es ist ganz gewiß.«

»Hab' ich es nicht immer gesagt,« fiel jetzt der Baron ein, »hab' ich nicht tausendmal gesagt, daß ich zu Veszösy kein Vertrauen habe! Dieser Veszösy ist ein Liberaler, und was noch übler ist, er spricht immer von seinen Grundsätzen, hat Vermögen und –«

»Ganz richtig,« unterbrach jetzt Slacsanek den sich ereifernden Baron, »Veszösy ist ein mächtiger Mann; es war ein Fehler, daß wir ihn dazu gemacht, und daß wir ihn gerade in einem solchen Bezirke zum Stuhlrichter befördert haben, wo die meisten Stimmen sind, aber wie stehen wir in diesem Bezirke?« wandte sich Slacsanek zum Obernotär.

»Auch hier ist lauter Gefahr: Tengelyi ist gegen uns.«

»Tengelyi!« rief der Baron aus, »Tengelyi? ein Dorfnotär! ein großes Wesen! Tengelyi? wie viel Tengelyi's sind wohl nöthig, um bei der Restauration uns unter die Augen zu treten?«

»Nur um einen mehr als wir selbst sind,« erwiderte der große Director, »die Stimmen werden leider gezählt und nicht gewogen, und ich kenne wenig mächtigere Feinde als diesen Dorfnotär.« Der Baron schüttelte unbefriedigt das Haupt. Krivér fuhr fort: »Selbst Ákos thut zwar nichts offen gegen uns, aber auch nichts für uns.«

»Ei,« fiel der Baron ein, »ein schlechtes Kind, das seinen eigenen Vater nicht zum Vicegespan will. Ich sagte erst –«

»Wenn nur die Kislaky's uns treu bleiben, so bin ich wegen dieses Bezirks unbesorgt.«

»Ganz recht, aber die Kislaky's sind nicht verläßlich,« sprach wieder der Obernotär, »Kálmán beherrscht die Mutter, diese den Vater, dieser den ganzen Bezirk; und ich fürchte, daß Kálmán unzufrieden ist, seit Graf Havasy das Haus besucht.«

»Aber das heutige Ereigniß! Etelka ist ja als seine Braut ausgerufen worden.«

»Ja, durch die Cortes,« setzte der Obernotär leiser hinzu, »aber mir schien, daß das Ganze der Frau Vicegespanin nicht recht zusagte.«

»Sie haben Recht,« sprach der Baron lauter, »mir schien es auch so; ich stand eben neben der Frau Vicegespanin, als die Cortes Kálmán forttrugen; liebe gnädige Frau, sagte ich, als ich das Schreien hörte –«

»Wir müssen auf unserer Hut sein,« sprach Slacsanek, dem der Baron das Ganze ohnedies schon zu viel erzählt hatte, »denn wir stehen wirklich schlecht.«

»Was mich anbelangt,« antwortete Krivér mit demüthigem Lächeln, »so ist Ihnen mein Eifer bekannt; dafür steh ich zum Mindesten gut, daß im Lager unserer Gegner Nichts vorfällt, wovon ich unsere Partei nicht verständige.«

»Und wer die Pläne des Gegners kennt,« sprach der Baron fröhlich die Hände in einander schlagend, »hat die Schlacht schon halb gewonnen.«

»O, wenn es nur lauter solche Edelleute im Comitate gäbe, wie die Meinen,« seufzte Slacsanek, »wenn sie nicht so votisiren wie ich will, so nehm' ich ihnen ihre Felder weg, und dann können sie zu dem neuen Vicegespan betteln gehen. Solche Leute sind gerade geeignet mit uns zu restauriren.«

Das wichtige Gespräch wurde durch den Vicegespan unterbrochen, der die ganze, nunmehr vollzählige Gesellschaft zum grünen Tische rief. Die Conferenz sollte beginnen.

Nachdem Réty die Sitzung in gewohnter Weise eröffnet, wurde zuvörderst er zum ersten, der Obernotär Krivér zum zweiten Vicegespan einstimmig gewählt; dann wurde, wie dies bei dergleichen Conferenzen gebräuchlich, jedem der Anwesenden oder einem seiner Verwandten ein Amt zugesichert. Baron Sóskúty hielt über jeden zu Wählenden eine lange lobpreisende Rede, die nur von solchen Kennern nicht für ein Meisterstück erklärt wurde, von denen in derselben keine Erwähnung geschah. Dann aber kamen die Mittel in Berathung, durch welche die Majorität zu erwerben stand.

Nachdem diese Arbeit geendet war, löste sich die Gesellschaft wie vor der Conferenz in kleine Gruppen auf, bis der Ruf ertönte: »Die Suppe ist da,« worauf Alle zu ihren Plätzen eilten.

Und nun lassen wir die Gesellschaft in ihrer angenehmen Lage. Vielleicht hoffen Manche, daß ich in die Einzelnheiten des Nachtmahles eingehe, und erwarten etwa einige Daten über die Kochkunst des Taksonyer Comitates, doch genüge es zu sagen, daß die gnädige Frau, die zwischen Slacsanek und dem Baron den Präsidentenstuhl ihres Mannes eingenommen, sowohl durch öftere Verweise an die Dienerschaft, als auch durch häufiges Nöthigen ihre Obliegenheit als ungarische Hausfrau meisterhaft erfüllte, und daß das Nachtmahl im Ganzen für prächtig, die Schüsseln für zahllos gehalten wurden, und dies selbst von Jenen, die nicht, wie die Mehrzahl der Gäste, gegen das Ende des Soupers jede Schüssel und Flasche doppelt vor sich sahen.


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