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Unsere Erzählung ist bis zum Vorabend der Restauration vorgeschritten. Viertausend adelige Seelen gehen in Porvár auf und nieder, einzelne Abtheilungen der entgegengesetzten Parteien begegnen sich öfters. Die römischen Auguren entschieden nie über die Zukunft ohne einen Stock in der Hand; wer sieht also nicht ein, daß, wenn wir Ungarn über die Zukunft der einzelnen Theile des Landes, die wie bekannt, von dem Magistrat abhängt, auch mit dem Stock in der Hand entscheiden, dies nur die natürliche Folge jener elastischen Erziehung ist, die wir in der Schule erhalten. Daß wir nicht wie die Auguren mit unseren Stöcken in der Luft herumfechten, sondern den Lictus manchmal auf materiellere Gegenstände fallen lassen, mag ein Uebelstand sein, ist aber nur dem Geiste des Jahrhunderts zuzuschreiben, der dahin strebt, jedem Ding die nützlichste Seite abzugewinnen, und der daher auch die Stöcke auf die erfolgreichste Art anzuwenden bemüht ist. Den sichersten Nachrichten zufolge geschah dies auch zu Porvár an dem Tage, zu welchem wir in unserer Erzählung gelangt sind; es waren Katholiken und Protestanten, die als Blutzeugen ihres Glaubens, mit verbundenen Köpfen in den Schoß ihrer Familien zurückkehrten.
Wer je in seinem Leben geliebt hat, kann sich die Empfindungen vorstellen, mit denen Ákos sich am Vorabend der Restauration auf sein Roß schwang und, die staubigen Straßen von Porvár verlassend, gegen Tiszarét zusprengte. Es war schon Abend, als Ákos sich entfernte, ohne daß seine Abwesenheit bemerkt wurde. Schwerer Nebel deckte die Ebene zwischen Porvár und Tiszarét, und der Reiter, der über Wiesengrund hintrabte, konnte die rechte Richtung nur mit Mühe einhalten. Aber er fühlte die kalte Nässe nicht, die sein Gewand durchdrungen, die großen Hirtenfeuer, die hier und dort durch den Nebel auftauchten, verlockten ihn nicht, sich zu ihnen zu gesellen, sich zu trocknen und zu durchwärmen. Seine Seele war mit einer Glut erfüllt, wie sie die Strahlen der Sonne nicht zu geben vermögen, sein Herz erfüllten Freuden, wie die des Frühlings zu geben nicht im Stande sind. Die Gegend, in der er von der Kindheit frühesten Tagen, beinahe sein ganzes Leben zugebracht hatte, war ihm nie so schön, so paradiesisch erschienen, als jetzt unter dem Nebelschein des Herbsttages.
Die Leser werden sich erinnern, daß Etelka ihrem Bruder versprochen, daß er seine Geliebte während der Restauration werde sehen können. Sie hielt Wort und Ákos eilte mit glückseligkeitpochendem Herzen jenem Hause zu, von dem er ohne sein Verschulden verwiesen war, aber wo ein paar Stunden alle Leiden der Entfernung vergüten konnten. Daß Vilma und vorzüglich ihre Mutter in sein Erscheinen gewilligt, ist den Lesern wohl erstaunenswerth, die Tengelyi's uneingeschränkte Herrschaft in seinem Hause kennen, aber nur wenn sie vergessen, daß die Rückkunft des Notärs am Vorabende der Restauration beinahe unter die Unmöglichkeit gehörte, und daß es keine Macht gibt, die sich aufrecht erhalten könnte, wenn das Herz dagegen spricht.
Eine ungarische Hausfrau, die einen Gast erwartet, ist nie ruhig, und wenn der Fremde, den sie an ihrem Tisch empfängt, das unausstehlichste Geschöpf wäre, wird sie sich doch abmühen, daß wenigstens das gebratene Spanferkel, Nach altungarischer Sitte setzt man dem willkommenen Gast einen Indian, dem unwillkommenen ein Spanferkel als Braten vor. Bei Brautwerbungen war dies besonders der Fall, und vor Zeiten brachte der Brautwerber sein Anliegen nie vor Tisch an. War der Braten ein Spanferkel, so sprach er gar nicht, sondern zog in der Stille wieder ab. welches ihm dies kundgeben soll, schön gebräunt und saftig gebraten sei. Wie viel Sorge liegt also auf ihren Schultern, wenn der Erwartete, wie dies jetzt der Fall, eben der junge Mann ist, den sie für ihre einzige Tochter als Gemahl ersehnt. Nur meine Leserinnen auf dem Lande können sich die schweren Besorgnisse der Frau Elisabeth vorstellen; nur sie wissen, wie vielerlei auch in dem bestgeordneten Hause bei solcher Gelegenheit zu ordnen, zu säubern, auf den rechten Platz zu stellen ist, mit wie viel Plage die Bereitung der Mandeltorte verbunden ist, wie viel Aufmerksamkeit es erheischt, daß der Indian, dieser häusliche Postillon d'Amour nicht angebrannt, daß die Suppe, diese Verrätherin der geheimsten Empfindungen der Köchin, nicht versalzen werde, Verliebte Köchinnen versalzen die Suppe. – Sprichwort. mit einem Worte, daß Alles so sei, wie es die Hausfrau wünscht, und wenn nun das Mittags- oder Abendessen aufgetragen wird, und sie, der Sitte nach, jede Speise tadelnd, bei jeder Schüssel um Vergebung bittet, sie dies wenigstens im ruhigen Selbstbewußtsein mit lächelndem Angesicht zu thun vermöge.
Frau Elisabeth freute sich des Besuches, und Vilma selbst konnte durch die Liebe des jungen Mannes nicht glücklicher sein als ihre Mutter, die, wie die guten Eltern gewöhnlich, wenn sie auch für ihre Person allen glänzenden Hoffnungen entsagt haben und in ihrer Stellung ganz zufrieden sind, mit viel höheren Wünschen ihre Tochter betrachten. Ákos, der schönste, wohlerzogenste junge Mann im Comitat, dem in der ganzen Nachbarschaft Niemand an Reichthum überlegen war, der seinem Vater vielleicht als Vicegespan nachfolgen wird – und Vilma das sanfte Himmelskind; gibt es wohl ein besser zusammenpassendes Paar auf der ganzen Welt? Gott selbst, so scheint es, hat diese beiden liebenswürdigen Wesen für einander bestimmt; so dachte Elisabeth, als sie zum fünfzigstenmale in die Küche ging. Warum diese Herzen von einander reißen, die glücklich nur zusammen schlagen können? Die gute Frau war zum erstenmale in ihrem Leben in dem Fall, gleichsam mit ihrem Gatten unzufrieden zu sein, der Ákos das Haus verboten und, so oft dessen Liebe von ihr oder Vándory erwähnt wurde, die Hoffnungen seiner Frau Thorheiten nannte. Sie, die einem Thron entsagt haben würde, um ihr Herz mit dem armen Dorfnotär theilen zu können, wie konnte sie ahnen, daß Andere anders zu fühlen vermögen? Waren nicht auch bei mir Hindernisse? so dachte sie weiter, mahnten nicht meine Eltern, daß ich lieber Macskaházy heiraten solle, der mir gewisses Brod geben konnte; war mein Vater nicht ungehalten? und bin ich trotz alledem nicht Tengelyi's Frau? Und was ich, eine schwache Frau, vermochte, sollte dies nicht Ákos auch im Stande sein, da er an unserem Beispiele sehen kann, daß nur Liebe auf der Welt beglückt? Und Elisabeth schaute zurück auf ihr Leben, und Thränen traten ihr in die Augen, als sie sich all des Glückes erinnerte. Aber auch die Leiden der Vergangenheit fielen ihr ein; so viele Entbehrung, so viel Noth, unter denen die schönsten Tage ihres Lebens verflossen waren, so viel ernste Sorgen, die sie mit dem ganzen Schatze ihrer Liebe nicht im Stande war vom Angesicht ihres Gatten zu verscheuchen. O nein! so sprach sie zu sich selbst, ihre Augen trocknend, diese Kümmernisse darf meine Vilma nicht erfahren; ich zwar bin bei allem dem glücklich gewesen, aber sie ist zarter, sie könnte das nicht ertragen, ich weiß wie bitter es ist, wenn wir täglich einen Theil unseres Glückes in das tägliche Brod legen müssen. Vilma wird glücklicher sein. Ákos ist reich, und Vándory, der ihn erzogen hat, der ihn wie sein eigenes Kind liebt, hat oft versichert, daß er für ihn bürge. Und die glückliche Mutter sah ihre Tochter schon im Herrenhause, im prächtig eingerichteten Empfangszimmer, sie lustwandelte mit ihr unter den hohen Bäumen des Gartens, ging mit ihr in den Meierhof – und die Brust schwellte ihr in Lust, als sie neben dem knisternden Küchenfeuer die Freuden überschaute, die ihrer geliebten Tochter warteten.
Und Vilma saß in der Stube und ließ ihre Augen auf den Blumen ruhen, mit denen sie die bescheidene Wohnung zum Empfang ihres Liebsten geschmückt hatte; aufgeschlagen lag vor ihr das Buch, daß sie einst von ihm erhalten und in dessen Zeilen sie ganz andere Gedanken und Gefühle las, als die der Verfasser schilderte; auf dem kleinen Clavier lagen die Lieder aufgeschlagen, die Ákos am meisten liebte, in ihrer Seele all die Seligkeit, mit der die Liebe das reine Herz eines siebzehnjährigen Mädchens erfüllen kann. Sie schwärmte auch, aber Haus und Garten, Namen und Reichthum hatten keinen Theil an ihren Träumen. Ihre Seele war in die Vorempfindung unendlicher Wonnen versenkt, die zu beschreiben, in ihre Einzelnheiten aufzulösen, unmöglich war; und wenn etwas Bitteres diese süßen Empfindungen durchzog, so würde dies eben die glänzende Stellung ihres Geliebten gewesen sein, die ihre Mutter so beglückte. O wär' er lieber arm, nichts besitzend, worauf er sich stützen könnte, o wenn er auf keine anderen Freuden zählen könnte, als die ihn an Vilma's Seite erwarten, wenn er nichts auf der Welt zu erwarten hätte als jene Liebe, in deren Besitz sein Herz alles Andere vergäße! Wie glücklich wäre ich, wenn ich für ihn arbeiten, wenn ich durch eigene Mühe ihm sein Glück schaffen könnte; aber ist er nicht auch so glücklich? Nächst der Wonne, daß der geliebte Gegenstand Alles uns zu danken hat, gibt es kaum eine größere, als die, daß wir ihm alle unsere Freuden zu danken haben. Die Befriedigung der täglichen Bedürfnisse ebenso wie unsere unaussprechliche Glückseligkeit kommen von ihm, von dem wir sie ohne Erröthen annehmen können, denn wir tragen den unerschöpflichen Schatz des Dankes in der Brust und fühlen es, daß wir nicht die Schuldner desjenigen sein können, dem wir Alles geopfert. Gibt es auf der Welt ein größeres Glück als dies? Und Vilma saß dort vor dem aufgeschlagenen Buche, und Minuten und Stunden vergingen und die glückliche Träumerin bemerkte es nicht.
Nicht so Elisabeth, die unter ihren wichtigsten Beschäftigungen der Zeit nicht vergaß. Der Indian bräunte sich, die Torte drohte hart zu werden, und als die gute Frau in das Zimmer trat und sah, daß der Zeiger der achten Stunde nahe, schüttelte sie bedenklich das Haupt. Als aber auch diese Stunde vergangen war, und er noch immer nicht kam, und als sie bei der Küchenthüre hinaussah, und durch Nebel und Finsterniß kaum des Nachbars Haus zu erblicken vermochte, erfaßte sie eine ungeheure Besorgniß.
Sie ging zu Vilma, die durch der Mutter Fragen auf die Zeit aufmerksam geworden war, und um sich das Herz zu erleichtern, begann sie die Tochter zu trösten. »Er wird gewiß bald hier sein,« so sprach sie, »und das einzige Uebel dabei ist, daß das ganze Nachtessen verdirbt. Besorge nichts, mein liebes Kind,« fuhr sie, so viel ihr möglich war, im fröhlichen Tone fort, »es ist zwar sehr neblig, man sieht nicht einmal die Wände des Nachbarhauses, aber Ákos geht im Nebel sicherer als andere bei Tag. Im Rohrfeld gibt es noch keine Wölfe, ihm ist es nur eine Kleinigkeit in finsterer Nacht zu reiten.« Und die Gute lachte und stellte sich über das lange Ausbleiben ungewöhnlich lustig. Aber die Rede hatte eine ganz andere Wirkung als sie haben sollte. Vilma hatte bis jetzt noch nicht daran gedacht, daß irgend etwas ihr Glück stören könnte, aber als ihr bei diesen Worten einfiel, daß ein Unfall, der Ákos getroffen, auch im Reiche der Möglichkeit liege, erfüllte statt der früheren Ruhe unendliche Besorgniß ihre Brust. »Gott! wenn ihn ein Unglück getroffen!« rief sie, vom Stuhle aufspringend, »ich bin daran schuld!«
Elisabeth sah in den bleichen Wangen ihres Kindes die Wirkung, die ihre Rede hervorgebracht hatte.
Vilma öffnete das Fenster und sah hinaus, und wie sie den Nebel bemerkte, der ihre Locken im Augenblick befeuchtete und der ihr von der lichten Stube aus noch finsterer schien, schauderte ihr Herz bei dem Gedanken, daß ihr Ákos in diesem Wetter draußen auf der großen Ebene herumirrte. Sie ging auf den Hof, und die tiefe Stille, nur durch fernes Hundegebell unterbrochen, erfüllte ihre Brust mit Beben, und die sichtliche Unruhe der Mutter, die hundertmal versicherte, daß es beinahe unmöglich sei, den Weg zu verfehlen, vermehrte nur ihre Furcht.
Eine halbe Stunde mochte vergangen sein, als plötzlich Rossegetrab aus der Ferne ertönte. Pochenden Herzens horchte Vilma auf. Das Getön verstummte, der Reiter war, so schien es, in einer gewissen Entfernung stehen geblieben, und die Augenblicke wurden zu Stunden, während Elisabeth und Vilma die Schritte zählten, mit denen Jemand von derselben Seite, von wo man das Getrabe vernommen hatte, sich dem Hause nähern konnte. Man kann sich die unangenehme Ueberraschung denken, mit der die Erwartenden statt Ákos die alte Lipták in die Küche eintreten sahen, welche, die kurze Bunda über den Achseln, gerade zum Herde eilte, und während sie einen guten Abend wünschte, sich die alten Glieder zu wärmen begann.
»Also ihr seid es,« sprach Elisabeth den Gruß erwidernd, indeß Vilma kaum ihre Thränen zu unterdrücken vermochte und seufzend sprach: »O Mutter, er kommt nicht, sicher hat ihn ein Unglück getroffen.«
»Vielleicht hat er nicht zeitlich genug fort können,« sprach Elisabeth tröstend, »und des Nebels wegen hat er es vielleicht auf Morgen gelassen.«
»Auf Morgen gelassen,« sprach die Lipták lächelnd, die im Notärshause sich jener Vertraulichkeit erfreute, die zwischen Höheren und Niederen hier und dort auf den Dörfern noch besteht, und die daher sehr wohl wußte, daß Ákos erwartet wurde. »Sage die gestrenge Frau dergleichen nicht. Glauben Sie, wenn statt des Nebels lauter Donnerkeile herunterfielen, der junge Herr Ákos würde deshalb ausbleiben? Ákos wegen ein bischen Nebel? Ei, mein liebes Fräulein, wer eine Liebste hat wie Sie, der geht selbst dem Tode entgegen.«
»Redet doch keine solchen Narrheiten,« sprach Elisabeth, »Vilma ist Niemandens Geliebte, wißt Ihr es?«
»Schon gut, schon gut,« erwiderte kopfwiegend die Lipták, »wir wissen es; aber wir armen Leute pflegen es doch nur die Liebste zu nennen, aber ob Liebste, ob Braut, derjenige, den Fräulein Vilma erwartet, kommt gewiß, und wenn auch ägyptische Finsterniß sich über die Welt verbreitet.«
»Ich glaube selbst, daß er kommt,« sprach Vilma zitternd, »Ákos ist muthig, er kennt keine Gefahr, aber, gerade das ängstigt mich, die Nacht ist so finster, und wenn ihm ein Unfall begegnet wäre.«
»Die Nacht ist finster,« sprach die Lipták ernst, aber in einem Tone, der bei dem Hörer Ueberzeugung erwecken mußte, »aber wacht das Auge Gottes nicht über der Finsterniß? Und Er, ohne dessen Willen kein Sperling vom Dache fällt und kein Haar von deinem Haupt, bewahret die Guten auf ihren Wegen. Fürchten Sie nichts mein süßes Fräulein,« setzte sie scherzenden Tones hinzu, »dem jungen Herrn Ákos widerfährt nichts Uebles, vielleicht ist ihm ein bischen kalt geworden, aber wenn er in Ihre schönen Glutaugen sieht, wird er so durchwärmt, wie jetzt wir. Das wäre schön, wenn ein Bursche wie er, nicht im Stande sein sollte, ohne Unfall von Porvár hieher zu reiten! Ja, wenn es so ein geschniegelter Cavalier wäre, das wär' was Anderes, aber Ákos ist ein tüchtiger Bursche, ich esse seine Seele. Ein ungarischer Liebesausdruck. Er ist an meiner Milch aufgewachsen, Ungarische Redeweise für: ich habe ihn gesäugt. er ist nicht so wie die andern.«
»Ei, Frau Lipták, wenn er nur hier wäre,« sprach Vilma zur Alten, während die Mutter in das Zimmer ging, »ich kann nicht sagen, wie ich mich fürchte.«
Flüsternd antwortete Jene: »Mir selbst wäre es lieb, wenn die gestrenge Frau von der Küche wegbliebe, ich weiß noch Andere, die eben jetzt von noch weiterem Wege gekommen sind, und die gleichfalls nicht ins Haus hereindürfen, bevor der junge Herr nicht angekommen ist.«
»Um Gotteswillen,« sprach Vilma leise, »ist Viola hier?«
Die Antwort wurde durch Tritte unterbrochen, und einen Augenblick darauf stand Ákos am Herde. Ich werde nicht zu schildern versuchen, was Vilma in diesem Augenblick empfand, wer sie aber jetzt sah, die unendliche Freude, die plötzlich im lieblichen Antlitz leuchtete, das Leben, mit dem sie ihm die Hand reichte, wer den Ton vernommen, mit dem sie seinen Namen rief, als sie ihn erblickte, und mit dem sie die Mutter rief, als sie mit ihm in die Stube eilte, der konnte mit der Lipták ausrufen: »Ei! wie glücklich ist dieser Ákos!« und die Alte wischte sich mit der kurzen Bunda die Augen aus.
Die alte Amme, die in ihrer Liebe dem schönen Zögling auch das verzieh, daß er jetzt vergessen sie zu grüßen, was er doch sonst immer gethan, und die den jungen Mann, den sie auf ihren Armen getragen, trotz dieser Vernachlässigung für den vollkommensten Menschen auf der Welt hielt, zog ihr großes Tuch über den Kopf, hielt die kleine Bunda an der Brust zusammen und ging hinaus. »Jetzt fort um Viola,« murmelte sie vor sich hin, »die lieben sich auch. Ei!« sprach sie kopfschüttelnd weiter, »meine Augen sind wirklich naß geworden, wie ich die beiden Kinder gesehen. Wer kann dafür, daß mir bei solcher Gelegenheit immer mein Jancsy einfällt? Wie ich ihn geliebt habe, wie glücklich wir waren, und jetzt liegt der Arme draußen in Frankreich, wie sie sagen. Die heilige Schrift sagt: was Gott verbunden, sollen die Menschen nicht trennen, aber deshalb hat ihn das löbliche Comitat doch zum Soldaten gestellt.«
Aus diesen Gedanken wurde sie dadurch erweckt, daß Jemand beim Hause ihren Namen leise rief.
»Wer ist hier?« fragte die Alte stehen bleibend.
»Ich, ich,« flüsterte der Andere und legte die Hand auf ihre Schulter, »kennt Ihr mich denn nicht?«
»Du bist es, Peti?« rief die Alte verwundert, »ich glaubte, du seiest in Porvár, wo kommst du her?«
»Um Himmelswillen redet nicht so laut! ist er da?«
»Viola?«
»Wer denn sonst?«
Seit die Lipták gehört, daß unter Viola's eigener Bande Spione ihn belauerten, war sie vorsichtig und schwieg.
»Auf mich werdet Ihr doch keinen Verdacht haben?« sprach der Zigeuner ungeduldig, »seit gestern früh renne ich umher, ich muß noch heute mit ihm sprechen, meine Füße tragen mich nicht mehr, und wenn Ihr nicht wißt, wo er jetzt ist, so muß ich auf der Stelle wieder weiter.«
»Und so was Wichtiges hast du mit Viola?«
»Ich muß unausweichlich mit ihm sprechen.«
»So komm mit mir,« sprach die Lipták, die bei der klagenden Stimme des Zigeuners ihren früheren Verdacht bereute. Und an das kleine Häuschen gelangt, gingen sie, eins nach dem Andern, durch die kleine Thüre der Umzäunung; Peti, gegen seine Gewohnheit sich auf einen Stock stützend, ermüdet, wie ihn vielleicht in Tiszarét noch Niemand gesehen.
Im Hause des Notärs verflossen indeß glückliche Augenblicke. Die Liebe, so sagt man, verdirbt den Appetit, aber ein vierstündiger Ritt, besonders im Alter unseres Helden, bringt viel zurecht, und Frau Elisabeth hatte alle Ursache mit ihrem Gaste zufrieden zu sein, der, durch den langen Ritt ermüdet, bis auf die Knochen durchfroren, jetzt in dem gutgeheizten Zimmer vor den dampfenden Schüsseln Elisabeths alle Freuden des Daseins genoß, und wenn er Vilma's erröthendes Gesicht betrachtete, die am kleinen Tisch gegenüber saß und die Mutter manchmal im Nöthigen unterstützte, oder einzelne Fragen an ihn richtete, mehr um die Stimme des Antwortenden, als die Antwort zu hören, sich unaussprechlich glücklich fühlte.
»Noch ein kleines Stück von dieser Torte,« sprach Elisabeth, als Ákos mit dem besten Willen nicht mehr zu essen vermochte, »sie ist freilich nicht so gut gerathen als die, an welche der gnädige Herr gewöhnt sind, es ist nur so wie es in unserem armen Hause möglich ist. Sie ist vielleicht ein wenig zu braun, denn der gnädige Herr sind so lang ausgeblieben, aber sie ist weich, ich bitte, belieben Sie.«
Ákos, der in diesem Augenblicke alles ergriffen hätte, um sich von der Torte zu retten, erhob Klage gegen die Titulatur. »Bin ich denn ein Fremder, daß Sie mich gnädiger Herr nennen? finden Sie kein schöneres freundlicheres Wort für mich?«
Elisabeth war verwirrt, aber in dem Blicke, mit dem sie Ákos ansah, lag so viel Liebe, so viel unendliche Wonne, daß Ákos ihre Hand ergriff, sie küßte und bat: »Nennen Sie mich Ihren Ákos, Ihren Sohn, auf der Welt gibt es keinen Titel, nach dem ich mich mehr sehne.«
»Mein lieber Ákos, mein Sohn, wenn Sie es so wollen,« sprach Elisabeth, und Thränen schimmerten in ihren Augen, »Sie sind gut, Ákos, ein edler Mensch, Niemand auf der Welt verdient Vilma's Liebe so, wie Sie, aber Sie ahnen doch nicht, welch' einen Schatz Sie in diesem Mädchen besitzen.«
Sie stand auf, Vilma sank an die Brust ihrer Mutter, Ákos küßte ihr leidenschaftlich die Hand, und in der Seele erhob sich in ihm die Erinnerung an seine eigene Mutter.
»Bin ich nicht wirklich ein Kind?« sprach endlich Elisabeth, sich die Augen trocknend, »ich weine aus Freuden, wenn ich die Beiden nebeneinander sehe, und die ganze Glückseligkeit fühle, die Ihr in Eurer Liebe finden könntet, und vergesse, wie viele, vielleicht unübersteigliche Hindernisse noch zwischen Jetzt und dem Augenblick liegen, an dem ich Ákos meinen Sohn nennen kann. Ich meine, liebes Kind,« sprach sie zu Vilma gewendet, »du ließest Tischtuch und Schüssel abräumen und sähest, ob der Bruder schon schläft.« Und als das Mädchen den Tisch geordnet hatte und herausging, sandte sie ihr einen Blick nach, in dem sich ihre ganze Liebe spiegelte, und sie drückte Ákos die Hand und sagte mit bebender Stimme: »Ákos, machen Sie das Mädchen glücklich.«
Statt aller Antwort erwiderte Ákos den warmen Händedruck und Thränen traten ihm in die Augen.
»Sie wissen nicht, Sie ahnen nicht, wie sehr dieses Mädchen Sie liebt, wenn sie sich je getäuscht sähe, wenn sie –«
»Und halten Sie mich für so niedrig,« unterbrach sie Ákos leidenschaftlich, »für so schlecht, daß ich der Liebe Vilma's unwürdig werden könnte?«
»Nein, mein lieber Ákos, nein,« sprach Elisabeth ruhig, »ich achte Sie und wenn ich das nicht thäte, so würden wir nicht von derlei zusammen sprechen. Ákos, Sie sind reich, Sie haben eine große Zukunft, das füllt meine Brust mit Besorgnissen, betrachten Sie alle größeren Häuser, die Sie kennen, wie viele sind es, in denen sie wirkliche Liebe, wirkliches Glück antreffen? Wem das Leben hundert Freuden, hundert Genüsse bietet, wen Lob, Glanz, Ruhm, Volkskunst umgibt: besitzt der so viel Kraft, sein Herz unter so viele Gegenstände nicht zu theilen? Und Vilma bedarf eines ganzen Herzens, um sich glücklich zu fühlen.«
Elisabeth fühlte sich glücklich bei dem Gedanken, ihre Tochter in einer glänzenden Stellung zu sehen, und doch war in diesem Augenblicke ihre Seele voll Besorgnisse, eben weil sie an der Erfüllung ihrer Wünsche stand. Aber diese Besorgnisse, die Elisabeth's Haupt durchflogen, konnten den warmen Worten des jungen Mannes nicht widerstehen, der von der Unwandelbarkeit seiner Liebe viel zu sehr überzeugt war, als daß er nicht auch Elisabeth, die selbst nichts Anderes wünschte, hätte überzeugen können.
»Ich glaub' es, mein guter Ákos,« sprach sie, »ich zweifle nicht, ich habe nie an Ihrer Liebe gezweifelt, verzeihen Sie, wenn die Mutter manchmal unbegründete Besorgnisse äußert, besonders in einer Lage, wie die unsere. Haben Sie die Hindernisse alle bedacht?«
»In Kurzem bin ich vierundzwanzig Jahre alt, und wer befiehlt mir dann? Das Erbe meiner Mutter, in dessen Besitz ich bereits bin, reicht für mich und meine Frau hin, und wenn mein Vater, was ich nicht glaube, auch eine Zeit mit mir unzufrieden wäre, so gibt es doch keine Liebe auf der Welt, die ich mit der Liebe meiner Vilma vertauschen möchte.«
»Ich glaube dies Alles, mein lieber Ákos,« sprach Elisabeth, »aber mein Jonas, Niemand kennt ihn so wie ich, ein schönes Gemüth, ein wahrer Engel! aber wenn er glaubt, daß irgend etwas mit seinen Grundsätzen im Widerspruch steht, so gibt es keine Macht, die ihn dazu brächte.«
»Die Liebe ausgenommen,« sprach Ákos dazwischen.
»Auch diese nicht, glauben Sie mir, Freund, auch diese nicht,« antwortete Elisabeth, »Jonas hat nichts auf der Welt so geliebt, wie mich. Gott segne ihn dafür, aber doch würde ich nichts von ihm erlangen, was gegen seine Ueberzeugung ist.«
»Aber kann es gegen seine Ueberzeugung sein, die Tochter glücklich zu machen? Und warum sollten wir an der Einwilligung meines Vaters verzweifeln? Niemand kennt ihn besser, als Vándory, und hat der nicht hundertmal gesagt, daß er sich für die Einwilligung des Vaters verbürge?«
Elisabeth beruhigte sich und drückte mit freudestrahlendem Gesicht die eben eintretende Tochter an ihre Brust.
»So, meine Kinder,« sprach Elisabeth, indem sie Ákos und Vilma bei den Händen nahm, »liebt Euch treu und wahrhaft; und der gute Gott wird nicht erlauben, daß Jemand Eure Herzen trenne. Jetzt redet mit einander, sprecht Euch gut aus, wer weiß, wann Ihr wieder beisammen sein könnt.«
»Vilma,« sprach Ákos leiser, indem er die Hand des erröthenden Mädchens ergriff, »als ich kam, waren Thränen in Ihren Augen; warum haben Sie geweint?«
»Lachen Sie mich aus, ich bin ein schwaches Mädchen; aber wir waren alle in Besorgniß; auch die Mutter; und wie ich Sie nun in meiner größten Angst plötzlich vor mir sah –«
»Engel! wie beglücken Sie mich durch Ihre Liebe! wenn ich Ihnen in die Augen schaue und den warmen Blick sehe, der auf mir ruht, und die Stimme höre, in der so viel Gefühl liegt, wenn ich Ihre Hand an die Lippen drücke, und mir einfällt, daß diese Hand mir gehören wird, daß vielleicht in kurzer Zeit ich alle die Glückseligkeit, die Ihre Liebe zu geben vermag, mein nennen darf, so scheint es mir beinahe, als ob ich träumte oder als ob ein Unglück kommen müsse; denn es ist nicht möglich, daß der Mensch so glücklich sei auf Erden.«
»Um Gotteswillen, haben Sie auf sich Acht,« sprach Vilma, durch diese Worte aufgeregt, in denen die ganze Leidenschaft der jungen Brust sich spiegelte, »Sie sind muthig und verachten jede Gefahr, aber denken Sie auch an uns. Die Mutter hat auch heute so viel Angst ausgestanden.«
»Weil ich so lange ausgeblieben bin?«
»Freilich, und der Nebel; man sagt, daß in den Szent-Vilmoscher Sümpfen schon einige Menschen zu Grunde gegangen sind.«
»Sie können ruhig sein, liebe Vilma, wenn mich nie größere Gefahren bedrohen, als auf dem Porvárer Wege,« erwiderte Ákos lächelnd, »der Szent-Vilmoscher Sumpf, wenn ich mich doch wirklich hin verirren sollte, ist jetzt nicht tief genug, daß ein Kind darin ertrinken könnte, und die einzige Gefahr, die ich heute, zu meiner Schande, sei es gesagt, bestehen mußte, war die, daß ich nicht gerade hieher gefunden; ich habe mich verirrt. Der Nebel war so dicht, daß ich, der ich doch schon hundertmal von Porvár nach Tiszarét geritten bin, dennoch den Weg verlor, und ich würde vielleicht noch auf der Ebene herumirren, wenn ich nicht eben in der Richtung, die ich zu nehmen hatte, plötzlich Hufschlag vernommen hätte. Ich nahm meinen Weg dorthin, aber als ich dem Reiter nahe war, fing er an zu galoppiren, später zu rennen, was er nur vermochte. Ich ihm nach, so gut es mein Roß zu leisten im Stande war; endlich erblickte ich Licht durch den Nebel, ich lenke hin und war bei unserer Csárda. Der Reiter ist wahrscheinlich aus unserem Dorfe gewesen und hat mich für einen Räuber gehalten; aber sei er gewesen, wer er will, Gott segne ihn, daß er mir gerade in den Weg kam und mich hieher leitete; ohne ihn hätten wir uns heute nicht gesehen.«
»Und der Rückweg?« fragte Vilma, einen sorgenvollen Blick auf ihn heftend, »die Mutter sagte, daß Sie noch diese Nacht zurückreiten wollen.«
»Freilich muß ich das. Wenn mein Besuch unbekannt bleiben soll, so muß ich zeitlich am Morgen in Porvár sein. Mein Pferd habe ich an den Gartenzaun gebunden; nach Mitternacht sitze ich auf und zur Morgenröthe bin ich wieder im Comitatshause. Zweimal in einem Tage werde ich mich nicht verirren, dafür stehe ich.« – Ákos sah, daß Elisabeth unter ihren glücklichen Gedanken entschlummert war, und fuhr mit leiserer Stimme fort: »Aber, liebe Vilma, so kann das nicht bleiben, der unausgesetzte Zwang, in dem wir leben, ist unausstehlich; ich werde mit Ihrem Vater reden.«
»Thun Sie das nicht,« sprach Vilma bittend, »bis Ihr Vater Ihre Wahl nicht billigt, dürfen wir auf die Zustimmung des meinen nicht rechnen.«
»Aber mein Vater wird meine Wahl billigen. Wenn ich ihm mein Herz ganz öffne, wenn ich ihm sage, wie ich dich liebe, und daß mich außer deiner Liebe nichts auf der Welt beglücken kann, wenn ich ihm sage, daß mir das Leben zum Himmel wird, wenn ich es mit dir theilen kann, aber daß es mir zum Fluch dient, wenn ich allein bleiben soll, und wenn ich dann seinen Segen begehre, nichts als seinen Segen; glaube mir, er wird mir ihn nicht versagen. Er ist ja mein Vater; und wie oft hat er gesagt: daß er Niemand auf der Welt mehr liebe als mich. O Vilma! wir werden glücklich.«
Vilma zog die Hand nicht zurück, die Ákos leidenschaftlich ergriffen hatte, sie sprach kein Wort, ihn in seinen Hoffnungen zu bestärken, aber mit unendlicher Wonne in den Augen schaute sie zu dem Geliebten auf.
»Ja, Vilma, wir werden glücklich sein. Ich habe mit deiner Mutter geredet, und ihr alle meine Verhältnisse auseinander gesetzt. Im dritten Dorfe von hier habe ich ein Haus, es ist von der Mutter auf mich vererbt, es ist klein und einfach; der Vater hat es mir übergeben, damit ich dort wirtschafte; dort werden wir leben; wo du bist, ist das Paradies auf Erden. Deine Eltern nehmen wir mit.«
»O, wie schön wäre das!« sagte Vilma.
»Ja, Liebste, und deinen kleinen Bruder auch, nicht wahr? und –«
»Die alte Lipták vielleicht,« sprach das Mädchen in Freude lächelnd, »sie liebt uns so!«
»Die alte Lipták, das versteht sich von selbst; Vándory wird uns auch zuweilen besuchen.«
»O, der kommt gewiß, wir richten ihm einen großen schönen Lehnstuhl, einen solchen, wie der dort beim Ofen; wenn er bei uns ist, sitzt er immer in dem Sessel. O Gott, wie schön wird das sein! Ein Garten ist auch dabei, nicht wahr?«
»Ein schöner, großer Garten,« antwortete Ákos, der sich kaum enthalten konnte, sie an das Herz zu drücken, so liebreizend war sie in der Freude, die sich in ihren Zügen spiegelte. »Ein großer Garten, voll Rosen.«
»Rosen?« fiel Vilma ein und schlug die Hände freudig zusammen, »und wenn Sie von der Jagd zurückkommen oder von Porvár, oder von hier, und ich den Hufschlag Ihres Pferdes von weitem höre, komme ich Ihnen mit lauter Rosen entgegen; in den Haaren, in den Händen, lauter Rosen. Ihr Zimmer soll voll der schönsten Blumen sein. O wie glücklich werden wir sein!«
»Vilma,« sprach Ákos mit bebender Stimme, ihre Hände leidenschaftlich küssend, »kannst du auch nur entfernt ahnen, wie glücklich wir sein werden?«
Vilma zog ihre Hände verschämt zurück und seufzte: »Wer weiß, ob das Alles je in Erfüllung geht.«
»Ob es in Erfüllung geht?« sagte er, wieder ihre Hände leidenschaftlich an die Lippen pressend, »wenn Gott zwei Wesen ein solches Glück zeigt und in ihrem Busen die Ueberzeugung erschafft, daß ihnen, ohne dieses Glück, das Leben zum Fluche wird, kannst du dann zweifeln?«
Seine Hände zitterten, in seinem bleichen Gesichte, im flammenden Blicke war eine Leidenschaft ausgesprochen, die Vilma noch nicht gesehen, vor der sie beinahe erbebte.
»Ákos,« sprach sie mit sanfter Stimme, »Sie sind krank, beruhigen Sie sich .«
»O Vilma, entziehe mir deine Hand nicht, sprich mit mir nicht so fremd, nenne mich deinen Geliebten, nenne mich du, ich bitte dich –«
Vilma schwieg, ihre Hände bebten.
»Bist du nicht meine Verlobte? Bist du nicht mein vor Gott und deinem Herzen, warum diese kalte Scheidewand zwischen uns?«
»Mein Ákos!«
»Ich bitte dich, nenne mich du, ich kann nicht anders mit dir reden, das Herz kennt keinen anderen Titel! Sieh! es ist meine erste Bitte.«
Vilma erröthete.
»O sage, daß du mich liebst, sage, daß du dich nicht von mir trennst, es komme was da wolle, sage, daß du mein bist.«
»Dein,« sprach leise, beinahe unhörbar Vilma – und Ákos schloß das bebende Mädchen an seine Brust und des jungen Mannes leidenschaftlicher Kuß brannte zum erstenmale auf ihren Lippen.
In diesem Augenblick ertönte starker Lärm aus dem Nebenzimmer, als ob ein schwerer Körper zur Erde falle, hierauf ein erstickter Schrei; Mannstritte; und wieder alles still. Vilma schrie laut, sich aus den Armen des Geliebten loswindend, Elisabeth sprang vom Armstuhle auf. Ákos eilte mit dem Licht zur Thüre, und wie er ihr nahte, vernahm er deutlich, wie sich Jemand aus dem Nebenzimmer hinausschleppte.
Die Leser erinnern sich der Verabredung des Juden und Czifra's, deren unvermutheter Zeuge Peti gewesen. Die beiden Spießgesellen wußten nicht, daß Ákos anwesend sei, die neblige Nacht schien ihnen günstig, und wie das Feuer beim Schmied erloschen, und es im ganzen Dorfe still war, schlichen sie sich von den Gärten, wo sie verborgen gewesen, zu dem Hause des Notärs. Hier herrschte Stille. Die Küchenthür war längst zugesperrt, die Fenster dunkel; denn in dem einen Zimmer, wo noch Licht brannte, waren die Fensterläden geschlossen; der Jude stellte den bewaffneten Czifra als Wache neben das Thor und begann ruhig seine Arbeit. Leise öffnete er die äußere Thüre von Tengelyi's Zimmer, nahm unter der Bunda die kleine Lampe hervor, und bereitete sich, die eiserne Kiste zu öffnen. Er hörte zwar das Gespräch im Nebenzimmer, aber da er jedes Geräusch sorgfältig vermied, setzte er seine Arbeit umso ruhiger fort, je überzeugter er war, daß die Sprechenden Elisabeth und Vándory seien, und je entschlossener er war, sich des letzteren, wenn er entdeckt werden sollte, durch das Messer zu entledigen. Die Lade war offen, die Schriften und ein Sack Geld in seinen Händen, der Jude schlich sich leise, wie er gekommen war, wieder der Thür zu, als er auf der Schwelle von einer starken Faust an der Gurgel gepackt wurde.
»Gib die Schriften her, Dieb!« sprach flüsternd der Angreifer, und des Juden Verdacht fiel auf Czifra; aber bei dem letzten Aufflackern der während des Ringens erlöschenden Lampe erkannte er Viola.
Sobald der Letztere von dem Raubanschlag durch den Zigeuner Kunde erhalten, stellte er sich auf die Lauer. Den Diebstahl vor der Ausführung zu verhindern, stand nicht in seiner Macht. Er stand selbst unter dem strafenden Arme des Gesetzes, wenn er also den Juden angegriffen, bevor dieser den Diebstahl vollbracht, und dieser Lärm gemacht hätte, so würde er sich der größten Gefahr ausgesetzt haben, und der Jude hätte doch später sein Wagniß ausführen können. Viola wartete also, bis der Jude im Zimmer war, dann beorderte er Peti an das Thor, um Czifra zu beobachten, er aber schlich sich behutsam an die Zimmerthüre, wo jetzt zwischen ihm und dem Juden ein lautloses aber gewaltiges Ringen begann.
»Her mit den Schriften!« – sprach Viola mit gedämpfter Stimme, – »du bist ein Kind des Todes, wenn du zögerst.«
Der Jude rang vergebens sich von der Eisenfaust zu befreien, die ihm die Kehle zuschnürte. Die Lampe war zur Erde gefallen. Der Jude stieß mit dem Messer nach Viola's Brust, aber ein riesiger Faustschlag ins Gesicht streckte den Juden zu Boden. Auf diesen Lärm kam, wie wir wissen, das Nebenzimmer in Bewegung. Viola hob die Schriften vom Boden auf und floh; Peti folgte ihm. Dies Alles war das Werk des Augenblicks. Der Jude erholte sich und schwankte zur Thüre hinaus, und als Ákos eintrat, sah er nur die offene Lade, auf dem Boden einen Sack Geld und Viola's Bunda, die er im Ringen hatte fallen lassen.
Ákos eilte zur offenen Thüre hinaus, und wie er mit dem Lichte in den Hof trat, stieß er auf den Juden, der am Boden lag und Ákos mit schwacher Stimme um Hilfe anflehte.
Ákos beugte sich zu ihm herab. Da knallte ein Schuß, und Ákos stürzte blutend zusammen.
Elisabeth und Vilma, die ihm nachgeeilt waren, schrieen laut auf; aus dem Hause und den Nachbarwohnungen strömten die Leute auf den Schuß zusammen; der Schmied sah in dem Augenblick, als er aus seinem Hause trat, einen Menschen an sich vorübereilen und mit dem Rufe: »Mörder! Mörder!« verfolgte er ihn.
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