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Handelt von sonderbaren Studenten und von einem unvergleichlichen Architekten.
Soweit waren die Privatstunden gut und schön. Mit den zwei Kaufleuten aber ging es schon anders. Das waren zwei Kompagnons, die Englisch lernen wollten. Aber nicht das Englisch der Schulgrammatik, des Landpredigers von Wakefield und des Verlorenen Paradieses, sondern das Englisch der Butter-, Eier- und Buckskinhändler. Also kaufte sich Asmus eine Grammatik der englischen Kaufmanns- und Gewerbesprache und studierte mit Volldampf englische Tratten, Rimessen, Konnossemente, Fakturen, Beschwerden über unbefriedigende Hosenstoffe und Insolvenzerklärungen. Die beiden Schüler waren so ungleich wie nur denkbar; der eine begriff nichts, der andere alles, und das mochte diesen bewogen haben, sich mit jenem zu assoziieren. Wie sollte man mit zwei solchen Pferden vorwärts kommen! Und obendrein mußte man doch noch immer auf der Hut sein, den verstopften Geist seine Beschränktheit allzu beschämend fühlen zu lassen! Aber die Qual sollte nicht allzulange dauern. Als Asmus nach zehn Unterrichtsstunden zur elften erschien, erklärte ihm die Frau, bei der die beiden Junggesellen gewohnt hatten, daß seine Schüler verzogen seien »unbekannt, wohin«. Sein Honorar hatten die Kompagnons mitgenommen. Asmus stand eine Weile sinnend vor dem Hause und betrachtete beim Schein der Gaslaterne die Grammatik für Kanfmannsenglisch, die vier Mark gekostet hatte und für die er nie im Leben wieder Verwendung finden sollte.
Mit diesen Stunden hatte er besonders gerechnet. Er verdiente allgemach so viel, daß er seinen Eltern Kost und Wohnung vergüten konnte, und diese Stunden sollten es ihm endlich ermöglichen, von seinem Verdienst ein weniges für sich zu behalten. Wenn die Stunden eine Weile fortgingen, wollte er sich ein Klavier mieten! Und auf diesem einst zu mietenden Klavier hatte Ludwig Sempers Sohn auf Spaziergängen und an stillen Feierabenden schon manches Andanta cantabile und manches Presto furioso gespielt. Denn er war vielleicht der größte und kühnste Luftschloßarchitekt seines Jahrhunderts. Aus einem einzigen Stein baute er ein Schloß; aber er ließ es nicht etwa, wie die meisten dieser Künstler, bei dem Gerüst oder bei der Fassade bewenden; nein, er führte es durch und hinaus bis zu den letzten Fialen und Türmchen, die mit den Mondstrahlen stritten an Feinheit und Glanz; er baute es aus von der Halle bis ins verschwiegenste Gemach, von der breitschimmernden Treppe bis in die Kammer des Türmers, vom lauschigen Erker bis zum lachenden Balkon, der in prangende Gärten hinabsah. Denn was wäre ein Schloß ohne einen Park mit Brücken und Lauben, mit singenden Wassern und horchenden Steinbildern, mit hundert Abgründen für den Traum und hundert Grotten und Höhlen für die Erinnerung?
Aber das merkwürdigste war, daß er, wenn das Schloß nun plötzlich im leeren Grau verschwand, nur drei Sekunden brauchte, um sich mit dieser vollendeten Tatsache abzufinden. Er galt bei denen, die ihn kannten, für einen Menschen von Talent; aber sein größtes Talent kannten weder sie noch er selbst: sein unerhörtes Talent, glücklich zu sein. In einem heimlichen Schubfach seines Herzens lagen tausend Baupläne zu neuen Luftschlössern; hinter seiner Stirn brannte wie ein wandelloser Stern die Hoffnung: Einmal bau ich mir doch ein Schloß, ein Schloß auf wirklichem Glück, und so viele, so herrliche Schlösser ihm versinken mochten – er versöhnte sich mit jeder Notwendigkeit und kannte nichts Unsinnigeres als Trauer um das Unabänderliche.
Und so schob er denn die Grammatik der englischen Handelssprache unter den Arm und sagte sich: »Ich habe doch meine Kenntnis des Englischen erweitert und einen gewissen Einblick in geschäftliche Dinge bekommen – wer weiß, ob ich sonst jemals dazu gekommen wäre.« Damit waren die Kompagnons erledigt.
Die Lust, etwas zu lernen, ist unter den Menschen weit verbreitet, die Lust, sich darum anzustrengen, nicht. Es gab wohl allerlei Leute, die Privatstunden haben wollten; aber sie gaben sie gewöhnlich schnell wieder auf, wenn sie merkten, daß das Lernen bei aller Milde der Methoden doch etwas anderes ist als eine schmerzlose Einspritzung ins Gehirn. So gingen allerlei Leute durch Asmussens Hände: ein Opernsänger, der fast so begabt war wie der beschränkte Kompagnon, aber nicht singen konnte; ein Franzose, der Deutsch lernen wollte, der – ayant oublié son porte-monnaie Asmussen um drei Mark anpumpte und dann nicht wiederkam; ein Gastwirt, der eine feinere Wirtschaft übernahm und darum Bildung lernen wollte, und manche andere; es gab Wochen, in denen »das Geschäft blühte«; aber sie wechselten mit Monaten, Vierteljahren, an denen es darniederlag. Und wenn den Glückspilz Asmus Semper etwas andauernd unglücklich machen konnte, so war es das Gefühl, seinen Eltern zur Last zu liegen, und die Furcht, in den Augen seiner Mutter den stummen Vorwurf zu lesen, daß er seinen Eltern Opfer und Sorgen auferlege, die keines der anderen Kinder verlangt habe.