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Eine der seltsamsten Erscheinungen bildete der Orden von Fontevrauld, von Robert von Aubrissel gestiftet, durch den Umstand, daß er zweierlei Geschlechter in sich vereinigt und zwar in der Art, daß das weibliche über das männliche mit unumschränkter Macht gebot und die Aebtissinnen, unabhängig von den bischöflichen Ordinariaten, unmittelbar unter dem Pabste standen. Die Damen wußten diese Freiheiten und Herrlichkeiten gegen manche Eingriffe tapfer zu vertheidigen und die Insubordination der Mönche gehörig zu Paaren zu treiben.
Die seltsame Lebensart des Stifters ist bekannt und eben so sein genialer Einfall, Mönche und Nonnen neben einander wohnen, ja in denselben Betten schlafen zu lassen und die Versuchungen gewaltsam herbeizuführen, in der alleinigen Absicht, um sie desto glorreicher zu überwinden. Der gute Robert hatte im Uebrigen seinen Klienten eine nichts weniger als strenge Regel gegeben, so daß dieselben sehr zufrieden sich bezeigten und zwar in einem Grade, der endlich ihm die Augen öffnete. Die Schwangerschaften mehrten sich und die beiden Geschlechter mußten in etwas von einander getrennt, auch fortan mehr in Zucht genommen werden. Bei zwei- bis dreitausend Frauenzimmern, davon mehrere eben nicht die erbaulichsten Antecedentia für sich geltend machen konnten, war dieß keine Kleinigkeit.
Seit dem Jahr 1100 bestand die seltsame Regimentsform. Während und nach der Reformation gab es allerlei Streitigkeiten und Ermäßigungen in der ursprünglichen Regel. Die Zahl der dem Stammhaus zu Fontevrauld oder Eberardsbrunnen unterworfenen Mönchsklöster betrug über fünfzig. Die meisten Novitzen zählte das Kloster des Stammhauses selbst, worin meist Damen aus fürstlichen oder sehr vornehmen Häusern das Scepter führten und sich einweihen ließen. Die Reform Mariens von Bretagne, die der Papst wiederum milderte, setzte das etwas unsicher gewordene Verhältniß zwischen beiden Geschlechtern wieder fest.
Nichts Komischeres gibt es als die Statuten dieses Ordens. Die Aebtissin genoß eine Menge von Rechten und namentlich war alles auf Demüthigung und Unterwürfigkeit der Mönche berechnet. Die Schwestern geisselten sich zwar unter einander ebenfalls; aber noch lieber geisselten sie die ihnen unterthanen Mönche und Novitzen. Dieß ward bald auf die bloßen Schultern, bald auf den Unterleib vorgenommen. Wenn es einer Nonne einfiel, einem Novitzen die Disciplin zu geben, mußte er gehorsam in ihrer Zelle erscheinen und wie ein Schulknabe mit Ruthen sich streichen lassen; klagte er darüber bei der Aebtissin, so nahm die hochwürdige. Frau Anlaß, ihm ebenfalls noch eine Tracht Hiebe zu verabreichen. Es wird jedoch ausdrücklich angemerkt, daß man dabei nicht allzustrenge verfuhr. Beide Theile ließen sich oft zu gleicher Zeit discipliniren und der Pater Beichtvater und die Mutter Aebtissin waren die gemeinschaftlichen Gnadenspender Helyot: Hist. des ordres monastiques. VI. Gavin Pässe-partöut de l'eglise romaine.. Wenn sich Einzelne darüber beklagten, daß die Nonnen sich mit solchem Eifer ihres Seelenheils annehmen und Schaam über die schimpfliche Behandlung fühlten, so gab man den jungen Leuten (denn diese wurden am meisten unter die Zucht der Ruthe gebracht) zu verstehen: es sei doch angenehmer, von einer weichen adelichen Frauenhand, als von der Hand eines rohen, klotzigen Mannes aus niedrigem Stande die Stäupe zu empfangen. Kurz, diesen reich genährten, vornehmen Tugend-Predigerinnen und Ueberinnen war die Ruthe gleichsam das Konfekt beim Nachtisch. Die entfernteste Unart gegen sie ward mit einem rezenten Schillinge bestraft. Die Mönche und Novitzen küßten dankbar nach vollzogener Sache die Hand und entfernten sich in Demuth.
Der Stifter des Ordens hatte seine Grundidee aus einer seltsamen Deutung jener Bibelstelle geschöpft, in welcher der sterbende Jesus zuerst Johannes der Maria als seinen Sohn, diese aber dem Jünger als seine künftige Mutter empfohlen. Daraus folgerte der gute Robert: Jesus habe eine Gemeinschaft beider Geschlechter und die Unterwürfigkeit des männlichen unter das weibliche befohlen und das künftige Verhältniß symbolisch dadurch ausgedrückt; er ahmte demnach die Sache nach und räumte den Nonnen die Mutterrechte ein, den Mönchen aber legte er Sohnespflichten auf. Jene liebten es sehr, bei diesen die Rolle der geistlichen Stiefmütter zu spielen.
Die heil. Birgitta, Tochter eines schwedischen Ritters und königlichen Rathes, welche häufig mit der andern, von uns früher angeführten Heiligen, Brigitta, Mutter der heil. Katharina, verwechselt wird, zeigte sich dieser in Frömmigkeit und Bußfertigkeit ganz ähnlich; und eben so glich der Orden, den sie gestiftet, ganz dem von Fontevrauld. Sie erreichte den Ruf einer der unsinnigsten Schwärmerinnen und vollbrachte in Fleischeskreuzigung fast das Unglaubliche. Oft kam es sie an, mit den Bettlern gemeinsam auf die Straße zu gehen und sich Schimpf und Spott gefallen zu lassen; oft ließ sie sich zur andächtigen Kurzweil brennendes Wachs auf Brust und Schulter, Hüften und Schenkel tropfeln. Nachdem sie einen gemeinschaftlichen Mönchs- und Nonnen-Orden ihres Namens gehörig eingerichtet hatte, starb sie 1379 und ward sehr frühe heilig gesprochen. Auch sie schrieb Offenbarungen oder vielmehr gehören ihr die von vielen der heil. Brigitta von Schweden zugeschriebenen an. Man zählte über 60 Klöster des Birgitten-Ordens in Schweden. Zu Gustav Wasa's Zeiten wurden sie durch die Protestanten allmählig sehr verfolgt. Ihre Gesetze und Uebungen waren strenge: doch hatte schon gegen das 15. Jahrhundert der Geist der Stifterin sie so ziemlich verlassen.