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XXIX.
Die Flagellation als häusliche Zucht und Strafe des Ehebruchs.

Ueber die Sucht, Weiber für Vergehen in häuslichen Verhältnissen zu prügeln und zu geisseln, ist allerlei schon geschrieben worden und liegt aus alter und neuer Zeit viel Ergötzliches zugleich und Befremdendes vor. Die meisten Gesetzgeber waren in diesem Punkte außerordentlich freigebig gegen die Männer und dieselben gebrauchten des Rechtes in reichlichem Maße, wie bereits zu Anfang unseres Werkes erzählt worden ist. Allein selbst bei den civilisirtesten Völkern der neueren Zeit ist der empörende Unfug nicht ganz abgekommen und der Vorwurf, welchen man deßhalb der allersentimentalsten Nation, den Deutschen, auswärts bisweilen immer noch macht, ist eine so einseitige komplette Ungerechtigkeit, daß man sich nicht genug darüber beklagen kann.

Bei den Orientalen war und ist natürlich die Sache am meisten im Flor; von der Sultanin abwärts bis zur gemeinsten Dienerin stehen die Frauenzimmer der Türken, Perser u. s. w. unter der Zuchtruthe des Mannes, welcher hinwiederum der Bastonnade auf die Fußsohlen unterworfen ist. Jede Widersetzlichkeit gegen dessen Befehle wird mit Ruthenstreichen geahndet. Im Harem theilt sie der Kislar Aga oder der Aufseher der Verschnittenen aus. Noch im Jahr 1822, bei Anlaß eines Janitscharen Aufstandes, der die Günstlinge Mahmuds II. stürzte, bekam die Lieblingssultanin des Großherrn, die schöne Khasnadar-Usta, welche er preisgeben mußte, die Ruthe, und andere Odalisken wurden ebenfalls im Zuchthause des Harems zu ähnlicher Bestimmung eingesperrt. Da dieß jedoch bisweilen mit dem Zustande der Sklaverei zusammenhängt, so versparen wir einen dahin bezüglichen Theil auf diese Rubrik und beschränken uns hier auf einige Punkte, welche die eigentlichen Eheverhältnisse, besonders in älterer Zeit, betreffen.

Die strengen Züchtigungen der Griechen und Römer, wegen Ehebruchs, sind bekannt; Moses räumte den Hebräern nicht weniger ein; die Perser gleichfalls wendeten die Peitsche unerbittlich an; die Strafart der alten Deutschen in solchen Fällen sind aus Tacitus bekannt. Im Mittelalter rächte häufig die Geissel in der Klosterzelle und im Burgverließ beleidigte eheliche Treue.

In den romanischen Staaten ging es in der Hausdisciplin bald schärfer, bald gnädiger zu, je nach der Gemüthsweise des Mannes. In Frankreich erhielten die Damen, wenn eine begründete Klage geltend gemacht wurde, meistentheils Ruthenstreiche, entweder zu Hause Brantome, in derlei Dingen eine unerschöpfliche Quelle, theilt die Geschichte einer liebenswürdigen jungen Frau mit, welche, von ihrem Manne auf einer Untreue ertappt, bei Wasser und Brod eingesperrt, und von Zeit zu Zeit, von ihm oder auf seinen Befehl, ganz nackt mit Ruthen gehauen wurde. Der Berichterstatter kann seinem Unwillen über den brutalen Gesellen nicht genug Lauf verstatten, besonders deßhalb, daß er bei dem Anblick der »belle charnure« so völlig unempfindlich geblieben. Dames galantes I. Abtheilung. oder im Verwahrungsorte; meist sous la custode, wie man es zu nennen pflegte.

Die altfranzösischen Gedichte und Romane liefern manche erbauliche Ehestandscenen, welche den fleißigen Gebrauch der vielbesprochenen Sache beweisen. So z. B. die Cent Nouvelles Nouvelles. Ein Ehemann hatte seine schöne Frau im Verdacht eines Liebesverständnisses mit dem Nachbar Pfarrer und sie wirklich einst heimlich beim Verzehren eines seiner Lieblingsgerichte, der Lamprete, ertappt, welche von der Ungetreuen auf Seite geschafft worden war. Er beschloß, sich dafür zu rächen, ließ sich inzwischen nichts merken, sondern kaufte vorläufig einen tüchtigen Besen, welchen er in der Nähe des Schlafzimmers versteckte. Die Schuldige hatte ihn jedoch bei dieser Vorbereitung belauscht und viel Schlimmes für ihren zarten Leib befürchtend, ging sie eine ihrer Freundinnen an, sich für diese Nacht in ihr Bett zu legen, indem sie irgend einen Vorwand angab, der sie verhindere, heute zu Hause zu schlafen. Die gute Dame ahnete nichts Arges bei der Sache und willfahrte. Als die festgesetzte Zeit angebrochen, schlich sich der zürnende Mann mit einer gewundenen großen Ruthe in die Kammer, deckte das Bett auf und befahl derjenigen, so er für seine Gattin hielt, nachdem er ihr das begangene Unrecht vorhielt, die verdiente Strafe zu erleiden. Panischer Schreck überfiel die Zitternde; vergebens; sie ward in die gehörige Lage gebracht und der Grausame hieb sie, da sie sich nicht getraute, ihre Lieutenantschaft zu entdecken, und, den Schmerz verbeißend, das Gesicht in die Pfühle verbarg, so entsetzlich, daß das Bett beinahe im Blute schwamm. Des folgenden Morgens klagte die Betrogene unter den bittersten Vorwürfen der treulosen Freundin, was vorgefallen war. Diese tröstete sie lachend unter allerlei freundlichen Zusicherungen und schlich sich, da sie erfuhr, daß der Mann wieder ausgegangen, in ihre Wohnung zurück, reinigte die Stätte der Verwüstung und des Gräuels, legte frische Leinwand und Decken auf das Bett und schlüpfte hinein. Sie that nun, als ob sie schliefe, bis der Mann zurückkam, der seine Hitze etwas zu reuen begonnen. Er wunderte sich nicht wenig, seine Frau so ruhig und behaglich schlummern zu sehen und fragte sie spöttisch: Nun Madame, es wäre doch wohl Zeit, einmal aufzustehen. Sie, gähnend, bezeigte ihr Erstaunen darüber, daß sie ihren Eheherrn nicht aufstehen gesehen habe, erklärte es jedoch durch den tiefen Traum, der sie so lange beschäftigt. Er: dieser Traum wird sich wohl auf den Herrn Pfarrer und die Lamprete beziehen; das wäre kein Wunder, denn ich habe dich heute mit dieser Speise so stark unterhalten, daß du wohl noch lange daran zu verdauen haben wirst. Die Dame fuhr fort, ihre Verwunderung über die unverständlichen Fragen so lange zu bezeigen, bis jener zu einer Untersuchung des Status quo sich entschloß. Unter Gekicher und verstelltem bitterem Tadel über seinen Unglauben, gab sie sich hüllenlos seinen Blicken hin. Der schöne Körper, wie das Bett wurden ohne alle Beschädigung erfunden. Da fing denn der Mann an zu glauben, daß Alles nur ein neckischer Traum gewesen; er mußte nun seine Gattin, welche über seine verwirrte und unordentliche Lebensart ihm überdies einen scharfen Text las, noch um Verzeihung bitten und schloß sie, mit neuen Versicherungen zärtlichster Liebe, in seine Arme Cent Nouvelles Nro. 38. T. II (Une verge pour l'autre ) Die ganze Erzählung ist mit flämmischer Naivität und Ausführung gegeben..

In den Urtheilsprüchen der Minnehöfe werden sehr häufig des Ehebruchs Ueberwiesenen Ruthenstreiche diktirt; hier traf es aber mehr die Männer; ebenso auch, nach altnassau'schen Verordnungen, in dem Falle, wo sie die Ehre der Damen verletzt; es finden sich noch Tapeten vor, worin züchtigende Frauen mit Ruthen in der Hand und die Ritter vor ihnen knieend, abgebildet zu ersehen sind. Ludwig von Westerburg klagt darüber halb scherzhaft in einem Gedichte. Die Esels-Prozessionen jener Männer, welche von ihren Weibern sich schlagen ließen, sind hinreichend bekannt Vergl. Ast: Limburger Chronik..

In Deutschland ist leider die Mode, die Frauen für wirkliche oder vorgeschobene Vergehen zu peitschen, noch immer nicht ganz abgekommen und es finden sich täglich skandalöse Begebenheiten darüber genug. Rachsucht, Grausamkeit, Lüsternheit und Manie haben gleich sehr Antheil daran. In einer süddeutschen Residenz ereignete es sich, um nur ein neueres Beispiel beizubringen, noch vor wenig Jahren, daß ein Doktor der Medizin seiner äußerst hübschen Frau bei dem geringsten Anlaß, besonders aber aus Eifersucht und wenn er sie treulos glaubte, die Ruthe gab; dieß trieb er so lange, bis sie ihren Freundinnen es entdeckte und auf ihren Rath sich scheiden ließ. Der Verfasser kennt eine Stadt, wo mehrere Männer ihre Weiber vor dem Spiegel blutig peitschten, und in Kellern und dunklen Gemächern Tage lang gefangen hielten. In einer andern wurden mehrere niedliche Frauen mit Stricken auf Tische gebunden und mit Fesseln, Ruthen, Stricken und Seilstumpen oder Ochsenpeitschen geschlagen. An öffentlichen Orten erschienen sie dann wieder ganz zärtlich und vertraut. Bei dem geringsten Anzeigen von Klage erhielten sie die Dosis in verdoppeltem Maaße. Einer dieser Barbaren legte sein Opfer auf eine Art Winde mit Kopf und Füssen, wie ein Knäul gewunden, und peitschte sie auf die ausgestreckten Hüften und Schenkel. In die offenen Wunden schüttete er Dinte und Vitriol. Es hat Edelleute gegeben, welche mit Metzen Haus hielten und in deren Gegenwart ihre unglücklichen Weiber von Bedienten peitschen ließen, um denselben Ersatz zu geben; andere zwangen, unter Todes Androhung und unter Anhetzung von Hunden, die eigenen minderjährigen Söhne, ihre Mütter zu schlagen. In dieser Art giebt es fast keine Gräuel verirrter Phantasie, welche bei christlichen Völkern, die sich der Civilisation berühmen, nicht verübt worden.

In Spanien und Italien theilten sich, wie wir theilweise schon erzählt, die heilige Inquisition und die Väter der Gesellschaft Jesu in das Geschäft der Männer, die eheliche Treue zu bewahren und zu rächen. Aber auch in Deutschland waren die Priester hülfreich genug in diesem Kapitel. Von den vielen tausend Beispielen rufen wir blos das noch zu Josephs II. Zeit bestandene Sittengericht in's Gedächtniß.

Eine angesehene Dame von großer Schönheit, welche mehrere Verehrer hatte, vermuthlich jedoch einem der geistlichen Herren, die zu den Mitgliedern jener Stelle gehörten, ward veranzeigt und mitten in der Nacht aus ihrem Bette und aus ihrer Wohnung gerissen, in einen verschlossenen Wagen und in ein unbekanntes Verwahrungsort gebracht. Dort verhörte man sie und befahl ihr, die Namen ihrer Anbeter anzugeben; als sie dessen sich weigerte, erhielt sie auf Befehl der hochwürdigen Herren einen tüchtigen Schilling mit der Ruthe und ward nach einigen Tagen zu ihrem Manne zurückgebracht. Die Verehrer sammelten für sie zu einem kostbaren Geschenke, welches ihre Treue und Verschwiegenheit belohnen sollte Denkwürdigkeiten aus Wien 1788..

Auf etwas mildere Weise, aber ebenfalls mit der Ruthe, bestrafte ein Domherr zu Lemberg die adulterinen Vergehen hübscher Damen, welche bei ihm zur Beichte kamen. Sie konnten natürlich keinen Widerstand leisten und erlitten, durcheinander schreiend und lachend, die schimpfliche Behandlung mit stoischer Geduld. Endlich ward die Sache ruchbar. Der Verfasser hat die Erzählung und das Kupfer dazu, welches die Sache versinnbildlicht, von einer sehr soliden jungen Frau erhalten, welche gemeinsam mit ihrem Vater über das wunderliche Zeug sich halb todt lachen wollte Vergl. die Briefe über Galizien in 2 Theilen..

Wie sehr sogar in unsern konstitutionellen Musterstaaten das häusliche Züchtigungs-Recht, in Anwendung auf die Frauen, Vertheidigung gefunden hat, belehren uns nordamerikanische und englische Gerichtsverhandlungen, wobei das Prinzip aufrecht erhalten und der Flagellator losgesprochen wurde. Man erlaubte sich dabei noch allerlei derbe Witze in Betreff der häuslichen Korrektion. Das Peitschen und Prügeln der Weiber findet sich auch bei den wilden Völkern häufig vor. Die Reisebeschreiber reden oft und viel davon.

Der Ehebruch eines Unverheiratheten in Korea wird auf sonderbar harte Weise bestraft. Man entkleidet den Thäter bis auf die Beinkleider, beschmiert ihm das ganze Gesicht mit Kalk und steckt ihm durch jedes Ohr einen Pfeil. Hierauf befestigt man eine Trommel auf seinem Rücken, welche auf den Kreuzwegen, woselbst er zur Schau steht, gerührt wird, und zuletzt bekömmt er 50 Prügel auf den Hintern, welche nicht selten tödtlich sind wegen der Dicke des Bambus.

Auch die Frau erhält auf den hintern Theil des Unterkörpers Streiche, doch wird bisweilen die Zahl derselben gemildert. Der Ehebruch eines Verheiratheten mit der Ehefrau eines andern wird mit dem Tode selbst bestraft und der Verbrecher von hinten durchstochen.

Die Bewohner von Guiana leben in Polygamie; doch fällt der Ehebruch selten vor; er wird dann meist mit dem Tode des Schuldigen bestraft, die Frau aber tüchtig geprügelt. Als einst ein Franzose solch einem Schauspiel beiwohnte und die bereits blutrünstig geschlagene Dame einem noch schlimmeren Schicksal entreißen zu müssen glaubte, fiel sie mit dem Bogen ihres Mannes ihn an, schäumend vor Wuth, daß er sie ihrer Züchtigung entzogen: »Wenn er mich schlägt,« rief sie, »so thut er es, weil er mich liebt!« Alle übrigen Weiber ergriffen ihre Parthie und erklärten: was geschehen, sei durchaus in der Ordnung und Niemand sollte es wagen, zu stören, wenn auch sie einst gezüchtigt würden. Merkwürdig genug kehrte die schöne Lisbe, so hieß die fragliche Delinquentin, nachdem sie dem Prinzipe genug gethan, zu dem erstaunten Fremdling, überhäufte ihn mit Zärtlichkeiten und flüsterte ihm zu: »Niemand wird dir etwas sagen, wenn du uns nur nicht in unsern Liebkosungen, in unsern Schlägen störest« Zimmermann: Taschenbuch V..

Diesen sonderbaren Geschmack, Schläge nicht entbehren zu können, theilen Guianerinnen mit den russischen Frauen. Dieselben nahmen es, und nehmen es zum Theil noch, als eine wahre Geringschätzung und als Beweis verschwindender Zärtlichkeit auf, wenn sie nicht von Zeit zu Zeit gezüchtigt wurden. Und solche Gewohnheit war nicht nur allein Personen von den niedern, sondern selbst von den höheren Klassen der Gesellschaft eigen. In einer » Toilette der Grazien« wird von einem interessanten Franzosen erzählt, der eine schöne russische Dame geheirathet, daß sie nach 14 Tagen der zärtlichsten Ehe plötzlich nachdenkend, traurig, ja gramvoll geworden sei und die tiefsten Seufzer nicht gespart habe. Nach langem Ausforschen und Drängen von Seite des Gatten, erklärte sie endlich, in der vierten Woche von Schaamroth überglühend: »wie kann ich glauben, daß du mich liebst; sind wir doch schon vier Wochen mit einander vereinigt und du hast mich nicht ein einzigesmal geschlagen.« Der Ehemann, überfroh genug, kein anderes Hinderniß seines Glückes zu wissen, säumte nicht, zu willfahren. Er sorgte für eine humane zugleich und elegante Ruthe und die Dame klagte ferner nicht mehr. Es wäre für einen Psychologen äußerst interessant, über solch' seltsame Manie der weiblichen Natur nähere Betrachtungen anzustellen.


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