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Eine, der Nonne Alberta in Vielem ziemlich gleiche Geschichte ist, wie schon bemerkt, die der Schwester Magdalene; nur können wir zu dem Bilde der unglücklichen Heldin selbst reinere Farben verwenden, als es bei dem der erstern der Fall war.
Die Nonne Magdalene hieß vor ihrer Einkleidung Marie, und war die Tochter des Wundarztes Ferdinand Baumann, in dem Dörflein Hornstein, nicht weit von der Prämonstratenser-Abtei Sch–n. Sowohl dieser, als seine Frau, hatten eine besondere Verehrung für die Klöster, und faßten den Entschluß, ihre jüngere Tochter demselben zu widmen, da die ältere große Geschicklichkeit und Neigung für die Landwirthschaft an den Tag legte. Der Abt von Sch–n, ihr Hausfreund, welcher am meisten sie in ihrer Idee bestärkt hatte, verwendete sich gefälligst bei den Klarisserinnen der Hauptstadt um die künftige Aufnahme des Mädchens. Obgleich die Kandidatinnen gewöhnlich eine ziemlich bedeutende Summe Geldes und auch eine ansehnliche Aussteuer mit in dieses Kloster bringen mußten, so machte man doch, in Betracht der vielen Anlagen des Mädchens, eine Ausnahme. Sie ward daher in allerlei Dingen, welche bei den Klarisserinnen Auszeichnung bringen konnten, unterrichtet, und machte bedeutende Fortschritte. Endlich, nach zurückgelegtem 16. Jahre meldete sich Marie um die Aufnahme.
Sie war inzwischen zu einer blühenden Schönheit im vollsten Sinne des Wortes aufgewachsen, und nahm Jedermann durch ihre Liebenswürdigkeit ein; am meisten den Pater Beichtiger des Klosters, welcher sie alsbald beschielte, und die feine, zarte Gesichtsbildung, so wie den schlanken hehren Wuchs nicht genug bewundern konnte.
Trotz dem, daß ein sehr anständiger Freier sich eingefunden hatte, wankte Marie in ihrem Entschlusse nicht; nur ihrem Vater waren, in Folge ihrer Erzählung von allerlei seltsamen Redensarten des Pater Beichtigers und von dem eigennützigen Benehmen der Nonnen, welche jetzt auf einmal, gegen die frühere Abrede, eine ansehnliche Summe Geldes forderten, Zweifel erwachsen. Gern hätte er jetzt den jungen Rehling, so hieß der Freier, ihr zum Manne gegeben, wenn sie selbst anders zu erweichen gewesen wäre, und die bigotte Mutter sie in ihre Klostergedanken nicht frisch bestärkt hätte.
Die Einkleidung ging vor sich und das Novitziat auf bekannte Weise ebenfalls. Bald bereitete man sich fleißig für das Discipliniren vor. Die kleine Disciplin bestand aus 36, die große in 300 Geisselstreichen auf Rücken und Lenden. Man las den Novitzinnen allerlei erbauliche Dinge über die Nützlichkeit und Fruchtbarkeit der Geissel für das ewige Heil vor, so daß Marie vor heiligem Eifer brannte und freudig endlich Profeß ablegte, zur Verzweiflung des armen Rehlings, welcher immer noch auf eine Sinnesänderung bei ihr gehofft hatte.
Bald sah aber unsere Fromme, die nun den Namen Magdalene führte, ein, daß das Klosterleben, bei näherem Lichte betrachtet, zwei Seiten habe, sowohl was das Verhältniß der Nonnen unter sich, als ihre Andacht und Bußfertigkeit betrifft; manch' befremdende Dinge stellten sich ihr dar, besonders war dieß bei der endlichen Verrichtung der großen Disciplin am Feste Maria Himmelfahrt der Fall, welche sie bisher nur im Allgemeinen und der Theorie nach kennen gelernt hatte. Mit dem größten Widerwillen fügte sich die schaamhafte Jungfrau in den Gebrauch, den Gürtel zu lösen, den Habit zu lupfen, und den nackten Leib mit der hänfenen und spornversehenen Geissel zu züchtigen. Ein schneeweißer Rücken und ein paar zarte Hüften, die nur selten in früherer Zeit des Vaters mildstrafende Ruthe berührt hatte, zitterten angstvoll nun dem Kommenden entgegen. Die ihr zunächst stehenden Nonnen schwelgten oft in ihrer Schönheit, und konnten die Lieblichkeit, Fülle und Frische ihrer Formen nicht genug bewundern. Man denke an Diderot's Aebtissin und man wird uns hinreichend verstehen.
Trotz der Dunkelheit zeigte auch ihr das durch die Ritzen der Fensterladen dringende Licht alles, was um sie her vorging. Sie unterzog sich der Disciplin ernsthaft und eifrig, bemerkte aber mit Schaudern, wie, während einige Schwestern mehr Kurzweil mit der Geissel trieben, eine andere, Griselda mit Namen, die Sache so sehr übertrieb, daß das Blut ihr über den Körper floß, und daß an mehreren Stellen die Spitzen der Geissel bis einen Zoll tief in's Fleisch eingeschnitten hatten. Magdalena, welche, ihrer besondern Geschicklichkeit wegen, zur Kloster-Apothekerin ernannt worden war, eilte ihr zu Hülfe, und wußte sie in kurzer Zeit gänzlich herzustellen. Allein ihre Aufforderung an Griselden, künftig sich nicht mehr so hart zu geisseln, eine Aufforderung, welche alsbald hinterbracht wurde, erregte das besondere Mißfallen der Aebtissin, welche ihr, als sie sich entschuldigen wollte, gebieterisch zurief: »schweige sie!« Griselda fuhr fort, auf dieselbe Weise sich zu zerfleischen, bis sie so zugerichtet war, daß der Bußgürtel und die Stacheln tief in's Fleisch gegangen waren, und der herbeigerufene Wundarzt erklärte: die sorgfältigste Operation allein könne der Nonne das Leben retten. Die Aebtissin willigte ein, und verbot ihr, nach beendigter Heilung, gemeinsam mit dem Beichtvater, bei dem Gelübde des Gehorsams, sich künftig so oft und so heftig zu geisseln.
Magdalena ward nun auch mit dem Schröpfen und Aderlassen im Kloster beauftragt; sie leistete jungen und alten Nonnen darin gleich wesentliche Dienste. Bei einer dieser praktischen Uebungen wurde sie gewahr, daß der 22 jährigen Schwester Theodora fast jeden Monat zu Ader gelassen werden mußte. Auf ihre Erinnerung über die Schädlichkeit eines so großen Blutverlustes und über die Gefahr, mit einer Wassersucht als Folge davon überfallen zu werden, gestand Theodora unter Thränen: daß sie sich blos auf Geheiß der Aebtissin so oft die Ader öffnen lasse, und sie auch wirklich immer, wenigstens für eine Zeit lang gute Wirkung verspüre, indem sie weniger Wallungen ausgesetzt sei. Diese Wallungen und die damit verbundenen wollüstigen Träume und verbotenen Gelüste rührten von nichts anderem her, als von der immerwährenden Disciplinirung. Magdalene schwieg; sie hatte eine traurige Erfahrung mehr gemacht. Dieser Fall und ein anderer, in welchem Magdalena wegen zu großem Fortschritte des Uebels keine Hülfe schaffen konnte, als sie zur Kenntniß der Aebtissin kamen, reizten diese und die älteren Nonnen sehr wider sie auf.
Inzwischen hatte der Pater Beichtvater unsere Krankenwärterin immer reizender gefunden, und einen Plan wider ihre jungfräuliche Ehre entworfen. Sie ward zur Oberkrankenwärterin des Klosters ernannt, und kam durch diesen Posten in häufigere Berührung mit dem hochwürdigen Mann. Eine ältere Schwester von trefflichem Charakter warnte sie vor Pater Olympius. Dieser hatte seine Freundlichkeiten verdoppelt, und die Arglose mehr als ein geistliches Geschenk aus seiner Hand angenommen; dadurch war der Neid der Mitschwestern in hohem Grade wider sie rege gemacht worden. Magdalena suchte ihres neuen Amtes los zu werden, in keiner andern Absicht, als um sich von dem Pater zu befreien. Derselbe errieth sie und machte ihr in der Beichte bittere Vorwürfe darüber; Magdalena erschrack und verließ hastig den Beichtstuhl.
Drei Jahre waren bereits verstrichen, und ihre Täuschungen über das Klosterleben gewaltig zerflossen. Schmerz und Trauer bemächtigten sich ihrer Seele; man fand sie oft seufzend und in Thränen schwimmend. Da sie aus Zerstreuung allerlei kleine Fehler beging, so ward sie von Zeit zu Zeit mit leichten Pönitenzen belegt. Diese bewirkten in ihrem empfindlichen Gemüthe einen entgegengesetzten Eindruck. Als die Tochter eines andern Wundarztes oder Barbiers gerade um diese Zeit Profeß und Proben vieler Geschicklichkeit in der Wunderarzneikunst abgelegt hatte, entließ man Magdalenen von ihrer bisher bekleideten Stelle. Sie wurde fortan sehr geringschätzig behandelt; bei jeder Gelegenheit warf man ihr ihren Stand und die Dürftigkeit ihrer eingebrachten Baarschaft vor, auch erklärte man sie für ein dem Kloster völlig unnützes Subjekt. Dieß und anderes mehr erbitterte endlich das gutmüthige Geschöpf; sie erwiederte den beissenden Spott mit Heftigkeit, und befolgte den Befehl der Priorin, zu schweigen, nicht gleich, sondern fuhr mit Klagen über Kränkung, Haß und Verfolgung unter heißen Thränen fort. Man hinterbrachte solche Gcmüthsbewegung der Aebtissin, und schilderte sie ihr zugleich als ein boshaftes, zänkisches Geschöpf, voll Ungehorsam gegen ihre Oberen.
Die Aebtissin fuhr hierüber zornig auf und riet: Ungestraft kann ein solches Benehmen dieser Bauerndirne nicht hingehen; man muß ihr den Nacken beugen, und sie durch Zwang in die Schranken der Ordnung bringen. Sie ließ Magdalenen vor sich rufen.
Als diese in das Zimmer der Aebtissin kam, sah sie bereits zwei Laienschwestern bei ihr, deren eine eine Kinderruthe in der Hand hatte. Die Aebtissin hielt ihr ein ungestümes und gegen die Priorin so ungehorsames Betragen vor, und hieß sie die ihr zugedachte Strafe erdulden. Magdalena weinte und wollte sich entschuldigen, bat, als man ihr keine Vertheidigung gestattete, um Schonung, um Verzeihung; allein ihr Flehen war fruchtlos. Unerbittlich war die Aebtissin, und da jene endlich vom Gefühle der Geschämigkeit mächtig ergriffen, sich äußerte: sie sei kein Kind mehr und der Ruthe entwachsen: auch müsse eine solche Züchtigung für eine Nonne unschicklich genannt werden, so trug ihr die Aebtissin auf, die Erde zu küssen.
Magdalena, im Wahne, mit dieser Strafe sei alles beendigt, unterwarf sich willig und warf sich auf die Erde; kaum aber befand sie sich in dieser Lage, als die eine dieser beiden Schwestern sich ihr auf den Rücken setzte, die andere aber ihr den Habit aufhob, und dem engelreinen Mädchen mit der Ruthe einen derben Schilling gab. Sie mußte der Aebtissin für solch' gnädige Strafe die Hand in Demuth küssen. Unter dem Hohngelächter der Nonnen, das sie rings durch die Gänge verfolgte, zog sie sich weinend in ihre Zelle zurück.
Tiefem Grame hingegeben, ward sie fortan ein Gegenstand noch eifrigerer Verfolgung von Seite der Aebtissin, der Nonnen und des Beichtvaters. Bei jeder Gelegenheit ward sie gebüßt, und als sie eines Abends nicht in ihrer Zelle, sondern in der der Schwester Crescenzia, ihrer Freundin, gefunden ward, riß man sie heraus, schleppte sie in den Kerker und verurtheilte sie des folgenden Tages durch einen förmlichen Kapitelsschluß zur großen Disciplin, außer vielen andern Strafen, worunter auch die Degradation vom Nonnenrang bis zu dem einer Laienschwester gehörte.
Sie beging nun die Unvorsichtigkeit, in einem rührenden Briefe ihren Eltern ihre Lage mitzutheilen und um Hülfe sie anzuflehen. Derselbe ward natürlicherweise aufgefangen und zeugte wider sie. Augenblicklich mußte sie einen andern, von Pater Olympius diktirten, niederschreiben, worin sie sich selbst verläumdete, und für das Vergehen der Offenbarung von Klostergeheimnissen an Laien ward sie mit einer schweren Strafe belegt; nämlich in Gegenwart der Aebtissin, der Priorin und von drei Diskretinnen, mußte sie sich schimpflich entblößen und erhielt 39 Streiche mit einer FelbergerteRN In der Nonnensprache hieß es: auf den nackten Fuß.darauf ward sie in den Thurm gesperrt und vier Wochen lang jeden andern Tag bloß mit Wasser und Brod gespeißt.
Bald nachher starb die Aebtissin und ihre bisherige Hauptfeindin, die Priorin, kam an deren Stelle. Magdalene suchte vergeblich bei dieser um Amnestirung und Rückgabe des schwarzen Schleiers nach; sie blieb unversöhnlich und unsere Aermste mußte für und für Laienmagd in der Küche bleiben. Einmal verbrannte sie darin etwas aus Unvorsicht, das andremal ließ sie, bei der Feier des Palmenfestes, einen aus Blei gegossenen, 50 Pfund schweren heiligen Geist aus dem Grunde fallen, weil er ihr zu schwer war; der heilige Geist fiel in Stücken. Die Aebtissin erklärte dieß für absichtliche Bosheit, der Pater Olympius für ein Religionsverbrechen. Und wie schon mehrmals, ließ man eine Ruthe aus Birkenzweigen binden und züchtigte damit Magdalenen in dem Gefängniß ohnweit des Refektoriums, wohin sie unverweilt gebracht worden war.
Diese Bestrafungsweise und Einthürmung ward wegen jeder Kleinigkeit wiederholt; Magdalena empfand bittere Reue und eine heftige Sehnsucht nach der Welt, die durch den Besuch von Verwandten, welche sie jedoch blos hinter der Clausur sprechen durfte, noch vermehrt wurde. Ihre Unterredung hatte aber Verdacht erregt und zog ihr eine Untersuchung zu, welche damit endigte, daß man sie für eine Verworfene des Klosters erklärte. Magdalena sann jetzt auf Flucht; aber trotz dem, daß sie das Freie schon gewonnen, und, später auch ertappt, durch den Weihbischof von M..., den sie um Hülfe anrief, beschützt wurde, so brachte man sie doch wieder ins Kloster zurück. Der Pater Olympius hetzte die Aebtissin, welcher man möglichste Schonung anempfohlen, zu neuen Verfolgungen und Magdalena ward zur Einkerkerung auf bestimmte Zeit verurtheilt. Zwei Schwestern waren nicht im Stande, sie zu bändigen; man mußte einen Franziskanerlaienbruder zu Hülfe rufen und jetzt erst unterlag das arme Geschöpf der Gewalt des Stärkern. Diese Wiedersetzlichkeit reizte aufs neue den Zorn der Aebtissin und sie erhielt Tages darauf in Gegenwart der Priorin einen neuen Schilling auf einem Bunde Stroh in ihrem Kerker.
So ging die Sache lange Zeit fort, und Magdalena fand, als man während der Reparatur ihres Gefängnisses sie in das danebenstoßende brachte, darin noch eine andere Schwester, Christina, die schon seit 13 Jahren hier saß und zum Gerippe herabgezehrt, welche mit Ruthen und Geisseln lendenlahm und bis zum Wahnsinn gepeitscht worden war. Magdalena ward zwar bisweilen, an Festtagen, wieder aus ihrer Haft in die Kirche zum heil. Abendmahl gelassen, aber stets wieder nach Genuß desselben zurückgebracht. Jeden Monat mußte sie dem Pater Olympius beichten. Er benutzte seinen Beruf, um noch einmal bei ihr sein Glück zu versuchen, und als sie standhaft sich weigerte und um Hülfe schrie, stellte er sich an, als wolle er ihr blos eine Disciplin auferlagen und befahl ihr, sich zu entblößen, um wenigstens an ihren, noch immer theilweise erhaltenen, Reizen sich zu weiden. Allein es kamen noch zu guter Stunde zwei Schwestern herbei und Olympius entschuldigte sich schlecht genug damit, daß er Magdelenen blos für ihre Bosheit habe züchtigen wollen.
Drei Jahre und acht Monate dauerten so die Leiden der Unglücklichen, bis ein Schornsteinfeger, welcher in der Nähe der Schauerhöhle Arbeit hatte und Gewimmer hörte, die Sache bei den Behörden anzeigte. Der betreffende Minister verordnete alsbald eine Kommission, welche bei St. Klaren eine Untersuchung einleitete, und trotz des anfänglichen Widerstandes und der Lügen und der Ränke der Aebtissin, ihrer Nonnen und ihres Beichtvaters, endlich allem Vorgefallenen auf den Grund kam.
Kaum konnte Magdalene, welche vor Freuden über die wiedererlangte Freiheit laut weinte, sich noch bewegen. Sie wurde einem Leibarzte des Churfürsten, so wie einem Hofwundarzte zu gemeinschaftlicher sorgfältiger Behandlung übergeben. Ihr über den Zustand der armen Frau ausgestelltes Gutachten enthielt namentlich, daß die unaufhörlichen Geisselungen ihr die heftigsten Schmerzen zugezogen, an denen sie für und für leide, besonders bei einem verhärteten Stuhlgange, welcher öfter mit Blut und Materie besprengt sei, ohne daß dieß als eine Wirkung der goldenen Ader betrachtet werden könne. Ferner wurde berichtet: Nachdem diese gekränkte Frau eine so lange Zeit ohne alle Bewegung eingesperrt gewesen, und durch heftige Schläge die muskulösen und tendinösen Theile der Schenkel und Füße entzündet bei ihr keine zertheilende Mittel angewendet worden, so hätten sich dadurch diese Theile dergestalt zusammengezogen und verhärtet, daß sie gänzlich estropirt sei, und schwerlich so geheilt werden könne, um ihre geraden Glieder wieder gebrauchen zu können.
Während ihrer ärztlichen Behandlung und Verpflegung ward Magdalene viermal zu Protokoll vernommen und es kamen nicht nur die sie selbst, sondern auch alle, die Schwester Christina und die Frau Paschalia (eine zweite Leidensgefährtin) betreffenden Abscheulichkeiten, an den Tag. Nur fünf Nonnen hatten übrigens den Muth, die Wahrheit frei zu gestehen und zu bezeugen; die übrigen, von der Aebtissin, dem Pater Beichtiger und der Priesterparthei bearbeitet und eingeschüchtert, gingen mit Winkelzügen um. Paschalia war wahnsinnig geworden und an einem Nervenschlage gestorben; einige Nonnen behaupteten, sie habe sich mit ihrem Busenschleier in ihrem Kerker erhängt; Christina starb nach ihrer Befreiung an der Auszehrung. Die Aebtissin suchte, was diese beiden betraf, alles auf ihre Vorgängerin zu wälzen; hinsichtlich der Einkerkerung Magdalenens berief sie sich auf die Klostergesetze und die Nothwendigkeit einer Bestrafung des Fluchtversuches; daß es ihr an dem Nöthigen im Gefängnisse gemangelt, sei ihre eigene Schuld, indem sie anfänglich alles zu zertrümmern und mit den Ruinen auszubrechen getrachtet habe; daß man endlich sie mehrfach mit Ruthen gehauen, sei in der Absicht geschehen, um ihr Furcht beizubringen; denn ihr Wahnsinn sei so groß gewesen, daß sie die Schwestern, welche sie reinigen, umkleiden und in den Chor zur Kommunion führen wollten, angepackt und zu entfliehen versucht habe.
Am meisten sprach gegen die Aebtissin und ihre Vertheidigung der Umstand, daß sie über die angeblichen Verbrechen, Vergehen und Unarten, weßhalb sie gepeitscht worden, nicht ein einziges Protokoll aufweisen konnte, was doch in der Ordnung gewesen wäre; sie entschuldigte sich hierüber damit, daß so etwas im Kloster nicht gewöhnlich sei und das Gelübde des heiligen Gehorsams solche disputirliche Schreibereien und Widersprüche einer Nonne, die doch unvermeidlich sein würden, nicht zuließe. Daß man übrigens von Seite des Klosters auf den Fall eines Selbstmordes bei der Schwester Magdalene gefaßt gewesen war, davon überzeugte sich die Kommission bei Untersuchung der Abtei Papiere.
Das Ergebniß derselben, so wie das der Behandlung unserer Schwester hatte eine allgemeine Reform der Mönchs- und Nonnenklöster, namentlich in Bezug auf die Aufnahme, das Novitziat und die Disciplin, von Seite des Churfürsten, so wie eine strengere Aufsicht und Ueberwachung des Benehmens derselben zur Folge. Das Recht der Strafen, womit sie Schuldige bisher zu belegen gepflegt, ward ihnen, unter Androhung der Aufhebung, entzogen. Die Nonne Magdalene ward dem St. Klaren-Kloster nicht wieder zurückgegeben, sondern auf Lebzeit, ob sie genesen würde oder nicht, dem churfürstlichen Spital zur Verpflegung anvertraut; im Wiedergenesungsfall sollte sie volle Freiheit haben, auszugehen und anständige Gesellschaften zu besuchen und zu empfangen. Zu ihrem Unterhalte mußte das Kloster eine jährliche Summe von 200 fl. nebst der nötigen Ausstattung herschießen u. d. gl.
Die ärztliche Behandlung, die Seelenruhe, die gute Nahrung und eine mäßige Bewegung halfen der Schwester Magdalene wenigstens in so fern auf, daß sie nach Verfluß von 5 – 6 Jahren wieder gehen konnte, und so viel es ihr geschwächter Körperbau zuließ, wieder zu Kräften und zu gesunder Farbe kam. Sie hatte in ihrem Klostergefängniß der heiligen Jungfrau eine Wallfahrt nach Loretto gelobt, auf den Fall, daß sie je wieder befreit werden würde; dieses Gelübdes entledigte sie sich jetzt, mit Erlaubniß der Behörde; allein sie kam, nachdem sie ihre Andacht vollbracht, nicht mehr in ihre Heimath zurück. Ermattet durch die mühevoll lange Reise starb sie im August 1778 in einem Alter von 45 Jahren in einem Krankenspital zu Narni in Italien.
Dieß ist eine der vielen Geschichten, wovon die Kloster-Annalen wimmeln; doch trug sie, da ihr die allgemeinste Oeffentlichkeit gegeben ward, sehr viel zu Verstärkung des Hasses gegen das Mönchswesen überhaupt und zur Enttäuschung auch des gemeinen Volkes in B. über dasselbe bei Vgl. Gemälde aus dem Nonnenleben aus den Papieren der aufgehobenen baierischen Klöster verfaßt (von Lipowski)..
Wir könnten nun auch noch die der Gräfin Adeline mittheilen, welche Marianne Ehrmann In der Sammlung: die Einsiedlerin in den Alpen. etwas dramatisirt, aber ganz nach historischen Thatsachen behandelt hat; allein es genüge an diesen zweien, um die schauerlichen Orgien des Flagellantismus im Innern der Klöster zu beleuchten.
Unter die geistreichsten Schilderungen des Klosterlebens, zumal des weiblichen Theils, gehört unstreitig » die Nonne von Diderot.« Ob auch die Namen der Personen und die Thatsachen in Bezug auf diese selbst erdichtet sind, so geht doch eine innere psychologisch-historische Wahrheit durch das Ganze; der geistige Höllenabgrund ist hier aufgeschlossen und die dunkle Glut verirrter Phantasie, in Folge der Nichtbefriedigung des Geschlechtstriebes, treuer und lebhafter, als von irgend einer andern Künstlerhand, gemahlt. Die Sprache ist oft einfach und schmucklos, dann wiederum glanzvoll, üppig, verführerisch; aber immer behält das Aesthetische den Sieg über das Schlüpfrige. Seltsam genug hatten selbst zwei Urvölker Amerika's, die Mexikaner und Peruaner, eine Art von Klosterwesen und Klosterdisciplin. Nicht nur geisselten sich junge Leute unter erstgenanntem Volke bei Festumzügen zu Ehren ihrer Götzen, sondern die in verschlossenen Wohnungen zusammenlebenden Frauen und Jungfrauen kamen oft um Mitternacht aus ihren Zellen und zerfleischten sich die Haut mit Peitschen. Ueberdieß verwundeten sie sich an den Ohren und strichen sich das Blut über die Wangen; darauf wurden die Striemen im Angesicht und auf dem Körper mit Wasser gereinigt, das in Ergeln durch die Zellen vertheilt in Reserve stand. Ebenso wurden bei den Peruanern Jünglinge und Mädchen, Kinder der Sonne, in einer Art von Novitziat, gezüchtiget Erasmus Francisci neupolirter Geschicht- Kunst- und Sitten-Spiegel ausländischer Völker. Fol. Nürnb. 1670..