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Sechzehntes Kapitel.
Verschwörer

Carsdale ließ sich nicht leicht überraschen, aber bei dieser Eröffnung war er doch so verblüfft, daß er seine Zigarre fallen ließ. Als er sie aufgehoben hatte, standen seine Augen immer noch vor Erstaunen weit offen.

»Du hast es? Du?«

»Ja«, antwortete Frau Walsingham ruhig. »Ich.«

Carsdale tat ein paar Züge an seiner Zigarre, gewann seine Fassung wieder und setzte sich.

»Oh, das ist gut. Da wir vor Störung sicher sind, erzählst du mir am besten die ganze Geschichte. Du hast den Schmuck also – gestohlen?«

»Ich nahm ihn aus Levertons Geldschrank, gewiß. Es war nicht schwer. Nicht so einfach war es, das getreue Ebenbild des Schmucks anfertigen zu lassen.«

»Nun verstehe ich alles«, sagte Carsdale. »Dieses Duplikat hat also Burgoyne von Winch geholt?«

»Sicherlich. Und es war so geschickt angefertigt, daß man es von dem echten Halsband nicht unterscheiden konnte. Aber du weißt, dergleichen Dinge kommen doch einmal ans Licht, und sobald Burgoyne den Schmuck von einem Juwelier besichtigen läßt, wird er erfahren, daß er betrogen ist.«

»Das ist anzunehmen«, bemerkte Carsdale.

»Und er wird weder auf Leverton, noch auf Franziska oder Winch oder die Inhaber der Bank Verdacht haben, wohl aber auf mich und dich.«

»Aber warum denn auf uns?«

»Weil wir Zutritt zu Levertons Privatbüro hatten, während seiner Krankheit und auch sonst.«

Carsdale nickte zustimmend.

»Ja«, bemerkte er nach kurzer Überlegung, »das wird er. Und dann –«

»Dann wird er fragen und nachforschen und Detektive in Tätigkeit setzen, und dabei wird allerlei ans Licht kommen, das –«

»Ja, ja«, unterbrach sie Carsdale ungeduldig, »das weiß ich alles auswendig. Was nun, Sylvia?«

»Ja, was nun? Mit meiner Verlobung wird es aus sein, und der Junge wird dir die Vermögensverwaltung abnehmen, und –«

»Und du hast uns in eine schöne Patsche gebracht«, unterbrach er sie halb ärgerlich. »Warum hast du das getan? Es war – Diebstahl.«

»Laß diese feinen Unterschiede«, sagte sie verächtlich. »Es gibt verschiedene Diebeswege, du bevorzugst die vornehmeren. Ich nahm das Halsband, weil ich es brauchte.«

Carsdale brummte unverständliche Worte und sah böse aus.

»Wo ist das verwünschte Ding? Verkauft natürlich.«

»Versetzt.«

»Für wieviel?«

»Für tausend Pfund. Aber das ist Nebensache, wir müssen einen Ausweg suchen.«

»Wie denn?« fragte er mürrisch. »Die Sache ist nun mal geschehen.«

»Nein«, entgegnete sie, »sie fängt erst an. Es handelt sich darum, einen Skandal zu vermeiden. Hör zu, Hans. Könnte man es nicht einrichten, daß Burgoyne in den Besitz des echten Halsbandes kommt, ehe er den Betrug ahnt?«

Carsdale legte die Zigarre fort und setzte sich mit neu erregtem Interesse gerade.

»Wie?« fragte er.

»Es müssen sich Wege finden lassen. Ich könnte zum Beispiel den Schmuck einlösen –«

»Vorausgesetzt, daß du das Geld hast, Sylvia. Das ist eine wichtige Vorbedingung.«

Frau Walsingham warf ihm einen Blick zu, der ihn mahnte, alberne Zwischenbemerkungen zu unterlassen.

»Ich könnte«, wiederholte sie, »den Schmuck einlösen und ihm in einer Art zusenden, daß er den Absender nie ahnen würde. Aber das wäre nicht das richtige, weil er ja noch gar nicht weiß, daß er die unechten Diamanten hat. Ich muß ihm die echten in die Hand spielen, ehe er merkt, daß er – bestohlen worden ist. Hab ich recht?«

»Gewiß. Die Lage ist die. Der fragliche Gentleman weiß nichts von seinem Verlust, soll auch nichts davon erfahren. Darum muß er den Gegenstand zurückbekommen, ehe er ihn vermißt. Leider hat die Sache einen Haken. Burgoyne ist doch nun einmal davon überzeugt, das richtige Halsband schon zu haben. Wie willst du ihm da beikommend«

»Das ist gerade mein großer Plan«, sagte sie mit leisem Lachen. »Durch Unterschiebung.«

»Unterschiebung? Du glaubst –«

»Ich glaube, daß es gelingen muß, das falsche gegen das richtige auszutauschen. Verstehst du das nicht?«

Carsdale verstand und nickte anerkennend.

»Ein guter Gedanke, und du bist die Frau dazu, Sylvia, ihn auszuführen. Aber wie gedenkst du es anzufangen?«

»Hast du nicht Einfluß auf Kedgin?«

Carsdale lachte, und es war etwas in seinem Ton, das ihr nicht gefiel.

»Warum?« fragte er.

»Burgoyne wird für ein paar Wochen bei Richard wohnen, und Kedgin bedient ihn dann. Wie Richard sagt, trägt der Kapitän das Halsband immer in der Rocktasche, und ich dachte, wenn –«

Carsdale lachte abermals.

»Laß mich den Satz zu Ende sprechen. Du dachtest, wenn ich Kedgin in den Fingern hätte, könnte ich ihn veranlassen, den Umtausch vorzunehmen. Das geht aber aus einem einfachen Grunde nicht. Ich habe wohl William Kedgin in den Fingern, möchte aber nicht, daß er mich in die seinen bekommt.«

»Schön, sagte Frau Walsingham, »dann muß ich es selbst tun.«

Er nickte beipflichtend.

»Das ist viel besser, Sylvia. Aber wie?«

»Ich weiß noch nicht. Ich will alles durchdenken, denn es muß sich etwas finden, und zwar bald.«

Carsdale blies dicke Rauchwolken aus seiner Zigarre.

»Ich werde dir etwas sagen«, begann er nach kurzem Nachdenken, »mir ist da etwas eingefallen. Wollte nicht Shrewsbury für Burgoyne und uns ein Essen geben? Überrede ihn, daß er es in seiner Wohnung anrichten läßt. Das ist das erste. Nun kommt das zweite. Beim Nachtisch bringen wir das Gespräch auf Diamanten. Du drückst den Wunsch aus, das berühmte Halsband zu sehen, das einst den Hals von Marie Antoinette – war es nicht so? – oder von Marie Louise schmückte. Das kann Burgoyne einer Dame nicht abschlagen. Der Schmuck wird herumgereicht, bewundert und kommt auch in meine Hände. Erinnerst du dich, daß ich mich auf Taschenspielerkunststücke verstehe?«

Ihre Augen leuchteten plötzlich, eifrig nickte sie ihm zu.

»Ja, ja, ich erinnere mich.«

»Also weiter. Das falsche Halsband kommt zu mir, das echte hast du mir vorher gegeben. Hokus pokus – die Sache ist getan. Ich habe die beiden ausgetauscht.«

Frau Walsingham stand auf.

»Das ist der Kriegsplan, so geht es. Ich will nun den Schmuck einlösen und dann die Essensangelegenheit in Gang bringen. Dabei gibt es keinerlei Schwierigkeit.«

»Hast du das Geld? Wenn nicht –«

»Danke, ich bin versehen«, sagte sie und klopfte auf ihre Handtasche. »Es ist mein eigenes Geld. Ich habe es überhaupt nur versetzt, um es sicher zu haben.«

»Ich verstehe nur nicht recht, warum du das Ding überhaupt genommen hast.«

»Als Reservefonds für den Fall, daß etwas passieren sollte«, antwortete sie und sah ihn dabei fest an. »Ich hatte mir alles reiflich überlegt, und meine Aussichten standen dabei nicht schlecht. Burgoyne konnte ebensogut nicht mehr zurückkommen.«

»Natürlich, es war eine Glückssache. Dabei kommt mir noch ein Gedanke. Wenn Burgoyne verkaufen würde, warum läßt du Shrewsbury den Schmuck nicht kaufen? Dann hast du beide Exemplare in Händen. Das unechte vernichtest du, und das andere behältst du. Du weißt, daß Diamanten ihren Wert behalten.«

»Aber Burgoyne verkauft nicht«, warf sie ein. »Ich dachte erst selbst daran. Erst war er bereit, aber gestern nachmittag sagte er in meiner Gegenwart, er habe sich anders besonnen. Die Hauptsache, wir richten alles so ein, daß er nie die Wahrheit erfährt.«

»So ist es«, bekräftigte Carsdale. »Wenn der Bursche eine Spur hätte, würde er sie bis zum Ende verfolgen. Wir müssen so schnell wie möglich ans Werk. Bekümmere dich um das Diner und überlaß das andere mir.«

Frau Walsingham ging, und da es Lunchzeit war, aß und trank sie mit gewohntem Appetit. Sie kannte Carsdales Geschicklichkeit und Kaltblütigkeit und wußte, daß ihm das Vertauschen der Halsbänder eine Kleinigkeit sein würde. Niemand konnte dann von ihrer Tat etwas erfahren. Sie würde Richard und sein Geld heiraten und versorgt sein.

Vom Restaurant aus ging sie zu dem Pfandleiher und löste das Halsband ein. Sie verschloß es in einer Geheimschublade und arbeitete dann, bis Richard gegen fünf kam. Sie las ihm schon vom Gesicht ab, daß er ihr etwas Neues zu erzählen hatte.

»Denk dir, eben aß ich mit Burgoyne. Er will mir doch das Halsband verkaufen, da er nichts damit anfangen kann. Er besteht darauf, nicht mehr als zehntausend Pfund zu nehmen. Ich sagte ihm, ich müßte dich erst fragen, da gab er es mir zum Ansehen mit. Hier ist es, und du mußt mir erlauben, es dir zu schenken, Sylvia, du mußt!«

Und er legte das Duplikat auf den Tisch, nur wenige Zentimeter entfernt von dem Platz, wo das Original sich befand.


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