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Gleichsam als Vorstufe des Regens täulet’s, täuwelets, wie wenn d’s Tau fallt. Ein strichweise plötzlich einsetzender und aufhörender Regen, der eben merkbar nätzt, ist gleichsam ein Gießbad: eine douche, 1 saanerisch: der Tụ̈ụ̈sch (s̆s̆), wenn nicht das Tụ̈schli, im Gst. das Straametli geheißen (vgl. Wiheltụ̈schleni). Anhaltender Landräge hinwieder ersü̦lkt 2 des unbeschirmten Wanderers Kleider, bis er dü̦ü̦r u nd dü̦ü̦r ersülkta ist, und bis daß’s ’mụ in de Schuehne glu̦ntschet, glu̦tschet. Der Boden wird durchsickert: g’schweißet. 3 Senkrechte Felswände aber kann Regen, der schmeizt, derart durchfurchen, daß sie aussehen wie eine Reihe ụfg’ställt Lade (Bretter). Schweren Schaden stiftet dann und wann der Hagel ( S. 13).
Sobald’s rụụchet, so schnịjt’s; es schnịjt, es hät g’schnị̆t ( S. 11). Vielleicht als Sommerschnee in der Höhe ( S. 12), oder aber als Wintervorbote im Tal bloß e̥s Schnẹe̥wli. So sieht man es zumal am Gi̦fer: dem vom 2543 m hohen Gi̦ferhoore überragten imposanten Südabschluß des Turpachs. 4 Gemäß seiner Bedeutung 5 bedeckt es sich mit einem Schnẹe̥schụ̈ụ̈mli, das wie Rauhreif ( le givre) aussieht, wenn seine ganze Umgebung noch grün ist, und behält es, bis die Sonne auch seiner Meister wird. So kann es zu wunderhübschen Anblicken kommen, wie z. B. am Aaben d um säxi des 20. März 1921: Unten ein breiter Streif der unsagbar schön leuchtenden Abendsonne, 26 darüber ein breiter, beschatteter Streifen Schnee, ein schmaler Streifen Sonne, ein Streifen graulichen Nebels, das Hornspitzchen den Gutenachtgruß der Sonne empfangend.
Dḁrfü̦r im Winter wieder ein echt oberländischer Pätsch, Flatz, e Chnöuwete, Fläre u Bĭ̦rlig (s. u.), ja ein Sụwhundsbĭ̦rlig Schnẹe̥, eine Flä̆rete oder Flääre (Gst.), die Hääg u Zụ̈ụ̈n uberschnị̆t und ịschnị̆t, ịnschnị̆t.
Wieder und wieder kann es im Tal schneefrei werden: der Schnee schmilzt, der Boden wird eebra, ẹe̥bra; es ẹe̥be̥ret, man wandert ẹe̥bers̆ Häärds ( S. 12). Aber einmal gi̦ bt’s doch der underist, und der Schnẹe̥ blịbt lĭ̦ge wie vormals im Saanenland, und wie z. B. in Grindelwald vom Wintermonet an. Mụ g’sẹe̥ht ’nḁ gääre z’rächter Zịt choo; so gi bt’s eṇ gueti Sŏhle.
Im Lenz durchsättigt und kühlt die Schneeschmelze die Luft so gleichmäßig, daß es auch auf der wärmsten Su̦nnsite nit van Äärist gruenet, bis der Gägeschnẹe̥ (der Schattsịte) ab ist.
Schneeflocken, die so groß wi Fü̦ffränkler gefallen sind, bilden eine Decke, die mit ihrer Angleichung an den Luftwärmewechsel sich allerlei Beinamen erwirbt. Nächtlicher Frost überzieht sie mit einer Kruste oder einem Rauft, Raaft; er macht aus ihm den g’raafte Schnẹe̥. Die tiefer einwachsende Kruste zermürbt zu Staubschnẹe̥, zu pulverigem oder saagmähligem Schnee, Pụderschnẹe̥ (Gst.). Der Schnee ist nid g’wattniga g’sị; als es u nläufigs G’mü̦ll ließ er sich treten. Mit neuer Wärmewelle uberschoßna, gi bt’s gueta Schleif, und er hinterläßt als trättiga Schnẹe̥ Schuh- und Fußspuren. Neu überfroren bis zu Eisesglätte, ist er g’frorna und g’hu̦bleta. Jetzt durchdringt ihn Regen, bis er flatschiga wird. Auf dem Weg zu solchem G’flatsch, G’flu̦tsch wird er wie nasse Erde talggiga; er talgget; er chleipet: klebt an Geräten, Beschlägen usw., und er stollet sich: bildet an den Schuhabsätzen die zähe haftenden Stolle («Stogle»); teigga u balliga (s. u.) werdend, läßt er sich zu allen wünschbaren Formen gestalten.
Auf Straßen und stark begangenen Wegen müssen starke Schneelasten durch gemeinsame Arbeit weggeräumt werden. Da tritt das Schnẹe̥ schụfle oder schor re mit der Spi̦tzschụfle, das Lospickeln mit dem Pi̦ckel, fu̦rtfergge usw. unter wegmeisterlicher Führung ins Spiel: eine im verdienstarmen Winter vielorts willkommene Arbeit. Rü̦ckt solche nicht rasch genug, so muß der Schneepflug: d’Schnụze «Treib» machen. So oder so mueß mụ de n verschnịte Wääg tri̦i̦be, bis mụ ’ne ’tri̦bna hät.
27 An geeigneten Stellen aufgetürmter Schnee verliert im gegebenen Augenblick seinen Stützpunkt und rị̆tet talwärts: es gi bt e Ru̦tschete. Die Masse walbliget abha — wohl gar so, daß sie über eine früher gerutschte, aber auf halbem Wege stecken gebliebene hinweg abschị̆bet. Die Masse ist also aus dem stabilen ins labile Gleichgewicht geraten: ins Wanken (l. labāre) und ins Gleiten (l. lābi). 6 So kommt es zur ml. labina und rätischen lavina, zur ahd. lowina und (seit 18. Jhd.) zur deutschen Lawine, Lauwine, zur mundartlich gekürzten Laui, Läui, Lauene, 7 zur poetischen «Laue», 8 zur «Lauenen»; 9 und wenn es in abnormen Wintern i’n Schnẹe̥ rägnet, zur Grundlauene; zur Ranslauene (La.) und all den andern örtlich benannten Lawinen. Die Staublauene besteht aus Pulverschnee («Staub») und kommt bei kalter, trockener Witterung vor.
Phot. Nägeli, Gstaad
Die Lawinen haben ihren gewohnten Strich, Zug, Runs, ihren Lu̦u̦s oder Laas (Gst.) — wie auch der zu «Lụụs» und «Loos» gewordene Holz-Laß 10 (zum steilen abrutschen lassen des Schlagholzes) heißt. Auch ganze Alpgebiete benennt man danach; so die Längi Láuene, und so das 1259 m ü. M. gelegene Dörfchen in der Lauene als Zentrum dieser Einwohner-, Kirch- und (dreiklassigen) Schulgemeinde. Es liegt hienacha dem Lauenesẹe̥ 28 ( S. 40) am Lauibach ( S. 67), angesichts des nordostwärts ansteigenden Lauene- oder Lauihoore. Die Lauenematte und -vorrschḁß (Gd.); ’s Läueli (FÖ.).
Gewohnte Lawinenzüge werden selbstverständlich nach Möglichkeit gemieden; und man schützt durch sie bedrohte Gebäude, wie z. B. am Wịte nmbärg, durch einen Pfịịl als pfeilförmig aufgemauerten Abwehrer. Auch der Tụbelauene wird so «vorgebaut».
Da mögen im Frühling die Lawinen krachen und tosen und damit «die Alpe grün werden» lassen, wie im Sommer das Gewitter d’s Gras fürha tonde̥ret! Mögen die und die bekannten Stellen wieder verlauenet oder b’lauenet werden: der allfällige Schaden ist leicht zu heben.
Aber weh, wenn ungrad Laueni: ungewohnte oder völlig neue Züge ein Gebäude, einen Stall voll Vieh, einen Menschen lauene, b’lauene und unrettbar ịmache! So am 23. Januar 1891: da überraschte eine Wi̦spi̦le-Lawine im Längembode den Gottfried Raaflaub beim Trämel füehre. Fünf Männer entgingen im Januar 1897 mit Not einer Spitzbärg-Lawine. Samt der Grundbrügg wurde ein Schürli mit 13 Stück Vieh zugrunde gerichtet. Unvergessen bleibt in (dem auch als «Lamwinental» 11 gedeuteten) Afländsche ( S. 35) die Verschüttung der geschätzten kleinen Pension Poschung im Frühjahr 1921 — durch einen gänzlich unerwarteten Lawinenzug. Nichts freilich vergleicht sich mit der Lawinenverheerung, der zu unbekannter Zeit der Verloren Bärg erlegen ist. Es gibt übrigens gefährliche Lawinenjahre wie 1888, das z. B. dem Staldengebiet Verheerungen brachte, ähnlich dem Unglück u̦f der Ochseweid (La.) von 1900.
In den Jahren 1752 bis 1800 gingen 21 Gsteiger zugrunde durch Schneetiefen, Schneelawinen oder Steinschläge. 12 Denn es gibt auch Steinlawinen. Von solchen redet z. B. das Löueli (oder die Solotu̦rnere) 13 im Lauelichrachche gegenüber dem Chlöösterli im Grund.
Schẹe̥fleugi heißen weiße Fliegen, oder gelegentlich auch die ersten Schneeflocken im Herbst. Schneewịß ist das Ideal der Allfarbe, wie Choleschwarz das der Nichtfarbe. Allein, es gibt auch schwarza Schnẹe̥.
Er besteht sowohl aus Überresten filziger Hüllen von schutzbedürftigen Schnee-Algen, welche zwischen den lebenskräftigen als rootem Schnẹe̥ zerstreut umherliegen, als Massen von Gletscherflöhen, die, bis 3400 m hoch vorkommend, sich von Algensporen nähren, 14 29 wenn sie nicht erstarrt am Eise kleben. «Zu Myriaden glänzen schwarzi Chö̆re̥len auf dem weißen Schnee. Dann überschwemmen, von Luft und Wasser getragen, die Sporen die Alpen vom Fuß bis zum Gipfel.»
1
M-L. 2787.
2
Vgl. die Bildungsreihe Sol (Pfütze), sülen, sülchen, sülken:
Schwz. Id. 7, 766. 798. 846. 898, neben
sü̦lpere (s. u.).
3
Vgl. die Weiterbildungen Schweiß und schwitzen,
schweize und
Schweizi.
4
Gruner 165.
5
Schwz. Id. 2, 130. Oder aus
caprile (Ziegenstall am Fuße des Berges) zu deuten?
6
Walde 402.
7
Weig. 2, 32.
Schwz. Id. 3, 1539 ff.
8
Romang H. 47; OW. II 90.
9
Coaz: die Lauenen der Schweizeralpen, vgl.
SAC 16, 837-842.
10
Aw. 167.
11
Gatschet A. 380, aus mi.
advallare.
12
Cons. V 140.
Schwz. Id. 3, 1539-43.
13
Einer Solothurner Kasse als Schuldendeckung gehörend.
14
SAC 11, 439-464. Algen:
Schmeil 350-361; Gletscherfloh: 405.
Der Rịịffe, altdeutsch hrîffo, rîfo, rîfe zeigt, wie die Eisblumen am Fenster, im einzelnen die prachtvollen Kristalle, deren dichte Lagerung das so tragkräftige Ịịsch bildet. Tragen doch Ịịschblächchi von 4 cm Dicke einen Menschen, und fallen Ịịschnägla (Ịịschzäpfe) erst vom Dach, wenn bedeutende Länge und Schwere sie löst: we nn’s ụftauet. Gewaltige Mengen einer solchen ịịschige, g’ịịschige und ịịschchalte Substanz: solcher l. glacies oder glacia 1 heißen schweizerdeutsch Glätscher, Mehrzahl: Glätschra; und gletsch ist, was an la glace erinnert. So ist gletsches Ịịsch sauber blinkendes; e gletschi, gletscheni Wunde ist prall gespannt, so daß sie schịịnt. Es gibt glä̆ses Ịịsch, e glä̆seni G’schw̦ulst, e gläsena Rịịffe.
Phot. Marti, Bern
Des Gletschers Haupteigenschaft ist allerdings seine Mächtigkeit in Längi, Breiti und Teuffi, und seine Vergesellschaftung, die das Hochgebirge zur erhabenen Gletscherwelt stempelt. So gewährt, selber in einen starren Eispanzer gehüllt, der massige Stock des Wildhoore den Überblick einer ganzen Welt voll Eisspitzen vom Simplon bis zum Col 30 de Balme. Zwischen ihnen aber und dem Sanetsch trennt der scharfe und rauhe Grat das Massiv in den westlichen Teil: den vom Arbelihoore gestauten Arbeligletscher vom östlichen Teil: dem vom Gältehoore überragten Gälteṇgletscher. 2 Wie als sein Pendant hängen zur Rechten des Hahneschritthoore vom Grat herunter die zerrissenen Eismassen des Tungelgletscher. Auch der «haßt die Menschen», 3 die in Zeiten furchtbarer Verschrundung führerlos über seinen offenen Rücken wandern. Der Oldeṇgletscher (ein Teilstück des Zanfleuron-Gletschers östlich des Oldenhorns, westlich dagegen ein weiterer Teil des glacier du Dard hinwieder schickt seinen Besuchern wie als Vorprobe das anmutige Gletscherschüsseli an Olden voraus — ein Vorspiel auch der hübschen Gletschertöpfe, wie sie am Sanetsch zu sehen und vermutlich am Riedhubel bei Gstaad versteckt liegen.
Sie zeigen u̦f ihru Art, wie sehr auch solche Eismassen in Ausdehnung und Bestand von der Luftwärme abhängig sind. Den langperiodischen Wechseln derselben entsprechen die Vorstöße und Rückzüge der zweutụụsig (zweutuisig, Gst.) Gletscher und Glätsche̥rle̥ne der Schweiz.
Es gibt unbestrittene Zeugen einstiger Vergletscherung des saanerischen Gewässers. Ein mächtiger Gletscheraum überstieg die heutigen Gruebi und überdeckte das Gebiet des Tschariet und der Mü̦̆ser. Neben ihnen gibt es kleinere, aus Urgesteinschutt bestehende Moränen-Bodenstrecken. 4 So neben dem Arnesẹe̥, u̦f de n Fu̦rre, im Brand, u̦f em Heiti (Gst.), a Wi̦spi̦le, im Chalberhöni, an der Hooreflueh und Hooretụbe, am Riedhubel. Starke Schichten von Lätt, wie über dem Troom an steiler Halde, allerdings durch die heiß aufstrahlende Sonne g’spalte, würden auch Stellen wie die Bleiki unter dem Bissendür ri überkleiden, wenn nicht hier der Wätterschmeiß von Westen her die Fi̦rne abschwäächti, wie an der wịịße Flueh über der schönen Rällers̆-Vorschḁß.
Phot. Franz Rohr, Bern
Auf dem Oldenschuttkegel stehen (in 1326 m Höhe) die Hütten der Rụ̈ụ̈sch. Ähnliche Kegel zeigen das Chalberhöni, der Tü̦rpach. Zu ihren Gegenbildern gehören die Chäßla wie auf Hornberg, die Schlüechte wie hinder na ḁm Sẹe̥, die Trachtera (Trichter) oder die Folli (wie am Fuß des Follhoore, vgl. auch d’Folle am Olden unterm Gstellihoore) am Rand von Trogtälern wie Tschärzis, wie Meielsgrund, wie Chalberhöni es sind. Als Muster eines 31 Taltrogs gilt das Tü̦rpachtal. Rundhöcker auf Olden und Oberolden deuten auf einen vormals viel mächtigern Oldengletscher — so wie auch (600 m unter dem heutigen entspringend) der eiszeitliche Tungelgletscher seine Macht entfaltete. Zwei von ihm herrührende Wallmoränen bildeten ein «Gefäß», altdeutsch kar. 5 Das übertrug seinen Namen z. B. auf das Gsteiger Char- oder Gharhoore (westlich davon d’s Gharblatti). Seine Gestalt aber erteilte es der kleinen Ebene zwischen der Holzersflueh und den senkrechten Flühen des Rothoore. 32 Das ist der Chüetu̦ngel, dessen eigenartige Form — bereichert durch das 20 m hohe, runde Högerli aus Münzesteichalch — Franz Rohr’s prächtiges Bild so treffend wiedergibt. 6
Die Eisströme gestalteten aber auch grasreiche Alpen wie die Tu̦ngla, deren unterer (der Chüetungel) schon mit seinen sechs behäbigen Hütten auf den Wohlstand der Eigner deutet; den Meiel und den Olde und wie die schönen Alpen (s. u.) alle heißen.
Auf Abfuhrwegen klein und groß finden wir die Natur fortwährend begriffen in der Anhäufung von Gehängeschutt, wie z. B. der «Gufel» oder Gu̦fer 7 ihn darstellt, in welchem man gŭ̦feret, den man ergü̦̆feret. Danach erklärt man den Namen der Gu̦festatt. Das ist ein Komplex von zwei kleinen Ganzjahrheimwesen und einem Schụ̈ụ̈rgüetli am Südwestgehänge des Hornbergs, alle herrlich besonnt, einen prachtvollen Fernblick bietend.
Gröberer Gehängeschutt bildet den oder die Gand, die Gänder 8 als Namengeber des Geschlechts Gander (s. u.), vgl. d’s Ganderli und den «Gandbach»: Gambach; d’s Gändli (Gd.) und die schwarzeṇ Gänder (schwarzer Schiefer) ob dem Olden.
1
M-L. 3771.
2
SAC 16, 168. 178.
3
Emil Balmer.
4
Zu mor-sch und mu̦r-b gehört auch die Mur und
la mor-aine, welche Saussure aus der Bauernsprache des Chamonix in die Gesteinskunde eingeführt hat. (
Weig. 2, 215. 237.)
5
Mhd. Wb. 1, 788;
Gb. 393;
schwz. Id. 3, 420.
6
In der kleinen Schweizergeographie des unvergeßlichen Berner Hochschullehrers Walser, und danach in Robert
Würstens «Führer durch Saanen».
7
Schürmeier 105.
Schwz. Id. 2, 132.
8
Ehd. 336.
Selbstverständlich beschäftigt uns hier vorab die Namengeberin des Saane̥ls, Saane̥z 1 (Sáne̥tz) oder Sanétsch, 2 des Dorfes Saane, 3 der bernischen Landschaft als des Amtsbezirks Saane, 4 sowie des freiburgischen Bezirks Sarine. Zunächst ist das Quellgebiet des gut 33 mundartlichen Saane̥lz oder Sane̥ls, verdeutscht zu Sanétsch, benannt nach der fz. Form des Flußnamens Senens.
Ihre Wiege aber hat «die junge Saane» 5 am Saume des Sanetschgletschers, wo der Zanfleuron-Gletscher abschmilzt. Die «blumenbesäete» Weide, wo der sagenhafte «Kuhhirt von Fleuron» seiner Herde wartete, ist ein «Feld» im Sinne des l. campus. 6 Das c- weist alle denkbaren Abstufungen auf in den Schreibungen Tsan̆fleuron, Chan̆fleuron 7 und Champfleuri, Sanfleuron, Zanfleuron. 8
Phot. Nägeli, Gstaad
Wie großzügig in der Tat schon die Sammelarbeit der jungen Saane in ihrem Quellgebiet! Aus den umfänglichen Talschluchten und Kesseln von der Wildhorn- bis zur Diableretsgruppe all die Wässe̥rle̥ni heranziehend, formte sie das Quertal Sanetsch-Gsteig-Grund bis zur Nähe des Gstaad. Mit der Kraft eines Aa nmpụtsch, den das mittlere Gefäll von 320 ‰ auswirkte, suchte sie die Breccie des Hornbergs zu durchbrechen.
34 Damit wäre das Kerntal des Saanenlandes, wären das Waadtländer und Freiburger Oberland ungeschaffen geblieben. Unterblieben wären Riesenwerke wie die Durchquerung mannigfaltiger härtester Kalkgebilde der Rüebli-Vanel-Gruppe, der Gastlosen-Ausläufer, der Vanilnoir-Kette, das ganz besonders imposante Klusenwerk der Bochte. 9 Alles dies im 19 km langen Westlauf bis Montbovon. So wurde die Niederlage des jungen «Siegers» vor dem Hornberg und seine gẹe̥iji 10 Abkehr nach Westen zum Sparen und Mehren der Kraft für ganz anders große und wertvolle Werke,
Auch in dem aufs neue und nun für immer angetretenen Nordlauf, der noch fast drei Viertel der Gesamtlänge beträgt, gab es neue Betätigung der bewährten Kraft: den Durchbruch des Greyerztales bis Greyerz. Dann erst beschreitet der Sieger seine ruhevoll große Laufbahn.
1
Hubschmied in
ZfdM. 1924, 188, 1: Sieg, gallisch
seg (
Weig. 2, 1862) steckt neben
avon (
Gatsch. O. 29. 108) in «
Seg-avona», verdunkelt und gekürzt zu
«Se(g)anona», Senona (1270, 1283),
Sanona (1039-1253),
Sanuna (1079. 1080),
Sánena. Das Verfließen des hintern
n zum «hintern»
r (
Ped. II 56) erzeugte die Formen
Serona (1312),
Sarena, fz.
Sarine (1259
Seroye). Vgl.
Muret in
Romania 37, 563;
Jaccard 4151.
2
«Die Alpweide» am Oberlauf der «
Segana» (Saane) mag ursprünglich
Segan-incio geheißen haben (
Hubschmied, s. u. «Abländschen»), woraus fz.
Senenz (1252),
Senens (1379), Sanétsch wurde; 1662: der Sanetzberg. Das Sanetschhorn:
SAC 17, 77 f. Vgl. immerhin Gatschet
AhV. IX. 380.
3
Und des daher stammenden
Saaner, wie. z. B. des Karrers Niklaus Saner zu Frienisberg (1591).
4
Vgl, Norrmann G. P. H. Geographisch-statistische Darstellung des Schw. Landes, Hamburg 1795.
Gruner: die Eisgebirge der Schweiz;
Géographie de Busching par Mr. Bérenger, Lausanne 1779.
5
Schürch im «
Bund» 1921, 337.
6
Einbuchtung:
Walde 119;
Prellw. 207.
7
His. 22, 215.
8
Als
campus, im
Patois: tzan̆ am Wasser
(av)ona und damit als zweites
Äbnet deutete
Gatschet (aaO.) Saan-en und danach die Saane, sowie
Gesseney (s. u.) als die Häuser (
casae, chez) an der Saane.
Die Formen erinnern an den Namen des saanerischen Bäuert- und einklassigen Schulkreises im Westen der Saanen-
Mü̦ser. Dieses
Riet «wölbt» sich über Gruben und Saanen hin als ein
campus: champ. Es ist das
Tscharíet, Tscheríet, Tschöríet, Tschoriet, G’schariet. Das tsch- erweichte sich aber zu sch- (
ch-) Schoried (1639). Die Verdunkelung rief einem neuen Sinn: schon = schön (s. u.); daher «Schonrich» (Syonneriet 1289), schon 1557 aber
Schönried, wie 1270 Soneried. Eine treffende Volksetymologie.
9
Großzügig geschildert von A. Baltzer, Das Berner Oberland, S. 242 ff.;
Heim 2, 673;
Nußb. 10.
10
Der Winkel beträgt 60°.
Wie Saane und Sarine éin Wort sind, so hieß «von Saanen» z. B. 1398 auch welsch de Sanon, 1453: de Sanen. Ganz wie man heute im Fernverkehr à Saanen schreibt und wohl «MOB» (Montreux-Oberland-Bahn) beifügt, um Verwechslung z. B. mit Sarnen zu vermeiden.
Nun liegt allerdings das Saanendorf bloß mittelbar an der Saane: duchflossen wird es von dem zeitweilig reichlich sich in die Saane «ergießenden» Gieße: dem Sammler der vormals sumpfigen Ebene zwischen Chauflisbach und Dorf, dessen kanalisierter Lauf vormals die Mühli o b-d dem Dorf trieb. Heute wird der Gießen hauptsächlich durch unterirdische Sammelrinnen vom Abhang über dem Dorf gespiesen. Im Dorf ist er durch alle die Gassen und Gäßleni überdeckt und tritt bloß im Gießeṇgäßli zutage. Mit der ihm hier erschlossenen Offenheit empfahl er sich den Dorfern, deren Weiden und Wiesen keines unterbernischen Ku̦mpost bedurften, in aller Höflichkeit um milde Gaben aus Küche und Stube, Hof und B’setzi. G’hịj das i’ṇ Gießen ụsi! hieß es kurzerhand von Stoffen, von deren Präsenz man leicht und gerne Abstand nahm. 1
Der Teil eines Flusses, der das Blickfeld des Anwohners beherrscht und durch Nutzen oder Schaden des letztern Interesse in Anspruch nimmt, heißt das Lantwasser. So z. B. die das Ebnit durchfließende Saane, so die Simme, und so der Jaunbach dem Jauner. 2 Hier ist in verengtem Sinne Lant (Land) als die heimische Ebene 3 und Wasser 35 — éin Wort mit gr. hydōr und l. unda (onde, Woge) — als Fluß zu verstehen, ähnlich wie l. amnis (vgl. «Emme»). Die zugrunde liegenden keltischen Formen 4 haben im Germanischen Ableger wie einerseits aach, anderseits ab, apa, affa hinterlassen.
Bekannt klingt und unter letztern vorab entgegen «das obere Stockwerk des Jauntals» 5 : das gut saanerische Afläntsche, das nichtsaanerische 36 Abläntsche, wie dieses sich als Hofname «im Abläntschi» bei Öschseite und bei Guggisberg wiederholt.
Der Gri̦spach selbst wird 1397 und 1398 als «Grißbach» 6 (1500: Grißschbach) geschrieben und als Flendruz des Crêts, 1115 Flumen Flandru gedeutet. Jenes erinnert an fz. la crête (ein Kamm über Château-d’Oex) als die l. crista; 7 der Berg-«kamm». In der Tat entspringt solcher «Grist-bach» der Savigny-Fluh. Ihr entführt er auch etwa das rein Grien = Gries, 8 nach welchem sein Name gedeutet zu werden pflegt.
Mit anderm Namen heißt der Gri̦spach der Bach an den «Heuschobern»: Fenils (s. u.), Finel und Fi̦mel.
Eine Menge «Bäche» münden in die Jaun; und als «bachreicher Berg» bildet die Alpa rivulosa, 9 Rüwlossen (1488), Rụ̈wlịsse ( S. 19) mit dem Rụ̈wlịsseṇgrábe (Tp.) die March gegen St. Stephan.
Über das Römische und Gallische zurück aber: ins Ligurische gehen die zwei Namen Murg 10 und Thur, 11 beide svw. «Bach». Die Thur als bekannter Gau-Benenner und der spanische Duero begegnen sich in la Tur 12 als Tu̦rbach, 1312: Turupac, Turunpac, Turuspac, was also ursprünglich schon selber Bach bedeutet, aber im Tu̦rpachbad zweimal wiederholt wird. 13 Tu̦rpach bedeutet nunmehr die saanerische Bäuert und den einklassigen Schulkreis, dessen mustergültig ländliches Schulhaus von 1924 aber für zwo Schueli Raum bietet. 14 Die vorherrschende Aussprache Tü̦rpach gab Anlaß zu der allerdings ganz unsachlichen Deutung als «Düribach» (1764). Das gemahnt seinerseits wieder an die volkmäßig beliebte Auslegung als «Durchpaß» verfolgter Anhänger des im Saanenland erst 1556 zwangsweis eingeführten neuen Glaubens nach dem längst reformierten Obersimmental und umgekehrt katholischer Simmentaler nach dem Turpach. Eine andere volkstümliche Deutung erblickt man in der Silbe «Tour» = fz. tour, womit die Krümmung des Baches gemeint ist.
Eine Anzahl Örtlichkeiten liegen einfach am Bach, von diesem vielleicht derart durchnäßt, daß sie paach 15 sind: svw. füecht, topp (s. u.). Den Reichtum saanerischer Bäch deute hier das Register an: Der Art-, Blatti- oder Blattis-, Blättlis-, Chälleröy-, Tungel-, Falb-, Falle n-m-, Föyters- (1617) oder Feuters-, 37 Gam- oder Gand-, Gaudard- oder Gauderli-, Gelte n-m-, Laui-, Oldem- oder Rụ̈ụ̈sch- (1270: la Rueci), Rohr-, Schied- (s. u. 1558) oder Scheid-, Schwarze-, Sẹe̥-, Tu̦rpach-, Werre n-m-bach (an der Werre-matte). D’s Bort-, Geißmoos-Bächli. D’s Türpächchi (Weide im Turpach). Die Bachche̥ne (Abl.): neu gepflanzter Staatswald zwischen zwei Bächen, vgl. Zwüschebäch (La.) und Mitte-m n-bach, am, bi’m Bach, d’Bachweid, d’Bachmatte, der Bachbärg, d’Bach-egg, -matte, -vorschḁß, -weid. 16 Bachsbärgli speist die Hydranten in Gstaad und Ebnit. Die Bachtalen, Bachte̥le ist ein verbachte̥le̥ts: mit Steinen, Kies und Sand angefülltes Bachbett, das nicht regelmäßig frisch ụsg’noo: ụsg’schor rt würd; also ein altes Bachbett oder Bachufer.
Phot. Marti, Bern
Am Äbne̥t-Heimwesen vorbei, das nach dem Zunamen Ru̦mpler eines frühern Besitzers d’Ru̦mplere genannt wird, fließt dem Äbne̥t-Sẹe̥wli (s. u.) das Ru̦mplerebächli zu. Den steilen untersten Teil des Gruebesträßli begleitet es allerdings mit recht vernehmlichem, z’Stööse-wịịs einsetzendem Plätschern, und im Vorsommer von der Hoore-Südwestseite losgerissene Steine mache’s z’ru̦mple u z’poldere — gleich andern Bergbächen, So die andern 38 Weggeleiter: das im Oberlauf an einer einstigen Äärbe̥sse̥re (Erbsenpflanzung) 17 vorbeifließende Äärbe̥sse̥rembächli und das Wißmülleribächli. Dieses bespült das Heim, welches nach einem ehemaligen Besitzer namens Weißmüller d’Wịịßmü̦lle̥ri heißt.
Das urchig deutsche Krummwasser: di chrumme Wasser an der Wildhornhütte, sowie der klar und sachte: satt, sattlich 18 aus dem Boden rinnende Sattler (Gst.) führen über zu all den Gräbe ( S. 63), wie der leid, der schreie nt, schrijend (Gst.), der Iyen- (La.), Müli-, Reine̥ls-, der Schwarzeṇ- und Schwarzbach-, der Si̦mneṇgrabe usw.
Eine Anzahl Grä̆ble̥ni, von denen eines mittelst eine Brü̦gge̥tli, zwei andere einfach mittelst eines Spru̦ngg überquert werden, fließen von der Nordseite der hööije Wi̦spi̦le herunter nach der Ostseite der Heimwesenreihe dieses Namens. Sie ergießen sich in den Lauibach hinunter und haben während Jahrtausenden zwischen zwei jähen Absturzstellen eine langgezogene kleine Ebene geschaffen, die längst zur Gründung mehrerer wohlbestellter Heimwesen einlud. Das ist die Örtlichkeit in de G’mü̦nte; es sind di G’mü̦nti. Sie erinnern an G’münden oder doch an das singularische Kollektiv Gmünd: das altdeutsche gi-mundi, ga-mundi. 19 Sie führen ja dem Straßenwanderer nach der Lauenen, der beim Trom rechts hinschaut, das reizvolle Schauspiel einer Reihe von Mündungen vor, die über den steilen steinigen Abfall hin sich hinüberbiegen.
1
His. 9, 114,
Zimmerli u. a., vgl.
Gatsch. O. 108.
2
Jaun 185;
Gerber (1764).
3
Kluge 276 f.
4
Prellw. 474;
Walde 850 f.;
Weig. 2, 1215 f.
5
AR. 1829, 275. Zwischen
ab- und
af- stellt sich
av- mit der schon oben gefundenen Erweiterung
-ona, was den bekannten Flußnamen
Avon ergab. Wit der fernern Endung
-intso, d. h. über (dem Fluß Jaun), heißt der Ort im alten
Patois Avon-intso (
Muret in der
Romania 37, 568 f.;
Zimmerli II 145;
Stucki), 1324
Avanchy, Avenenchy. (Dr.
Hubschmied im Bi. an Marti-Wehren; vgl. Äbischer in der «
Revue celtique» 1925). Neben allerlei ältern Deutungen z. B. als fern «ab»-liegendes Ländchen u. dgl. sei immer noch Gatschets Herleitung (
AhV. IX, 380) afz.
avelantza, ml.
ad vallantia, avalanche erwähnt. Verdeutscht klingt das Wort im Namen Jenni Affuentscher (1403:
His. 22, 293) mit Weglassung des ersten
n, und noch früher (1395) in Wernlin Affuentscher mit zu
ff verhärtetem
v. Gesichert aber blieb der Stamm
avon im Ortsnamen Afuentschen 1457, 7. September, und 1459, 12. Juni:
His. 9, 73. Das neuere Patois der Umgegend dissimilierte das erste
n zu dem leichteren
l: Afflentz, und so spricht der Jauner es nach: Aafländsche (etwa mit eingeschlichenem nasaliertem
ä:
Stucki 126) wohl auch Oofläntsche. Und so spricht der Saaner
Afläntsche (á), wie auch von
Bonstetten (1793) und Gruner (1751) «Aflentschen» schreiben. Im benachbarten Galmiz aber spricht man nochmals glatter
Abläntsch mit nasaliertem
ä, und durch das Neuwelsche kam die Schreibung
Abländschen auf.
Das z. B. in l.
aqua, got.
achwa, «agwi» (
Weig. 1, 99;
Walde 53) erhaltene
qu, chw, gw spaltete sich in andern Sprachen in den Lippenlaut, der uns oben in
av-on, af-, ab-, ap- begegnet ist, und in den Gaumenlaut. Der blieb zunächst erhalten in dem nun erloschenen Örtlichkeitsnamen
«Zogi» (Gruben). Das
z- war als mißverstandenes «d’s» an das Dingwort «Ogi» angewachsen — etwa wie «d’r Ätti» zu «der Drätti», wie «en Ast» zu inserischem «e Nast» wurde, und wie man umgekehrt altes «Zeinige» und «Zerlach» als «z’Einige» und «z’Erlach» umdeutete. Ogi ist die ml.
augia, avia und die deutsche Aue, Au. Das seither verlorne
-i hinterließ Umlautung von Au zu all den saanerischen Au (
Aw. 24) und
Oey (La., Gst.),
Feutersöy, Saanen-, Saagen- (1626),
Matten-Öy (1617),
Jaggis Öy, das
Öihụs, der
Chälleröibach (La.).
Aus einer Menge mundartlicher Formen von
aqua (
Hold. 1, 315;
M.-L. 570;
Brid. 7; Hürlimann) notieren wir aus dem Saanengebiet Bäche oder Flüsse wie
Neir-iv
ne (1395 für
Neirive, d. i. das «Schwarzwasser» unter der Evischlucht,
Noiraigue usw.) und die
Alb-iv
ne, Arbiv
ne, Ärbi̦i̦we. Der brausende «Wịịßbach», an welchem die Bewohner von
Epagny unterhalb Greyerz ihre Leinwand bleichen (
Küenlin 43); vgl.
Alb-euve, Aub-onne u. a.;
Rogive, Rousseau usw. (vom Torfmoos gefärbter «Röthenbach»);
Froidaigue (
chalta Brunne);
Evo lēne (seifig «mild»);
Ballaigue («schön» klar und ruhig). Auf den Adler (
aquila) wurde
Aigle =
Äälen umgedeutet, das doch
aquale (Wasserlauf) ist (
Gatsch. O.).
«Fließendes» Wasser: l.
flumen wurde it.
Fiume, fz.
flon, fléon, flein usw. (
M.-L. 3388;
His. 9, 128), und das aus gallischem «
dlûtos» (üppig;
M.-L. 2708,
Brid. II, 197) entstandene fz.
dru (kräftig) half den Namen
Fleindru bilden, sowohl für den
Fländrübach als den
Gri̦spach, wie den westlich von ihm gelegenen Gemeindeteil von
Rougemont.
6
His. 22, 255; 23, 164.
7
M.-L. 2330.
8
Kluge 181.
9
Gatsch. O. 296.
10
Danach korrigiere
Aw. Nachw. 26.
11
Hoops 2, 73; 3, 157-9;
Holder 2, 628; keltisch:
dobur, dour, dur.
12
His. 9, 68.
13
Vgl. etwa die Bözinger Tuubelochschlucht als «Schluchtschluchtschlucht».
14
Vgl.
Heimatst. von H. Ällen 1926, 347.
15
Wie Chr.
Reichenbach sagt.
16
S. u. den Geschlechtsnamen
Bach.
17
Vgl. als gleich selten die Deichlere = Deechlere =
Die̥chlere als Dinkel- (s. u.) und die
Gärstere als Gerstenpflanzung.
18
Weig. 2, 634.
19
Graff 2, 812.
Träg hinfließende Gewässer versetzen ihre Umgebung in einen Zustand, den das Saanerische in einer abgeleiteten Bedeutung als topp bezeichnet. Topp (dupp, duppig, düppig), dumpf ist zunächst die stille, schwüle, unter bedecktem Himmel auch füechtelig werdende Luft, 1 dann der feuchte und dabei mit Unreinigkeiten bedeckte Boden, die damit in Berührung kommenden Dinge, und ebenso unreinliche Personen. E toppi Hụshaltig dụ̈tet u̦f e̥ne̥ chlei es topps Mueterli.
Das Wasser, welches z. B. aus dem Sü̦̆deltrögli abhi flatschet (patscht, plätschert) oder weniger ausgiebig abhi sächchnet 2 und sü̦̆deret, erzeugt eine Sü̦̆dere, es Glu̦nteli, worin z. B. ein hinfallender Stein glu̦ntschet. Größer und größer wird die Bü̦tze (Pfütze, l. der puteus), so daß sie sich zum Flöösch (Teich) erweitert und als eine Schwätti das schwadere in ihr zuläßt.
39 Schöner ist der Anblick eines Behälters lebender Wesen: eines vivarium, den das Deutsche als den Weier, Wijer, 3 (vgl. das Wijermaad Gb.) entlehnt hat. Ein kleinerer, nur zeitweilig gefüllter Behälter stillen Wassers ist ein Flöösch. So das Saaners̆loch 4 ( S. 65), über welchem die Saanerslochflueh sich erhebt.
Nicht so die Lächche oder Lache, welche doch éines Wortes ist mit dem l. lacus (le lac). Zu n ere Lächche kann sich das Wasser sẹe̥we vgl. die Bluetlächche).
Phot. Marti, Bern
Übersprudelnd sich ergießen heißt flụtsche. Dazu der Flu̦z; d’s Flü̦zi: der Guß; flụ̈ze: verschütte n, spritzen. Aus Plu̦ntsch und Plu̦tsch und Plätsch, der bis zum plu̦tsch- und plätznaß, flätschnaß, flätschetnaß, dü̦ü̦r ch-g’schwadlet und -g’schloodet werden kann, gestaltet den See in heutiger edler Deutung. Ein solcher Sẹe̥ fordert die Pflege seines Ufergeländes und die Reinhaltung und Belebung seiner Fläche. Beides zeigen der neue Stausee von Montsalvens bei Galmiz, bei Saanen aber das vom Rumple̥re̥bächli und der Saane ( S. 37) genährte Bad-Äbnit-Sẹe̥wli zum Hotel Bellerive-Seehof.
Natürliche Sẹe̥wleni oder Sẹe̥we̥le̥ni ähnlichen Umfangs, in denen bei Hochwasser dieses sich sẹe̥wet (sich wịjeret), 5 sind das Sẹe̥wli zu Abländschen, Raaflaubs Sẹe̥wli von 1620, die Nähe des Tanzplatzes zum ẉịiße n Sẹe̥ (1624/1625), das von Schlamm als Burgunderbluet 6 40 bedeckte Brü̦schenalpsẹe̥wli; der Meielsẹe̥; dazu alle die Sẹe̥- und Sẹe̥wlimatte, Sẹe̥mattestutz, Sẹe̥büel. Einen solchen gibt es auf dem Stierendungel und — neben dem Sẹe̥läger — über der Örtlichkeit «zem Sewe» (1616). Den besucht man vom Lauenen-Dörfchen aus, indem man gäge hinder na ḁm Sẹe̥ wandert und sich in der nahen Sommerwirtschaft eine Stunde der Erholung gönnt. Noch 1760 gab es wirklich einen Lauenesẹe̥ von ⅜ Stunden Länge und ¼ Stunde Breite am Fuße des Kühdungel. An seinem Platze gibt es heute drei Sẹe̥wleni, notdürftig genährt aus Seitenwässerchen des Geltenbachs, indessen der letztere gleichsam in stolzer Verachtung vorüberfließt. Das kleinste, von Binsen und Läusekraut bewachsene Tümpelchen ist der Flöösch; 7 das mittlere trägt am Ufer Wịdle̥ni, die sich malerisch zum Wasser niederbeugen, und der «größte» ist der Sẹe̥ schlechthin. Von seiner Größe zeugt allerdings der Spaß: Es Fraueli hät am Sẹe̥ ihra Gịbi ’träächt. Wan das hät ’tru̦u̦ches g’habe, hät’s zum Chüetungel uberhi ’gugget u g’mäggelet: meeh! Dụ hät d’Frau ’s e̥s aag’ranzet: Was, «meeh?» Sụụf dụ afa, was daa ist! Wenn de nn no nit g’nueg häst, cha nn mụ deṇṇ gẹng witers luege und de̥r z’laffe g’gää, bis d’erlaffist, du Sü̦ffel, was de̥ bist! — Dieser «große» See bietet dagegen eine schöne Augenweide, wenn an hellen Tagen im klaren Wasser der Himmel mit seinem gebirgigen Horizont sich abspiegelt. 8
Ein in Namen und Sache eigenartiges Gewässer ist der «dürre See». 9 Dieser Dü̦r resẹe̥ 10 ist ein vom Tungelgletscher (s. u.) bei dessen periodischem Anwachsen über den Chüedungel (s. u.) hin vorgestoßenes, mit Eis und Bergschutt umwalltes, « e̥s par Jụụcharti (vgl. Achcher)» großes Becken, das in Rückzugs- und Stillstandsperioden des Gletschers eben trocken oder «dürr» bleibt. So konnte der Dürrensee, als Konkurrent des durch den Sanetschpaß verdrängten Geltenpasses, z. B. 1393 als Stätte des Friedensschlusses dienen zwischen Saanern und Wallisern, welch letztere wegen wiederholten Viehraubs drohende Kriegszustände heraufbeschworen hatten. — Starke Vorstöße des Gletschers aber füllten zu winterlicher Zeit das Becken. Strahlte dann die heiße Sommersonne auf die Felswand an der südöstlichen Seite des Lauenentals und half der Föhn mit, so schmolz der vorgeschobene Beckenrand ab, und Wasser und Schlamm und Gu̦fer (s. u.) ergoß sich in unerchánntem Ausmaß 41 über den nordwärts frei vorgeschobenen Platz des Chüetungel hin. Weh alsdann den ahnungslos in ihren Hütten schlafenden Hirten! und doppelt weh dem Vieh, für das es noch keinen Schutz «in den bequemen Ställen» gab, und das von den aufgeschreckten Kühern nicht hastig genug in notdürftig schützende Värricha (auf «Vieh» umgedeutete Pferche) auf der Follhornseite gebracht werden konnte! Auch der in stotzen de Chẹe̥hre hinanführende Zü̦gelwääg wurde gefährdet, indem das ihn so anmutig einfassende Tannen- und Lärchenwäldchen bis zur Wiederbepflanzung verwüstet blieb.
Phot. Marti, Bern
Solche Ausbrüche erfolgten z. B. im Oktober 1778 und abermals unter fürchterlichem Getöse z’Mitternacht am 2. August 1862. Kein Wunder, daß die ungewöhnliche Zeit, sowie die Seltenheit eines so wirklich schröckelichen Ereignisses, für das man noch keine Erklärung wußte, zu mystischen Sagengebilden reizte. So von einem Mueterli, das hät Bluet b’brieschet (s̆s̆) un ist dääwääg ụf em ẹe̥rste Schwall va Wasser u Schlamm dḁrhar cho z’rịte. Und vam Vẹe̥h, wa in hällem Ggalópp mitts drin i̦nhi g’satzet ist usw. 11 — So liegt ob dem Sanetsch am Südwesthang des Spitzhorns es dü̦r rs Sẹe̥wli.
42 Die Perle des Saanenlandes aber ist «der tannumrauschte grüne Arnensee». 12 Der überraschendste Anblick wird dem Wanderer plötzlich, wenn er, angelangt bei der Krümmung des Tscherzistales, in seinem Hintergrund den See gewahrt. Waldige Berge und grüne Alpen, vorab der Sẹe̥bärg mit dem Sẹe̥bärghoore, werfen ihre Schlagschatten auf das klare Wasser, spiegeln sich in ihm ab und erteilen ihm jene dunkle, träumerische Färbung, die den in tiefe Bergkessel eingeschlossenen Seen so eigentümlich ist. 13 Drum auch die Sagen, die sich an ihn knüpfen: der «Wilde am Arnensee»; 14 der Drache in dessen bodenloser Tiefe. Unversehens in diesen gefallen, lochchet nun das Untier under dem Wal lig dü̦ü̦r ch, bis es einmal im Gsteig fü̦rha chu̦nnt.
Mit der seelentiefsten Dichtung alter Zeit aber verband sich hier die nüchternste Nützlichkeitsberechnung der Gegenwart. Der 1538 m hoch liegende, 15-40 m tiefe, gegen eine Halbstunde lange und fast halb so breite See bildet eine Ellipse mit schmalem Zipfel beim Ausfluß des Tschärzisbach gegen die Saane hin. Ein solches rings von Bergbächen zuverlässig gespiesenes Becken erschien wi g’machts für eine Wasserversorgung. Die Stadt Lausanne ersah es sich, hieß es, zu Anfang dieses Jahrhunderts als Trinkwasserspender. Da d’rụụs ist nụ̈t worde. Da erwarb es die société romande d’Electricité. Noch vor dem Weltkrieg wurde zur Wasserableitung der 4½ km lange Tunnel gegen Ormont-dessus hin begonnen, und der Bau ist ausgeführt. Zum zeitweiligen — jetzt behobenen — Schaden des Sees, der nun also sein Wasser nach Süden abgibt und so ein Stücklein des Saanenlandes dem Flußgebiet der Rhone statt dem Rhein zuteilt. 15
Im Volksgemüt verankerte Poesie aber verstummt auch vor Pickel und Haue, vor Turbinengeschwirr und Achsengekrächze nicht. Der Arnensee ist dem Saaner noch heute so lieb wie damals, als am 12. August 1888 ein ungenannter junger Saaner Bauersmann unter vielen Strophen auch diese eine singen durfte:
Wohl mitten in der Berge Pracht
der Arnensee so freundlich lacht.
Im blauen Spiegel hell und rein
Siehst Wald und Feld im Widerschein.
Horch! leise bringt der laue Föhn
Von Wallegg her die Glockentön’.
Bis an mein Ohr ein Jodel dringt,
Vom Wallisberg ein Alphorn klingt.
16
1
Stald. 1, 289.
2
Vgl. «seechten» ebd. 2, 366.
3
Aw. 57.
4
AvS. 1888, 37.
5
Aw. 57.
6
Ins Nachw. 16.
7
Ahd.
vlōz; vgl.
schwz. Id. 1, 1224.
8
Vrai temple pastoral sur la frontière des glaciers les plus formidables. (
Cons. V. 150.)
9
Dürr,
dü̦ü̦r ist, wie schon alle die «Dürrgrábe», «Dürrmühli» (am «dürren» Mühlbach), lehren, svw. trocken,
trochche, ’tröchchnet, dann erst
ụsd’dooret, vgl. durst-ig.
10
Aus dem versteinerten Wofall «am dürre See» (vgl. die Chalte Herberig bei
Aw.), wie man ja auch
der Bäre, der Leue usw. sagt.
11
Nach einer als Manuskript aufbehaltenen, ausführlichen Darstellung des Saanen Pfarrer Albert von Rütti. Vgl.
Gruner (1751) 159;
Meyer (1838) 219.
12
Engelb. 64.
13
Vgl.
Cons. V, 131-4.
14
Bridel:
Le sauvage du lac d’Arnon, 1837.
15
AvS. 1921, Nov.
16
AvS. 1888, 34.
Mit den Saanenmösern betritt der vom Simmental heraufwandernde das Saanenland. Im engsten Sinn sind diese Mö̆ser die westwärts verlaufende Talsenke nördlich vom Hornberg, deren ursprüngliche Einförmigkeit wett gemacht wird durch die an ihr östliches Ende glücklich abg’ställte Gasthöf und andere Gebäude, wie durch den Aufblick zu der imposant hingebreiteten Spi̦llgerte n. Von solchem Moor, Muer 1 reden alle die Toll-, Schlitt-, Saagi-, Rohr-, Geiß-, Chü̦blismoos, Moosvorschḁß und Moosfang, zum Moos (FÖ.), die Möösli oder Mü̦̆sli. Uf em wagende Moos oder Wagimoos an Reulissen gị́gampfet mụ: der elastische Boden läßt den ihn Überschreitenden abwechselnd einsinken und sich heben.
Phot. Marti, Bern
Im weiteren Sinn aber sind nun die Mös̆er: Saanenmöser als Bäuert und einklassiger Schulbezirk Erbe des alten Namens «Hohenegg», Hŏnégg (s. u.). Der Bezirk umfaßt das ganze Nordgehänge bis an den Bergsattel der beiden vordere Schneit und des Plaani.
44 In gleich erweiterter Bedeutung umfaßt das westwärts angrenzende Schönried, alt Tschariet, auch die Berghöhen des Hụgeli, Rällerli und Ri̦ttmal.
Die drittklassige Straße Simmental-Saanen-Waadtländer Oberland, sowie die Stationen Saanenmöser und Schönried der Montreux-Oberlandbahn (MOB) lassen auch die Grundbedentung des Ried 2 (vgl. Riedmatt, Riedhubel) vergessen, das doch noch offensichtlich die ihm sachverwandten Mö̆ser fortsetzt.
In ihrer alten, engen Bedeutung als feuchte Wiese 3 sind verblieben Bru̦chch, Brŭ̦chvorschḁß (1312: Brochet, alt: das und der bruoch). Dazu gehört auch das Brü̦chchli als Fußsteig über die Wi̦spi̦le n zwischen Lauenen und Gsteig.
In viertelstündiger Breite zwischen Büelzug und Saane vom Chauflisbach südwärts nach dem Unterlauf des Lauibachs hin dehnt sich das Äbne̥t aus, «das Herz und Mark des Landes dank seinen lauter schönen Matten» (1764). 4 Als uralte Bäuert und bis 1924 ein-, jetzt zweiklassiger Schulkreis wurde es im östlichen Ende zusehends eingeschränkt durch die als Fremdenort anwachsende Bäuert Gstaad mit ihrer fünfklassigen Schule. Dagegen herbergt das Äbne̥t die seit 1922 vierklassige und seit 1926 fünfklassige Sekundarschule des Saanenlandes.
Westwärts des Chauflisbach setzt die Ebene als beidseitiges Ufergelände der Saane sich bis zum Vanel, als der Kantonsgrenze, allmählich verschmälert fort als March der Bäuert Saanendorf mit ihrer fünfklassigen Schule. In dem einstündigen westlichen Verlauf senken sich die beiden Ebenen gleichmäßig von 1052 m Meereshöhe am Gstaad auf 994 m beim Vanel.
Die als Salzwasser (1312 Saucenwacen) benannte Strecke des Äbne̥t zwischen Straße und Saane am Chauflisbach deutet auf einen von Steingeröll überdeckten Untergrund, der gelegentlich als eine gleichsam mit Salz gewürzte salsa 5 : sauce, Saaße zum Vorschein kommt. Auch die 1922 gehobene Unterspülung von Straßenhäusern o bd dem Dorf redet von fortwährendem Saanedruck durch das Steingeröll unter der Humusdecke.
Alle diese von des Wassers Kraft zwischen Berghängen und Felswänden hingestreuten Ebenen legen dem Saaner besonders nahe, «ä̆be» ungewöhnlich vielfach in seine sprachlichen Übertragungen hineinzuziehen.
45 Insbesondere aber laden solche über das Gebirge hin verteilte Ebenen zum mache z’waxe von Lebensmitteln, zum Bebauen und zur Anlage bäuerlicher Heimwesen. 6 Das ist der Sinn des Bodem oder Bode n, des Wohnsitzes im oder u̦f dem Bodem, ụf dem Bodme, Bobme. 7 So erklären sich gegenüber dem Wildembŏ́de am Gummesel, der Schönembŏ́de (La., Gst.), der Längembŏ́de, so der Gsteig-, der Hoorem-, im Schindel-, im Öl-, im Rubis-, im Bütlerbodem, im Aherlis Bodem über den Mösern, wo nach der Sage Frauen, wie am Stoß, eine Schlacht zu Ungunsten regimentssüchtiger Greyerzer aus dem Vanel entschieden; der Zaggis- und «Schangnauers̆bode» in Abläntschen, der Zehrbode auf dem Sanetsch (1716); und so alle die Bödeli, Bödemli, Bü̦̆demli, im Bodemwald.
Phot. Marti, Bern
Urverwandt mit Boden ist der l. fundus 7a ( le fonds, fond) und sachverwandt sind Grund u nd-mb Bŏ́de. «Zu Grunde liegt» der reichen Bedeutung des erstern Worts das augenfällig Unterste einer Talschaft. So der zwischen Wispilen und Eggli durch die Saane geschaffene Grund als saanerische Bäuert mit zweiklassiger Schule. Zu dieser Talschaft gehört die Grundvorschḁß. Zum ụsseren Gründ: Örtlichkeit im Gsteig. Ein heimeliger Sommersitz ist der Meielsgrund, ein 46 durch den Arnensee charakterisierter: der Tschärzisgrund. Zu hinterst im Talgrund von Gsteig liegt ein Chalbergrund, Abl. hat einen Grundp’hunkt. Der obere Rụ̈ụ̈schbach schuf zwischen Pillon und Gsteig das langgestreckte Grü̦nd. Ein Jaungrü̦ndli hat Abl. Da so i̦n e̥re̥ Gru̦ndsche̥le 7b als einer Talmulde kann ein Lauener zu tun haben.
Die innderi und die ụsseri Tụ̈ụ̈ffi sind Lanener Heimwesengruppen.
Zwischen Wispilen und Wassere-Brüsche steigt allmählich die vom Lauibach geschaffene Enge: Ängi gegen den La.-Stalden hinan. In Gegensatz stellt sich das Breitfäld (Gb.).
Den Anstieg von der Farb nach den Grueben unterbricht als kleine Ebene die Schị̆be, an deren Südwestrand die Montreux-Oberland-Bahn die elektrische Umschaltstation und Haltstelle Gruebe hingestellt hat. Eine Schị̆be breitet sich auch zu oberst in der Bi̦sse n. Die Scheibe 8 ist als «die rollende» zunächst die Kugel, mit der man z. B. als mit der Chägelschru̦gle Kegel «schiebt» (bayrisch: scheibt). Dann ist sie die glatte, kreisrunde Fläche, wie die alten, bleigefaßten Pfäästerschị̆bi und Schützenscheiben 9 sie veranschaulichen. Die letztern sind die fz. cibles, welche das Saanerische zurückentlehnt hat als das Zị̆beli (Scheibchen) Wurst, Käse, Brot. Auch das allgemein berndeutsche zịbe und zịbene als geschicktes Gleiten und Sichdrehen auf dem Zịbi als der Eisbahn mag hierher gehören. Und wenn es heißt: das Kind ist no f rii n es Zị̆bi: ist äußerst lebhaft, so mag die zur Flüchtigkeit ausartende Lebhaftigkeit des kleinen Eisbezwingers den Begriffsübergang vermittelt haben.
Wie zu pla-n-us (la plaine, das Plani und der Planibärg), kann pla sich zu pla-tt auswachsen und erscheint in all den Blatte und Platte als das Blatt-i (Abl., La., Gst. u. Tsch.) 10 mit dem Blattibach, -bärg, -hoore und -stand. Zum Grund gehört die Blattlistatt.
1
Weig. 2, 213 f.
2
Riet:
Schwz. Id. 6, 1730.
3
Walde 313;
Weig. 1, 293. Vgl. in die Brüche gehen = in den Sumpf geraten, emmentalisch: das
Brụụch; vgl.
Schwz. Id. 5, 342 und 367.
4
Pfr. Gerber in Saanen.
5
M-L. 7550 a; und nach
Hubschmied.
6
Walde 326.
7
Weig. 1, 262, vgl.
Aw. 136.
7a
Walde 25.
7b
Doppelte Verkleinerung von «Grund» mit der Nebenbedeutung des Anmutigen: mit
-sch, wie in Meitschi usw. und mit
-1i, wie in Vögeli usw.
8
Weig. 2, 689.
9
Sehr zeitgemäß nunmehr ersetzt durch tatsächlich «viereckige Kreise».
10
AvS. 1889, 21.
In die Wildnis des Gebirgs aber versetzt uns die Flueh: die altdeutsche vluo-ch, fluo-h, vluo. Auch die ist allerdings eine «Fläche», 1 aber 47 en ụfg’ställti. So die Wände über der Fluehweid und Flueh- oder Flüehvorschḁß, dem Flüehmaad, das Flüehli, in de Flüehne, gegen welche hin als gäge d’Flüeh man sich orientiert. Südwestlich von Saanen erheben sich die obern und untern Dorfflüeh, wie anderwärts d’s Ängelsflüehli und dies und jenes Flüehli. Bedeutend hoch steigen an: d’Arbeliflueh (La.), die wịßi Flueh, die J̣e̥psschụ̈pfe (La.), die obere Flüeh (2000 m). Uber ịn hange die Füürflüeh und die Schattflüeh; in anderer Weise gastlich erweisen sich die Geiß- und die Hirze- (Gb. 2214 m), die Erb-Flueh, während die Doggelisflueh (2000 m) unheimlich an den Alb erinnert. Nach Personen benannten sich die Holzers- (La.), Ruedersbärg- (Abl.), Schawị́ni- ( Savigny) Flueh; nach unten liegenden Örtlichkeiten: die vorderi (1951 m) und die hinderi Hooreflueh, letztere bekannter als die Saaners̆lochflueh; die Renxbergflueh in den Gastlosen, 2 die Oberbärg-, Bire- (Abl.), die Gụmmflueh oder -flüeh, die Gälteflueh oder -flüeh, die Stalde-, die Arneflüeh; die Burg-, Mensflueh, d’Schattflüeh, d’Folleflueh, di wịßi Flueh, die zackigen Tschärzisflüeh mit den malerischen braunen Wänden der Säfeneflueh, die Aurüflueh, auf welcher der Abländschener Berner-, Freiburger- oder Waadtländerboden betreten kann. Von der Wandflueh in der Gastlosenkette, am Meiel, im Gst. oder zu Diemtigen leiten die «Wandfluher»: Wampfler den Namen her.
1
Weig. 1, 563;
Kluge 144.
Walde 589;
Prellw. 375. 378. Wegen des Wandels
ā > ua > uo s.u.
2
Meyer 1838, S. 218.
Die Flueh veranschaulicht uns die im urweltlichen Binnenmeer durch niedrigste Tiere 1 aufgebauten Kalkalpen, zu welchen das Saanenland als Teil des westschweizerischen Voralpengeländes gehört. Von diesen durchziehen unser Saanenland vier Ketten. Zur südöstlichsten gehört die Wildhoore-Gruppe; zur nordwestwärts folgenden: Gụmmflueh, Rüebli, die Dorfflüeh mit Cholis Grint, Hoore und Spillgerte; zur dritten z. B. die Schä́rnipịgge ( Sciernes Picats, Rm., d. i. Gehege 2 des Picat), und zur vierten die Reihe Moléson-Stockhorn.
Die vom Meer zurückgelassenen Kalkalpen wurden durch die während Jahrmyriaden wirkenden Wasserkräfte in die heutigen, zum Teil äußerst malerischen Ruinen verwandelt, die immer noch durch ihre Höhe imponieren können. Auf solche Höhe, Hööhi, Hööiji 3 deutet es, 48 wenn ein über einer Fluh von Schwindel befallener sagt: e̥s b’hoohet me̥r oder mi ch. 4
Gemälde von M. Lauterburg
So auf Stellen der hööije Wi̦spi̦le als des Berges über der Heimwesenreihe Wi̦spi̦le. Mehr noch auf dem hööije Ri̦tz an Olden und dem Hohmaad als der östlichen «Schulter» des Mu̦tthoore; ferner u̦f em Hohmaad an der Westseite des Spitzhorns, wo der Ggaggepaß durchführt. Weniger b’hoohet’s mi ch u̦f der hohen Egg, Honégg (1312: Onica). Der Name Honégg verallgemeinerte sich übrigens zum Namen der Bäuert, wofür jedoch seit der Erstellung des Saanenmöser Kurhauses der Name Saanemöser, kurz: d’Möser ( S. 43) üblich geworden ist.
Die Alpenreihe zwischen Rüebli und Gụmmflueh senkt sich südostwärts hinunter nach dem vom «Ruyblibac» (1324), «Rüblibach» (1809) 49 ausgewaschenen Tal, dessen ziemlich steile Gehänge ehemals als Jungviehweide dienten.
Phot. Marti, Bern
Ganz früeijer hät’s in däm Tal gar e̥kei’s Mattland g’gää. Allz ist uberwuecheret’s g’sị mit Wald, wa n e̥kei Name g’ha hät. Emal hät öpper i däm Wald e̥s paar Tanni g’schlage, und u̦f der Blü̦tti ist feißes, guets Gras g’waxe. Dä Wald ist gẹng u nd g-gẹng mẹe̥h ụsg’rụ̈ttet worde, un es hät e̥s großes Stück Weidland g’gää. E Pụụr va Saane hät ụf däm Stückli Weidland drụ̈i Chalber g’sü̦mmeret. Zu n där Zịt hät’s aber da hinderna im Tal no keiner Stẹe̥fe̥le̥ni g’gää, und dä Maa hät jeda Tag va Saane har müeßen dä läng Wäg mache. We nn mụ ’nḁ g’fragt hät: «wahiṇ geist ẹmel oo ch?» hät er zum Bscheid g’gää: «u̦f d’Chalberhöhe̥ni.» 4a Das Weidland ist van dér Zit aṇ geng gröser u gröser worde, und der Wald hät müeße wị̆he. In däm Tal isch ’s so heimelich z’wohne g’sị, daß nach u nach eis Stẹe̥feli na’m anderen ist b’buwe worde. Bald hei sich oo ch Lụ̈tleni zueha g’laaße u hein da ihru B’hụsigi g’habe. 5 So heißt das Weidland die Höhen: Hööijeni, Hööni für Chalber mit hinzugedachtem «Tal»: das Chalberhööni. Es ist zur eigenen Bäuert mit kleiner Gesamtschule angewachsen.
1
Schmeil 483 ff.
2
Welche die Weidegüter «auseinanderscheiden»:
secern-unt.
3
Weig. 1, 873 f.
4
Vgl.
Gw. 303.
4a
Stammelform dafür aus dem Jahr 1312:
Carberorny, Carberyceni, Carbroniy, Calbronny, Cauberloni. 1324:
Couberenny, Cabreonni, Carberony, Kabrehenny.
5
Nach
AvS. 1925, 18. II.
Phot. Marti, Bern
Aus dem Schatten dunkler Wälder
Ragt herauf das Horn vom
Olden;
Seine blanken Gletscherfelder
Naht das Frührot zu umgolden.
1
Es blitzt der eisumgürtete Gipfel vam Oldehoore, dieses westlichen Marchsteins des Saanenlandes, über das deutsche und welsche Gebiet der einstigen Greyerzer Landschaft hin. «Hoch» im zwiefachen Sinn des augenfällig Emporragenden und des imponierend Erhabenen hebt es sich, wie seiner Hoheit vollbewußt, von seiner Umgebung ab und schaut besonders hoheitsvoll hinab nach dem Gstaader Oberport. «Echo vom Olden» aber nennt sich der die ganze große Saanergemeinde umfassende Männerchor, von welchem unten die Rede sein wird, und ebenso betitelt sich das literarische Beiblatt zu dem von Rudolf Wehren gegründeten «Anzeiger von Saanen». Schon der doppelten Alp also: dem obere und dem underen Olde, wird durch solche Titel die Höhe und die Hoheit zugebilligt, die wirklich im Namen dokumentiert ist. Denn zugrunde liegt dem «Oldenhorn» als der Becca d’Audon, die sich in Graubündner Namen wie Piz Aul (aus ault), im Alteried bei der Öschseite, im öden Steinrevier der Audannes am Wildhorn wiederholt, das l. altus. Dies Wort, das als fz. haut sich mit dem h- des deutschen «hoch» bereichert hat, entstammt einem auch keltisch und germanisch 2 reich entwickelten Stamm, der «nähren, aufnähren, groß und hoch werden lassen» bedeutet. So auch die Wortgruppen, welche 51 das Pays-d’Enhaut als le pays d’Oyes (1456), und als Ogo, Oex, Uechtland und Öösch, wie anderseits die so steil über Zweisimmen ansteigende Ööschsịte, charakterisieren. 3
1
Romang.
2
Walde 28.
3
Vgl. Hubschmieds grundlegende Arbeit in der
ZfdM. 1924, 169-198; vgl. auch
Cons. V, 168.
Die Oldenalp = der Olde n ist wirklich eine hochgelegene Nährtrift (Alp 1 ). Eher ein Alpe̥tli ( une Alpette), ein Heimbärgli, ist, um turbacherisch zu reden, die Sẹe̥wlisalp (1786).
Während nun aber das Simmental z. B. mit seiner angrenzenden Rinders- und Richisalp das uralte westeuropäische, so poetisch klingende Wort «Alp» für hoch gelegene Weide erhalten hat, ersetzte das Saanenland es sich längst durch das nicht minder eindrucksreiche Wort «Berg».
Der saanerische Bärg ist als Alp das Eigentum eines Bauers oder einer Gesellschaft von Bauern (s. u.).
Drum tragen nicht wenige Berge die Namen einstiger Besitzer von Körperschaften, wie (gelegentlich) der Wallisbärg (Sanetsch), der Pfaffem- (s. u.) und der Gruebembärg, wie von Personen: der Brands-, der vorder und hinder Trụ̈tlisbärg, der Topfe̥ls-, der Duxbärg (FÖ), Ganders-, Martis-, Ruehders-, Zingribärg.
Über der und der Örtlichkeit stehen der Bachbärg, der ober Pfịffeneggbärg, der Blattibärg (La.), Eggbärg, Gältembärg, Gründbärg oder Grü̦ nmbärg, Gụmmbärg (1775 m), Haltembärg, Hochmattbärg, Routelibärg, der Wassere-Schafbärg, der Steinembärg, Stierembärg (Gst.).
Eigene Merkmale tragen der Hochbärg oder Walliserbärg als der Sanetsch 2 und der Großembärg als der Rodomont, der Gruembärg und Feißembärg (s. u.), der Hụ̈slibärg, der Tossembärg ( S. 60), Schwarzembärg, der Brüesche n (-bärg) ( S. 10), der Bettelbärg, der Chrottembärg, der Chrinnembärg, der Schlüssel- (1615), der Arne- (s. u.), der Wịtembärg.
Auf «Bergweide» führen zurück: der Seibärg (s. u.), Stierembärg, die Schafbärga, der Stĭ̦gelbärg (s. u.), Nụ̈wbärg (1796 m, La.), Dür ribärg (Kh.), ihm gegenüder der Hübschmattbärg, an welchen Belmúnd erinnert.
Nicht selten wird, z. B. in «der Zwitzerägg», «der Teilegg» hinzu gedachte -Bärg voraussetzt. Umgekehrt ist er pleonastisch angehängt 52 z. B. im Plani-monteie-bärg (1765, S. 46). Übersetzt aber wird mont durch Berg im Rootembärg aus Retsch- oder Rötschmúnd: Rougemont am Fuß des Großembärg: des Rodomont. Umdeutungen erfuhren Montbovon («Ochsenberg») als «Bubenberg» und Ormont ( Ormŭ̦́nt, Ermú̦nt, d. i. Berggebiet mit Bergungsstellen für Gerste) 3 als «Goldberg», « aurimons». 4 Weniger bekannt ist das Sanetschhorn als der Mont Brun, benannt nach seinem braunen Schiefer, indes der altsaanerische Sitz der Familie ab Bellmont, Belmont (1312) als Bellmúnt deutsch klingt.
Als heimelige Bärgle̥ni gelten das Ällem-, Bachs-, Haldis-, Grịtlisbärgli, das Meiem- oder Mijembärgli, Saagem-, Satteleggbärgli. Die Örtlichkeit in der Bärgsu̦nne findet sich oben erklärt. Die Bärgmatte (s. u.).
1
Hubschmied i. d. Festschrift für Gauchat 1926, 438.
2
M. 14
b.
3
Gatsch. O.
4
His. 9, 137; vgl. Boßhards «Vom Golde».
Der umfangreiche Steinembärg (Tp.) mit der noch eigens zubenannten -weid erinnert an Stellen wie die bẹe̥de Steineni (d’s obera und d’s under Steini) zwischen Sane̥zschutz und Sanetschhöhe. Die Steinere oder Steimere und die Fägsteinere schließen sich als Gerölle an, indes der Jägerstein als ein drei Viertelstunden über dem Feiße nbärg aufragender Felsblock sich eigenartig auffällig macht. Er erinnert mit seinem Charakter an eine Felsenburg (vgl. den «Stein» als die Namengeberin zu Baden), von Rịịhistei n als Nachbarort der Saanenmöser.
Die Schü̦pfeweid im Tp., im Tsch. und unter der Burg im Inndergsteig werden jeden Frühling von dem über ihr sich hinziehenden Fluhband mit Geröll überschüttet. So können Weidetiere verunglücken, wie die eiges hoch geschätzte Kuh «Togge» in der danach benannten Toggeschü̦pfe (Gst.). So schiebt oder stü̦pft (stoßt gleichsam mit einem Kraftaufwand wie beim Stei stoße) manch ein überhängender Felskopf als eine Schü̦pfe oder ein Schü̦pfli zu Tal — gefürchtet, wenn nicht bewundert wie die Marmelischü̦pfi, welche die Olderitza (s. u.) prachtvoll abschließen. Ein Wortgenosse ist der Schopf 1 (vgl. Holzschopf usw.), unter dessen Dach man bergungswürdige Gegenstände schiebt. Es kann dies ein natürliches Gebilde sein: ein Fels, der in Gesellschaft mehrerer eine Schopfi bildet; so das Felsgehänge mit dem Schopfiwald und der darob liegenden Schopfi = Bärg nordwestlich vom Gsteigdorf.
53 Der Fels heißt mit dem gr. Wort, das uns in den Namen Petrus, Peter, Perr-et und Perr-et-en (s. u.), Pierre so geläufig geworden ist, die petra. Daher la Berra: der Bĭ̦rembärg. Ihren Namen teilen die tụ̈tschi Bi̦re mit der Bi̦reflueh und die wältschi Bĭ̦re mit der Bi̦revorschḁß und Bi̦remátte (Abl.). Nach ihr benennt sich der Bĭ̦re-Rees als Nachfolger des David Janz (1850). Ein Felsrücken vorn auf dem Sanetsch heißt die Bratbi̦re.
Dem Namen «Sachs» für Fels entspricht l. saxum. Daher alle die Saxe 1a und Sex rouge, rond in der Nachbarschaft von Gsteig.
Harter Kalkfels, wie er die einzigartig romantischen Tschärzisflüeh charasterisiert, läßt das an ihrer Ostflanke sich hinziehende Schärzistal (1829, 1838), Tschärzistal (1312: Escherchy) und den den Arnensee bergenden Tschärzisgrund (1812: Excherces) als Steintal deuten. Zugrunde liegt gallisch keltisch car-car: harter Stein. 2
1
Schwz. Id. 8, 1067 f.; 1091 f.
1a
AvS. 1884, 41.
SAC 16, 199.
2
Vgl. z. B. Tschaafiz = Schaffis aus
capannis (
Tw. Nachw. 27);
Walde 8. 130.
Als «kleine Höhe» ist der Hü̦gel wenigstens im Gsteig auch mundartlich. «Auf sanfter Hügelwelle» breitet sich dort ein Heim mit dem Hü̦gelvorschḁßli, dem Hü̦gelrein.
In scharfem Gegensatze weist la roche, 1 das Roschi oder Roscheli (s̆s̆, La., Tp.) und Roschezelti (Gst.) seine Zinken und Zacken als Wehr gegen unberufene Besucher. Und so stand auf der Rochia nigra, rotse neire, Rossinière (1370), im Rossenéiri der Turm als Burg über dem Dorf. 2 Scharf wie ein Pfeil ragt er an der Pfilsblatte empor. Wie ein Messer seine S-pitze oder seinen Spitz (romanisch die pizza und der piz) 3 vorhält, so alle die Fu̦rggespi̦tz, Gablespi̦tz = Eggturn, Spitzenegg (La.) oder Spitzegg und Spitzmatte (Gd.), Spitzhoore oder Wi̦spi̦lehoore (s. u.), und so die Sattelspitze der Gastlosen. Die Grundbedeutung «spitz» 4 zeigt auch das Ort, das Wolfsort u. a. «Der Ort» ist uns nun freilich svw. die Statt; vgl. ab Ort = ab Stett: Jetz hei we̥r öppis ab Ort g’schwätzt! Noch weisen aber «Rytzen und Örter» (1666) auf den alten Sinn. Ostwärts vom Spitzhorn erhebt sich das «Mutzhore» (1716), Mu̦tthoore, Mu̦ttechopf und Mu̦ttehu̦bel deuten auf ähnliche Bergformen hin.
Zur Wortsippe von l. ac-utus (aigu), acies usw. für «scharpf», Scherffi gehört «das Egg», die Ecke und Egg, der Egge oder Ägge als scharfer Grat. Ungezählte Wohnungen stehen ụf, an, hinder, 54 vor der Egg, uf em oder am Eggli als einer mehr oder weniger scharfen Braaue (Kante) oder gar einer nadelspitzen Spitzenegg, Spitzegg (La.). Über den genannten Örtlichkeiten stehen die Olden-, Gụmm-, Büel-, Bach-egg, das Hoorenäggli; es gibt ein Sattel-egg-bärgli, eine Schịltenegg am Hundsrück, eine Wannenegg über einer Stelle an der tụ̈tsche Bĭ̦re, die an eine Getreideschwinge erinnert.
Phot. Marti, Bern
Nach Ansiedlern benannten sich die Chuonen- (La.), Jans- (Janz-, Abl.), Sẹe̥wers-, Sooders-egg oder -ägg (La.); vielleicht auch die Hasen- und die Wolfägg, falls nicht an den Hase und den einstigen Wolf als Jagdtier zu denken ist, wie doch wohl beim Wolfsort (Abl.).
An Egg und Äggli, Vorder- und Hinder-egg und -eggli schließen sich Honégg und Schauenégg, sowie die Teilégg als heutiges Ganzjahrsheim, das aber z. B. 1698 als «Berglein darauf etliche Höf» erwähnt wird; die oberi und underi Rooti Egg, die Bitz-, Grund-, Olde-, Tungelegg.
An das Wildeggli erinnert die dem scharfen Wind ausgesetzte Pfịffenégg über Abländschen und das immerhin schöne, sonnige Heim über Saanen ( S. 8). Der Zwi̦tzerägg (-Berg) wird daher erklärt, daß er eine seiner Felsplatten derart der Sonne aussetzt, daß ihr hellstes Licht in zitternden Wellen: zwitzernd auffällt.
55 Am Talrand sich ergießende abendliche Äggtụ̈schle̥ni 5 oder Wi̦heltụ̈schle̥ni (s̆s̆, S. 25) gelten als gute Wetterzeichen für morgen. Wir notieren noch Eggbärg, -hü̦rli, -stafel.
Einen halbrunden Wall bilden zusammen der dem Gsteigerdorf nähere und der ihm fernere Walleggberg: der vorder (hienahig) und der hinder (änder) Waalịg (1312 Walica). Auch zu La. gehört eine Wallegg. Ausbeutungsfähigen Kalk zeigt die Chalchegg.
So scharf wie «g’wetzt» (s. u.): ahd. hwas, 6 zieht sich als nordwestliche Fortsetzung des Brüschenberg und -grat der Wassereṇgrat über dem Wasserbärg.
Als Wassere wird 1831 ein Haus erwähnt.
1
M-L. 7357.
2
His. 9, 142.
3
Gatsch. D. 166.
4
Weig. 2, 348.
5
Regenschauer,
petites douches d’eau.
6
Gatsch. O. 65. 103.
Zwischen Bergspitzen «eingeritzte» Ri̦tza setzen sich steil abwärts fort als ausgewaschene Furchen, wie die besonders augenfälligen Scharti im Tsch. hinder dem Pri̦melód. In der Sonne blinkende Kalkfelsstücke aber konnten die Silberri̦tza und den Silberri̦tzepaß am Wildhorn benennen. Die nassen Furchen hinwieder bewässern die zwischen ihnen sich talwärts ziehenden Grasbänder bisweilen so erfolgreich, daß diese den Namen «Ritz» an sich gezogen haben. So als Schaf- und als Chalberri̦tza, wie auch als die wirtschaftlich höchst belangreichen Höuwri̦tza für Ri̦tzhöuw, wie z. B. die Ri̦tzmäder (Tp.) und der Ri̦tzlibärg es liefern. Ja, an Olden kam es zu güterrechtlichen Zuteilungen, so daß dort neben einem Schaf-, Chalber-, gmeine Ri̦tz noch ein Christe- und Mariari̦tz zu erwähnen sind. Sachverwandt sind die Schartemäder.
Ursprüngliche Eigentumsgebiete bildeten die Raine. Bei der Wandelbarkeit der erstern verblieb der Rain: das Rein, das Reinte̥li, Rĭ̦nteli, verblieben die Reinte̥le̥ni einfach als steile Halden. Eine solche über Abl. heißt die Paligụụße (ụ́): la belle côte (bella costa), der «Schönrain».
Eine Abgrenzung nach oben oder unten bilden alle die bords, Bort, Port (Abl.), Pörtli (Abl.), wie zumal das «nider» oder Unterbort über Saanen und das Oberbort über Gstaad, der Bortfang (FÖ.), die Bortweid.
Nach solchen Höhen hinan führt das Gsteig 1 (1453: Steig) als Zentrum einer ganzen Einwohnergemeinde mit zwei Schulkreisen und einer Kirchgemeinde. Ein Gegenstück bietet das G’fell (Gefälle): Diese schöne 56 Alp am südwestlichen Hang der Hornfluh. Ein vormals als Pferdeweide dienendes sanftes Gehänge unter dem Kalberhöni- Eggli heißt die Roßfälli oder Roßfeli; vgl. dagegen den Fällizụn (s. u.).
Auf das «Mühsame» des Steigens scheint 2 der djais mon t zu deuten: der « Djaiman» als le Jaman, der Jome; ein Name, der auch auf einen Hügelzug zwischen Gstaad und Bissen übertragen ist. So gẹe̥ij (jäh ansteigend), daß mụ mueß d’Hüender b’schlaa, ist dieser allerdings nicht; wogegen der teilweis straff g’spanne n-m Bode ein festes Auftreten hindert.
Stotzig, stotze nd, stotz uehi und stotz aha geit’s auf manch einem Stu̦tz und Stü̦tzli; vgl. die stotzen di Weid, die stotzen di Vorschḁß, den Rootembärg-, den Uelilägerstu̦tz.
Wie ein «Stoß» aufgeschichtet, obendrein aber mit dem «Stößel» «gestaut», erscheint der Stoß ebenso als riesiger Erdhaufe, wie der Schore oder Tschore obenhalb der Grueben als von Riesenhand z’sämeg’schor ret. 3
Vom stoße als schräg (sich) anlehnen führt der Sti̦tz (Höhenzug über Gsteig) sachlich über zur Berg-«Lehne», wie sie uns im Aarwanger «Ch-leebe» 4 und über Schönried im Lee mit der Leevorschḁß begegnet. Die sehr steile Lehne wird zum Abhang, Hang, Hangeli.
Eine Er-heb-ung des Bodens macht diesen hu̦bba, hu̦ppa, hu̦belochta. Danach benennen sich alle Hubel und Hü̦beli, Hu̦bla als Heimwesen; der Belmu̦nthu̦bel (Cholis Grint), Bu̦rst-, Dü̦r ri-, Gu̦bishubel (2120 m), Labihu̦bel (hinter dem Rodomont); Mu̦tte-, Sand-, Planaarhu̦bel, Hubelmatte (Abl.), das Hü̦beli und das heimelige Hü̦bi über dem Dorf Lauenen, d’s Hü̦bschi (Stafel über der Si̦mne). Der Gu̦bishu̦bel ist im ersten Wortteil svw. das Gu̦bi: der mächtige Hubel obenher der Stieredungelhütte. Dieser «kleine» Gubel stellt sich einerseits zu Gĭ̦bel mit der Mehrheitsendung -ere, in der Gi̦ble̥re, anderseits zu Gu̦pf und Gipfel, 5 sowie dem Gütsch, der Gü̦tschihaalte,
Das Heben ruft dem Halten: es haltet (und heltet) in all den Halte. Es gibt Örtlichkeiten u̦f de n Haalte n (FÖ.) und u̦f der Haalte (La. 1760 m ü. M.); ferner die Haalte, der Haaltehals und d’Haaltevorschḁß im Gründ (Gst.), die Stägel- (Abl.), Gü̦tschi-, Schön-Haalte, im Karlihalti (Gst.), das Haaltli (Gd.) und Haalteli (Gb.) mit Vorschḁß, den Haaltembärg.
Ufg’ställt erscheinen gegenteils alle die Staalde, wenn sie 57 auch nur in mäßigem Anstieg sich von der ebenen Umgebung abheben. So die Häuser am oder u̦f em Stalde (La.), sowie die schönen Küherberge, welche als der under und der ober Stalde (Gd.) sich von 1396 auf 1925 m erheben. Über ihnen thronen die Staldeflüeh, deren höchste das Staldehoore genannt wird. Gegen Bissen hinan führt der Bi̦ssestalde; vgl. ferner den Unterstalde beim Meielsgrund, das Staaldli.
Die höchste Stelle eines Weideberges ist der Stand (s. u.). Im Tschärzis gibt es einen Blatti- und einen Stuedelistand.
Phot. Seewer, Gsteig
1
Wonach die Einreihung unter «Gehege» zu korrigieren.
2
Nach
Cons. V, 166.
3
Schwz. Id. 8, 1204;
Aw. 32.;
Tw. Nachw. 77.
4
gr.
k-li-nein als leh-nen im l.
c-li-vus (Hügel):
Aw. 15.
5
Schwz. Id. 2, 99.
«Bi̦ n ụ̈ns het nit jeda Stei e n Name», 1 reklamierte ein Kandersteger; und sogar «Berge heißen nicht», fertigt ein Geißenpeter das namenshungrige Heidi 2 ab. Allein, erstaunlich ist es doch, was die Anschauungsschärfe und Phantasiekraft alter Sennen für bleibende Zeugnisse in Örtlichkeitsbezeichnungen hinterlassen haben.
Vom Frischewärt als abgedämmter 3 Weide auf der Höhe zwischen La. und Tp. hebt sich die langgezogene Reeie (Rahja, Raie, Raye) ab. D’Rẹe̥ri (Gst.) heißen einige Heimwesen im Saali. Und so als grünes Fluhband manch ein Bändel, dessen kühn entschlossenes Begehen sich in der Redensart abspiegelt: Dü̦r ch d’s Bändli zum Schatz.
58 Als langes, breites Band zieht sich, mit dem unterbernischen Trom für saanerisches Zü̦lli 4 (Seil- und Fadenende) benannt, eine Reihe von Heimwesen der Lauenenstraße nach als Südrand der Bi̦sse.
Ein Fluhband über der obern Saane, sowie am Meiel heißt der Baach (die Bank). Über dem Bissen-Dü̦r ri ist der Dü̦r rischild sichtbar.
Von dem an Sparren erinnernden Spärret und Sperịtz (La.) hebt sich das gewundene Schlụụchhoore ab. 5 An den Holzzug aus dem Wald erinnert als eine Rueders̆bergflueh (Abl.) d’s Gu̦ntsĭ̦ svw. der kleine Guntel. 6
Der vom Ormont her nach dem Kalberhöni führende Paß «gabelt» sich als le col de Jable (und als « le Chablais»): das Zabli. Über dem Chüetungel erhebt sich das Follhoore (die Folle s. u.), und d’Chäßla sind Gipstrichter (s. u.) z. B. am Hornberg.
Der Pantel (fz. le pantet, Hemm dlischilt) in den Staldeflüehne einerseits, die mit Chnopf wortgenössigen Chnụ̈ppe und Chnu̦bla anderseits führen über zu Teilen des Menschenleibes. So zu all den Sịte (La., Tp.); zur Chnöuwlisegg, zum Tụmme (Gastlosen). Ein an der Westseite der Wi̦spi̦le in den Wald eindringendes Weidlein heißt in spaßhaftem Vergleich das Strumpfchäppi. Das ansteigende Stück ist die Färsche̥ne.
Die Flanke eines Grabens heißt saanerisch das Wang. Dazu die Mehrzahl Wengen und («in den weng-in»): Barwenge («Bar» s. u.).
Das Nase- oder Niesehoore. 7 Wir reihen an: Gi̦bel, 8 Gĭ̦blere, Gipfel, d’s Gŭ̦bi ( S. 56), der Gu̦pf des Oldenhorns, der Gü̦pf (Gipfel) und der Chemigu̦pf der Gastlosen; der Gü̦tsch und 59 d’Gü̦tschihalte. Der Dussel ist svw. Bergkopf, auch Holzklotz. An der Gsteigstraße erhebt sich die Schü̦̆dele, «Schĭ̦dele», 9 («Hau pteschü̦̆dele») als der «Schädel». Auf dem Weg über die Fluh dieses Namens sei oft ein Totenschädel gefunden worden, erzählt der Volksmund. Er fügt bei, ein Wirt aus Feutersöy sei dort einem Leichenzug begegnet, und er sei darauf halbchranka u fieberhafta i d’s Gsteig choo. 9a Der mit l. frons (le front) verwandte Grint 10 wird illustriert durch die Hundsrückgrinda und Chohlis Grint. Dieser bis zum Waldbrand von 1911 von Fichtenwuchs bedeckte Felskopf ist heute mit spärlichem Unterwuchs bestanden. Der Felskopf benennt sich nach dem nämlichen Kohli, dem einst das südwestwärts darunter sich breitende Gehäng von Chohlis Vorschḁßli gehörte. Der eine prächtige Aussicht bietende, drum auch mit Sitz und Schärme ausgestattete Platz bot in alter Zeit eine Zufluchtsstätte für die Talbewohner, die von Eroberern des allzeit lockenden Heims sich bedroht sahen. Eine benachbarte, senkrecht abfallende Felswand soll als die G’richtsflueh Verräter und sonstige Verbrecher mit der kürzesten aller Justizformen bedroht haben. Der südwärts nach dem Chalberhöhni führende Rückweg weist in der Nähe eines Schụ̈rli den Bluetstei. Das ist ein brusthohes Felsstück mit zwei tiefen Rinnen, die mit ihrer Glịchligi und regelmäßig scheinenden Anordnung die Vermutung erweckten, sie möchten zur feierlichen Aufbewahrung von Menschenopferblut gedient haben.
Harder-, Laubegg- und andere «Manndli» wiederholen sich als Mannszeiche (früher hoch aufgeschichtete Steinhaufen, jetzt geometrische Signale) auf Bergspitzen. Bei diesen denkt man an die Zwerge im Wildlüte nl-loch an Olden, an den wilde Maa ( le Videman) am Rüebli, aber auch an den Grenadier ( le grenadier, svw. Marchzand) in den Gastlosen, an den Napolion auf dem Großenberg.
Aus dem Tungelgletscher ragen in malerischer Gruppierung drei Felsklötze empor, die zu interessanter Deutung und Benennung geführt haben. Der unterste zeigt einen rundlichen Felsblock, der an eine Spitzsäule mit abgeschliffenen, abgerundeten Kanten erinnern kann. Da nun an solchen circus (den gr. kirkos) das Wort «Kirche» anklingt, wurde auch dessen alte Verdeutschung chïlicha, Chilche als das allerdings recht kleine Chilchli auf das Steingebilde übertragen. Ein Geißchilchli und in dessen Nähe eine Fu̦xchilche hat auch Gsteig im waldigen Nordgehäng des Sanetsch. Die zierlich aufsteigende Pyramide neben dem Chilchli (La.) nennt man d’s Pfaffli oder d’s Pfaffehü̦rli (-hörndli). Der dritte Felsblock ist das Chänzeli.
60 Verchụtzet aber wie ein aufgeregt auf Beute lauernder Chụtz, Kauz, standen einst auf Bergeshöhen mit Chụder umwickelte Tannen oder deren spätere Ersätze, welche, in Brand gesetzt, der altbernischen Regierung zu schleunigen Kriegsaufgeboten dienten. Ein System solcher Chụtze ließ diese Zeichen oder Maal vom Gurten aus über den Belpberg auch auf den obersimmentalischen Rinderberg, von da aus auf das Ri̦ttmaal über Saanen und von hier in das damals bernische Waadtländer Oberland gelangen. ( Rịtt s. u.).
1
SAC 13, 253.
2
Johanna Spyri.
3
Vgl.
Weig. 2, 1246 f.
4
Dieses erinnert an den
Lüllizapfe als den «Zuller» und «Zulp», an welchem (wohl auch zerrend und zausend wie am
Zü̦lli die Nähterin beim
ịfädme eines
Nähtlig, der Heuer beim Binden einer
Fert), der Säugling «zullet» oder «zulpet». (Eine Schallnachahmung. Vgl.
Weig. 2, 1344.)
5
Das Rothorn:
SAC 13, 238.
6
Schwz. Id. 2, 383. 387.
7
Dübi 67 nach Gruner.
8
Weig. 1, 1118 f.; gr.
kephalē:
Prellw. 219;
Kluge 173.
9
Schwz. Id. 8, 273 ff.
9a
Dr. Arnold Jaggi.
10
Lf. 455;
Kluge 388.
Gu̦gge (ausschauen) — woran die verschiedenen Gu̦ggli (1324 Gucla) erinnern können — müssen mit der Angestrengtheit der einstigen Rittmalwächter die Jäger. Ebenso dienen alle die Spiegel (l. speculae) zum uberluege einer Gegend; so auch der über Saanen, welcher aber als Spiegel im Sinn der Brille umgedeutet und als Augspiegel «verdeutlicht», als Augstspiegel aber wieder verdunkelt worden ist.
Als idealer Ausguckposten für Gemsjäger dient die Spịherchru̦gle: der östlichste Felskopf jener einzigartigen kahlen Gesteinsreihe hoch über der Oldenalp. Natürlich ist dieser Spi̦cher nicht ein Speicher als l. spic-arium für (Getreide-) «Ähren»: l. spicae (épis); vielmehr dient die «Kugel» als « specarium» zum gleichfalls spi̦tze spĕcĕre: spähen auf «Grattiere», die hier auf einen Engpaß als einzige Durchgangsstelle angewiesen sind. Auf Wild wird dort g’lotzet wie auf dem Lotzi in den Gruben. Auf das stelle, g’stelle jagbarer Tiere wird das Stelli- oder Gstellihoore in der Nähe der Spịherchru̦gle gedeutet, wie das Gjäuch, an der Westseite des Eggli über dem Kalberhönibach auf das wegscheuchende jeuke als verstärktes jagen. An andere Jagdtiere gemahnen das Bärs̆- (statt Bäre-) loch an Olden, das Chü̦ngelloch am Gharhoore, die mächtigen Felsflanken des Haneschritthoore unter dem Wildhorn, das Hüenderhü̦rli 1 am Arpelihorn und das Hüenderspịi̦l am Hoore.
Der Rü̦gge heißt, wie noch «Rück-sicht» u. dgl. lehrt, in älterer Sprache der Rück, Rü̦gg; so in der Übertragung auf den Geißrügg zu La. und den Hundsrück über Abl.
Stich von N. Sprüngli, XVIII. Jahrhundert
Aus « de-orsum» als l. dorsum (it. il dosso, fz. le dos) erklärt sich der «Tosso» (1312) als der Tosse (La.) mit -bach und -bärg. Der Groß Tosse (Si. 1500 m), der lätz Tosse, ebenso die Tosse auf Olden. Der ebenfalls «rück-wärts» gewandte Unterrücken, der ars, Aarsch erscheint in Topfels Aarsch (Gst.) als der hintern «Alp» eines Totfel 62 (s. u.). Das noch von keiner Prüderie angesteckte Wort erscheint bis heute in der Redensart von Aarsch winde (der Sụw ị’n Aarsch winde): Garn auf den Knäuel (das Chlu̦mmli) so winden, daß die führende Hand nicht zuerst nach dem Blickfeld hin, sondern von demselben zurück: z’rugg fährt.
Nicht vergessen sei der Chrä̆wel als der so steile Aufstieg vom Gstaad nach dem Oberbort, daß mụ ’ne schier mues erräble, erchräble.
Der «gebogene» Pu̦ggelirü̦gge, Buckel aus buhil, Bühel, Büel. Öppes z’Büel füehre: mißbrauchen, entwerten, zugrunde richten. Am grüenem Büel, Grüembüel (La.), Äbnit-, Gruebem-Büel, Sẹe̥büel (La.), Fụ̈ụ̈rbüel, Bissem-büel, Rohrbüel (La.), Büel (FÖ.) Büelgrabe, Büelachcher (La.).
Als Rückgrat auf den Leib übertragen, ist der Grat 1a und das Gräätli der scharfe Oberrand eines Bergzuges. So der Arnen-, Erbetlaub-, Hugeli-, Äbi-, der Meiel- (2096 m), Rüebli-, Stü̦blisgrat. G’chäglet wurde laut chorgerichtlicher Ahndung 1630 auf dem Tanzgrat. «Uf die Gret tragen» aber wurde 1633 eine schwere Last. D’s Grat ụs wandert der Bergsteiger z. B. vom Südende des Brü̦ü̦scheṇgrat ( S. 10) bis zum Nordende des Wassereṇgrat. Es hät d’s Grat ụs g’rägnet.
Wie der Marchzand der Gastlosen, 2 der Saagizand zwischen Olden- und Saane̥zgu̦mbe, die Dent de Ruth und überhaupt alle die Dents dem Hoore entsprechen und als Hervorragung 3 zu deuten sind, erscheint «Horn» in all den Hoore: Amme̥rte-, Arnätschi- oder Arne-, Arbe̥li-, Bäder-, Blatti-, Kar- oder G’har-, Foll- (2199 m), Geiß-, Gälte-, Gi̦fer- (2543 m), Haneschritt- (2836 m), Lauene- (2470 m), Meiel-, Mittag-, Mumeron-, Mu̦tt-, Nägeli-, Nase- oder Niese- (1760 m), Olde- ( Becca d’Audon), Pfaffe-, Root- (Gd.), Sanetsch- (2946 m), Schaf-, Schlụụch-, Sẹe̥bärg-, Spitz-, Stalde-, Stelli-, Stuedel-, Wild- (3264 m), Wi̦spi̦le-, Witembärghoore; im Hü̦rli (Höörnli) (La.), Chlịị Hü̦̆rli (2215 m), Hüender- und Schafhü̦rli (La.), im Hü̦rli und Hü̦̆ri (als Fortsetzung der Walliser Wispile). Hoore-m-bärg, -n-tụbe, -n-egg mit -Vorschḁß (Ms.), -n-eggli (Gb.), -flueh.
1
SAC 18, 106.
1a
Weig. 1, 760.
2
SAC 26, 412.
3
Walde 193.
In hu̦bb, hu̦pp ( S. 56) als «uneben» begegnen sich als relative Gegensätze Hoch und Tief, Berg und Tal. Das zeigt auffällig das «Fünftälertal», 63 wie Gempeler treffend das Saanenland mit seinen Tälern der Saane, des Lauibach, des Turpachbach, des Chalberhönibach, des Tschärzisbach es nannte. Der vom Falbbach durchflossene Meielsgrund leitet in der Größe über zu kleinern Tälern der Landschaft, welche im Gri̦schbachtal ihre Westgrenze findet. Ein solches Binnental ist der linke Talarm des Geltenbachs unterhalb des Geltengletschers: das Fu̦rggetaal oder -tääli. Die Verkleinerung führt weiter zum Täälti und zum Dooli, Tŏli, Tolti, zum Tueli, das der gesunde Schläfer im weichen Bett, «lị gt» oder macht. Zur Doole, Toole, Tu̦le, zur Bachtaale als Bachte̥le (Steinbank, angeschwemmtes Grien) z. B. an Olden; d’s Bachte̥li: eine Weide im Tsch.
Das im Hintergrund äußerst anmutig hingebreitete, gegen die Saane hin allerdings recht enge Kalberhönital bildet nach Pfarrer Gerber (1765) einen «Erdklack»: e Chlack. 1
Chlu̦ft u Chrachch aber bilden bei Romang einen Stabreim, dessen Uheimeligi der schwarz Chrachche 2 über der Gsteiger Almend noch verstärkt; vgl. den Laueli- und den Stĭ̦gelchrachche.
Wie heimelig klingt dagegen die Balm, 3 Barm, wenn diese balma und barma, baulma, boma, borna usw. der Welschen im Saanerischen auch nur ein bergendes Feldband ist! So die Gemschbalm; so die Geißbalm als Wildheuplanke an Olden; die Schwarzbalm und das Bälmli.
Im Unterschied zum Tü̦mpfi als allerdings riesigem Fingerdruck bildet eine als Rinne, der Ch-ri̦nne (vgl. die Lamm-Klamm usw.) den Aufstieg vom Gsteig aus über die Walliser Wi̦spi̦le, als Gegenstück zum Brü̦chli ( S. 44).
Die zum Gebirgsland mitgehörige Unzahl von Gräbe 4 konnte mit deren beschwerlichem Überschreiten der Warnung rufen: Ie̥hr sịt no ni̦t u̦ber all Gräben u̦berhi! Bejubelt eure Erfolge nicht zu früh!
Die «gegrabene» Eintiefung umfaßt alle die Hụgeli-, Tosse-, Rüehli-, Reulisse-, den Stand-, March-, Örter-, Saaligraabe (1324: rivus de la Sala), den Stoß-, Fänglis-, G’fell-, Grinsler-, Roß-, Si̦mnen-, Matten-, Dụụben-, Ruehrs-, den Suw- und Chatzengraabe, den schrijend, den Rooteṇ Graabe mit Vorscheß, den Schwarzen Grabe, den Teuffen-, 64 den Burgis-, den Bur ris-, den Büel-, den Chlụßli-Grabe, die Grabeweid, die Örtlichkeit in de n oder iṇ Gräbne oder Gräbene oder u̦f em Grabe (La.). Solche Wasserrinnen vom Hornberg her schufen auf dessen Westgehäng die äußerst wohlbestellte Bäuert in de Gruebe = d’Gruebi mit (seit 1925) zweiklassiger Schule. Dazu der Gruebembärg über Abl. und das Grüebli über SchR.
Haue, Karst und Pflug graben die Furche: d’Fu̦re, d’s Fŭ̦ri (Gd.), u̦f de n Fu̦re (Gst.).
Dagegen ist l. furca (la fourche, fourchette) zunächst der \/-förmige Stützpfahl, dann die zweutschi̦nggigi Gable und endlich das enge Bergjoch. 5 So die Furka und die Fu̦rgge: das enge Seitentälchen vom Geltenloch her; der Fu̦rggespitz.
Mit immer bewußterer Bildlichkeit benannte man das Kamịndli 6 (Tp.) und das Chä̆mi, 7 z. B. zwischen Rụ̈ụ̈sch und Olden. So können alle engen Abstiegsorte im Gebirge «Chämi» heißen.
Der Sattel, die Satteleggle̥ni. Die Wanne an der tụ̈tschem Bĭre. Die Daube: d’Tụbe am Frischenwert; d’Hooretụbe, d’Trụ̈tlisbärgtụbe.
Kehle als Gut: d’Chä̆hle (Abl.); die teuffi Chähle (Källen: 1666), d’Dorfchähle (Sa.), d’Ramschähle (Gstaad), d’Wandelichähle (Gst.). Der Schlund (zu slindan: schlingen), das Schlü̦ndi und der Schlü̦ndibi̦rehubel. Schlucht (zu schlüpfen: schleuffe): 8 in den große und chlịne Schlüechte über der Lenge Lauene (La.). Das Gefäß heißt altdeutsch das kar. 9 Danach benennen sich die Karren, 10 wie zumal das Kar- oder Gharhoore über Gsteig sie mühsam zu durchschreiten gibt. So besonders nach dem «Sich-hineinfressen» der Kare in Gebirgskämme, wodurch die «Dachfirsten» eines Gịferhoore, eines Hundsrück u. a. entstehen.
Aquarell von Gottfried Lanz
Der prächtige Oldechässel und die Hoorechäßla gemahnen im Wort an die Bochte zu La. und bei Montbovon. Diese Bochte ist die umgestellte alte botacha (ml. but-ica aus buta, woraus la bouteille wurde), vgl. der Bottich 11 und das Bü̦chti.
Zu fz. combe 12 = kleines Tal, und mlat. comba 13 = Abhang gehört le goum (1814) und «der Gaum» (1765), der Gụmm (-berg), der G̣um statt die Gụm; d’s Gụme̥li (Sa.), d’s Gụme̥li (La.), 65 der lätz Gụmm (schattig, S. 60); d’Gụmflueh bzw. -flüeh, der Gụmm -bärg, -esel, d’Gụmmegg; di ụsseri und innderi Gụ mmmatte zum wilden Boden; d’s Augst-G̣umi oder Chụmi; Comborsin: der Gụmerschịị (s. u.), der Perzgụmm; d’Gu̦mbe am Labihubel, und d’Saane̥zgu̦mbe.
Das Loch ist zunächst ein Verschluß, ein Bergungsort. So alle die Loch (La., Gst.), under de Löchere (Gst.), im Löchli (Gb.); das Daxe-, das Murmel-, Pärzgụmm-, Bäärs-Loch, so d’s Wildlụ̈teloch an Olden; d’s Heidelöchli, d’s Ermu̦ndloch das Loch-Staafel; d’s Haseloch. Das Chlingelloch an Olden verrät mit dem wiederholten hellen Aufschlagen hinuntergeworfener Steine herausragende Kalkstücke am Rand der unerforschten Tiefe.
Die Saanerslochflueh (hinderi Hooreflueh) hinwieder überragt einen winzigen See. Der stehe aber durch einen der unterirdischen Gänge, wie es nach der Sage auch im Saanenland noch mehrere gibt, in Verbindung mit dem Genfersee! In diesem sei ja eine Kuh wieder aufgefischt worden, welche in das Saanersloch gefallen war.
Deutlicher reden vom «Verschluß» als der clausa das Chlụßli als Enge innerhalb der Schü̦̆dele, sowie vom «Hehlen» als Verbergen der Höllgrabe; Orte: in der Höll im Gründ.
1
Mit
Chla-pf verglichen:
schwz. Id. 3, 640, wie (ebd. 783) der
Chrachche vom Krachen geborstener Erdrinde und der sinnverwandte
Schrachche vom «Schrecken» als «Aufspringen» (vgl. die Heuschrecke als der «Heugümper»,
Höuwstoffel) hergeleitet wird.
2
Schwz. Id. 3, 783.
3
Gw. 16. 17. 159;
Tw. 138; Schürmeyer 1 ff.;
Schwz. Id. 4, 1215 f.;
Coolidge;
Küenlin 62 f.;
Brid. 29.
4
Aw. 37.
5
Walde 328.
6
M-L. 1548.
7
1552.
8
Die nd. Form
Schlucht ist die obd. «Schluft», durch welche man «schlieft», schlüpft, unterbernisch «schlüüfft», saanerisch
schleufft. vgl.
leuge = lügen,
fleuge = fliegen usw.
Schwz. Id. 9, 82;
Kluge 403.
9
Mhd. Wb. 1, 788;
Gb. 393.
10
SAC 13, 422.
11
Weig. 1, 273;
Schwz. Id. 4, 1010.
12
Schwz. Id. 3, 290.
13
Holder 1, 1189;
M-L. 2386. 2387;
Gatschet O. 247 f;
ChdO. 155.
Obna und u̦n na liegen sowohl kleine wie ausgebreitete Örtlichkeiten zumal bị n ü̦ns im Oberland. So sagen nun auch Saaner und Simmentaler, wie alle Angehörigen des Amtes Thun, dieses Schlüssels zum Oberland. Lange Zeit zuvor galt die Gegenüberstellung zum Unterlande bloß für die Bezirke Interlaken und Oberhasli. Von all den saanerischen Ober und Under seien z. B. der Ober- und Underolde, der Oberstalde und der Ort under em Büel (La.) erwähnt.
Von sich weg hinauf und hinab, zu sich heran: herauf und herab geht man uehi und ahi, abhi, ueha und abha, umständlicher jedoch e̥m’b’rụf und em’b’rịị, embruoha und embrịnha, d. h. «vam» Standort über das vorliegende Gelände hin «auf» oder «ein».
Dieses «ein» = ịịn ist soviel wie hin-ein = in-hi n. Man geht in einen abgeschlossenen Raum ịịn, so z. B. in ein Haus, dessen Eigner uns zu sich «herein»: i̦nha gelassen oder gar gerufen hat. Und so geht man im Gebirg von einer Höhe, die als weithin offenes Gelände gedacht ist, ịịn in eine als geschlossen gedachte Talschaft. Wer z. B. von den Saanenmösern nach der tụ̈tschem Bi̦re (von hier nach Abläntschen) 66 und zurückwandert, geht d’Si̦mnen oder d’Si̦bnen (s. u.) ịn und ụs. Angehörige eines Saaners wohnen im Gsteig i̦n na, Angehörige eines Gsteigers z’Saanen ụßna («ụsse»). Im Gsteig heißt der innerhalb des Dorfes gegen den Sanetsch hin gelegene Talgrund: d’s Inndergsteig. So gibt es d’s innder und u̦sser Gründ und Saali (Gst.).
Analog orientiert man sich nach hindern̦a und fü̦rhi: vor Augen hat man das große, weite Blickfeld, hinter sich bloß das beim augenblicklichen Umwenden Erschaute; dort den nahen lichten «Vorder-», hier den fernen, verschwommenen «Hintergrund». So erklären sich alle die Vorder- und Hinder-Eggleni usw.
Wer ohne Zeitverlust «des Weges Enge» und Mühsal mit desto eiligerem Durchmessen guten Weges ersparen will, geit hinden u̦m der Nähi naa ch. Eṇ gueta Wääg hinden u̦m ist ni̦t chru̦mm. Gleich häufig aber ist gredi dü̦rhi: durch alle Hindernisse «gerade hindurch» die gegebene Richtung. Die geht quer: twer, twäär, twärisch, etwärist. 1 So erklärt sich die Twäregg (1324: Tuarica) als quer vom Lauenental gegen den Stierendungel hinan verlaufender Grat.
An einen Kniebug erinnert die Chnöuwlisegg (sie macht d’s Chnöuw).
An Turnus und tourner erinnert der Tu̦rne̥ls mit -graben und -grat, welcher vom Turpach schreeg gegen und zwischen Gifer und Wasseren hinansteigt.
Dies «zwischen» lautet zwü̦sch, zwü̦scht, zwü̦ßt gemäß seinem Ursprung aus zwi-s-k.
Namen wie Wịtembärg führen über zu «jenseits» eines Gebiets, z. B. änet der gradlinigen Gemeinde- und Kantonsgrenze: « trans botinas», 2 wie der gallische Kelte sagen konnte. Das alte Französisch machte aus «botina» botne, bosne, borne (les bornes), oder es unterdrückte « ti» und behielt bone (vgl. «Bonn»), so daß « trans botinas» zu tras le(s) bone(s) wurde, im Trachslebond (1735), Traslebon (1755), das Traßlibung, d’s Traßlibaum und endlich ein glücklich gedeihender Traßlibaum zustande kam.
1
Vgl. Zwerg, Zwerchfell u. dgl.
2
M-L. 1235.