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Scherenschnitt vor J. J. Hauswirth

Leib und Leben.

I.

«U daß söttigi Lüt wi n ịe̥ch bi̦, müeßen alten u stärbe! Es isch eigetlich schaad». Mit dem Humor auch dieses Spasses erleichterte unser Christian Reichenbach, den wir unten als Mundartforscher im Bauernkittel würdigen, sich sein nach körperlicher Überanstrengung allzu früh eingetretenes Lebensende.

Grossrat und Gemeinde­präsident

† J. G. v. Grünigen in Saanen

«Dr Houptmaa»

Jünger als er schịnt, ist auf der Lebenshöhe der Überarbeitete. I bin älter als i ch glị̆che kann gegenteils der lang frisch Erhaltene sagen, der aber auch den Bescheid parat hält: Da müeßet ịe̥r en Ältera frage.

Da muß freilich das Hi̦rni die übrigen Organe an Lebenskraft überdauern und das Härz mit ihm Schritt halten. Sogar als afḁn e chlei es alts Härz darf es von der Glịchligi der Uhrenpendel­schläge abweichen, wenn nur sein Eigner als e b’häärza, b’häärzta oder g’häärza Mentsch immer noch seinen Mut zum Leben, seine Tatkraft und Ausdauer an den Tag legt.

So lang ist er nicht nur überhaupt als Lä̆ben da in dieses Wortes Sinn läbiga, sondern lä̆biga = lebhaft und chächcha. Auch dies mit l. vivus, vif 1 wortgenössige «keck» ist sowohl lebhaft, zuversichtlich, wagemutig, sogar waghalsig.

Das alles setzt eine solche Wertschätzung des Menschenlebens voraus, die in seiner Müh und Arbeit sein «Köstliches» 2 erblickt, und welcher Erholung soviel wie Wechsel der Arbeit bedeutet. Eine solche ist auch der Schlaf. Schlẹe̥fflige erneuert der Mensch seine Schaffenskraft; nur dem faulen Schlaaffi (Jaun) beginnt der Fị̆raabe bereits 390 am Morgen. Als e n Fụ̆länzi z’grächtmụ g’fụlänzet hat aber ein Nünz’g- bis Hundergg­jeriga nie. Noch weniger darf es tun, wen es g’lu̦stet, seines irdischen Daseins Länge dem biologisch errechneten Normalalter von drüimal vierz’g Jahren anzunähern.

 
1   Kluge 236.   2  Ps. 90, 10.  
 

II.

Mit der Lịch geit mụ z’Lịch: man feiert den Lịchgang zum Bestattungsort mit. Wie aber lîch einst auch, den lebendigen Leib bedeutete, 1 so noch heute das l. corpus ( corps, Ggoor), als «der Körper» und alte körpel 2 als der Chü̦rpel, das Chü̦rpeli ( S. 196).

J. G. Aellen in Saanen

Regierungs­statthalter

Ein zum Turnen, Rennen u. dgl. nicht Geschaffener hät nit der Chü̦rpel dḁrzue. Der in Selbstsucht Verbissene aber ist eṇ Gịtchü̦rpel, wi̦ söttigs nit ist fü̦rha choo. Der Chü̦rpel und das Chü̦rpeli wurde mit der Zeit ebenfalls als Leiche umgedeutet.

Dagegen ist, wie schon die Redensarten u̦f oder bi̦ Lịb u Lä̆be, bi Lịb u Tööte (La. und Gst.), sowie sich lị̆bloos tue besagen, der Leib die belebte und lebensvolle Gestalt. In solcher steht einer lịbhaftig vor uns, und lịbhaftig oder lịbähnlich glịhet er einem zweiten, wi̦ n e Tropf Wasser dem andere. Und zugleich hät er Lịb: es ist öppes a nm ’mụ z’hampfele.

So bereits das z’säme­g’stoße Pu̦tti, Pü̦tti, Roggeli, der Plü̦̆der oder das Plü̦̆derli, das zugleich als sehr lebhaftes Pfü̦̆ri sich doppelt lieb macht, das sodann als Knabe heranwächst zum dicken Chnü̦rps oder Chnŭ̦tti, zum Chnụsti, wie das Mädchen zum Totschli.

Der Mürggel und das Mü̦rggeli (s. u.), der Chnol le, «Ein rundlich und froschähnlich Männlein» 3 ist der Pu̦nti. Der Chlụ̈mpsch, der zum chnụste einladende Chnụsti. Schlank 391 ụfg’schosse ist dagegen der Spränzlig, der Geimeler, das G’strĭ̦gel.

Von eines normal erwaxne Saaners hoher und schlanker Gestalt, die als raan bezeichnet wird, weichen unvorteilhaft ab der schwerfällige Plu̦wel, der große, dicke Mann als e n-m Bral li, die kleine, dicke Frau als Stu̦ngga. Grob iSv. dick sind ferner die Plü̦ttera, die Pflaasta, der Pflaasti, die Plu̦nta und Plu̦ntscha, sowie die als G’schöpf gescholtene übergemächliche Tschampa oder Tschuija und der fürchterlich wüest Maa als das Boozi oder Booggi, d’s Bolembooggi.

 
1   Kluge 264.   2   Mhd. Wb. 1, 863.   3   Engelb. 3.  
 

Frau Regierungs­statthalter Aellen

III.

Die stärkste Gewähr, daß die Lebenskraft zu langer Lebensdauer mögi recke, bietet die Schlankheit des Wuchses. Sie läßt der Entfaltung der Organgruppen und Körperteile mehr Raum. So werden begünstigt der ahd. nioro: der Niere (Jaun), und so der Närv. Der Närv, das gr. neuron (die «Schnur») ist auch die Flechse oder Sehne und deren an das Adersystem erinnerndes G’eeder, G’ẹe̥der. Ein Athlet (s. u.), ein Schwinger, Turner, der sehr viel gleichartige Anstrengungen aushält, ist pụrs̆ G’ẹe̥der, es Gẹe̥der­manndi. Auch Hitz u Chelti, Schweiß und Frost hält er so leicht aus, daß’s ihm nit so liecht d’s Schmü̦tzi ụsjagt. D’Närve sind die Leiter der Empfindung. Dem Über­empfindlichen gramslet’s bei jeder kleinen Erregung dür ch Margg u Bei ụf, und er g’spürt es jedes chü̦tzle. Er besitzt aber auch starke Knochen: härt Chnode. Das kann hintenher sein Skelett beweisen: daß G’rü̦pp, benannt nach den Rippen, die als Brustkorb dem Herzschlag freien Raum lassen. Er ist denn auch nicht en ängg’rü̦̆ppeta: engherziger Mensch. Wie die Brust dehnbar, sind die Gelenke und jedes Gelenk: G’lääch leicht beweglich: der Träger bleibt g’läähig, und g’lä̆hig vollführt er jegliche seiner Bewegungen. Glịmpfig wie die Gelenke ist auch die Haut, gerade wenn sie zẹe̥iji ist wie Lä̆der, so daß der zu Boden Gefallene spassen kann: es het mi ch g’lä̆deret oder g’lädergaglet.

392 So läßt auch sein Nacke (vgl. the neck und das Genick) ihn nicht als hartnäckig und halsstarrig sich erweisen. Rückgrat allerdings hat er so viel, daß er nicht z. B. hinderrü̦ggs sị’m Meister, dem er verantwortlich ist, Unrechtes tut, sobald jener ihm der Rü̦gg chẹe̥hrt. Ebenso wird er niemandem Starz gää 1 in dem Sinn, daß er ihn mit solchem stärze zu etwas Unrechtem aufwiegelt und anspornt. — Beim Aufheben einer Last «biegt» sich auch der graad Rü̦gg zum Pu̦ggel oder wird doch es Pü̦ggi. Ist die Last schwer zu bewältigen, bemächtigt der Träger, um sie nachher z’pu̦ggle, sich ihrer zunächst rü̦gglige. Kaum gelingt dies allerdings dem Bü̦tti oder Bü̦tterich.

Der Schoos führt über zu Mittelleibs­teilen: in de Mächte oder Lịịste (Leibesseiten, Leisten); d’Gri̦ttele (Stelle am Gesäß zwischen den Beinen). Daherschreitend fü̦̆dụmmlet er, er äärschliget als der Aarschgnippi.

 
1   Stald. 2, 392; Gw. 523.  
 

IV.

Als en ụfliha Maa, en ụflihi Frau, es ụflichs Chind «wohl auf» in die Welt schauend, bin ich, bist du, ist är, sị n we̥r, sịt e̥r, ṣi si emel o ch no ch daa; oder (falls Ihr es gütigst gestatten wolltet) da wäre ich: da wẹe̥ r n ich, da wẹe̥re n we̥r. G’sịn ist der Entschwundene. Dieses «schwinden» ist altes swînan, ist schwị̆ne im abgeschwächten Sinn des Abnehmens an Bestand. Dieser oder jener Vorrat z. B. het gschwị̆net. Är het d’Schwị̆ne oder der Fraas s (vgl. d’Äärbe̥tschwịni S. 70).

Was dagegen noch da ist und sogar immer da sein wird, das besteht, ist im Be-stand gesichert.

Dieses staa: i staa, du steist, er steit, wir staa oder stande, i ch stüendi usw. entfaltet einen reichen Schatz von Bildungsformen. Ein sterbendes Haustier steit ab. Der (nicht mehr wehende) Wind ist g’stande. Er hät sich dụ ni̦t u̦f daas verstande (er verstand es nicht). B’ständig: immer, oft. — G’staa-d, G’staat; Stutz und stotzig; da ist der Schlitte schön a sịm Ort g’stotzet. Aastotze, anlehnen; vor-stütze, — Sta-b: Wägen de g’staabete (La.) oder g’stăbete (Jaun) Hände; g’stăbig wi n es buechigs Schị̆t; bei solcher Kälte tuet mụ verg’stăbige. Der G’stabi steht steif da. Stịff 1 aber ist, was nicht aus seiner strammen Stellung herausfällt; es ist exakt ausgeführt, ist gut und schön: «es stịffs Meiteli»; 393 e stịffa Maa: ein ordentlicher. — Sta-ll; Stell: u̦f der Stell («sofort u no ch ẹe̥hnder»); abg’stellt: verboten; sich erstelle: stehen bleiben; als Tagwaner, Dienstbote usw. si ch laßen aställe; verstelle: versperren. — Sto-ck: sị s teckt bi̦ n üns; da hät’s dụ b’steckt!

Lĭ̦ge, e chlei ablĭ̦ge; lĭ̦glige läse; i ha mi ch verlä̆ge (ungeschickt liegend mich geschädigt); einem eine Missetat unterschieben: zuelege; i ch bi n hi̦ṇg’leita: zu dem und dem schlecht aufgelegt, müde, matt.

Robert Würsten in Saanen
Amtschreiber

Wer z. B. in der Hängematte liegt, hanget. Wenn diese sich nur wieder löst und nicht mueß blịbe hange: b’hange, e nt-bb-hange! Mache z’hange ist altsaanerisch hängen = häähe, neusaanerisch: henke. Die Wäsche wird g’häächt oder g’henkt am g’span nete Seil. Entspannt und in losem Bogen hangend, erinnert es an das verhängte Leitseil oder Lenau’s «verhängten Zügel». Dieser läßt dem Pferde freien Lauf, wie (übertragen) das nach ehernen Gesetzen waltende Schicksal ein ungewohntes «Verhängnis» zuläßt. Solches Zulassen, Gewähren wird in neuer Übertragung auf das Erweisen einer Gunst, einer Gefälligkeit, eines freundlichen Dienstes angewandt: hengg me̥r! oder noch angelegentlicher: verhengg me̥r dḁrzue! Ich kann dieser Angelegenheit schließlich noch eine günstige Wendung geben: I ch cha nn ’mụ de nn no ch hengge.

Sittig: sanft, leise, «hübscheli», sitzen; si̦tzlige (sitzend); sitz: setz dich e chlei, setzet u̦ wch zu̦m Tisch! i ha mi ch g’setzt, ein angefrorener Gegenstand wird e ntsetzt. Satz: en Aasatz va n Wassersucht. Sitzen = hocke, verhocket; g’hü̦ck dich: sei ruhig und stille! Kauern: groppe, grụppe, sich grụ̈ppe; i ha mich under ’neṇ großa Stei zuehi g’grụ̈pt.

Ruhen: lụ̈je, lụ̈wwe.

 
1  Vgl. l. stipes = Stamm: Walde 739.  
 

V.

An Ort sich vollziehende Be-weg-ungen benennen sich zunächst als ein waage, besonders iSv. wa-n-ken und sch-wan-ken, es Wänki tue: dieser Zahn waaget me̥r oder waggelet (wackelt). Mit -ĭ̦- der 394 Sch-wi̦ck (Augenblick): i ch gan e Schwi̦ck dü̦̆rhi. Mit -ei-: si ch weigge, verweigge, einen Weigg, Weigge tue.

Adolf Raaflaub in Saanen
Gerichtspräsident

Das alles heißt: si ch verrüehre — ziellos wie all das Folgende: E n Chlụpf uberchoo, erchlü̦pfe, chlü̦pfig, chlu̦pfiga sị. Zucken: zü̦cke. Sich erbŏbe Zitteriga sị. Zwatzere (mit den Augstechle zwatzere), vgl. der Zwi̦tzerägg ( S. 54). I ch schụ̆dere, tschụdere, schlottere; der Schlotter uberchoo. Es hät mi ch g’schü̦ttlet u g’sacklet. Beim Tü̦reni schletze zitteret u rĭ̦senet der Boden. Zable, zäberle; vor Ungeduld pangle.

In seinem Bettchen strüelet und strodet der Jährling, bis er ụsg’strodets het: die Decke weggestrampelt ist ( S. 279). Er fägnästet und zwasplet, u sperzt u sporzet, wie der erwachsene Spaßmacher, der seine G’spoori und G’spooreni zum besten gibt, seine Gabrióle vollführt. Jetzt fuchtelt er; fu̦chchlet; und wieder arbeitet er so träge: er googet, daß man ihm zurufen möchte: la ß g’sẹe̥h, erablen dich, rüehr dich!

Nun stampfet und stämpfelet, stürflet (strauchelt) und stu̦ngget er. Er rämpet u rangget wie das Weidetier ( S. 164). Jetzt plampet er, wie einer, der im Wirtshaus si ch verplampet und wieder einmal Geld und Zeit ver­plämperlet het.

Mit Geräusch verbunden ist das fịe̥gge als hin und her zieh; als quietschendes rịbe u. dgl. andere Fịe̥ggeti; das gurgelnde gru̦gle, das G’gru̦gel; das klappernde gloppe z. B. mit zu großen Holzschuhen; daß gebrochen rauschende rụ̈sple.

Um die eigene Körperachse windet man sich beim Wenden, das bloß einen Augenblick beansprucht: es Wänd oder es Wẹnd (svw. geschwind). Wer sich entfernt und sofort zurückkehrt, ist es Wẹnd z’ru̦gg. Drehen: drẹe̥ije. Kehren: chẹe̥hre; einen aachẹe̥hre: ansuchen, anbetteln. Dazu der Rank und renken: räähe; ein Glied ver- oder ụsräähe. Wirb-el, werben, Gewerbe, g’wi̦rbig svw. aastellig und aaschlegig, eifrig sich tummelnd. Zwi̦rble: taumeln. Es het ’nḁ g’welbt: er ist übergekippt; walple, walplige: wackelnd gehen (Jaun).

Nicken: Nü̦cke, i nnü̦cke, e ntnü̦cke, nü̦ckle, g’ni̦pfe, es G’ni̦pfi näh: ein Schläfchen; es hät ’nḁ g’ni̦pft.

395 Sich bụ̈cke, si ch chrü̦mpe n. Pu̦rzle, der Baum stelle, der Gụgger stü̦tze.

VI.

Letzteres heißt aber auch: kopfüber kollern und ist svw. gụggere, a bhi gụggere, und wie stü̦tze = stürzen. Er ist a b-d dem Ofen ahi g’stü̦tzt. Nur aastü̦tze bewahrt die Bedeutung anlehnen. Vom Gestürzten heißt es auch: Er ist Totz uber Totz aha t’roolet — um vielleicht an einem Hindernis aaz’plu̦tsche oder aaz’plu̦ntsche. Daher das Bild: u̦f den ẹe̥rste n Aa n-m-plu̦ntsch = beim ersten Gewahren eines überraschenden Sachverhalts.

Emil Haldi in Saanen
Gemeindeschreiber

Falle lebt mundartlich neben den Örtlichkeits­bezeichnungen G’fell, Feli ( S. 55), zumeist im verblichenen Bild vom «Fall der Würfel» im «Spiel des Zufalls» oder vielmehr des Geschicks (vgl. die cadentia als la chance: d’Schangße und «sein Leben in die Schanze schlagen»). Wen n im Faal l oppa (das und das sich ereignete...). Ein unglückliches Erlebnis ist es Uṇg’fell, das dem Uṇg’fellige begegnet. Ung’felliga ist aber auch, wer dem andern eine «Gefälligkeit» versagt. Was meinen «Beifall» hat, g’fallt me̥r guet oder wohl. Es fallt mer ụs = ich vergesse es. Fallen als fz. tomber heißt zumeist g’hịje; g’falle: g’hị̆t; aha- und ahi-, dḁrhár-, obe-hinder-schị̆g g’hịje. G’hịj me̥r doch da dana (weg da)! Ein geschwätzig preisgegebenes Geheimnis ist me̥r da so ụsag’hị̆t. «Es Chind wüest laße g’hịje» (so daß es schweren Schaden nimmt) führte zu substantiv­iertem G’hịje als Erregung, Lärm, Skandal: Du hest doch o ch n es G’hịje (Wichtigtuerei) mit dem! — Fallen machen, fallen ist ebenfalls g’hịje: Einen derva g’hịje (von Stelle, Amt und Brot). Es het mi ch g’hịt (beleidigt), daß... Was g’hịt mi ch daas (was geht’s denn mich an)? Etwas geheim zu haltendes laße g’hịje, laße merke, laße ru̦tsche.

In irgendeine Richtung schießt schleunig sich Bewegendes. Daher e n Schu̦tz, es Schu̦tzli (s. o.): eine kleine Weile. Ụfschieße: erregt auffahren. Wer eine steile Höhe erklettert, der chräblet embrụf, wie am Chrä̆wel ( S. 62); er chratzet uehi oder versucht es wenigstens; er erä̆blet sich. ( Räble fließt zusammen 396 mit sich er-able: sich aufmuntern, sich «fähig» machen zu etwas.) Erable du dich, statt da z’sṭure u z’stotze u chalt z’ha derbi.

VII.

Für gaa = gehen ( i gaa, du geist, er geit, wir gaa = gange, ier gaat = ganget, i gangi, giengi; gang! gaat! g’gange) zeichneten Lehrer Frutschi’s Schüler im Turpach folgende bunte 1 Reihe von Saanerwörtern auf:

Trample, trogle; tschaargge; schländere, stolpere; schlịche; tschaagge; bofle; stapfe; trotte, trottle; wandere; vagante, vagiere; wajischiere; cho n z’schnụppe; cho n z’schawattne; schragne; glangge, glingge; stäckne, stackne, stäckle; humple, hämpe; lämmlige; pflụtsche, glụtschne, bụ̈tzne; toggle, toggele; schu̦ggne, gloppe; lauffe; hü̦pfe: zịbene, zịberle; beinige; hö̆pferle, hopfe; di Länge fürha näh; fueße; fi̦sme, fäsme; abhase; zäberle; füeßle; schuehne; satze; abdächchle; bocke; träppele, hö̆sele; gụmpe, gü̦mperle; stịge; täppele; springe; längbeinige; traabe; höpperle; läuffele; tschirperle; umha g’hịje; schlŏde; chlofne; stampfe; gamaschne; hụsiere; eibeinige; sti̦fle; stru̦mpfe; sockne; weible; staafle; tschu̦mmle; tru̦nggle; gable; schlägle; schŭfle; tschụppne; tschofle; haaxne; boldere; cho z’sịtlige; cho z’ru̦mple; lappne; cho z’lammere; finkne; ggraagge; g’stabige; tschampe; tampe; stälzne; tụsle, tụßne; stägne; gigampfe; cho z’schieße; chratze; bächchiere; jägere; färschene; cho z’fleuge; chrable; räble, rable; raudiere; tanze; tschụre.

† Robert Haldi im Dorf

Zu «gehen»: e nt-ggaa (entfliehen), ụsa g’gange sị (einen Austrag nehmen); (auf einen Gegenstand des Denkens) iṇgaa, nit nụmen druber ab; aaṇgẹe̥nds (bald). Einen i d’Gäng wärhe (in die Enge treiben); guets Gangs (gut von statten), i han da guets Gangs g’lade (La.: etwas mit wenig Mühe vollbringen).

Kommen, choo: i ch chu̦me, du chu̦nst, er chu̦nt, wir chäme; i chämi, i chẹe̥mi, chu̦m! chä̆met! («Cho ga säge, găgă säge».) I ha grad no ch ụf de n Zug möge b’choo («g’choo»): ihn erreichen. Einem begegnen, e nt-b-choo. Be-kommen, erlangen, in 397 seine Gewalt bringen: uberchó. Jetzt verstehe ich, begreife ich: iez chụmen i ch naahi. Be-kömmlich und sehr dienlich und bequem ( bi-quâmi): chommlich. Mit etwas, das man zu entbehren beginnt, chụnt mụ ụsi, vo̥rụsi; zwei sich endlich Verstehende chäme z’säme.

Vorwärts kommen hieß alt faran. Wie man noch heute «von hinnen fährt», so fährt oder fĕhrt derva, wer weggeht. Der Fuhrmann aber, der sein Fuhrwerk macht z’fahre: es füehrt, befördert mit Zugkraft seine Fuehr.

† Aktuar Albert Schopfer

Auch ein Zeit vergeudendes Schlendern ist ein fahre, des umha fahre, um enandere fahre, wie die Fahra, das Fahri es übt oder die Ransa, welche (anscheinend es eilig haben) stetig umherrennt: ranset.

Der zu Fuß Gehende läuft, das Gehen lernende Kind läuffelet afa. Wer aber läuft, der springt, und wer etwas springen macht, der sprengt: tuet sprengge. Der sein Roß in raschen Lauf versetzende Reiter und Fuhrmann sprengget, das Tier kommt i’ n Sprungg. Auch zerspringen oder platzen machen ist sprengge. Von einem Faulen glauben i nit, daß er all Steina zersprẹnggi; er ist e̥kei Stei­sprengger. Schriftdeutsches springen aber ist ggụmpe oder doch ggụ̈mperle, e Ggump näh.

Auf glattem steilem Hang tschụ̆re (gleiten, glitschen) die gewandten Weidetiere ohni z’troole.

Heftig sich auf- und niederwiegend gehen: hopple. Zwi̦rble: taumeln, aber auch: si ch tummle. Im Zụ̈g umha fụ̆sidä́ntere, in der Chu̦chchi umha fĭ̦sme und bị̆se ( S. 164) und dḁrva pfịtze oder pfi̦pfe, wie einem ein unbedachtes Wort ụsa pfi̦pft. Als Draufgänger chụttet der Chụtti, der gleichsam die von ihm duchschnittene Luft macht z’chụtte.

Sich stark bewegen ist auch ein rable, ein geschäftiges Hin- und Hergehen ein wäbe n 2 und «weiben» (1672) nach der Art des Weibels. 3

Umherstreifen: roliere, schwäckle.

I ch mueß schlịche, sagt etwa ein sich Verabschiedender. Der Trunkene stü̦rflet, bis er an e n Zụn aa’prätschet oder plü̦tscht. 398 Doch nicht auf dem Weg zur Zaaggiweid ( S. 45), die etwa auf ein zögerndes Befahren (ein zaagge) hingedeutet wird.

Ums Hụs umha troole (s. o.) bedeutet ein lässiges Gehen, ohni d’Füeß z’lü̦fte, so daß ein derart Fauler willenlos sich ließi trööle (wälzen, vgl. die «Tröölerei» einer Angelegenheit). Kriechen: schnaagge, graagge (s. o.). Schlüpfen: schleuffe, g’schloffe. Wen n i ch nu̦me mag g’schleuffe (mich schlecht und recht durchbringen)! Rutschen: ru̦tsche; er ist g’ru̦tscht. Damit aber het’s g’rückt: er und seine Angelegenheit sind vorwärts gekommen. Denn der vorwärts «Strebende» strablet dabei: rührt die Glieder lebhaft.

Es ist drum es zẹe̥iß G’ẹe̥der. Als einer, der den vor ihm Gehenden suecht z’b-siẹh̥, drängt er schü̦tzig vorwärts, wie er auch einen Wunsch nach etwas wohl Erreichbarem nicht schüchtern in sich ụmha trụ̈̆blet, sondern frisch vorbringt: Wenn das nụ̈t ab- oder fü̦ü̦rtreit (-trägt), reicht er geratenenfalls das Gewünschte selber. Dies wird unschwer gemacht bei bäuerlicher Nachbarschaft, wobei einer mit dem andern Aastoos ist (des einen Gut an das des andern stooßt). Überhaupt weiß er all sein Vorhaben schon ins Werk zu setzen: i d’s G’reis z’bringe, und mit seiner Ausführung im G’reis z’blị̆be, ohne mit Beteiligten i d’s Uṇgreis z’choo. Er übt bei allem auch die nötige Zurückhaltung: er ist nit schü̦tziga, er schießt nit drị, und er vermeidet unnötigen Lärme: Es brụcht nụ̈t z’rụgge u nụ̈t z’wi̦gge (schreien). Für alle seine Vorhaben darf er natürlich nit lingga sị: ungeschickt wie der ungewohnt mit der Linken Hantierende. Sein gesamtes Tun und Lassen muß heimisch sein in dem ganzen großen Bereich, das man mit dem Worte rächt zusammenfaßt. Und als Mann, der weiß, was rächt ist, wird er schon mit seiner Art sich z’gää u sich z’haa zeigen; i si’m staa u gaa, g’rädig u bolzgradụf. Er lauft g’stü̦tzta («grad auf») und g’strackta («g’strackt»). So unterscheidet er sich scharf vom schwerfällig gehenden Tschalfi, Tschalpi, Tschaarpi, Zaaggi, Gloppi, Stu̦nggi, Steberi, Trappschi, Tschaaggi, Träseli, Träägseli oder Träfeler, Tschu̦mpel, Tschu̦ppel, Tschump­aarsch; dem langsam gehenden Zoopi und Trappi, von der Schlaarpa usw., wie aber auch vom übermütig springenden Galsteri, dem allzeit es eilig habenden Strabli, der auch mit uneigelichem strode u strüele hụrstig seine Arbeiten «erledigt». Als Gasse­schwäckler (1624) schwäcklet er des umha, techchlet (rennt) dḁrva bei jeder Gefahr, zu einer Anstrengung angehalten zu werden.

 
1  Zum sachlichen Ordnen einladende.   2   Aw. Nachw. 36.   3   Gw. 122.  
 

VIII.

Wie anmutig dagegen das in tri̦tteligem Gang des Kleinen unternommene saaft lauffe! Es ist zunächst noch ein dḁrva pfu̦sle und pfösele, ein unsicheres wanzle, ein gewagtes tä̆sele ohne Giträ́bel, ein träppele, träppschele, schri̦ttigs toggle, stoffle und stü̦̆ffele, stu̦ngge und stü̦nggele; wagemutig, als gelte es ein gleitigs abschiebe im Schwi̦ck ohne stu̦lpere, b’schlü̦pfe, b’schli̦pfe, ụsb’schlipfe, ụsru̦tsche.

† Kari Graa im Gsteig
Gemeindeschreiber

Das hindert ihn, falls er danach geartet ist, keineswegs, mitten in gemütlichem trappe mit einem Tschi̦bi̦ngg etwa an eine Türe z’stü̦pfe, z’gu̦sle, oder z’sti̦chchne, sie oder ein Tier z’fue ßstichchne, z’stächche, die Türe ụfz’stächche.

Ob einer aber g’strackta oder chrumma, wenn nicht gar zweufalta dḁrhar chämi: mit der Art des Auftretens kann er beweisen, daß er der Mann ist, auch aus tiefstem Unglück, aus Krankheit, aus Armut sich emporzusraffen: z’Beine z’choo und stẹe̥ndlige durch die Welt zu schreiten.

Allzu strenge Arbeit in Feld und Haus kann allerdings den Mann und die Frau gamiga und gamigi machen, wie das von tagelanger Weidefahrt erschöpfte Tier. Die von Muskelkrankheit erschöpften Gehglieder erwahren dann die Grundbedeutung: die Krümmung, ml. gamba (fz. jambe). Nach der Chrü̦mi 1 des Beins scheinen aber auch, wie Schinken und Schenkel, so die Scheihe benannt zu sein. Heute gelten freilich Scheihi (Schi̦i̦hi im Simmental) für grob, und sie werden von der Zote der Gräsche (s̆s̆) usw. gleichgestellt.

400 Bis i d’Zẹe̥iji usi wohl tuet’s dem, der eines erreichten Zieles oder eines andern Glücks sich aufs äußerste freut. Als Tschagge ( S. 228) benennt man in humoristischer Übertragung wie die Zehe, auch den Fuß. Sĭ̦g me̥r nit gẹng under de n Füeße! lautet die Wegweisung an einen, der unserer Fortbewegung hinderlich ist. Z’g’wettne 2 Füeßen (gleichzeitig mit beiden Füßen) aber springt i’ n Dräck oder rennt überhaupt ins Unglück, wer nicht einmal zu vorsichtigem Ausschreiten sich die Mühe nimmt.

 
1   Weig. 2, 714.   2   Lf. 186.  
 

IX.

Der bäuerliche Ehrenmann schlägt sein Auskommen u̦s deṇ Glĭ̦dere und spezieller u̦s den Äärme. Gut drum, wenn er sagen kann: van Äärme bin i ch starha; mị̆ner Äärm tarf i ch laße g’sẹe̥ch! In rechter Oberländer­sprache ist freilich auch der Arm des Riesen es Äärmli; erst das Äärmeli des Kindes ist noch klein. G’aarmeta, wie er nach den Anforderungen seines Berufes ist, umfaßt er z. B. in der Heuernte beträchtliche Massen als einen «Arm voll»: einen Aarve̥l, und es Äärveli hat für ihn erst intensive Bedeutung.

Der Arme größte Tragkraft bergen die Schultern: d’Axli. Är cha ’s es no-n es Schu̦tzli axle, aber lang nit. Der ausgetretene Tägel­chnopf ist eine schwere Verrenkung; vgl. sich e nttägle. E Fụla tuet sich bi’m wärche nit e nttägle. Die Schulterblätter heißen auch d’Schärte. D’Schärti hätti o ch gäre ’tacktụ, wenn sie z. B. im Bett entblößt worden sind.

Die Achselhöhle ist das Ụe̥x, und eine unter em Ụe̥x getragene Last ist en Ụe̥xete oder doch es Ụe̥xe̥tli.

Die Ellboge (Elle, ulna) birgt als die bekannte äußerst empfindliche Muskelpartie das mit su̦r re reagierende «Nar re- oder Su̦rbeindli»: d’s chlịn Älibögli.

Talpe oder Chlauwi werden die groben Hände gescholten. Die dienen auf zum talpne, zum Unterschied vom feinern tälple, oder als die Tatze zum tatzne. Auch als talpochte Talpe dienen sie besser dem händle des u̦hantliche Zänkers, als dem mit Handfertigkeit Begabten, dem jegliches Werk guet van der Hand geit — zugleich so förderlich, daß vụr der Hand (überhaupt) fertig sein sollende Arbeiten bereit z’Hand (diesen Abend) fertig sind. Einem etwas leihen: a n d’Hand gaa. Geliehenes zurückgeben: eimụ z’Hand haa. Hantlich: in die Hand passend. Ein hand-großes Maß gilt dem Lauener als es Handpantschi: eine Hand voll, es Hämpfeli, e Hampfe̥le: die läßt sich hampfele oder hämpfe̥le.

401 Wenn nur nicht das schön Handeli der spätern Fụst im Sack ruft, zum versteckt ohnmächtigen fụụste reizt! Denn fruchtlos ist das fụste als disputieren («dispidiere») für den als einen Ggäff (Knirps) sich behandelt Fühlenden.

Schrinermeister Köbi Zingri

Klobige Finger sind Tatze. Sehr geschickt dagegen waren die des Saaner Hufschmieds Chopf. Nachdem er durch einen Kanonenschuß drei Finger der rechten Hand verloren, fertigte er sich selber mit Hilfe der unversehrt gebliebenen drei ịsig, welche ihren Dienst unerwartet gut leisteten. 1 Äppḁs z’fingerle waren sie allerdings unfähig; und 402 d’Fingra z’chrümpe (sie « läng» z’haa) war des grundehrlichen Mannes Sache nicht. Seine originelle Chirurgie aber hät er u̦s dem Tụmme g’su̦ge: ein glücklicher Einfall gab sie ihm plötzlich ein.

Fürnähmi Faulenzerei pflegt etwa als Schmuck der vordersten Finger­bä̆rene d’Nägla. Raschem Wärmewechsel ausgesetzte dagegen lassen jenes peinliche Prickeln empfinden, das uns als hornigle usw. begegnet ist: es unäglet oder uni̦glet mich.

 
1   AvS. 1910, 21.  
 

X.

Gää u näh: i gĭ̦be, du gĭ̦st, är gĭ̦t, wir gää, ihr gäät, si gää und i gä̆bi, gẹe̥bi, gĭ̦b! gäät! g’gää; i ni̦me, du nimst, wir näh, i nä̆hmi, nẹe̥hmi, ni̦m m! näät! g’noo. Fü̦ü̦rgää: anraten. Z’rugg gää: vergelten. Es gẹe̥bs, gäbigs (begehrtes) Meitli. Gä̆big: angenehm, ungäbig auch soviel wie schmerzhaft. — Er hät daas du só fü̦ü̦rg’noo. P’häckle: erhaschen. Haben, haa, auch soviel wie heben und halten (s. u.): i haa, du hest = häst, er het = hät, wir hei, ihr heit, si hei, i heigi, i hetti, hab! heit! g’habe = g’haa (in Abl. g’hä̆be, s. u.). Ụfhaa: hab ụf (steh auf)! D’Hébanne. Behalten und festhalten: das fluchtbereite Roß e nt-b-haa und e nt-haa. B’hab’s fu̦r dịe̥ch (dein Geheimnis)! Z’säm mehäbig (geizig).

Fert-igen: fergge, fü̦rer fergge. In die Luft empor heben: lü̦fte («lü̦pfe»); sich uberlü̦fte (sich zu viel zumuten und zutrauen). Bü̦re: heben. Bis allz b’bü̦rts u g’leits ist: alles in Ordnung gebracht.

Langen, reichen darreichen: räcke, recke; erreichen: er recke, Sch-recke = s-t-recke; ein Schrack, es Schrackli = eine kleine S-t-recke = Sträcki (Weges, und die zu ihrem Durchlaufen nötige kleine Zeit).

Stoßen u zieh spezialisieren sich, im engern Sinn als stoßweises mụ̈pfe, e n Mupf gää (Antrieb, La.) und reißen: rịße, sch-rịße, zerschrịße, z’wäägschrịße usw. Was würst iez da no ch welleṇ gan dḁrharschrịße (beginnen)? — Wa dürha zieht’s (wovon ist die Rede)? Es Mässer aazieh: den Wetzstein «an» die Schneide setzen und «zieh». Es ist ’mụ ụf’zoge ns (er hüte sich)!

Wäärffe: er hät’s wịt ewägg g’worffe: guten Rat verschmäht. (In Form einer Schlinge, Schlängge) werfen: schlängge = schli̦ngge. Einer Angelegenheit der Schli̦ngg wü̦sse (ihm wü̦sse z’tüe). Vom Schicksal g’schlu̦ngget werden. Ei’m e Stein aatrịbe. Ein Gerücht vertrịbe (in Umlauf setzen). Unabtrị̆blich (unermüdlich stürmen u jage. In das «Be-reich» der Treffsicherheit einbeziehen: bb’reihe.

Gemeinderat Johannes von Siebenthal auf der Mösern mit zwei Töchtern

403 Schlaa: i schlaa, du schlẹe̥st, er schlẹe̥t, wir schlaa, ihr schlaat oder schlẹe̥t, si schlaa; i schlaai, i schlüegi, schlẹe̥ti; schlăch! Er hät nit Paß d’rụf g’schlage (es nicht beachtet und innerlich verarbeitet). Durchprügeln: abschlaa. I ha me̥r dü̦ü̦rg’schlage (schlagend eine Wunde oder Beule abgekriegt). Sich dürhi schlaa. Es hät Schlẹe̥g g’gää. Guet z’Schlag choo (z. B. bei einem Handel). Aus der Art schlagen; er schlẹe̥t dem Alten naa ch. Schlagen = haue, g’hụ̈we; abhaue, zerhaue. Einen b’jätte oder erb’jätte: ihm z. B. mit dem Stecken e n Tschị̆bi̦ngg gää = e n Tschi̦pf, auch als Enttäuschung z. B. bei einer Erbschaft: er hät e Tschipf va n-m ’mụ uberchoo. 1 E Tätsch: schwacher Streich; tätschle. Einem vollstätsch oder pauff ins Gesicht lachen, eine bittere Wahrheit sagen usw. Einen ụfzwi̦cke: ihn hänseln. E m Brätsch gää, brätsche. Einen töffle (schlagen). Zu dreschen, trösche (s̆s̆): einen abtri­schaagge. Der Tatze (Schlag). E n Pụffer (Faustschlag). Stichmẹe̥ßig anspielend ei’m öppḁs ụfrü̦pfe. Einem «eine Schlämpen auf den Grint hauen» (1639). E n Wasche (s̆s̆) oder Watsche. Ein Streich ins Gesicht mit der flachen Hand: e n Chleipe. Auf die Achsel klopfend einen stü̦nte. Ein starker Schlag an den Kopf tuet einen stü̦rne, g’stü̦rne: sturm schlaa. Chnü̦tsche (1. prügeln, 2. zerstoßen): ab-, verchnü̦tsche. E n Stu̦pf gää, stü̦pfe (auch mahnend). E n Flä̆derlig und e n Flatz i d’s Gsicht mit der lätze Hand (dem Handrücken), ein Flätzli (1672), einen flatze. Mit Seil oder Rute einen schmeize.

404 Der Chlapf: 1. Knall, 2. schallender Handhieb. In éi’m Chlapf: ohne Unterbrechung; ei’s Chlapfs: augenblicklich. Der grööser Chlapf gää: eine Beleidigung zehnfach vergelten. Einen verchlöpfe: verleumden. Geld verchlopfe. — Der Stich als Hieb: ist das (als Anspielung) g’hauen ol g’stoche? Stochern: gŭ̦sle; einen ergŭ̦sle: ụspụdle (heruntermachen). Bü̦llige: heftig anklopfen. Etwas erwischen: erwü̦tsche. Erbaustere (hernehmen) und ụfbu̦stere (aufrütteln). Schütteln: flụ̈sche (s̆s̆) u flụdere, schü̦ttle. Schwenken: schwäähe; trẹe̥ije, lịre; den Willenlosen um de n Finger lịre. Wegschieben: uf d’Sịte p’hụcke.

Frau aus Saanen

Greifen: cho ergrịffe (in Erfahrung bringen), ob... Sich ergrịffe: zum Aufstehen und Gehen eine Stütze ergreifen. Das begrịfft (darunter versteht man)... Wegstoßen: stụ̈̆dle; wegtreiben: fu̦rtstụ̈̆dle. Mit guten Worten einen aabschụ̈̆fele.

Einen Sack usw. gestopft füllen: stụngge. Ruckweise bewegen: zantle. Auf der Geige u. dgl. ungeschickt fịe̥gge. Flüchtig im Zụ̈g umha fu̦sle. In Büchern herum nu̦stere. Sehnsüchtig nach etwas nịffe. Ziel- und sorglos an etwas jụfle, ’s verjụ̆fle; sorglos verstreuen: zattere u zöötere. Zwecklos schäfferle: tụrántige. Spezifische «Finger­übungen»: chrauwe; rä̆ble, ch-rä̆ble, der Chrä̆uwel, Ri̦tz ( S. 55); chratze, der Chratz; der Ch-rịtz, ri̦tze, chri̦tze; rämpe (reiben).

Kneifen: chlempe, chlämpe; er hät mi ch g’chlemmt, er ist e rächta Chlempi = Zwäärgi, er zwäärget (kneift) mi ch, er hät mi ch ’zworge. Klauben: chnụ̈̆ble, Wü̦rgge; verwu̦rgge; verwu̦rgget; erwü̦rgge: würgen.

Hervorzerren: ru̦pfe; einem eine (vergessen geglaubte) Beleidigung ụfrü̦pfe. Grü̦̆ble u nüele; gore. Der Taarggi taargget (schreibt schmierig). Sichtbar bleibender Fingerdruck: es Tü̦mpfi; tü̦mpfne. Mit Ostereiern tü̦pfe. — Kitzeln: chü̦tzle; er ist chü̦tzliga, es ist chü̦tzligs.

 
1  Vgl. Gotthelf-Gfellers Erbvetter.  
 

XI.

Das Hau pt ist insofern im vollsten Wortsinn der Sitz der Intelligenz und Willenskraft, als der Saaner nicht nur eine erkannte Tatsache behauptet, b’hauptet (b’härtet, b’hertet), sondern ein Vorhaben, 405 ein Werk b’hau ptet: durchsetzt, durchführt. I ch b’hau pten daas! Jenes andere Werk dagegen gelang mir nicht: so wenig als der Tụ̈ifel han i ch’s b’hau ptet!

Das neuere Wort für Haupt: 1 Chopf 2 bedeutet ebenfalls den Sitz der Intelligenz ( hab Chopf!) und des Gedächtnisses: was der Chopf vergißt, das müeße d’Füeß e nt-g-gälte. Auch vertritt «Chopf» die zum Eigensinn gesteigerte Willenskraft: wer nicht (überbescheiden) der Chopf u̦f der Sịte treit, hat ihn ụfg’sätzta. Ja, er oder sie het e Chopf, es gẹe̥bi zwöö d’rụs.

Tochter aus Saanen

Er oder sie ist chöpfiga, chöpfigi oder gri̦ntiga, wie auch das als Hau pt ( S. 178) eingezählte Haustier e Chopf oder e Gri̦nt hät.

Wie vom rundlichen Chopf, dem Mu̦ttechopf über dem Chalberhöni ( S. 49) sich der Gri̦nt unterscheidet, zeigt Cholis Gri̦nt ( S. 59), der dem Beschauer vom Bra ndmaad aus als Stirn samt behaartem Schädel erscheint. Allerdings ist Gri̦nt svw. Kopf in Spottreden, wie: Er hät e nṇ Grint wi̦ n es Määs (zehnliteriges Getreidemaß); er ist vom Hals vo̥rụf eṇ Grint. Er wẹe̥ri e hübscha Maa, aber der Gri̦nt verherget ’mụ allze! Als e n-m Blaasti­grint braucht er kein Hirn zu bergen; wenn er nur so härta ist, daß, wer nḁ n (noch so wuchtig) a’ṇ Gri̦nt trifft, ihm kaum Gri̦ntwẹe̥h verursacht, und daß ein ihm auf den Schädel gefallener Felsblock ihm höchstens Plattfüeß macht. Tụ̈ifels Gri̦ntiga sind aber Eigensinnige, welche allze wei erzwinge: gri̦ntige, ergri̦ntige und gri̦ndochtig veranlagt, eine Angelegenheit vergri̦ntige. Dann werden die Geschädigten einander lsó n-eṇ Gri̦nt reise, daß eine handgreifliche Gri̦ntete vorauszusehen ist: die Erbosten werden einander nicht nur ein wenig gri̦ntle, sondern z’grächtmụ gri̦nte: beim Schopf nehmen, ja gri̦nte.

Der Schädel ist die Schü̦̆dele ( S. 59), in welchem das Hi̦rni geborgen ruht. Statt «Grü̦tz im Chopf», hat jener Chrü̦ü̦sch im Hirni. — Der Spitzbube aber ist f rị n es G’ni̦ck.

Der großschädelige Kopf ist der Plu̦wel (der zum bleuen, 3 d. i. 406 schlagen geschaffen scheint) oder der Gglü̦tsch. Ach, jetz han i no ch der Glü̦tsch aag’schlage!

Der ụf dem Blu̦ttchopf sichtbare Ụsschlaag: d’Tschüepi verschwinden bei sorgfältigem Gebrauch des Strẹe̥l mit seinem Verzär rer. Sie lassen sich allerdings verdecken duch die Trü̦tschi: die im Saanenland noch nicht veralteten Ergebnisse des sorgfältigen trü̦tsche (flechten). Die zur Rolle gewundenen Zöpfe werden durch die Haarnaadli festgehalten. Ungeordnete Haare laden zum tschụppne ein: bi’m Tschụpp näh.

Tochter aus Gsteig

Die Haare: d’Haar und als Mehrzahl - d’Haari, d’s Haar (einzelnes Haar).

Grä̆di ụs stotze d’Haari einem von Entsetzen Ergriffenen, falls sie straff und steif sind und nicht kraus: nicht g’chrụseleti, Chrụslihaar, gut saanerisch: ru̦pp, rĭ̦p,rŭ̦b, wi̦ n e̥s ru̦bs Chind (Abl.) 4 sie trägt. Altes rubel spiegelt sich im g’rụ̈̆belete Rụ̈̆belituech, im gekräuselten Ru̦beli. Mit s̆-t: d’Strụbe und strụ̆b, iSv. unschön, wirr. E n rächte Strụbụtzer aber ist der unterbernische «Strŭ̦belimutz». Einen stru̦ble: an den Haaren zausen, bis er verstrŭ̦blet aussieht wie von ferne der Wildstrubel.

 
1   Kluge 197.   2  Ebd. 258.   3   Aw. 104 ff.   4   Schwz. Id. 6, 73. 1198.  
 

XII.

Haar u Bart schääre läßt sich auch der Saaner um so regelmäßiger in einer der vier Barbierstuben, da er selten als es Bartchụtzi oder Bartchụdi: als der Träger eines starken Vollbarts sich zu zeigen liebt, dagegen um so häufiger nach Älplerart es Backem­bärtli seine Wangen zieren läßt. (Einzahl: das Wang = der Backe.) Das zum Sonntagsgewand passende glatte Gesicht schafft er sich zumeist mit sälber barte oder rasiere. Bartig ist also zumeist das Chi̦nni 1 samt dem Unterkiefer: Chĭ̦fel. Das veranschaulicht den eigenartigen Sinn von chĭ̦fle. Da nämlich bei der traditionell so mangelhaften Zahnpflege der Unterkiefer zumeist etwas vorsteht, dient chĭ̦fle als Bild für das mangelnde Zusammenpassen zweier zusammen­gehöriger Dinge: die chĭ̦fle, das chĭ̦flet. Eine Art Parallele zum «chịfle» als keifen.

407 Auf Erziehungsmangel deutendes si ch nụ̈t z’säme näh kann zu mißfälligen Entstellungen grad an sich edler und schöner Gesichtszüge führen. So zum lueme (schlaffen) Bampelg’sicht mit Hängekiefer und Hängelippen; so zu vorzeitigen Runzele oder Rumpfele (Jaun). Die verfestigten sich durch «überlegen» spöttisches gränne und d’Nase rümpfe zum g’rŭ̦flete G’sicht — zum Widerspiel des echten Alpensohnes mit seinem grad in Sturm und Wetter und Strapazen und Entbehrungen gefestigten G’schmịd und G’sicht u G’sụ̈n. 2

Namengeber des Gesichts sind di G’sicht, d. h. die Augen, mittels derer mụ g’sẹẹht (s. u.).

Er het e̥keis Aug va n-m ’mụ abg’laa, keis Aug verzŏge.

So war denn auch der bloße Blick van Aug so scharf, daß keine «Waffen» ihn zu stärken brauchten: Kein Operegu̦gger, der Gu̦gger oder das Gu̦ggi geheißen, auch keine Bri̦lle, kein Nasechlemper oder andersartiger Spiegel aufgesetzt werden mußte.

Brillen brauchen ja freilich auch große und kleine Saaner und Saanerinnen, welche i d’Wịti guet, dafür aber churz g’sẹe̥h. Sie gụggen uberéggs: sie schĭ̦le. Das tut bildlich aber auch, wer mißgünstig nach einem Glücklichern hinblickt: schääl gu̦gget und den spassigen Zunamen Schĭ̦libi̦ngg, Schĭ̦ligu̦gger zum Übernamen macht.

Vom flu̦chchere: hellen Blick des Älplers hebt sich ab das fiebrig gli̦tzerig Aug des Fieberkranken; das zwi̦tzere ( S. 54), das luem drị gsẹe̥h die verblichchenen Auge, und natürlich vor allem das bloß noch bli̦nzlige sich zurechtfinden des der Bli̦nzi: der Blindheit Entgegengehenden.

Wie hat auch der einst g’lụsteret und ’ggu̦gget, welcher nachmals als Glụßi halb blind glụßet het!

Wohl dem, der das inndere Liecht beizeiten zu unterhalten gelernt und Gedächtnis und Orientierungs­sinn zu schärfen nicht versäumt hat.

Zum Glücke pflegen Aug und Ohr einander trefflich zu ergänzen. Dem öppḁs im Aug haa entspricht redensartlich das ei’m gẹng in den Ohre lĭ̦ge wegen der und der Angelegenheit.

Das durch Ohre- oder Watte­schü̦̆be̥le̥ni vor Krankheiten geschützte Organ zum g’hööre 3 u lose (s. u.) wird auch zum lịs, d. i. scharf g’höre befähigt. Der gegenteils här t-g-g’höörig hilft sich mit zuestütze der Ohren. So entgeht ihm kein rụne (s. u.), verschwị̆ge dee n das baale, chläffe, chroose, ru̦mple, gịe̥sche all der «Stimmen» von Bergnatur und Älplermund.

Frau aus dem Gstaadrütti

408 Die Lungenflügel verarbeiten als d’Lungi die durch Mund und Naase ihr zugeführte Luft. Dieser Gesichtsteil springt derart hervor, daß er auch, Örtlichkeiten benennt wie d’Schneitnase (zu hinterst in der Simne), Apfelsorten wie: Schaafnase u. dgl. D’Nase rümpfe, in der Nase-ṇ gŏre, ei’m öppḁs under d’Nase rịbe, oder d’Nase stoße, daß es ihm d’Nase fu̦rt hät, ei’m d’Würm us der Nase zieh, und nü̦stere: d’Nase schnụtze, nüschle: näselnd sprechen; nịe̥ße, ernịe̥ße. Dazu: schnarche, schnarchle und rụụße wie zur Zeit des Schnupfens, gegen den man anrät: schnü̦pf Wasser uehi! oder zi̦ch Murte­chabis us d’s Grosättis Schnupf­drucke.

Erst der Hals, dann dessen Umhüllung heißt der Chrage. In ersterm Sinn wird bei Zornesausbruch der Chrage g’lẹe̥rt und wird einer bi̦’m Chrage g’noo, g’chragnet. Den Hals umfaßt das Schlüsselbein als der Halsring, während d’s Halszäpfli wie ein Wächter oben am Sunntighals oder Sunntigschluck als der Luftröhre sich postiert. Die Chähle (vgl. die Dorf- oder Öy-, Rams-, Meielchähle, S. 64) heißt ebenso lautmalend der Gurgel, wie der beim wü̦rgge oder chroßne zornig umfaßte Chrosse nach dem keuchenden chroose und chịịhe benannt ist. Wer sogar auf solch handgreifliche Art der Chrosse oder der Chropf lẹe̥rt (einen vielleicht ebenso durch das Tragen schwerer Lasten, wie durch übertriebenes Trinken kalkhaltigen Wassers erworbenen Kropf), der erleichtert sich den Blaast oder den Atem. Richtiges aa t-pme wird hörbar nur bei vereinzelten Anstrengungen als ein schnelles chi̦ppụhe und schnụppe, ein chụtte als halblautes G’chụtt, das bis zum tief heraufgeholten pịste sich steigern kann.

Schleimhaut­entzündung macht chịsterig, heisram, sich kennzeichnend durch rụ̈sple und hueste. Schnarchlen aber ist, poetisch gedeutet, ein «Entzweisägen der Nacht», wie ein «erster Seufzer des Erwachens Keim». 4

 
1  Vgl. Hirn i, Mitz i, Rüpp i.   2  Vgl. Geschmeide und g’schmeidig: Weig. 1, 700.   3  Bemerke das dazu «gehörige».   4  Spitteler.  
 

XIII.

We nn mụ alle Lụ̈te, wa z’vil rede, wellti d’s Mụl verbinde, sụ hetti mụ z’wẹe̥nig Naselümpe. Denn es gibt ihrer genug, die sich zufrieden 409 geben, wenn sie grad no ch Platz für d’Mụ̈ler hei — sei es zum mụ̆laffne, sei es zur Erwahrung des Kompliments: er ist emel nit mụltụ̈ra, er hät d’s Mụl am g’schwatz­tigeren Ort. Er versteht sich aufs mụ̆le, wĭdermụ́le, einen ubermụle, aufs mụ̆lig und brü̦̆melig mü̦̆rmele. Der «Mund» kommt bloß zur Geltung im Mü̦ndschios-culum»), im mü̦ndschle und mü̦ndschele, mü̦ntschene, wozu aber d’s Mụl b’bü̦schelet (s̆s̆) wird. Bei geschwätzigem chi̦fle wird gedroht und geboten, d’Chläfele zue z’haa unter der Androhung einer Chleipen u̦f d’s Gịe̥schi (s̆s̆). Die kann ja freilich erträglicher ausfallen als das aaschnụtze durch einen, dem der Harmlose i n d’Schnụtze oder d’Schnu̦r re g’lüffen ist

Mädchen aus dem Rüebeldorf

Die gewiesenen Zänd (vgl. den Marchzahn S. 20) sind häufig genug Einsiedler in den Bildere, 1 Bịlderlene, Bịlgerlene, eines vielleicht noch ganz jungen Zandlückemüeti oder -baabi. (Eine 5 m breite Zandlücke zeigt der Perzgumm, S. 65). Allmählich füllen sich die Lücken beim Kind, welches zandet, seine Zände̥ni kriegt. Sie vergrößern sich bei locker werdenden Zähnen, welche e nthale (die Hülle des Schmelzes verlieren) und schließlich bloß noch als es par Graffla übrig bleiben.

Wie so ein Graffel ein’ aagrännet und nach rationeller Zahnpflege in der Schülerwelt ruft!

Wie vom sụge, sụgge, sụ̈ggele, lü̦rgge, tschịrgge, lutschge und lu̦rtsche des Säuglings, so unterscheidet sich vom ursprünglichen sụụffe und sü̦rfle (s. u.) und sü̦pfe, vom läppele des Kätzchens das laffe und lappe des Trinkers, der zum Lappi wird und alle verläppelet. Und so vom läcke das sch-läcke als nasche (s̆s̆); vom gropse (der Grops, Schwäfelgröps) das ueha gropse bei einem sich be- und getroffen Fühlenden), vom spü̦we = stöuwe, 2 vom chnaarschle und rị̆tschge, rü̦̆sple, das rü̦lke dessen, der einen Rü̦lki (trochena Hueste) gekriegt hat. Unter unverdecktem geine d’Zänd zeige, sowie d’s Mụl in alls häähe führen über zu elementarsten Stimmübungen, als da sind: su̦r re (summen), schnar re, 410 ggagge, räägge, holeie, rụnggụße oder runggụßere, boldere, pfụfe (wie nasses Fụ̈r), tschụ̈sche.

Hü̦bschelich li̦spet der zum Nu̦ni mache auf dem Arm getragene Säugling. Spielend chäderet er. Aus leisem Schlaf geweckt, rüsplet er sich und mü̦ggelet (wimmert), bis er getröstet ist. Welch ein Gegensatz das lụt wi̦gge und rauwe! Unschön wird ggụ̈̆ßet und b’brüelet, obwohl man in Abl. dem fern Weilenden zur Mahlzeit brüelet. Sonst ist die ein houre, ein erhoure dessen, däm mụ rüeft.

Wer mit chäären u ääken u trämächten u nooien u piornen unter zornigem rịtschge mit de Zände ein Vorhaben nicht erreicht, wird unter Umständen laut houre, bbäägge, chlagen u bbrịe̥sche, oder — unter verhaltenem ’s es in sich zieh — bbrịe̥gge und grịịnne, grị̆ne, bis einer spottet: I ch chönnti grị̆ne vor Freud, daß du so n en Äsel bist!

Dies natürlich — unter verhaltenem pfụpfle — im lachche g’seit, wohl gar durch eine Bestätigerin des Satzes: E Frau lachet, we nn si chaa, u bbṛi̥egget, we nn si will.

 
1   Schwz. Id. 4, 1169; Jaun 239.   2   Jaun.  
 

XIV.

O guet, sị schwị̆gen ẹme̥l! Wer hät sa ächt g’schweugget? Sie machen nit Mụx («Mu̦x»). Ist ’ne d’Spraach g’stande? oder dörffe si nit mit der Spraach choo? So kann sagen, wer selber um so flịßiger z’spraache sich getraut, ohne mit der flu̦chchere Stimm Fantást z’trịbe, statt sich z’bhaa.

Zum Schweigen verurteilt ist der nicht geschulte mûtus (muet): der zur sprachlosen Lebenshaltung gezwungene Mụd, Mụ̆dli, Mụ̆del, Mụ̈dụ. Dieser wird von seelenblind Urteilenden gleichgestellt dem Tschöör, der als stumm und dumm gelten muß; wohl auch als ein Lä̆li, der undeutlich spricht, lispet, vielleicht auch auffällig langsam trịi̦schet und chü̦̆rmelet, wenn nicht gar wie im Fieber verwirrt redet: tu̦schlet (s̆s̆). Eher wird das stanggle und stĭ̦gle als Erziehungs­fehler beurteilt, gleich dem ebenfalls stammelnden und stotternden tschodle. Das li̦spe (s. o.) als zischendes Sprechen erklärt sich meist aus dem Zahnmangel und falscher Zungenstellung.

Freie Zunge, freies Wort zum waschle und zum chụ̈̆derle und dụ̈̆derle und muete einer Mueta als geriebener Bettlerin; zum mur re, mu̦rmele, chriege, schmättere, chnätsche, chlä̆fele Unzufriedener, Erbitterter.

Der Seiler

Mehr Mut erfordert das direkt an seine Adresse gerichtete aaru̦r re, aaranze, aaränze, aaränse, aarämpe, aarä̆ble, aastächche, aatschänze, aaschnụtze, aaschnauze, aaschnauwe.

411 Gemein ist der Rätschi, die Rätscha, die tätsche u rätsche und d’Lụ̈t verrätsche. Das ist zugleich eine Übung im tschö̆dele und tschŏdle (s. o.), was aber auch geläufig und zugleich sinnlos durcheinander schwatzen bedeutet. (Das Tschodel-Haldeli.) Gleichwertig ist das prịste; das brădle, braschle, braschállere; das schnä̆dere und schnădere (des «Schnädergätzi»); das chafle mit dem Chafelmụl, d’Lüt verchafle, e chlei ga tampen u waschle; e Chlatscheten aastelle; in allz inhi lăfere, Geheimnisse verlafere, wie der Laferi und die Lafera tun. G’laferet wird auch durch unordentliches hantieren, wie durch unterbernisches 412 «chafle» u «chööze». Vorlautes rühmen ist ein brắschallere und pralátzge. Schwatzen ist schwätze. Wohl reiht sich übergeschäftiges de̥s umha r zwi̦rble oder zwatzere vam schwablige Chind erinnernde Wort hier an. E n g’schwätzigi oder g’schwatztigi Phärsón weiß auch, was G’schwätz drösche (s̆s̆) heißt; und das zu einer Stunde oder zwei ausgedehnte Schwätz­vierteli (-viertel­stündchen) dient sicherlich auch zum verschwätze va Lụ̈te. Allein das verschwätze eines vorübergehenden Bekannten: das Anhalten und Hereinholen desselben, damit auch er es Mụl volls schwätzi und mit z’säme schwätze ei’m d’s Mụl gönni, führt auf altsaanerisches schwätze als sprechen zurück: La ß g’sẹe̥h, so schwätz doch (wenn auch nur ein Wort)! 1 Säg, was z’säge häst! (s. u.). Nu̦me n nit naahi säge, was anderi g’seit hei.

Schwatzen heißt auch b’ri̦chte. Man denke an das Gibb’richt van eme bb’richtige n Mụl, das sich auf die Kunst versteht, unter chü̦schele, rụne ei’m e Lụgi z’stecke (eini z’stecke), einem eine Übeltat zuez’lege, ohni sich z’verschnäpfe, sich z’verrede. So kann auch rede über schwätze zum Schwatzen werden. Wer aber eine Angelegenheit b’redt (bespricht), und wer versichert: I ch ha n mi ch verredt u verschwore (mich eidlich gebunden, das zu tun oder zu lassen), faßt auch d’Reed (Rede) im alten Wortsinn der Rechenschaft 2 auf.

 
1  Allerdings ist schwa-tz-en eine Intensivbildung zu schwa-d-ere und schwadle. ( Weig. 2, 815.)   2   Weig. 2, 549; Kluge 368.  
 

XV.

Das Sarch, vom Sarcher als «Schrein zur langen Ruh» gefertigt, nimmt den Gestorbenen auf, der verscheiden ist. Hat der doch «das Maß seiner Jahre erfüllt»: den knappen Augenblick zum Erscheinen als Erdenbürger, oder die in Einzelfällen erreichten anderthalb Jahrhunderte ( S. 390), von denen schon die 96 Jahre eines Hauptmaa nn va Grüenige († 1924) ein seltenes Erbteil sind. Sei der Heimgegangene d’s gẹe̥ije Tod’s g’storbe: am Morgen leblos im Bett gefunden, oder z’g’sundem Härze, den Heimgang nach Hause zum Hingang zum Gottesacker wandelnd — sei es nach geduldigem ụserwarte, ụspflege durch Angehörige oder duch die Chranke­schwester. Vielleicht ist der so Gepflegte kurz vorher si ch z’Rẹe̥i g’lüffe und die Seinigen hatten ihn bereits ụfgäända g’habe; indes arbeiteten Herz und Lunge weiter, bis ’mụ der Hueste g’standen ist, aber der Aatem ooch.

Schmerzloser Tod als natürlicher Schlaf wäre als Regel zu erwarten in einer Landschaft, die (vgl. S. 4) einmal als sana gedeutet wurde: 413 g’sunt, g’su̦nd, g’șünd als Gesundheit bringend und Gesundheit besitzend. Es g’sün ds Chind ist auch chächchs ( S. 204), ist alä́rts (lebhaft), wie der Vater und die Mutter alärta, alärti. Sie sind robụ̈ßt, robụ̈̆st. 1 Er hät en gueta Mage, er verdauet Ros snägel. Wie wohlerhaltene Haustiere ( S. 204), sind auch Menschen ẹe̥ter: wohl ụf, ihnen ist wohl, sie sind wöhler als vordem, es hät ’ne f rị n e chlei g’wohlet seit dem letzten Unwohlsein. Sie sind fü̦ü̦r choo, sind heil davon gekommen.

Der Seiler an der Arbeit

Von solchem munter, hụttụf 2 u z’wäg sị bringen nun aber Zeiten, wie z. B. der so unvergeßlich gewordene Frühling und Vorsommer 1926, allerlei Ụberläuf zum Kranksein: öppḁs U̦berlaufs, öppḁs Aaflu̦u̦gs. Mängist wird er wätterluem; er verfolgt einen als Hueste- oder andere Stöör, so daß der Betroffene gẹng öppḁs bịferet (klagt). Er ist unmü̦geliha (er mag nit), un är mues s wüe̥gge (ihm wird übel). Wenn nur nicht es Uṇg’fell dazu tritt, daß er veruṇg’fället. Oder ein «jäher» Zufall: eine Jeuhi verherget (verderbt) ihn.

So wird der Heimgesuchte sịe̥ch ( S. 209 f.), in neuerer Sprache: krank, chrank. 3 Er erchranket oder wird doch chränkelịha. Die 414 Chrankheit bringt ihm schmerzende: sẹe̥ri Glieder (vgl. «sehr», S. 212), die vielleicht nicht mehr «unversehrt» bleiben, die als wẹe̥htüendi ihm immer wieder Wẹe̥h bringen. Die Folge ist zunehmende Schwechchi; er wird g’schwechcht; er erschwachchet mehr und mehr; dem Patienten wird immer wieder schlächt oder doch g’ring, weich und tscheutelocht, eländ, g’schmuecht bis zum «verschmachten»; schịtter u tschi̦tterbär, als ein Tscheutel; er ist tschịppụferig. Wohl ihm, wenn ihn eine Krankheit zur Heilung ans Bett fesselt! Dann erscheint er allerdingd als grụ̈selich hiṇg’leita. Aber ist es tröstlicher, wenn er da so mit öppḁs mächele sich ein ernsteres Übel z’wäg zieht und dabei mụ̆deriga u̦mha mụ̆deret? u laagget (krank ist) u pịstet? als ein Lötschgi lotschget, wie ein Kind ein Bobo oder Bobi ums andere beklagt u trịi̦schet (s̆s̆) u nooijet u trämächtet (klagt)?

Trämel füehre

Scho va Fri̦i̦d u Ruews ’twä̆ge greift man zumal im entlegenen Bauernhaus zu alten oder neuern Mitte̥le̥ne, die wenigstens suggestiv wirken: Cheßler­salbi oder Mänedorf­pflaster, «Zwingers̆ Kräuter» (1690) und dem gar wüetig (sehr) heilsamen Wunder­balsam. Den «Schmerz­austreiber» ( Pain expeller) ersetzte vormals der Theriak («Dreiáx», 4 1667: tiriac). Die Mittel sind immerhin harmloser als das selbstdosierte Kokain, Arsenik u. dgl., seinerzeit im Schwang wie heute das Chopfwẹe̥h­bülverli Aspirin. Als Kindermedizin sind jedenfalls die Wurm­stöckleni von anderm Wert als das Hirze­hooremähl für d’s stanggle.

Statt öppḁs z’quacksalbere u salbádere geht nun auch der entlegen Wohnende rechtzeitig zum Arzt oder zur Häbanne, die als 415 Wegweiserin richtiger Kinderpflege häufig die erste Hilfe bringt. So für den Entzug kranken Blutes: das schräpfe mittels Schräpf­gleslene, Spring­stöcklene. So durch Operations­vorbereitungen, wie e ntschlẹe̥fe, etschlẹe̥pffe des Patienten mittels des Doum (Dampf) von Medikamenten oder ntreupfe von solchen.

Holzlager im Rüebeldorf

So zumeist im Saaner Chrankehụs, an dessen Erweiterung tatkräftig gearbeitet wird. Damit kann es für Bettlägerige, die nicht daheim durch die vom Kranke­verein (s. u.) angestellte Schwester verpflegt werden können, zum wirklichen «Gasthaus» werden. Als solches benennt sich ja das hospitale: das Spital 5 gegenüber dem Armenhaus, welches der Spitál oder der Spittel heißt. Freilich bedeuten sie dasselbe, wenn man von zwei einander bemitleidenden Patienten und bildlich von zwei einander Kritisierenden sagt, sie sịge nm bẹe̥d im glịche Spi̦ttel chrank.

Als Ersatz der anderwärts so bekannten Chrụ̈ter­büeher gab es hierzulande das «Artz-Neybüchlein von Biellerley schönen, Nützlich vnd gebrüchlichen Kunststücklin, Einfältig, Liecht vnd sicher zu gebrauchen vnd Wolfeil zu bekommen ver die armen Leut auf dem Land, so wegen Mangel deß Gelts, vnd Abgelegenheit der wahren vnd sicheren Aertzen 416 oft verliederlichet werden, aus den fürnemsten Kräuter- und Artzney-Büchren mit Fleiß zusammen­gezogen vnd selbst offt vnter Gottes Segen abprobiert, von mir als Einem Liebhaber der Edlen Artzney-Kunst, Anno 1745 ten Yars: Yoseph Yaggi aus dem Gsteig hinder Saanen.» 6

Der unten uns noch weiter beschäftigende Dokter Jaggi (um 1690-1750) hatte zu einem gleich häufig genannten Nachfolger den Doktor Üeltschi, der als einziger Arzt des Saanenlandes schließlich noch als Bettlägeriger die Patienten empfangen mußte. Eine Aufforderung für nicht wenige, si ch z’we hre zum Dokter z’gaa, bis ’nen der Gri̦nt abg’hị̆t.

 
1   Schwz. Id. 6, 1668.   2  So aufgelegt zum Tragen der Hụtte ( S. 76).   3   Kluge 263.   4   Lf. 460.   5   Walde 370; Weig. 2, 922.   6  Erwähnt von J. J. Romang im « Bund» 1858, 224. Nach Marti-Wehren.  
 

XVI.

Der Vergangenheit gehören Schwi̦ndeni 1 an, die nach der Sage bloß einen Saaner und eine Saanerin (in Bissen oder Gruben, und zu Rüebeldorf) am Leben ließ. 2 Fürchterlich wütete 1349 überall der schwarze Tod 3 (s. u.), wie Ruhr und Pest 1565, 1578, 1596, 1612, 1639, 4 1669/1670.

Was alles unter dieser pestis (Verderben) 5 sich barg, legte sich nachmals als eine Reihe verheerender Seuchen auseinander; so als die Fẹe̥nsucht (schwarzi Blaatere), welche in Blaatere­jahre wie 1871 auftritt, 1777 schon 50, 1804 aber 108 Kinder unter zehn Jahren wegraffte. Am 26. Januar 1823 starb der große Erfinder der Impfung: Edward Jenner. G’impft wird nun auch z. B. gegen den Typhus, während man die Cholera u. a. vormals durch Räucherung zu bekämpfen suchte. 6

Die Entdedung der Bazillen- und Bakterienwelt brachte eine Bereicherung in die Kenntnis ansteckender Krankheiten. Durch scharfe Befolgung verhütender Vorschriften können sie um ihre furchtbare Wirkung gebracht werden und zwingen zudem e n mŭ̦seliha, schmŭ̦seliha, g’schmu̦sla Mu̦esi, Mu̦sli, Mŭ̦sel zur Sụ̈̆berlichi.

Eine der drei verheerenden Massen­krankheiten unserer Zeit ist die (etwa als Ụszerig, s. u., mitbenannte) Tuberkulose. Ein Achtel der Kulturmenschen stirbt an Lungen­schwindsucht, und niemand ist vor Ansteckung sicher, da auch anscheinend ganz gesunde Menschen Tuberkel­bazillen verbreiten. 7

Sonderbundsveteran Ueli Brand in der Lauenen

Gemälde von Bertha Züricher

Eine Erbschaft des Weltkrieges ist u. a. die Grịppe als Neuauflage der Influenza, Infulänza, Fụlänza. Alte gefürchtete Kinder­krankheiten 417 sind dagegen der Grụpp oder Grụpphueste, sowie der Rẹe̥hhueste, Goggelüsche (s̆s̆). D’Röötle (Masern) und d’Scharööti (Rotlauf, Gesichtsrose) sind andere Heimsuchungen zumal der Kinderwelt, welche so überaus liecht z’sämeg’läse («ụfg’läse», «g’eerbt») werden.

Holzigi Fürspritze

Ein die Blutvergiftung Ahnender frägt etwa: Wahar häst dụe̥ di Blẹe̥tsche? Di̦ser zwoo, drüi Blẹe̥tschi, die mich an das Blẹe̥tsche­wị̆bli erinnern? Das kam durch Blaateri, die das Gesicht entstellten. Jede solche G’schwu̦lst sah aus wie eine Bụ̈̆le, wie Giechtwasser- oder Eitergụ̈̆tteni, wie ein beträchtlich großer Chnŭ̦bel, Chnụ̈ße als Gegenstücke eines Dü̦mpfi oder Tü̦pfi. Derartige Verschönerungs­gebilde (zu welchen Laubfläcke u. dgl. nicht gezählt werden) rufen etwa der Bilderrede: Man muß Leute, die von uns Gefälligkeiten erwarten, oppa dáa chrä̆ble, wa n e̥s sị bịßt.

Heilsameres Werk üben Aufschläge mit Charpie: ein Bü̦̆schel, Bü̦̆scher, Bü̦schlig, oder Gắtaplame. Die bewirken zunächst ein vermäschere der üblen Stellen, eine wie Mäscher aussehende Vernarbung. So zumal, wo es sich um kleine Blutzersetzung handelt. Geronnenes: g’stŏ́rnets Bluet macht die betroffenen Glieder brandig und entzündet: sụ̈nnigi. So kommt es zum Geschwür: G’schwäär voll Matéri (Eiter). Es bilden sich der Eiß oder «Esel», die Pustel als der Gụ̈̆ger und Gụ̈̆der, der Bị̆bel und das Bị̆beli, der Tschịtteraab (fleckenartiger Ausschlag). Besonders fühlbar machen sich das sụ̈n nig Bei n und der wẹe̥htüend Finger: das Nagelgeschwür als der Umlauf, d’s Umlaufi, der Wurm, d’s Nụ̈t gueta. — Leichter (mit Ichthyol) behandelbar ist die G’frü̦ri (die Frostbeulen).

Verbundni Glieder deuten aber ebenso oft auf Verletzungen. Die können soweit führen, daß, wenn der Verletzte nicht verbluetet oder verblüetet, er e Letzi kriegt für immer. Er hät si ch g’struppiert und ’plessiert: 8 eine Plessur davongetragen, die bei falscher Behandlung gẹng wü̦rscher wird. Denn solches wirsôn: wirse, wụ̈rse, wü̦rsche (s̆s̆), wu̦rsche (s̆s̆), ein solches Wu̦rschi, eine solche Wu̦rschete 418 ist kei G’spaß. Habe nun einer mit haue (schlagend schneiden) sich verletzt: si ch g’hụ̈we; habe er mit hacke einen Hack, es Hacki, mit schnị̆de eine bald vernarbende Schnatte, Schnätte erzeugt, sei ihm ein Splitter: eine Schĭ̦ne (ein «Sprịịße») eingedrungen: auch die baldige Vernarbung: der Strịmme nach dem Wegfall des Ranf, Rauft oder des Ru̦u̦f ist vor neuer Schädigung zu wahren. Der Chlack, d’Chleck in der vor Kälte gesprungenen Haut fordern ebenfalls Pflege. Erst aber ein Schri̦ß (Riß), e n-m Bru̦ch in der Bauch­muskelwand ist dem damit G’schädigete ein Lịbschade im vollsten Wortsinn.

E Saaner-Ell

Wie bedauern wir erst jenen Invaliden mit usbrochne-m Beine, mit verräächte (verrenkten) Gliedern, der wie z’libermänds verschrĭ̦ßna lămm und luem am Haagge­stäcke, wenn nicht a n Chrü̦cke umherwandelt!

 
1   Gempeler, Sagen 3, 127.   2   Marti im AvS. 1918, 45.   3   AR. 1829, 283.   4   Rhv. 1896, 58, Chr. 162-166.   5   Walde 579.   6   AvS. 1884, 36.   7  « Bund». Ebd.: Die Bekämpfungs­mittel.   8   blesser: M-L. 1167 f.  
 

XVII.

Eine Legion von Übeln, die den Dokter ins Feld rufen, lassen sich im Land der Saanersonne, der Saanenmilch und des Saanenhonigs zu Berg und Tal mit rationeller Lebensweise bekämpfen. Schon das Bụchwẹe̥h­chind kann durch richtige Pflege aus dem Zustand des Megerlig zu dem des gut beleibten sich e ntschülfere ( S. 195) und schließlich auch schwer verdauliches: b’lästigs genießen, ohne mit Erguß von Härzwasser de Ggaage z’chötte. Viel beschäftigen die drei Ärzte die auch im Saanenland häufig auftretenden Blinddarm­entzündungen.

Wer an Erkältungs­krankheiten leidet, sagt etwa: I ha’s u̦f em Schnụpper; i mueß (als Bergsteiger) ụf de n Schnụpper gugge. I 419 ha’s im Hals und bedürfte (in spassigem Doppelsinn) es Äärveli Brustthẹe̥. Ein beständiges sich räuspern deutet auf den Chịster, ein chisterigs, heisrams Atmen, wie das rụgge eine ung’salbete Waage. Dies langzeitige, an den Rẹe̥hhueste ( S. 417) gemahnende rü̦lgge, dieses Rü̦lggi! Dieses chi̦ppụhe (tief atmen), das rụße wie beim Schnarchen, dieses chroose, unterbrochen durch das Herschi (hersche, s̆s̆: das Glucksen, «Gluxi»)!

Den Trompetenbaß zum Orchester leistet die Nase: die Stimme des mit dem Rụ̈me (Katarrh) Behafteten macht sie neuschig, er behaftet sie mit dem Neusche.

Ein wụ̈e̥gge und würgge, als hätti mụ e Chrott im Hals, führt auf die Besorgnis: I ha’s u̦f der Lu̦nge (Lụngge). Vielleicht schützt mich noch Lu̦ngge­mü̦ü̦sch (isländisches Moos) vor blüehender und galoppierender Schwindsucht, vor der Schwị̆ni, vor dem schwị̆ne ( S. 70), vor dem absor re, vor der Ụszerig — bis einmal doch der Toote­chi̦rchel den Abschluß bringt.

G’sü̦chti, auch innerlichi, und die besonders peinliche G’länk­glĭ̦der­sucht, sowie Wasser­sucht, die den Leib g’schwellt, suchen Erwachsene heim; die Giecht, Giechti plagen Kinder. Das Schwi̦tz­fiber aber bearbeitet den Kranken, bis ’s ab i̦hm tropfet, und kann so seine Heilung bewirken.

Hier der Schlotter, dort die Über­empfindlichkeit der Chü̦tzligi, sodann das Toggeli (Alp, S. 239), das tụsselig (mutlos) machende Hau ptwẹe̥h, das bis zum vergässe (ohnmächtig sein) führende schwindlig werden deuten auf eine Fülle nervöser Krankheiten. Diesem kommt vielleicht eine Ungelegenheit trü̦mmlig vor, weil ihm gerade selber trü̦mmlig ist. Ein Verdruß hat ihn ertäubt, er ist ertaubet, dann stĭ̦fel­sinniga gemacht, schlaaf­g’stụre, dauernd halbwääg g’sturna, so daß er öppis verstu̦rmts het und wie ein g’stü̦rneta umher geht. Wird er lätz im Chopf, isch’s̆ mụ i’ n Chopf choo, so gilt er als verru̦ckta, fü̦r zịttịga i n d’s Irrehụs. Eine traurige Hirnkrankheit ist die Epilepsie oder das fallende Weh: d’s Hi̦i̦fa lle n.

XVIII.

Nicht mehr ’pinateret (gepeinigt) durch Krankheit, steht vor uns ein Älpler kĕ́grächta: 1 normal gewachsen und entwickelt; und grad ụf wi̦ n e Stäcke, kĕ́grächti, bụsper, starch, hert voll Chraft, stattlich gebaut sind auch alle seine Kinder.

420 So ein echter Alpensohn, wie unterscheidet der sich vom weichzụ̈ge Bü̦rsteli, das so fụls ist, daß’s ohni lü̦we nit cha nn gä̆ge n Himmel gugge! Allzeit nur bedacht, sich ( ihm) z’boorge, schäfferlet es an äppḁs umha, unter stetem bb’lange, bis eine «Arbeit» so oder so ’taandi ist. Lieber mit tätsche und vertätsche anderer beschäftigt, will es auch die Ferien der Fremden auf seine Art genießen.

Unser Mann dagegen ist zu der ịm g’wăhnete Zịme zu erledigenden Aufgabe allzeit parat. Jetz geit mụ grad ei ns dra hi̦i̦ n! Stättig u g’stäärt (hart, rauh, unbiegsam), zẹe̥ij wi̦ Häntsche­läder glịche (scheinen) die Glieder bei dem aanhaltige Werk. In Leib und Seele leicht beweglich: b’schịb, g’schịb, 2 weiß er auch g’lähig sich selber zu helfen, wo andere nach einem Chumm-me̥r-z’Hülf ausschauen müssen. Äärstig u g’flingg, zugleich wie stịff un exakt wird z. B. diese Sense z’wäg g’reiset! Es Grụ̈̆si ( S. 7) Zịt, und g’stäär rt statt lu̦gg haftet das Blatt am Worb. Blötzlich (bald), im Schwi̦ck ist ein Schaden geheilt, und die Arbeit rückt es Blätzi wị̆ter äxbräß bis knapp zur Futterstunde

 
1  Bei Reichenbach, s. u.   2   Schwz. Id. 8, 37.  
 


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