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In eigenen Drüsen des Außenleibes sammelt sich als Vorblut überreich erzeugter Milchsaft 1 an und drückt, wenn dort verbleibend, durch Gärung und Zersetzung auf die bluterneuernden Organe, ähnlich wie sauerstoffarme, unreine Luft es tut. Solches «Alpdrücken» schreibt alter Volksglaube (s. u.) dem bösartig elfenhaften Alb 2 zu, wenn nicht einer puppenartig gewickelten Tocke, Docke 3 dem Toggeli, Doggeli, 4 das z. B. an der Doggeliflueh über dem Grund haust. Drum heißt solche Milch, die von jedem warmblütigen tierischen Wesen erzeugt werden kann, Toggelimilch.
Gegebenenfalls g’molhe wird die toggelimälhi Geiß und vielleicht das ebensolche Gu̦sti, welche beide noch nie geworfen haben, aber Aussicht bieten, nach späterem Werfen zur Ernährung der Jungen und no ch dru̦ber ịị zum Gebrauch des Pflegers eine in kurzen Fristen immer schöpfbare, darum allzeit frischi, appiditlihi und profitlihi Milch zu liefern. Die mälhi Geiß wird durch zopfne, tätschle und strịchle der Eutergegend zu vermehrter Milchabsonderung gereizt.
Als solche gut mundende und handelsfähig verarbeitbare Milch käme bei uns auch die sehr feißi Schafmilch und die süeßi Ros smilch in Betracht, wenn nit d’Au ( S. 193) als Wollträgerin u d’Mähre als Arbeitstier geschätztere Dienste leisteten.
Unsere einzigen Milchtieri sind darum d’Chue u d’Geiß mit den beiden jährlichen Hochfluten ihrer Milcherzeugung. Die eine ist die in den Winter g’reiseti ( S. 194 f.) Wurfzeit, die andere die in die erste Weidezeit. We nn’s i d’s Grüena geit, da chalberet d’Chue und geißenet d’Geiß zum aftere Chẹe̥hr!
Solche Ausnützung gesteigerter Mälhigi galt und gilt allerdings anderswo 5 als ein Bestehlen der Jungen. Bei uns ist sie in Sache 6 und Sprache ein abläschele der Milch. Ist doch Milch, mälch, mälche, 240 mälhe urverwandt mit l. mulcēre und mulgēre, 7 ein streichen und streicheln: strịchle der Milchtiere an ihren Tịl le (Zitzen, s. u.). Das weiß denn auch der seines hochehrbaren Titels würdige Mälher. Mit Mälherchäppi, Mälherhose und werktäglichem Mälchrock angetan, betritt er mit dem Mälchstuehl, der Mälchtere oder dem Mälchterli, dem Mälchti als Milchmälchterli (s. u.), mit der Milchbrente den Mälchstall der Alp oder den Stall der Talscheune und nimmt es jedes mälchs Tier der Reihe nach in «Behandlung»: vorab vielleicht diese ẹe̥rstmälhi (dies Ẹe̥rste̥li), diese zịtchuemälhi, z’läst diese altmälhi, die aber immer noch eine sehr mälhi Milchplätscha ist.
Und ihrem Melker z’lieb schäähe sị i n, ja wohl im wahren Sinn des Wortes «schenken»! Keine erchlü̦pft u zitteret u stämpflet. Denn kein Gefürchteter ist’s, der da wohl gar mit fluechen u stüpfe: la ß g’sẹe̥hdaa, du alta Chrache! vor ihrer rechten Hinterseite wuchtig sich setzt und aafẹe̥t stru̦pfe, soll heißen: gg’rächche (aarü̦ste) zum Milchentzug. Furchtsam, wenn nicht hinterhältig, zieht ein brutal behandeltes Tier d’Milch ụf, entläßt sie nicht.
241 D’Milch aha laße (wie bildlich der einem Begehren gern Willfahrende) tut das Tier, welches schon am ersten hörbaren Tritt seinen liebgewonnenen Meister kennt. Es b’chännt ’nḁ n a n Gri̦ff u Stimm. Zumal ein Weidetier, das die meisti Zịt Jauchzen und Singen, Glockengeläut und Rauschen von Bach und Baum in den Ohre hät. Das erfuhr jener in äußerster Not angerufene Ersatzmann eines Bauern, welch letzterer seine überaus meisterchennige Chüe jahraus jahrein sälber g’molhe hät. Gleiche Gestalt im gleichen Gewand, absolutes schwụ̈ge, gleicher Trapp und gleicher Gri̦ff hatten Wunder gewirkt. Und in heller Freude darob rief, noch under der läste Chue u̦f em Mälchstuehl sitzend, der Mann unter freundlichem tätschle: Gäll, ịe̥hr heit ni̦t gmärkt u nit g’wüsse, daß... Watsch! lag der Mann im Schorrgrabe, neben ihm der platschvoll gewesene Milchchü̦̆bel.
Wohl dem Meister, dem sein Tier so guet will! Er mag sich zu den Wohlg’meinte (Stolzen) zählen, die einer Poesie wie dieser fähig sind:
Gide, Gade, Pandöffelischueh,
’s hät mänga e Frau, ’s wẹe̥ri bässer e ...
An solch ein Milchtier so viel Zịt u Müeij u Chöste zu wenden muß aber auch si ch der wärt sị. Den beiden Fluten der Milcherzeugung 242 entsprechen zweierlei Ebben: Wenn die Kuh úbergẹe̥ndi ist (mit tragen u chalbere es Jahr uberspringt), und wenn sie dem Werfen nahe: näähigi ist. Da muß der vor dem Wurf stehenden Kuh zwöö Monḁt lang, der ältern drüi Monḁt die noch erzeugte Milch zur Ernährung des Jungen im Mutterleib überlassen werden: d’Chue ist gaalti.
Jedoch erfolgt das gaalte laa nit under einist. Der Melker uberspringt eine Melkzeit oder ein Mal: er maalet. Solche g’maaleti Milch würde als tägigi (24 Stunden alte), also nicht mehr frischi, gleicherweise den Käse verderben wie die Bienstmilch (s. u.). Das maale verkürzt sich allgemach vom ụsmälhe zum stru̦pfe und schließlich zum hö̆re (aufhören).
Damit ergaaltet das traage nde Muttertier: es stellt seine gewohnten Tagesleistungen ein, wie das Leghuhn, wenn es gaaltet oder gä̆ltet. Das Milchtier wird gaalts, Kühe und Ziegen werden gaaltụ. 8 Neben dieser natürlichen Gelti gibt es ein krankhaftes 243 i ntrochchne als Angelegenheit des Vẹe̥htokder: die chalti Gälti. 9
Als gaalti Waar, kurz: d’s Gaalta wird obenhin der noch nicht Milch gebende Aufwuchs von Rindern und Ziegen bezeichnet. Der kurzsichtig auf bloß augenblicklichen Nutzen Erpichte erwirbt sich das Zeugnis eines Weiterschauenden: für d’Milchchüe u d’Junggfrau sorget er guet, zum Gaalten und zum Chnächt luegt er schlächt.
1
Chylus.
2
Hoops 1, 66 f.
3
Weig. 1, 364; 2, 1049.
4
Stald. 1, 288.
Wilsdorf. 70.
5
z. B. bei alten Römern (Ovids Metamorphosen 226).
6
«Bern. Volkszeitung» 28. 8. 26.
7
Kluge 311;
Walde 499.
8
Schwz. Id. 2, 236-238;
ZfdA. 53, 146;
ZfdM.
9
Der ansteckende Galt der Ziegen:
AvS. 1927, 18. Mai.
Solches guet luege gilt in erster Linie dem Organ, in welchen die vom Leib ausgeschiedene Milch gesammelt und bis zur Entleerung aufbewahrt wird. Schon sein allmähliches Anwachsen beim erstmals trächtigen Tier bedarf der Beobachtung. Wegen der dabei stattfindenden Ansammlung schwammig und schleimig weicher Masse, die an Lehm als an Schlier erinnert, heißt solches Anwachsen der Schlier; 1 unregelmäßiger, chnu̦bliga Schlier nennt sich Gwü̦lper. Weh dem Tier, das während dieser Entwicklungszeit in eines rohen Pfuschers Hände gerät!
Mit seiner endlich erreichten «Fülle» 2 ist es das l. ūber und das ihm entsprechende Ụtter. 3 Auffälig rasch erwächst es zum guet g’formete und vielversprechenden Drüsengebilde, das in der Älplersprache mancher Übertragung ruft. Einem Vorwürfe Verdienenden, dem man sonst auch d’Chu̦ttli pu̦tzt (s. u.), dämụ wi̦l l i ch de nn d’s Ụtter wäsche!
Zwei Euterfalten: zwöö Ụtterfaalde am Hinterteil des Euters und die eigene Haarwuchsrichtung der Umgebung: der Milchspiegel, gelten als günstige Milchzeiche. Wichtiger ist indes dem Kenner die Stellung der Euterzitzen: der zwei Ti̦l le bei der Ziege, der vier bei der Kuh. Der Til le heißt als auffällig kleine Zitze d’s Ti̦li; der Zuetil le nennt man den Afterzitzen. 4
Der Milchkanal, der aus dem Euter durch die Zitzen die ausgepreßte Milch unter dem bekannten laut strudelnden Geräusch entläßt, heißt die Tịe̥ße 5 oder Zịße, die Milchausgangsstelle: das Tịe̥ßeloch oder Zịßeloch.
244 Mit ihrem ganzen komplizierten Bau und ihrer daherigen Lindi sind die Milchausführungsgänge einer Reihe von Störungen ausgesetzt, vor denen nur der außerordentlich rohe Melker si ch nit in Acht nimmt.
Da ist vor allem das b’ständig tropfe der Zitzen eine Folge, daß d’Chue mü̦rbi ist, ein Übel, dem man mit salben u schmiere von frischem Aahe abhilft.
Namentlich in einem schlaffen: verschlänzten Ụtter kann der verstopfte Milchgang einen seitlichen Ausweg suchen: einen Ast bilden. Ein altes Sympathiemittel hingegen bestand darin, die kranke Zitze dür ch ne s Astloch z’mälhe, 6 und mit der so gewonnenen Milch das Euter zu schmieren.
Hat eine Kuh e bösa Viertel, so wird sie öfters zum Drüistri̦chch; sie hät e Viertel verloore: ist mit der Krankheit eines Euterviertels behaftet. Der Küher tröstet sich darüber, daß die drei übrigen Zitzen den Milchausfall decken. Das wird indessen fraglich, wenn das Euter e̥s fü̦rwẹe̥gs ist: wenn die vorderi oder die hinderi Euterhälfte der andern vorwẹe̥gt: sie an Entwicklung und Stärke überwiegt.
An sonst gesunden Eutern können winzige Risse: Chleckleni das Melken schmerzhaft machen. Lättiga Härd, auf dem die Kühe liegen, häächt aa, trochchnet und zieht si ch z’säme und reist an der Zitzenhaut. Oder Insekten bringen Stichwunden. Da langt der Melker nach dem Salbhore oder -hü̦̆rli aus Chuehoore, das am Mälchstuehl hängt und Sụ̈̆wschmụtz, Zĭ̦ger oder Aahe birgt, und bestreicht die Zitzen eine oder zwei Minuten lang. Dann erst kann das Vormelken beginnen — wenn nicht bei der Kuh die Zitzen so kurz sind, daß ein bloßes strü̦pfe möglich ist. Das ist ein unzulängliches Zupfen; 7 die Kuh ist nit zü̦̆gigi: die Zitzen gestatten keinen rechten Anzug.
1
Mhd. der oder das
slier.
2
Walde 810.
3
«Das» Euter ist mhd. das oder der
iuter, ūter, ahd. der
utir, utar.
4
Stald. 1, 283. vgl. mhd. (
Wb. 3, 127 f.) das
tülle und
getülle als Einfassung, womit etwas
ge-tüllet, vertüllet, umbetüllet wird, z. B. der die Pfeilscheide tragende Schaft, die
Dülle, womit z. B. die Heugabel am Stiel befestigt ist. Ihre Röhrenform erinnert an den
Tille als die Milch durchlassende Zitze.
5
Zu ahd.
diußan (
Graff 5, 235 f.;
mhd. Wb. 1, 372)
diuße dôß dußßen gedoßßen stellen sich der
dieß und
duß (Schall), das
gedoeße, Getöse, tosen, der Dießbach u. a.
6
Wie man etwa den
Wurm als Geschwür am Finger durch einen aufgebundenen (Regen-) Wurm heilte.
7
Vgl.
bligge als Schallnachahmung (
schwz. Id. 5, 45).
Das ist ein roher Stümper, der unter aaherrschele (s̆s̆), aabrüele und wohl gar stü̦pfe die erchlüpfte Tieri ụfjagt, um durch spritzelndes zịịßne oder gar ungeschicktes strü̦pfe ihnen die erste Milch zu entreißen, und der die lästi bästi im Euter stecken läßt! Welch ein Gegensatz zu ihm der Mälcher, der sich seines edelstolzen Titels würdig macht!
245 Den kennen seine Tiere als meisterchennigi u handsami schon an der Art, wie er das Melken vorbereitet: durch «aarüste» sie um Milchablaß «bereit» macht: 1 wie er grächchet und dann aamilcht: erst das nähere, dann das fernere Zitzenpaar, dann stramm und doch gli̦mpfig und mit äußerster Sorgfalt sụfer ụsmilcht.
Kein Wunder, daß selbst habliche Bauern, die e̥s stịffs Tschü̦ppeli Vẹe̥h ihr eigen nennen, sälber der Mälher mache, von fürnähmer Wisite dana oder nach strengem Tagwerk i d’Mälherhosi schleuffe und d’s Läderchäppi aaläge. Die sind’s aber auch, welche, wenn ein berufsmäßiger Ersatz vonnöten ist, als die ersten ihn gebührend in Ẹe̥hre hei.
Wie genau b’chännt wiederum der Mälher jedes Tier nach seiner Empfindlichkeit! Dies da ist leider vermolches: es wurde bei der Entwicklung seines Euters unkundig behandelt, es wurde schlecht aag’molhe. Ein anderes ist zẹe̥js, ein drittes gar zu lindmälchs: mü̦rbs (Abl.), so daß ihm sogar d’Milch sälber ụslauft.
Vermolhe wie ermolhe ist übrigens mehrdeutig. Wie vermolchni Tieri schwer wieder ins Geleise richtiger Milcherzeugung zu bringen sind, so heißt es nach Schluß einer Abend- oder Morgen-Melkzeit: si heiṇ grad vermolches g’habe.
Ermälhe bedeutet eine bis aufs Möglichste gesteigerte Milcherzeugung bei frischer, saftiger, durch warmen Vorsommerregen geförderter Weide. Und so ist eine Quelle ermolchni, ein Quellbach ermolchna bei höchstem Wasserstand. 2
Die morgigi und die aabigi Mälcheszịt sind bei einem Betrieb von etwa 12 bis 15 Kühen an so genau bestimmte Stunden gebunden, daß der übrige Teil des Arbeitstages danach bestimmt wird als vu̦r mälhe und na ch mälhe. Von einem gewohnheitsmäßig zu spät Erscheinenden heißt es: däär chu̦nnt doch gẹng na ch mälhe! Das auch am Mittag geübte, also drüimẹe̥lig mälhe einer frisch g’chalberete Chue, welcher die überreiche Milch wurdi ụslauffe, gilt als Ausnahme. Genug, wenn eine nit zwü̦̆ren im Tag na ch der Uhr behandelte Milchnerin u̦f der Stell minder gi bt, weil sie si̦n net, mụ schätzi’s nụ̈t!
Mit all den Hindernissen einer solchen Genauigkeit, wie zumal das Älplerleben sie mit sich bringt, kann natürlich das brave Tier nicht rechnen. Nicht mit den Tagen sommerlicher Schwüle, wo es dem wetterfestesten Küher g’schmuech, wird und das zähmst Tierli statt still 246 und geduldig daarz’haa, träppschet und mit der imitierten Gagat-Garnitur der Schwanzquaste um ein Kompliment wirbt. Laa ß g’sẹe̥h da, dụ Ssụbaarg! mag selbst aus dem Mund des fịnste Tierhalters einmal die Erwiderung lauten, um nach nunmehr grụ̈selich gäbigem Verhalten des Tieres mit freundlichem tätschle korrigiert zu werden.
Eẹrstmälhi Tieri muß man gelegentlich hämme n oder chürzer a n d’Baarni binde. Dabei macht’s äppes ụs, ob diese Jungtiere noch in der ersten Reizbarkeit und Chlụpfigi melkbar: mälhi geworden seien, oder erst ein Jahr später: also Zịtgeiß oder Zịtchüe. Haben letztere als um ein Jahr jüngere Tiere erstmals geworfen, so sind sie määschemälhụ (s̆s̆), was oben bei « Aufzucht» erläutert worden ist.
1
Schwz. Id. 2, 699 f.; 6, 105 ff. Ahd.
muruwi und
maruwi,
Kluge 323.
2
Vgl.
er- und
ver- in ihrem Bedeutungsumfang bei
Weig. 1, 454 ff.; 2, 1138 ff.
Welch ein Anblick aber auch: so ein Geschirr voll frisch g’molcheni Milch, «gekrönt» mit der fingerhohen Decke von Schụm. Noch schụmet die Milch unter leisem Platzen der letzten Plääterlene, welche, aufsteigend, mit ihrem Schnĕwíß von der peinlichen Sụ̈ferlihi und Eigelihi des richtigen Melkers zeugen. Unbarmherzig würden sie, ohne zu täuschen: z’b’schịße, es an den Tag bringen, wenn der Melker mit unsaubern: b’schi̦ßne Händen an sein Werk gegangen wäre, oder wenn er das Utter nicht vorher gereinigt hätte.
Ein Übriges tut dieser, indem er va jeder Chue e̥wägg die Milch aus dem Melkgefäß in das Sammelgefäß mittelst der Folla oder des Richter richtet, i nrichtet: «dü̦ü̦r chrichtet», durchseiht. 1 Die Milch rinnt dabei nach alter Weise durch einen Büschel rein’s (feines und zugleich äußerst sauberes) Tannchris (Tannenreisig) oder Schaftele, was ihr einen gar nicht unwillkommenen Geruch und Geschmack als Chri̦sg’schmack verleiht.
Solches Follechri̦s oder sein Ersatz, der z. B. wie im Unterland aus Waldrebe ( Ie̥le, «Niele») bestehen kann, wird als der Folleschü̦bel oder das Folleschaub in den Milchtrichter geschoben. Dieser bläähig oder holzig Trichter oder Trachter 2 für Milch heißt die Folle oder das Folli, Fölli. Es wird, am Foll(e)häber als der Handhabe erfaßbar, in die wagrecht über das Sammelgefäß hingelegte Folle-Leitere i ng’stäckt. 3 Vom weitern Dienst dieser Folle 247 als anderwärts mundartlicher «Folge» und «Folke» 4 zur schallverstärkenden Resonanz der Sennengrüße war S. 155 die Rede.
Die Ortsnamen erwähnen wir auch hier die Fol la und das Fol li am Meiel, die Fol la und die verschiedenen Fol leni an Olden, die Folleflueh als Trägerin mächtiger Rinnen am Plattistand über der Lauenenvorschḁß (Gst.), das Follhore ( S. 30) der Wildhorngruppe mit seinen jähen Abstürzen.
Das Seihen entfernt aus der Milch, die beim Melken in sie geratenen Unreinigkeiten. Wenn nur nicht das sonst zum Reinigen dienende Wasser hier am lätzen Ort Zutritt erhält und der Milch den fatalen Wasserbi̦tz (Wasser-Geschmack) erteilt, sie verwässeret!
E n-m Bi̦tz als schlechter Geschmack und Geruch, verbunden mit Änderung der weißen Farbe ( röötele, gälbele, blẹe̥wele) 5 entsteht duch krankhafte Veränderungen der Milchorgane. Faden zie hendi Milch ist abg’standni und der Fäulnis entgegengehende, g’scheidni oder b’bru̦sleti (s. u.) in unrichtiger Gärung begriffene. Bitteri Milch wird erzeugt durch Laucharten auf stark überfüllten Lauchnere, welche die Milch mache z’lauchele. Besonders sorglich aber hält der erfahrene Senn die so lieblich aussehende und herrlich riechende Mannstreu: das Bränderli fern. Nur schon der Anblick eines solchen Chẹe̥sblẹe̥ijerli cha ’mụ schier übel mache.
Re̦e̥zi, reeßi (rääßi) Milch geben überanstrengte, also müde Tiere; müedi Milch wird etwa beim Alpaufzug im Euter mitgetragen; und taubi Milch gibt’s, wenn am Zü̦geltag, B’satztag d’Chüe stächche ( S. 160). Die unfehlbare Folge sind b’blaahti, d’blẹe̥ijti Chẹe̥sleni.
Am schlimmsten ist es freilich bestellt, wenn während eines Frostes die Milchtiere weiden, statt im Stall zu weilen. Da geht für längere Zeit die Milcherzeugung ganz zurück. Drum hein di Alte g’seit, di g’stalleti Milch chä̆mi umhi, aber di g’frorni nit.
Besonders dịfịssịl ist die Ziegenmilch. Wi zịtiger d’s Gras ist zum höuwe, wi sterher ist der Bi̦tz ( goût) der Geißmilch. Auf keinen Fall aber darf diese zu lang unverwendet bleiben; und gar nicht unbedeckt darf sie gerinnen, wenn nicht der Käse schlecht werden soll. 6 Eigener Behandlung bedarf natürlich die (wegen ihrer Dicki als le beton 7 bezeichnete) Bienstmilch. Diese darf acht Tage lang nach dem Wurf des Kalbes nicht verchẹe̥set werden. Da wird der ẹe̥rst und der after Bịe̥nst g’ställt: mit Chü̦mi versetzt in der Taaterepfanne 248 oder im Bratofen z’dicke ’taa. Die dritte und vierte Neumilch gibt dann Bienstchüechleni. 8 Das 4. und 5. Mẹe̥lti und die spätern Mẹe̥lteni geben bereits, we nn’s sị mues, Ggaffi-wịßes.
1
Schwz. Id. 6, 198-478, bes. 381;
Stucke S. 178 f.; vgl.
Walde 647.
2
Zu Grunde liegt mlat.
tractarium aus l.
trajectorium zum «Hinüberwerfen» in ein anderes Gefäß,
Kluge 464.
3
Frehner 38 f.
4
Lf. 328 v. J. 1776;
schwz. Id. 1, 786.
5
Vgl.
AwMb. 1908, 124.
6
Ebd. 1919, 269.
7
Bridel 38;
Lf. 285.
8
In Graubünden: Nudeln;
AfVk. 1916, 271.
Überhaupt ist aber die Güte aller Milch von der Art abhängig, wie man mit ihr umgeht. Traageni, geschweige vertraageni Milch ist en andri als ruhig stehende. Die b’bu̦ggleti und damit ggautschleti, glu̦ntschleti Milch, ferner die nicht rasch g’chuehleti und obendrein unzeitig d’deckti gibt stickeligi oder vollends erstickti Milch. Die bricht’s. Sie wird ziehndi (längi), oder sie ersụret. Sei sie dann chaalti oder lẹe̥wi, rouwi oder g’wallti, g’wällti, erwalleti, erwallni, erwällti: jedenfalls ist sie en ung’frauti Milch. So auch und insbesondere die Wällmilch als Mischung von Käse- und Buttermilch, welch letztere mit ihrer Kohlensäure ein unliebsam rasches Überquellen aus der Siedepfanne herbeiführt. Drum das bildliche Wällmilch i nlege: aufhetzen, intrigieren.
Ung’frauti Milch gibt es aber erst recht, wenn das Sieden nicht über lebhaftem Feuer rasch vor sich geht. Langsam gekochte und dann erst noch lang in warmem Wasser aufbehaltene Milch wird g’sor reti und gibt widerlich schmeckenden g’sor reta Ggaffĭ̦. Wie erst die g’öfeleti Milch, welche im Hŏhlöfeli warm gestellt wird! Die verdrießliche Miene, mit welcher man solche «genießt», erinnert an die eines übelnehmerisch empfindlichen Menschen, welcher in ganz alter Sprache als e versotteni Sẹe̥l bezeichnet wird. Ein solcher Mensch gaulet (tuet dumm).
Gut, daß es dann und wann auch in Saanen Milchbehandlungs-, Milchprüfungs- und Fecker-Kurse gibt.
Wie schade aber um alle die entwertete Saanemilch ( S. 95), und zwar erst recht um die Chrụ̈termilch, der Vorsommerweide: der 249 ẹe̥rsten Ụszịt! Was geht über Meiemilch, Meienaahe, Meiechẹe̥s eines guten Saanerjahres!
Überhaupt ist gesunde Milch die Speise für kleine, eine Hauptspeise für Große; und für beide ist sie gẹng no ch der wohlfeilst Chauf, sogar bei einem Literpreis von 35 bis 39 Rappen während der Weltkriegszeit, auch bi spitzem Määs (knapper Zumessung) i d’s Hụs b’bracht.
Drum wohl bekomm’s dem mit vollem Muetg’lụst (Appidịt) gesegneten Verzehrer eines recht plü̦tterige Milchbrochche (worin Brotbrocken und heiße Milch breiartig ineinander zerfließen)! Da uberchu̦nnt auch das abg’sooretst Säärbeli bald d’s dritt Chi̦nni. Wenn nur der verwöhnte: der ung’schlacht Mägerlig ó ch «däre Zụ̈g» nẹe̥hmi un ẹe̥ßi! Allerdings sind ja die Gụ̈w 1 verschĭ̦de u d’Gschmäcker nit glịch — schon wegen der Ungleichheit der Art, d’Milch z’brụhe. Wer als ein Bu̦delhansli oder als Bu̦delhẹnseli bis zum Bu̦delwẹe̥h sie in hastigen Zügen bŭ̦dlet, abhischlẹe̥t, der «braucht» sie nicht in dem schönen Ur- und Vollsinn des Genießens. Er braucht dann aber auch sich nicht zu verwundern, we nn’s nụ̈t aaschlẹe̥t bị n ị̆hmụ.
Etwas aaschlegiger ist bei einem, den man auch ni̦t lang brụcht z’nööte (nötigen), das g’lustig laffe aus aufgetischter Chachtle mit g’schwärbet 2 vollem Fladerlöffel (1683).
Ein ganz anderes, den Nährwert einzig zur Geltung bringendes Genießen der Milch ist das chü̦ü̦ste jedes Tropfe und jedes Trääneli (jedes Traan), wie man auch wichtig g’noo mme-ni Wort chü̦ü̦stet, und das gut saanerische wịse (kosten).
1
Vgl.
Sụụ = Sụw.
2
Wirbel und wirbeln verstärkien sich mit
sch- in ahd.
swarb und
swerban (
Graff 6, 896).
G’schwärbet voll: so daß die wirbelnd über den Rand hinaus drängende Flüssigkent einem Abstreichen, Abwischen ruft.
G’wi̦se wird schon vom Säugling die Muttermilch, und als ihr 250 armer und bei nicht sehr eigeliger Behandlung sehr anfechtbarer Ersatz der Lu̦tscher. Das ist das Tschu̦ggi, Tschü̦ggi. An ihm tschu̦gget in bekannter Weise hörbar der Säugling wie zuvor an der Mutterbrust. Diese ist das Bü̦ppi, Tü̦tti, der Tü̦ttel, Tụttel der schallnachahmenden Kindersprache. So heißt aber auch der Saugzapfen, so weiter das Saugfläschchen und so endlich das kleine Milchgefäß, welches als der Milchtụtel, das Tụtteli, 1 einen bis höchstens zwei Liter faßt. Ein für sị’s Alter klein und kindisch gebliebener Junge ist e Tụttelbueb.
Eine andere Wortgeschichte gründet sich auf das Verb gu̦sle als verkleinertes «gießen». 2 Milch vergu̦slet oder vergonzlet, wer beim Umgießen dḁrnäbe schü̦ttet und sü̦̆deret, es G’sü̦der, e Sü̦derete a nreiset. Kinder gu̦sle u chosle im Papp, im G’schlü̦der u. dgl. Solches gŭ̦sle u glu̦ntsche wird namentlich hörbar beim Tragen des Gușeli als des Handgu̦seli, das jedoch der kleine Viehbesitzer bei etwas größerem Umfang auf dem Rücken trägt. Vielleicht war das einst ein hablicher Bauer; allein ein Wucherer hat (bildlich) ihm d’s Gŭ̦seli a b-d dem Rü̦gg g’noo.
Als Kleiner war er wehrlos und ist nun mittellos. Einst trug auch er — als Meister und Knecht in éinem — die flach und breit über den Rücken hinaus tragende Bränte. 3 Einem Bräntetreger zu begegnen gilt als Glückszeichen.
Im Gegensatze zum Handbräntli ist die eigentliche Brente so schmal und hoch gebaut, daß sie an einer Wand oder an einem (zugleich als Hu̦tte- u. dgl. Gestell dienenden) Bränteg’ställ Schutz gegen «Umsturz» suchen muß.
Auf größeren Melkplatz ist sie das Sammelgefäß, in welches der Melker einen vollen Mälchch̦übel, ein volles Milchmälchterli nach dem andern durch den Trichter ( S. 246) schüttet.
Der jeweils der Sụ̈ferlihi z’lieb übergelegte Bräntetächel diente als provisorischer Verschluß. Nach erledigtem Geschäft aber muß die Brente gut schließen. Zu diesem Zwecke wird sie b’hälset: 3a Ein Linnenstück stülpt sich um den Rand, damit der Deckel soz’säge luftdicht schließe. Solches b’hälse ist svw. ein «Schieben» der Däckrustig über die Öffnung: man b’schụ̈bt sie. 4
251 Solcher Abschluß der zum Milchtransport dienenden Bränte, des Gụseli, Tụttel ist sobald als möglich wieder aufzuheben, um den energisch gärenden Stoff vor dem sụre zu bewahren. Und wie peinlich sauber sind Holz wie Blääch der Gefäße durch fägen u frụtte zu bewahren vor rasch sich ansetzenden Zersetzungskeimen!
Von andern Gefäßen wird uns der Zĭ̦gernapf begegnen. Der Napf kann (wie das Näpfi und Gnäpfi) bläähiga, holziga oder häärdiga, chachtelg’schir riga (aus Ton) sein.
1
Stald. 1, 333.
2
Gleichlautend mit
gu̦sle als stochern.
3
Über dies ursprünglich lombardische Wort:
schwz. Id. 5, 753-760;
M-L. 1285;
Frehner 31 f. Die Weinbrente:
Tw. Nachw. 13.
3a
Zu «hehlen» als bergen.
4
Vgl.
Schwz. Id. 2, 1214;
Gb. 350. 470. Vgl. die Wortgruppe schieben, schob,
b’schäuben, Schaub, Schopf, Schuppen,
Schüpfe.
Auf ausgiebiges Trinken der Milch deutet der Napf als Wortverwandter des afz. hanap und des altdeutschen Humpen, indes auf ein ụsa näh die l. gab-ata, altdeutsch geb-isa, Gäpse 1 deutet.
In diesen Gäpse 1a wird ein jeweiliges Milch-Mẹe̥li aufbewahrt: der Ertrag einer Mälchete, bis er zum Verbuttern oder Verkäsen gelangt. Während man nun in diesen hölzige oder blähige Sammelgefäßen von geringer Höhe, aber einem Kreisumfang mit etwa 80 cm Durchmesser zumal uber Nacht d’Milch laat ụfzieh, sammelt sich d’Nịdle auf der Oberfläche. Nach dem Entleeren bleibt ein kreisrunder, schmaler Fettstreifen hängen: der Reiß 2 oder das Rịßi. Der Verlust solchen kostbaren Restes wird verhütet durch das Rịßi strịhe mit dem Zeigfinger vor dem Entleeren der Gepsen. Auch in der Käsepresse bildet sich ein Rịßi, indem durch die Gärung emporgetriebener Käsestoff uber d’s Jäärb ụs dringt und am Oberrand des Käselaibes hängen bleibt. Solches Chẹe̥srịßi wird allenfalls stückweise: als d’Rịßeni (Chäässpaän), Chäsfische (Unterwalden) weggeschnitten und gibt Leckerbissen für allzeit mit Appịdịt gesegnete Junge, die sich melden: darf i s’s Rịßi haa?
Sorgfältig werden d’Gäpsi g’ri̦sse (auch nach ihrer Entleerung), um jeglichen Säureansatz zu verhüten, und dann gründlich g’rụ̈scheret (mit dem Rĭ̦bel gereinigt) und ụsebrüeijt.
Das Rịßi ist aber auch eine äußerst knappe Zeitgrenze. Wer z. B. mit Müeij u Not eben noch einen Eisenbahnzug erreicht hat, hät grad d’s Rịßi g’habe.
1
Nehmen und Geben als «Gegensinn der Urworte», s. u.
1a
Ahd.
gebiza aus lat.
gabata = Eßgeschirr, vgl.
Frehner 35;
schwz. Id. 2, 393 f.; dazu
M-L. 3625.
2
Der altdeutsche
reiß (und die
reißa) als Linie, vgl.
Weig. 2, 563 f;
schwz. Id. 6, 1327 f.;
Lf. 325.
Dieses Rịßi in den Gepsen, die in so stattlicher Reihe die Wände des Milchgadem zieren, ist also der Rand des Bälz (Pelz) der 252 Nịdle. In höher gelegenen Weidegebieten kann dieser zumal im Vorsommer und ẹe̥rst rächt, wenn die Milch in fließendem Kaltwasser steht, 1 so schlägeldicka werden, daß er es Mässer treit. 2 Die derart «obendru̦ff» schwebende 3 Sahne heißt auch der Rahm, 4 dessen altdeutsche Form roum saanerisch als der Roum 5 vorab den Rahm gekochter Milch bedeutet. Es ist der unterbernische «Chüeijer», von Saanern humoristisch nachgesprochen als der Chüeijer mit sannt de Hose. Merkwürdig bleibt aber, wie viele selbst dieser Bärgler auch schon ein Röume̥li, Nịdelröume̥li schụ̈he und mittels des Ri̦chterli oder Sĭ̦bli vom Kaffee fernhalten.
Um so mehr erfreut sich ihrer so wohlverdienten Beliebtheit — si ist zum frässe liebi! — die «roui Nịịdle» des Unterlandes, die Nịdle schlechthin des Oberländers.
Und wem böte sie nicht schon eine herrliche Augenweide mit ihrem schneeig schimmernden Weiß, woher eben ihr Name rührt! 6
Nach der Augen- aber die Gaumenweide! Dickeri Nịdle, fẹe̥sti (süße), oder aber sụri, an einem Abe ndsitz (1800) mit Kastanien ( Chöstene) verzehrt, gehört wie allzeit auch heute zu obligaten Nịdlete und Nü̦ßlete (mit Baumnüssen). So z. B. 1630 zum Spielen «umb Neidlen».
E Tụttel volla Nịdle oder doch e̥s Tụtteli volls, kürzer: e̥s Tụtteli Nịdle schickt wohl auch der Küher dann e̥t wann seinen Heuern zu, damit sie auch einmal im Tal, wie auf der Alp (s. u.), sich an der seltenen Gabe erlaben, bis’s ’ne g’nueget, ohne daß es sie b’lästet (beschwert).
Bei all dem handelt es sich so selbstverständlich bloß um Rahm von Kuhmilch, daß jeder andere als sozusagen undenkbar gilt. Denn Ziegenmilch 253 «nị̆dlet ni̦t». In Wahrheit nịdlet sie dünn: bildet ein bloßes dünns Röumeli. Dafür liefert sie unvergleichliches Ggaffiwịßes; denn sie wịßget schön. Geißnịdle wird im übrigen empfohlen für Aufschläge auf G’schwääri u Blẹe̥tschi, Rụden u Tschi̦tterab.
Ein äxtra Labsal ist Schlagsahne als «geblähte»: b’blẹe̥ijti, b’blaati, b’blaatni oder (mit dem Nịdelschwinger) g’schwungni Nịdle, bei welcher die sich bildenden Blasen: Hube̥le̥ni, Blẹe̥terleni ein ganz kleineg Quantum rouwi Nịdle zu einem ansehnlichen z’Nacht gestalten. Die g’nịdleti Milch aber ist blauwi Milch.
1
Das Schwartz’sche Verfahren:
AwMb. 1904, 342.
2
Brid. S. 155.
3
Kluge 383.
4
Vgl.
Id. 6, 885 ff. 898 ff.
5
Mhd. Wb. 2, 1, 548. 775.
6
Zur Wurzel
ni stellt sich
-t z. B. in lat.
nitēre (fettig) glänzen. Statt
-t kann
-d antreten in
Nĭ̦d-el (
schwz. Id. 4, 672),
Nị̆dle, Nị́ị́dle; oder
-v wie in l.
niv-is (des Schnees), deutsch vertreten durch
w mit gleichzeitigem Vorantritt des begriffsverstärkenden
s- oder
Sch-: des
s-nê-w-es (des Schnees), vgl.
Weig. 2, 762;
ZfdM. 1924, 201.
Es lustigs Büebi ist e Bị̆ferpu̦nti, der zumal auf der Alp seine glückliche Kindheit auslebt. Als der Pu̦nti ist er der an den geschnürten Bündel erinnernde, kurzbeinige Kleine; das von der Laune des Augenblicks eingegebene Sprudeln der Lebenslust erinnert an das böckelig Zusammenhangslose des Bị̆fer (s. u.). Der wird als obenauf sich setzender Schụm: als Feim abg’feimt (wie der «Abgefeimte» als der abg’feimt oder Raffinierte, in schlauen Streichen Bewanderte), oder g’straaft. 1 Nach dem Entheben des Käsestoffs (s. u.) und «vor» dem wiederholten «Brechen» der Käsemilch zwecks Zigergewinnung (s. u.) wird dieser Feim abgehoben, um den in ihm enthaltenen Rest von Rahmfett auszunützen. Das gibt den Vorbru̦chanke. Das ist eine Butter zweiter Güte und ersetzt nur, we nn’s nit anders̆ z’machen ist, den aus frischen Rahm gewonnenen Anken als den gut saanerischen Aahe n.
Soweit gedieh die Kürzung, daß man bereits 1629 von Aachballi redete, 1829 von g’achetem Brot: dem Ahe n-m-Brot oder g’ahigem Brot als pain beurré ( Zü̦pfe); und das Achchaar ist das Gefäß ( kar) 2 für Siedebutter: ụsg’laaßna Aahe. Klein, ist es das Aa chcharli, pleonastisch aufgefrischt: das Aachcharchü̦̆bli. Dagegen ist das Aachchü̦̆bli svw. das Stooßchü̦̆bli oder das Stooßerli: das Stoßbutterfaß. — Aa chschu̦m hinwieder, der allerdings den geschätzten Aa chschụmchueche gibt, dient daneben doch als Bild für ein verfehltes Unternehmen, das in Aa chschụm g’gangen ist. Es chu̦nnt im Aa chschụm wider. (Denn der Schụm ist e n Lụgner.) 254 Nur wenig solche Ankerụmi hinterläßt beim Sieden die sehr fettreiche Butter, welche flüssig ist: vi̦i̦l Flu̦ß hät.
Neu sind die Ankemode̥l, wie der trotz seinen Chnu̦ttifingere sehr gewandte Christe Rịịhe nmbach in der Feutersöy, Fritz Chübli in de n Gruebe, Hans Chopf i n der Bisse und der als Schnätzer eigens geschulte Hermann Sẹe̥wer im Gsteig sie kunstvoll herstellen.
«Anken» ist weiter der aus veraachneter Nịdle g’aachnet oder g’anknet Ank der Abläntschner.
Wie schade nun aber, wenn die Butter und zumal der Aab-atzaahe der ersten Weidezeit nicht die ihrer einzig würdige Rolle als Zugabe zu Brot und Fruchtsaft ( Aahe nmbock) und als feinstes, wie auch gesundestes Kochfett behauptet! Redensarten wie: G’rächt im Aahe brägle (La.) und in einer Erörterung als der G’schịdst der Aahen d’rụber bränne (sị Sänf dḁrzue gää) deuten denn auch solche Hochschätzung an.
Fü̦ü̦renä̆hm u tụ̈r, in beiderlei Sinn chöstlich war darum die Butter zu Zeiten, wo nicht das Pfund um ene nm Bätze zu haben war, sondern wie 1925 das Kilo 4.20 Franken kostete. 3 Die Zeiten der Wohlfeili waren gute Tage für Aahemaa nns Äsel und für den Ankebättler, dessen schwi̦tze als das Mittel gegen Grippe anerkannt ist. Die B’süehigi der delikaten Handelsware veranlaßte denn auch wiederholt die Berner Regierung, den Verkauf von Saanenbutter nur in ihrer Residenz zu gestatten. 4 Die Ware mußte dabei in runden Ballen («Ankenhaupt» 255 oder «-häupter»: 1617, 1618) nach bestimmten Gewichte g’mödelet nach Bern geführt werden. Die «drei Ankenhaupt» eines Gsteigers sind «inwendig gantz hol und je eins nur 7 Pfund schwer gsyn». Das Innere konnte (1679) auch ganz « lu̦gg und plü̦tterig und voll Milch aussehen»; oder es par Fingers̆ dicka gueta Anke konnte alta, grauwa verdecken. Dieser hät o ch g’rähelet: war räheliga (ranzig) und hät g’sụ̈relet. Ein Teil dieser Fehler konnte übrigens gerade dem im Troolaachchü̦bel gemachten besonders feiße Vorschḁßaahe anhaften.
Weniger gefährdet ist die gelegentlich zum Hausgebrauch im Stoos saa chchü̆bli (s. o.) bereitete Butter. In kleinstem Maß erzielt man ein Ausfällen, ein Sich-zusammenballen und ein si ch sätze der Fettkügelchen durch einfaches schlaa mit dem als Beselchen gestalteten Nịdleschwingerli («Nịịdle schwinge mit dem Bäse»), wenn nicht sogar mit Gabel oder Löffel.
Dieser uralten Praxis steht als neue Erfindung gegenüber die Milchfŭ̦gemaschine, kurz: Fụgemaschine. Es ist die Zentrifuge als Schleudermaschine. In interessantem Bedeutungswechsel aber ist solches « fugĕre» zum fuege, fuegne geworden: man «fügt» es, daß die Fettkügelchen rasch und gründlich von der Zäntriffụgemilch und der allenfalls noch etwas fetthaltigen Aahemilch gesondert werden.
So ersetzt sich auch hier anderwärts Eingebüßtes als Gewinn in neuer Gestalt: Es chu̦nnt denn allz in der Aahemilch.
1
Vgl.
Ins 561 f.
2
Mhd. Wb. 1, 788;
Gb. 393.
3
Vgl.
Schatzm. 3, 23.
4
Bonst. b.
M. 22
b;
AvS. 1884, 44.
Als Spịịs (Spịß) begegnet uns auch saanerisch der Käse, der auf dem Älplertisch z. B. zu g’schwällte Härdöpfle ein geschätztes z’Nacht abgibt.
256 Ein Gleiches galt vormals von dem auf Stierendungel bereiteten und als Tu̦mmeli (s. u.) benannten Geißchẹe̥s. U̦s d’s rịche Mi̦chị’s Chäller wurde auch dieser vor geladenen oder gewohnten Gästen aufgetragen neben drüier oder vierer Gattig anderen Käses, als da waren: Fätterechẹe̥sle̥ni 1 (s. u.), Chẹe̥serịịchẹe̥s (s. u.) vom vorigen Winter, sodann Bärgchẹe̥s, wie die Tu̦mmeli so trättiga, g’schmeidiga, ja linda wie Papp. Aus der Vorsaßmilch des Vorsommers (nicht auch des Herbstes) als Ụstagsvorschḁschẹe̥s bereitet, zeugt er von eigens g’schichter Behandlung.
Solche Spịịs «Speise» wird nur der verbü̦ü̦stig Gịthagel seinen Tischgenossen karg wie vormals das Brot (s. u.) gönnen: bloß e̥s Chị̆di oder es Prị̆si (eine Prise), es Chụ̈wi. Im Gegenteil wird da e n Schu̦ngge, eṇ grụ̈seliha Schu̦ngge Spịß verzehrt. Wer derart g’spasset, renommiert wohl weiter: I ha g’ässe, daß’s me̥r übel deßt würst ist. Und Chẹe̥sschwartleni (Rindenstücke), die nicht für d’Chatz sị, schmecken ausgezeichnet, wenn man sie am offenen Feuer braatet. Vor allem freilich ist der Chẹe̥s d’Sẹe̥l van der Su̦ppe. Hiezu wird alter Käse g’rappet («grapset»). Die vornehmste Zutat sind freilich die «Käsehobelspäne»: d’Chẹe̥sscheiti, die aber doch als Speise für sich allein schmecken. Und dies erst recht, wenn der Genießende die «Späne» selber hoblet. Dazu dient ihm das Chẹe̥shöbeli aus Eesch, wie Papa Marti auf dem Saaner Saali aus seinem hübsch ausgestatteten Pụ́tịggli (s. u.) es in wenig Tagen ebenso zierlich wie solid gearbeitet dem Besteller zugehen läßt.
«In der Brotgrube» stand eines Morgens auf dem Arbeitsplatz des klein gewachsenen Wegmeisters Pị̆ti, d. i. Peterchen Raaflaub zu lesen. Vom Oberwegmeister z’Reed g’stellt über solche Umtaufe der «Kiesgruebe» gab das Männchen zum Bescheid: Mi̦s Löhndli reckt grad für Brot; eine «Kiesgrube» ist das für meinen großen Haushalt bi̦ wi̦t u fääre nịt! Denn ich vermag nicht Chịe̥s zu kaufen.
Und am allerwenigsten Xẹe̥s in dem gut altsaanerischen Sinn reichlich aufgestappelter alter Handelsware, welche ganze Gädmer füllt. Denn: Xịe̥s seit, wär se̥ toll hät. Wer schon etwas weniger besitzt, hat Chẹe̥s. Ein noch bescheidenerer Vorrat ist Chees, und wer ihn kaufen muß, chauft «Chääs». Erst auf den Hotel-Nachtisch der Zukunft kommt allenfalls «Käse». Das ist der mit engl. cheese und 257 ital. caccio usw. 1 gleichaltrige Nachfolger des altrömischen cásĕus: zu Butter geschlagene Milch. 2
Aus solch formlosem Quark wurde der caseus formaticus: il formaggio, le fromage, der Formkäse, wurden die Käselaibe als die bis 75-pfündigen Chẹe̥sa, die gäbige (handlichen) Chẹe̥sleni, Chẹe̥sele̥ni verschiedenster Größe bis hinunter zu 4 Pfund (1685). Diese Laibe sind aber auch von verschiedenem Fettgehalt: blụttfeiß, feiß, so guet wi̦ feiß, halb feiß, mager, und von verschiedener Fassón: die Gerberchäsli in Thun, 3 die Fätscherin, 4 die Emmenthaler.
Phot. R. Marti
Die letztern reisen als fromage de Gruyère und als cheese of Gruyère immer noch unter demselben Namen bis in die Vereinsstaaten, 5 wie vormals z. B. 1779 auch der Saanechẹe̥s. Und doch heißt es bereits 1548 in der Schweizer Chronik von Stumpf: «In den Thälern von 258 Frutingen, Sibenthal und Saanen erhaltet man über die Maßen und unzahlbar vil Vychs. Da werdend gemacht die Sibenthaler und Sanerkäß, die under allen helvetischen Mulcken den Preiß habend. Sanaland erhaltet aus der Maßen vil Vychs, machet auch die allerbesten Käß, so in aller Helvetia finden werdend.» Nach Gruner (1751) liefert kurzweg das Saanenland «die besten Käsen der Schweiz»; und nach Pfarrer Gerber (1765) gilt der Meielchẹe̥s dank seiner «Kust fast wie Schabziger» als «wahre Medizin». Saaner Käse wanderte denn auch schon 1778 (laut Gruner) bis Konstantinopel und Ägypten. Es war auch der Käsehandel, welcher die Wiesen- und Weidewirtschaft zu solcher Einseitigkeit gedeihen ließ, daß laut Bonstetten 6 1782 kein Pflug mehr im Saanenlande sich vorfand. Sein Sääch (Pflugmesser) ersetzte der Che̦e̥sstächcher des Händlers.
Verschieden sind sodann die Gestalten der Käselaibe nach der Form der Presse, in welcher die der Aufbewahrung fähigen Käsestoffe ihrer flüssigen Mitgaben entledigt werden.
Eine solche kleine Form ist die factura, faiture, Fätte̥re, das Fätterli, Fetterli, 7 «Vetterli». In ihnen «macht mụ» den Fätteremu̦tsch und Fätteretu̦mmel. 8 Man tu̦mmlet den Tu̦mmel, besonders den Wintertu̦mmel und das Tu̦mmeli, das Tŭ̦mi und Tü̦̆mi, in ganzen Reihen von Tu̦mle, Tu̦mle̥ne, Tu̦me̥lene, Țume̥ne, Tü̦̆mene, in Massen von lẹe̥müetigem ( S. 140) Tu̦me̥lichẹe̥s. Der ist weich wie Lehm: Leim, Lẹe̥m. Daran reihen sich der Mu̦tsch und das Mü̦̆tschli, alle die Mü̦̆tschle̥ni, Mü̦tsche̥le̥ni, Mü̦tsche̥ni, sowie der etwa noch drei Pfund schwere Mätsch.
1
Vgl.
M-L. 1737 f.
2
Walde 136 f.; wie umgekehrt «Butter» als Käse.
3
Gerbers Bild bei
Gutzw. Vgl. (ebd. 29) den als Schulterlast (
spala = épaule) getragenen Spalenkäse.
4
Bleich wie eine Scheibe Vacherin:
Engelberger 40.
5
AvS. 1884. 1895, 3; 1886, 9. 19.
6
M. 19
b.
7
Gw. 401.
8
M-L. 8770. Nach
Stald. 1, 239 ist der Tommen ganz mageres Winterkäschen aus Saanen.
Bloß Järbkäse (s. u.) erzeugen die winterlichen Talkäsereien und die hochsommerlichen Alphütten. In eigenen Hü̦tte n betrieben sechs Bäuerten um 1858 Winter- Chẹe̥seriji, 1 wie 1922 noch i̦hrerụ zwoo, um einen größern Profit ụsaz’chẹe̥se, sowie durch ụsmässe von Chẹe̥serịịmilch und ụswẹe̥gge von Chẹe̥serịịanke der nichtbäuerlichen Bevölkerung entgegenzukommen. Die an einer solchen Käserei Beteiligten, welche jeweils zum Z’sämestand (1924 in den Gruben: zur Aktionärversammlung) sich einfinden, unterhalten ihren Chẹe̥smeister als Angestellten. Jeder einzelne muß, wenn der Chẹe̥r an ihn chu̦nnt, als Schuldner seiner Mitlieferanten die ganze Milch der letzten 259 Lieferungsperiode ụf sị Rächnig verarbeiten lassen. Hụ̈t isch’s̆ a n Matti, moren an Arnold, gäster isch’s̆ a n Raaflaub g’sị usw. Jeder verköstigt den Chẹe̥smeister mindestens am Mittagstisch: zum z’Aabe nd, indes die Hütte Platz zum G’lĭ̦ger, sowie Stoff zum z’Morge, zum z’Väsper und zum z’Nacht bietet.
Wird, wie im Dorf, im Tag zwü̦̆re g’chẹe̥set, so daß es zweumẹe̥liga Chẹe̥s aus zweumẹe̥liger Milch zu verarbeiten gibt: d’s morgig und d’s aabig Mẹe̥li (Mal), so entscheidet der jedesmalige Milchwert über die Verrechnungsart.
Das einem Chẹe̥smeister gleichsam als d’s groß Loos zufallende Lob, er chẹe̥si besser als dieser Bärgchẹe̥ser, geschweige jenes Chẹe̥serli, tuet vi̦l zum Zusammenhalt eines Verbandes ohne den Charakter einer juristischen Person. Richtig organisierte Chẹe̥seriji besitzen eine Ku̦mission, welche regelmäßig die eingelieferte Milch probet und kurzfristige Anstände schlichtet.
Können wir im übrigen betreffs der Talkäserei auf die Beschreibung der Emmentalerkäserei in « Lützelflüh», 2 « Guggisberg», 3 « Ins», 4 « Aarwangen» 5 verweisen, so sei nachfolgend das Wesentlichste mitgeteilt über die Erzeugung des Saanechẹe̥s auf der Alp. 6
1
Schatzm. 3, 79;
AvS. 1888, 35.
2
479-492.
3
172-185.
4
351-356.
5
Nachw. 8.
6
Vgl. hierzu
Gw. 397-409.
Zu täglich einmaligem chẹe̥se am übergerückten Kessel stehend, erprobt nun der Käser alsbald sein Geschick und Glück am ị nchẹe̥se des Rahms der äußerst sorgfältig zugegossenen ältern Milch während gleich achtsamer Beherrschung des Feuers. Gẹe̥ijs Fụ̈r würde das kostbare Schmü̦tzi zum Chä̆mi ụsi jagen. Bluetwarm, d. i. 27° R am Thermometer oder mit dem Ellboge gemessen, soll der g’wärmt und allenfalls wieder g’schwächt Kesselinhalt sein, bis er chăslḁbwarma werden darf. Das ist der Momä́nt, wo zwecks Ausscheidung der Schotte das Käselab zuzugießen ist: die altdeutsche kâsiluppa, kaseluppe, das Chăsloub, Chaslu̦p, Chaslob (Abl.), Chaslụb, Chaslḁb, «Chasle̥t». 1
Vom Galium 2 verum: dem den Waldmeisterli nächstverwandten Labkraut geliefert, wird dieses Lab doch den ( g’schnätzlete und mit Salz ausgelaugten) Mäge von Chalbere und andern Wiederkäuern 3 entnommen oder (wie seit 1919 auf Barwänge) als Kulturlab von 260 der Versuchsanstalt Liebefeld bezogen. Als Labbulver aaṇg’macht und im Chasloubtụttel oder Chaslḁbchü̦bel den Chaslḁbbalg absondernd, wird die Flüssigkeit in einem vom Käser längst erli̦ckte Maß in die Milch g’schü̦ttet.
Durch den Gärstoff (besonders aus Chalbsmäge) des Lab gerinnt 4 oder scheidet sich, scheidet die Milch: sie di̦cket (der Käser hät sa z’di̦cke g’leit). Bei einer von 20° auf 15° R gesunkenen Wärmi bricht sie während der Frist von 40 bis 45 Minuten: der Zusammenhang ihrer Teile wird gelöst. Fett und Käsestoff vereinigen sich zu einer äußerst feinen, breidichten Masse: zum Schlu̦ck. Der läßt sich eben behaglich schlü̦cke; und welche Nährkraft wohnt ihm inne! Eine Portion g’schlu̦cketi Milch mit Chẹe̥s und Brot gibt eine Mahlzeit, mit dära mụ’s cha nn mache! Daneben gilt warma Schlu̦ck als Heilmittel für rooti Auge. Dies besonders, wenn der Staubzander drab ist: Kohlen-Stäubchen, die bei offenem Feuer über die Milchmasse hin sprätzle und vermöge ihrer Schwere auf deren Unterfläche niedersinken. Zu ihrer Entfernung wird der Schlụck úberg’leit: die untere Fläche «über» die bereits geräumte obere «gelegt»: mit Chällezug g’chẹe̥hrt, für der Chässisatz z’uberchoo.
Nun handelt es sich um die Befreiung des ausgeschiedenen Käsestoffs (Kasein) vom anhaftenden Zigerstoff (Albumin und Globulin, Zucker und Wasser). Mit der Harfe wird der Schlu̦ck gleichmäßig zerschnitten, und mit dem Rührer werden die Würfel bis auf Erbsgröße verkleinert, alles ohne Feuer. 261 Dieses vorchẹe̥se soll einen gleichmäßigen Bruch erzielen. Hernach wird über dem Feuer brüeijt bis auf 37° R, ja bei wildem Bärggras auf 40° wenn es sich um magera Chẹe̥s handelt, auf 45° für feißa.
Die durch solches brüeije 5 beförderte Ausscheidung der Käsemasse wird unterstützt duch ein zwänz’gminụ̈tigs ụsrüehre und das schließliche z’Bode rüehre.
Mehr und mehr löst sich das Wasser vom Käseteig: dieser wird ’tröchchnet, ab’tröchchnet, so daß er auf den Zähnen quietscht: wi̦gget, gịxet.
Der Schlu̦ck ist damit g’rụe̥hrta und heißt d’s Gruehrta, G’ruehrt’s oder G’rüehrt’s. G’rüehrta Schlu̦ck ist für Liebhaber ein gleich wertvoller Schläck, wie der noch «ungerührt» gebliebene Schlu̦ck, und wie der nach dem voorbrächche mit dem Brächcher zerteilte, b’brochche Schlu̦ck oder der Bri̦tsche: die aus dem Waadtländischen zurückentlehnte britschi. 6 Gleich angefügt sei die Bri̦tschemụs 262 oder das Bri̦tschemụ̈sli also das Nahifahri (der «Wiggefisch»). 7 So heißt der der haschenden Hand auf dem Kesselboden immer wieder entwischende Käserest. Der wird nun einfacher eingefangen mit dem Chẹe̥stuech, in dessen Rand der Chẹe̥sreiff als Handhabe gewickelt worden.
1
Lf. 629;
Kluge 274;
Weig. 2, 1;
Schwz. Id. 3, 952.
2
Aus gr.
gala-tmón (Milch scheidend):
Prellw. 89.
3
In alter Zeit aber auch von Hasen (
Gutzw. 2, nach
Herdi 32).
4
Koaguliert,
caille:
M-L. 2005, zu
co-agere: zusammentreiben.
5
Wärme zuführen; vgl. brüe-t-en, Brut. (
Kluge 73;
Weig. 1, 297.)
6
Vgl.
ZfdM. 1924, 200 f.;
Brid. 58.
7
Gw. 407.
Drei Pfund trockenen Käses (oder fünf Pfund Butter) 1 erzielt man aus hundert Pfund Milch. Wie viel schwĕrer wiegt er, wenn er bachnáß vam Chässi uf de nm Brässel gebracht wird!
Zur Gesamteinrichtung des Chẹe̥sbrässel gehört insbesondere die Präß, deren Belastung das zwei- bis dreifache Gewicht kleiner Chẹe̥sle̥ni, auf das sech- bis zehnfache des Gewichts größerer Chẹe̥se normiert wird.
Kreisform und gleichmäßige Breite des Ranfts (der Schwarte) werden gesichert durch das Järb 2 (Sa., Jaun) oder den Jä̆rb (Abl.), bzw. das Jä̆rbli, dessen Umfang mittels der sechs Bụntzäpfe des Stäg, früher der Trüegle, jetzt immer mehr mit Hilfe des praktischen Zu̦u̦gtü̦tschels g’räge̥liert wird. Auf das darüber hinauswuchernde Chẹe̥srịssi oder Chẹe̥serịịßi ( S. 251), welches beim rịssene abfällt, wartet irgend e Chẹe̥serịịchatz. Der Schläck fällt besonders reichlich aus, wenn der Südwind: 3 der Föhn die Käse blẹe̥ijt, der Käse also b’blaata, auch brü̦chiga und g’raffta (zu trocken) wird. Dem Genießenden schmeckt er dann, a ls wen n er Stoßscheiti (Hobelspäne) frẹe̥ßi. Wie aber, wenn solches «härt» mit «rẹe̥z» sich zu der Tugend vereinigte, die auch dem Genießer in dem Reim angewünscht wird:
Härt Grinda, härta Chies,
Hündisch guet u grad rächt riez!
4
Dies altdeutsche rāzi, mhd. raeze, rääß, reeß, rẹe̥ß und rẹe̥z bedeutet scharf im Geschmack, 5 dann scharf («schneidig») in der Art «sich zu geben» (wie di rẹe̥zi Frau und Mutter), eilig ( dịe̥ sị rẹe̥z cho z’fahre!); schon 1429 bedeutete retz: bereits. Rẹe̥zlochtig ist svw. hastig. Rẹe̥z, rẹe̥ß und damit rä̆schig werden Käselaibe durch ein salze, das auf mehr als ihre Dauerhaftigkeit abzielt.
263 Regelmäßiges salze der von der Presse kommenden Laibe während etwa drei Wochen mit gerösteten, zermahlenem und übergesiebtem Salz ist ein geringer Teil der Arbeit eines Salzer, Chẹe̥ssalzer. Der übt als Chẹe̥sgaumer noch andere Arten des gaume und raatsame. Der 24 Stunden auf der Presse gelagerte und damit fester gewordene Käse läßt das während der ersten 2 bis 3 Wochen reichlicher, dann noch während 10 bis 11 Wochen spärlicher 6 eingeriebene Salz immer weniger eindringen, so daß ein sehr kundiges chẹe̥hre, bü̦rste, abwäsche usw. nachhelfen muß.
Dem Salzer, welchem der Chẹe̥sträger u̦f em Chẹe̥svogel 7 die Käse partienweise ( à mĕsüre) ins Tal hinab zuträgt, wird sein Mühwalt denn auch vom Chüeijer u̦f em Bärg gebührend geehrt. So u. a. dadurch, daß der Chẹe̥sträger allwöchentlich ihm es Fusterli volls Nị̆dle bringt. (Dieses Fụsterli wird in der dazu frei gemachten Hand: va Fụst getragen.)
Vom Olde nach der Rụ̈ụ̈sch werden die Käse g’schlittnet. Hier nimmt, wie auch im Haseloch, immer noch das altväterische Pụụr (s. u.) die vom Chẹe̥sträger oder Färgger har g’färggete Chẹe̥sa auf.
1
Bonst. b.
M. 22
b.
2
Das vom Wallis entlehnte Wort bedeutet «Zurüstung» (zu «gerb-en» als «gar», d. i. bereit machen).
ZfdM. 1924, 232;
schwz. Id. 3, 68;
Frehner 74.
3
Bonst. 84.
4
Nach
AvS. 1909, 40 im Fremdenbuch des «Wildhorn» zu Lauenen.
5
Nach
Walde 639 f. und
Weig. 2, 531 urverwandt mit l.
rādere und
rōdere (schaben, kratzen, nagen);
schwz. Id. 6, 1269-1280.
6
Vgl.
ökon. Gesellsch. Bern, Mskr. 36. Intensive Salzkur:
Gutzw. 48.
7
Gb. 545.
Wie guet aber Saanechẹe̥s ist, wissen bereits seine Erzeuger selbst. Ist schon e̥s Schwartli Chẹe̥s i d’s Muul ein trefflicher Hungerstiller, so sind b’bẹe̥ijt Chẹe̥sschni̦tti ein Leckerbissen — sogar va minderem Chẹe̥s, wie dann erst von Ee̥mdweid — und besonders Meiechẹe̥s ( S. 249)! Solchen forderten denn auch bis 1312 die Greyerzer Grafen als Abgabe. 1
Zweu Jahr älter als fäär ndriga geworden, und jünger als eindle̥fjähriga schmeckt der Saanenkäse am feinsten. Van da n e̥twägg fẹe̥t er an, rẹe̥za zu werden und geit umhi z’ru̦gg. Längst «vorüber» war z. B. jener wi Scheiti zu kauende Käse von 1643, welcher 1782 dem Landvogt von Bonstetten geschenkt wurde. 2 Es gehörte zum d’rum tue, wie etwa jener angebliche Zuruf einer Tochter bei Tisch vor jugendlichen Gästen: Papa, weigget der Arm! (statt bloß die Hand zum Schneiden des «recht alten» Käses). Oder zum Bruder: Hau di ch nit! La ß’s lieber sị!
264 Also: alter Käse, viel Käse. Wär se̥n ( sîn) aber keina hät, soll o ch keini Pfäästerzwẹe̥li (s. u.) haa! Arme r Lụ̈te Winterchẹe̥s u rịch Pụretächteri sịn grád zịtigụ̆. Alli Jahr e Chẹe̥s i d’s Gadem — wẹe̥ni g Chẹe̥s; alli Jahr es Chind — glị ch vi̦l Chind. Wer am z’ru̦gghụsen ist, sagt: Der alt Chẹe̥s hät g’minderet, u frischa hät’s keina g’gää.
Dagegen: Wär Chẹe̥s hät, find’t schó n Mässer. Auch das wackere Chlịpụ̈rli, das seiner Existenz sich wehren muß, aber geng ’s es b’hau ptet und dü̦ü̦r chhaut.
1
Chr. 9.
2
Weitere Beispiele:
Gutzw. 47.
Nun zurück zum Chässi! Der Chẹe̥s ist ụsa, «und es wallet und siedet und brauset und zischt» die zurückgelassene Chẹe̥smilch. Man benennt sie wohl auch mit dem mehrdeutigen 1 Namen Sĭ̦rbe̥ne (im Simmental: Si̦rme̥nde, im Unterland: Sĭ̦rte). 2
G’wällti, läßt die Käsemilch das in ihr zurückbleibende Fett als zarten, feinen Feim ( S. 253) schäumend aufwallen. Oft genug (bei dḁrná ch beschaffener Milch) gestaltet sich der Feim zu dicklicher und körniger Masse: zum Bịịfer, Bị̆fer. Aus diesem wird feiner Vorbruch ( S. 253), oder mü̦rba, brööda Bị̆feranke gemacht und schmeckt einem Kind, welches als das Bĭ̦ferpunti ( S. 253) kosend gescholten wird, besonders gut. Nach seiner Färbung heißt der Nachtfalter der Bĭ̦fervogel. Das siedende Aufwallen aber erinnert an das Gehaben eines unaufgelegten und krankhaften Menschen, der gẹng äppis z’bị̆fere hät, er weiß nit was; item, er pịịstet u bịferet 265 emel. Auch ein ziel- und zwecklos sich hin und her Bewegender bị̆feret umha.
Ein mir mißratenes Unternehmen aber hät me̥r b’bị̆feret u b’brŭ̦slet, wie Milch, aus der nichts Rechtes wird. Sie wird bei Gewitterluft, wa d’Schäre macht z’stooße u d’Milch macht z’sụre, úbergẹe̥ndi. Es hät sa b’brŭ̦slet.
Die Trübheit der Masse benennt diese weiter als den Truebel oder Trụ̆bel. So heißt auch trüber Wein, ein Gemisch dicker und dünner Flüssigkeit usw.
Ist aber all dieser Abschụm entfernt, so ist die übrig bleibende Chẹe̥smilch eine Zukost für jeden, der sie verträgt. Wenn sie aber mẹe̥h chosteti, würde sie auch ganz anders̆ g’schätzt.
Welchen Nährwert birgt sie doch! Eine volle zweite Hälfte des Eiweißgehalts der ganze Milch.
Ausscheiden läßt sich dieser mittelst einer Sụ̈ri oder eines Sụr, das in einer andern reichen Wortsippe als «scharf» bezeichnet wird. Zu dieser gehört u. a. das l. acétum ( c = k), das ältest germanische akēt, 3 das Ächche̥s, Ächchis, Achchis. In der Achchịsstande aufbewahrt, wird es in jeweils nötig erachtetem Ausmaß aus der Ächcḥisgŭ̦s̥ene (s. u.) in siedende Käsemilch g’schüttet. Es ergießt sich: es gießt auch seinerseits über die Flüssigkeit im Kessel, und guet g’gosse hät’s, wenn der Erfolg vorliegt in schöner grüner Schotte (s. u.). Hierzu muß freilich das Ächchis sorgfältig zusammergesetzt sein aus Bestandteilen, zu welchem u. a. der Essig mitgehört: das Ässĭ̦g, alt: eßßich, aus atēcum als umgestelltem acētum. 4 So ist z. B. das Wị̆nässig u. a. soviel wie saurer Wein (der ja auch — als vin-aigre — den besten Essig abgibt).
Das Ächchis dient also zu einer Albumin- und Globulin-Ausscheidung oder zu einem Scheid, Schi̦i̦d, welcher nach dem ersten (demjenigen mit Lab) folgt. Und wie so häufig, teilt sich mit einer Tätigkeit deren Ergebnis ins gleiche Wort: das Ächchis erzeugt den «Nachschied»: den Naasche̥t (s̆s̆). Der wird zum Zwecke spätern Verbrauchs mit der Zigerchälle herausgenommen, im Chẹe̥stuech, aufgehängt oder im Naasche̥tsammler gesammelt, bis alle Scheide daraus geronnen ist, 266 Dann g’salze, in Chämi g’räukt und aufbewahrt, um dann auf den Tisch reicher wie vermögensloser Älpler zu kommen.
Die Hauptmasse desselben, wenn nicht sogar des gesamten ausgefällten Eiweißes samt dem Fette, trägt einen im Oberdeutschen weit bekanntern Namen, 5 welcher nicht dem Stoff, sondern seiner Verpackungsweise als Abgabe älterer Zeit angepaßt ist. 6
Das ist der Zĭ̦ger, und zwar zunächst feißa (1529 und 1582 zu Unterseen: veyster), 7 der allerdings vor dem zi̦gere noch ein beschränktes chẹe̥se, wenn nicht sogar aachne zulassen konnte. 8 Aus einer Balle frischen Magerzigers, aufgebessert jedoch mit einer Aahemballe, bestand vormals das Zigermues, 9 welches der Chüeijer seinem Chüepụr ( S. 252) und seinen Höuwerslụ̈te uber den ị ngmärtete Chüezins und Höuwlohn ịịn allsommerlich zustellte. Der es überbringende Chnächt oder Statterbueb, Zịgerchnächt empfing dafür das obligate Tri̦chgält.
All dieser Zĭ̦ger ist zum sofortigen Verbrauch hergestellt, entbehrt also der Konsistenz, mittelst welcher er an einem Zĭ̦gerhaagge oder dgl. etwa in den Rauch gehängt werden könnte. Drum ist dieser «Haken» auch wieder eins der Spaßwörter, mit welchen man ungewitzigte Junge für de n Narr hät. Eine gewisse Festigkeit und Dauerhaftigkeit erhält der Zieger durch den Zĭ̦gerchlee ( Melilotus coerulea), der den Schabzĭ̦ger grün färbt. 10
Mit der chu̦pferige Zi̦gerchälle aus dem durchsäuerten Bru̦sel e̥s frisches Zĭ̦gerli herausfischend und heiße Käsemilch samt kalter Vollmilch zugießend, verschafft man sich eine Zĭ̦germilch für den täglichen Mittagstisch, wie aber auch eigens für de n Sụfsunntig (s. u.). Da ist die Zĭ̦germilchszịt die dreizehnte Stunde, deren Abwarten allerdings ein hinlängliches z’morgne voraussetzt. Natürlich wird das Labsal von der ganzen zu Gast geladenen Tafelrunde mit den großen runden Holzlöffeln aus dem gemeinsamen Napf gegessen.
1
Zusammengesetzt aus
serum (Käsewasser) und
pulmentum (Fleischspeise),
schwz. Id. 7, 327 bis 329.
2
Vgl.
Gw. 685;
Lf. 485. 490. Nach Küenlin 105 ist die fbg. Sürbelen svw. Schotte; vgl. die
Geißschotte als Rückstand des
Geißchees.
3
Gotisch: Matth. 26, 48, «Escher»: Steinmüller (1802).
4
Kluge 120.
5
«Ziger» zu «zehn»:
Lf. 492;
Gw. 692;
Gb. 682;
Ins Nachw. 94;
Aw. 450;
Stald. 2, 473;
Gutzw. 38.
6
Vgl. «Rumpf» auch im
schwz. Id. 6, 947 ff.
7
Grunau 1914, 124 u. ö.
8
Kasthofer 22, 26.
9
Mues als «Zugemessenes»:
Aw. 353.
10
Gutzw. 24; Kümmel, Schafgarbe: ebd. 23. Feißa Ziger: 39.
Auch mit Naasche̥t und Zĭ̦ger ist die Milch no ch nịt z’vollmụ ụsg’nu̦tzeti. Die Scheide oder «ausgekochte» ( excocta) Schotte 1 gibt, auf 26-27° neuerdings erwärmt, einen Schluck zweiter Güte. Seine Süeßi wies längst auf einen noch höchst verwertbaren Stoff: 267 den Scheide- oder Milchzucker. Solcher war denn auch eine Zeit lang in Grindelwald 1a wie im Saanenland ein Gegenstand älplerischer Industrie.
Als nämlich zu Anfang des vorigen Jahrhunderts die vom kurzzeitigen Weltbeherrscher aus Korsika gegen England gerichtete Kontinentalsperre die Preise auch für den damals noch konkurrenzfreien Rohrzucker auf eine unerträgliche Höhe trieb, ersetzte man sich auch in der Schweiz das unentbehrliche Produkt durch Milchzucker. Erfuhr man doch aus Proben, daß 200 l Molken ungefähr 25 kg Zuckersand gää. 100 kg Zuckersand galten 70 bis 80 Franken, und ein Betrieb mit 40 Kühen erbrachte damit einen sommerlichen Reingewinn von 1000 bis 2000 Franken. Auch der de n Süwe verfütterie Rückstand hatte seinen Wert. Es fragte sich für den eine solche Produktion wagenden Alpbesitzer bloß, ob die chöstlichi apartigi Einrichtung des Betriebes, der eine Unmasse Holz und die Anstellung van eme Chnächt mẹe̥h erforderte, räntieri. 2
Als die Aufhebung der Kontinentalsperre dem Preis für 100 kg Zuckersand das gewaltige Schwanken zwischen 100 und 35 Franken brachte, ging die kurzzeitige älplerische Industrie wieder ein. Dies um so mehr, da nun Zuckerrübe und Rübenzucker 3 die ausländischen Rohrzuckerpreise hinlänglich im Schach halten. So hörte denn auch um 1824 im Saanenland die Zuckersiederei auf, 4 außer an der Wi̦spịle. Dort lockte das als 268 Futter sonst minderwertige Äänigraas ( S. 162) zu noch längerer Ausnützung seines Zuckergehaltes zu einer Zeit, da man die spezifisch medizinische Wirksamkeit des Milchzuckers geschäftlich auszunützen begann. Bloß die Frage, wie man nach der drohenden Vernichtung des Waldbestandes einen Ersatz desselben zur anderweitigen alten Alpwirtschaft aufbringe, ließ das zückerle auch hier eingehen.
Von solchem zü̦ckerle redet das Zü̦ckerli: eine Vorsaß neben dem Umbehri (s. u.) bei der Feutersöy an der Wi̦spi̦le. In dieser Zuckerlivorschḁß stand eine Zuckerhütte oder ein Zuckerhụ̈si, wie noch auf recht mancher andern Saaneralp. Das als eigens Fụ̈rhụs isoliert stehende Gebäude barg nichts als das ig’mụret Zuckerchässi samt dem knappen Raum zu seiner Bedienung.
In diesem Kessel wurde die zuvor von jedem Zĭ̦gerwü̦lcheli befreite und zwecks Scheidung mit etwas Sụr versetzte Schotte einer intensiven Chocherịị unterworfen. Die währte ohne Unterbruch van de vieren am Morgen bis um drüi ol vieri im Na chmittág. Va mälhen e̥wägg und von jeder andern noch so dringenden Arbeit dana hät mụ müeßeṇ ga schalte: 4a das zerstreute Feuer zusammenraffen und nụ̈wi ganzi Mü̦̆se̥li (Brennholzspälten) a nläge. Ein besonders scharfes Ụfpasse erforderte das Ụschochche des sich ausscheidenden Zuckers, damit dieser nit verbrü̦nni und der kostbare Kessel volla Blaateri werde.
Hingen sich endlich an die eingetauchte Holzchälle Schị̆bleni, so wurden diese in eine Gepse geschöpft. Alle die gewonnenen Scheibchen wurden über Nacht g’laße staa. So bildeten sie eine feste Chru̦spe 5 (Kruste). Die wurde am Morgen mit kaltem Wasser (welches nachher Sụ̈träähi gab) übergossen und zerrieben. Neuerdings chalt g’wässeret, wurde nach und nach die ganze Masse zu Sand — etwas gröber als Schrị̆bsand — zermahlt und in einer Bochte dem trocknenden Luftzutritt ausgesetzt. Sorgfältig war dabei der Zuckersand vor dem grauwe zu bewahren. In eigens gefertigte Zwilchseck verpackt, wurde die Ware durch Fuhrleute uf Thun ahi g’füehrt, wo Luzerner und andere Fabrikanten als Besteller sie zum lụ̈̆tere in Empfang nahmen.
So ließen sich aus dem Milchertrag von etwa 60 Kühen täglich bei 25 Pfund Zuckersand (oder etwa auch Milchtẹe̥feleni) gewinnen. 6
1
Schwz. Id. 8, 1536.
1a
406.
2
Gutzw. 73.
3
Ins 215-222.
4
M. 9.
4a
Schwz. Id. 8, 486.
5
Welche wie harte Rinde zwischen den Zähnen
«chröspelet» (
Schwz. Id. 3, 866).
6
Über dies
zückere belehrte uns hauptsächlich, der bald darauf (1921) verstorbene, hoch intelligente Arbeitsmann
Emanuel Matti im Ebnit.
Den folgenden Beitrag über chüeijere u zückere im Turpach verdanken wie Herrn Chr. Frutschi, Verwalter der Konsumgenossenschaft, welche in dieser vormals so vereinsamten Talschaft ( S. 18) nach gelungener Erstellung des Turpḁchsträßli das ansehnliche Konsumgebäude mit Postablage, Verkaufsladen und Kaffeestube errichtet hat.
A lsó wie n a n mängem anderen Ort ist och hie u̦f em Bärg g’chüeijeret u ’zü̦ckeret worde. Da ist noch iez näben eme nụ̈we Stafel es chlịs alts Hụ̈ttli. Es würd iez als Holzschopf b’brụcht. In däm Hü̦ttli ist vu̦r Alters̆ fụr d’s zückere es Chässi ịṇgmụrets g’sị. Van den ältere Lụ̈te g’hört mụ b’rịchte, daß das zü̦ckere vi̦i̦l Arbeit g’noo heigi. D’Chnächta heigen am Tag fast nit gnueg Holz möge zueha rääfne. Am Aabe nach dem mälhe heige d’Chüeijer d’Scheide, wa nach em zi̦g’re im Chẹe̥schässi b’bli̦be sigi, in das im Hü̦ttli ịịg’mụret Chässi ’trage und d’runder g’fụ̈ret, bis daß die Scheide sigi ịṇg’chocheti g’sị zu neme rootbrụ̈nliche Satz. U daas sịgi mängist bis am Morge g’gange. Där Satz oder Bru̦tz sigi de nn mit ere Chälle fürha iṇ Gäpsi ’taa u [sịgi] chalts Wasser d’rü̦ber g’lööst worde, für z’lụ̈̆tere. Nahi, wenn der Zucker g’nueg sịgi g’lụ̈tereta g’sị, sụ sịgi er uf Lade g’leit worde für ụsz’trochchne. Su̦bald daß den n es paar Zäntner Zucker sịge m bi n enandere n i n Säcke g’sị, sụ heige zwöö oder drüi starch Chnächte ’nḁ n ụf em Rääf i d’s nächst Dörfli ’trage un d ’nḁ Fuehrlüten ubergää für u̦f Thun oder Bärn z’füehre. D’Chnächta heigen de nn mängist in der Würtschaft g’holeiet u b’bagglet u b’blagiert bis der ander Tag. Aber si heige g’meint, wenn der Doppelzäntner zwänz’g Franke g’golte heigi, su̦ mögi ’s e̥s verlịde.
D’s groß Chässi sịgi lang z’Sant Stäffe hinder eme Stöckli g’sị für ’ne großi Bochte (Kufe, S. 64), u sịgi mängs d’ri verrichtet worde, wa der Chüeijer nụ̈t hätti dra n g’sịnnet. Spẹe̥ter sịgi’s dụ ’putzt u nach Amerika wi̦der für z’chẹe̥se verchauft worde. D’s Zuckerchässi wärdi noch iezen obna b’brucht für n e n-m Brunnetrog. Der groß Aachchü̦bel und e Naasche̥t-Sammler-Ụfsatz, wa chlịnder Statterbuebe dḁrdü̦r schleuffe chönnte, sigi o ch noch obna. U vam Chässibri̦tt heige di jezige Chüeijer es Stück g’saaget u brụche ’s e̥s wĭ̦der. Chẹe̥sbrätter sịgi eis fü̦r ’ne Tü̦r b’brụcht worde, un es anders̆ heigi e n Tisch g’gää.
Eine neue Form der Milchkonservierung wird seit kurzem technisch ausgebeutet durch die Usine laitière von Greyerz im Stationsdorf dieses Hügelstädtchens: in Epagnier. Da wird die Milch nicht mehr bloß kondensiert oder zu Pulver eingedickt, sondern in trockenem Zustand zu Würfeln und blocs gepreßt. Das neue Produkt ist unveränderlich und bewahrt alle Eigenschaften der Frischmilch.
D’Chnächta van eme rächt große Chüeijer heigen im Dörfli 2 och schier für aang’sẹe̥hndi Manna g’gu̦lte, b’sunderbar bi n de Buebe. Die heigen albe n ordelich G’lust uberchoo, och e̥mal in e söttigi Chüeijerịị z’Bärg z’chönne, u söttegi Ụsbünd under em Rääf z’wärde. Un d ḁ lso eina, wa törffi erzälle, derwịlen die andere müeße lose.
Aber ḁ lsó wie die, wa Rääf traage, so heigen ooch die, wa n obna am Bärg sị b’blĭ̦be, Ụsbünd im mälhe müeße sị, daß sị währet der Zịt alleinig allz heige möge mache. Aber es sigi dännd o ch vịl d’rụf g’gu̦gget worde-m bi’m Chnächt aaställe, daß eina der Tụme toll chönni ahi näh. Die sịgen denn o ch minder müed worde, we nn’s es ungrads Mal heigi eimụ zwänz’g Chüe oder druber g’gaä z’mälche — wenn die läste d’s Utter u d’Tille heige g’spannet g’chabe, daß es sälber z’allne Sịten ụsg’spri̦tzt heigi; oder wenn su̦mụ zẹe̥iju sịgi g’sị, daß d’Statterbuebe ni̦t e Löffel volla heige fürha b’braacht.
A lsó, wi̦’s oppa überall verschĭ̦de b’bu̦ret u g’chüeijeret wärdi, so würd’s ooch van disem Bärg erzählt. So heigi mụ g’hört b’richte, där, wa n aaṇg’fange heigi, in däm Bärg ḁ lsó groß z’chüeijere, där heigi d’Sach fääster z’säme ’taa, a ls der Jung vertaa. Aber er heigi ni̦t g’meint, daß mụ nu̦me mit vil Chüehne chönni vil Milch haa; aber di Chüe, wa n är g’chabe heigi, heigi er guet g’haa. Wenn d’Milch im Chässi sịgi e Hand breit z’ruck g’gange, so heigi er gseit: Wir müeße fü̦̆rer laa.’ 3
Im Härbst sịgi er friüij ab dem Bärg ahi u (heigi) g’seit: da müeßi öppes blịbe, daß’s de nn d’s ander Jahr bässer u sääfter wider umhi chämi.
Bi n 4 de n Chnächten aaställe heigi äär o ch mẹe̥h g’gu̦gget, was sị mit de Hände a ls mit dem Mụl chönne verrichte.
Der Jung heigi du vil Milch mit vil Chüehne wellen erzwengge. Am Afang in der Bärgzịt heigi är’s̆ es b’hau ptet; aber de nn spẹe̥ter sịge sị denn es Wänd 5 ergaltet. Wann der Vatter e̥mal zum Junge am Jakobstag am Bärg sịgi ga B’suech mache, heigi am heimgaa ẹs Manndli ’nḁ g’fragt: U nd wie hät’s der g’fallen am Bärg? Da 271 heigi är g’seit: Ni̦t sövel guet. Sị heiṇ grad jetz nit mẹe̥h Chrụt, a ls ich da g’laße haa, wen n i albe g’gangem bi̦. Der Jung heigi vi̦i̦l Chüe van de n Pụren umha d’dinget. Es heigi ’rụ g’nueg g’habe, wa sị ’mụ gäre g’lụ̈we heige. Söttiger, wa n albe n ooch g’meint hei, e̥s spari Chrut u Höuw, we nn sị si (die Tieri) lang chönnen uf em Bärg laaße. Der Jung heigi denn ooch für di ganzi Zịt glịch ’zinset. Dḁrfür heige söttig Pụ̆re ’nḁ n denn ooch g’rüehmt, wị n är guet chönni chüeijere, wen n är mẹe̥h Chüe chönni uf em glịhe n-m Bärg b’sätze, a ls der Alt, und den n glịch no länger obna blịbe. Der Jung heigi dụ ooch vil mẹe̥h Chnächta müeße haa, du̦ 6 n är am Aafang am Bärg mẹe̥h Milch g’chabe heigi a ls der Alt, un d ooch du̦ n äär mi̦nder u̦f d’s chönne van de Hände heigi g’luegt, a ls u̦f d’s chönne vam Mụụl. Es heigi äben dem Jungen och wohl’taa, wenn d’Chnächta d’s Mụl heige chönne n m brụche, van der große Chüeijerịị z’brichte. Löhn heigi är scho 7 ni̦t bi grööste ’zahlt. D’Chnächta heigen och öppes der 8 große Chüeijerịị müeße rächne. Zĭ̦ger sịgi mẹe̥h uf e Tisch choo a ls Chẹe̥s; aber dḁrfür heige d’Chnächta den n am Schatte van de n-m Bärgtannen uber Tag mängist g’schlaaffe u de̥m plagiere nahi g’sinnet, u no ch im Traum wịter groß ’taa. Im Zü̦geltag oder wen n si 9 fü̦rer g’fahre sịge, heigi sich den n ḁ lsó rächt e jeda g’spü̦rt. Si heigeṇ ganz groß g’gloggnet u Zü̦geltri̦i̦chli g’habe, ohni z’spare. Das heigi ni̦t nu̦me de n Chüeijere Hüenderhụt g’gää, u sogar noch de n Pụren u̦s em Türbach un u̦s em Sĭ̦betal, wa n oppa sịṇ ga zueluege. Da, we nn sị bi n de n Tanne vu̦rbị ’zü̦̆glet sịge, da sịgen die Zäpfi chon embri̦nha ztroole. — Aber ḁ lsó, wi’s mängist oppa gangi, we nn Meister u Chnächt z’bẹe̥de Teile mit großem Schịn u Wäse vi̦l wälleṇ gälte u mängsmal deßtwägen uneinig wärde un u̦senandere chäme, so sịgi’s allwäg o ch hie g’gange.
Mu̦ g’sẹe̥ji da vi̦l an ere Wand oder 10 Bịịstaal un am Chässiture̥ n e Name mit dem Mässer ụsag’hụ̈wna u d’s Chrụ̈tz u d’s Häägli dḁrbị. 11 Der Jung sịgi aber glịch ni̦t e tumma g’sị wị mänga andera: är heigi sị Chüeijerịị in ander Händ g’laße, ẹe̥b äär heigi g’macht z’verliere.
1
Von Konsumverwalter Chr.
Frutschi.
2
Turbach.
3
Die Kühe in einem andern
underzunete (
S. 171) und nun neu begrasten Bezirk der Alp weiden lassen.
4
Beim Lösen der schwierigen Aufgabe...
5
Plötzlich: in der knappen Zeit, während der ein Stehender oder Liegender sich «wendet».
6
da.
7
freilich.
8
Der Ehre des Dienstes in...
9
Innert dem Alpbereich.
10
Ergänze: a mene.
11
Als geheime Übereinkunft sofortiger Dienstabsage.
Aus Schönried folge diese «Ziger-Expedition mit Hindernissen»: 1
Äs sị längi Jahri desse, da het a mẹnen Aabe, scho spẹe̥ter anhi mịni Mueter g’seit: Majeli, du muest de nn morge früeij ụf! Wir wein den n a d’s Hŏren ga Naasche̥t (s̆s̆) u Zĭ̦ger reihe. Tụ’ afa d’s Hu̦ttli a b-d der Trappen (s. u.) abbha fü̦̆rha rü̦ste. Dụ muest dich de nn sälber strẹe̥le; i ch will de nn g’schwind d’s Morgesacheli mache und dem Sụ̈wli gää, das s we̥r ẹmel de nn de̥s uehi chönne ggraagge.
Ie̥ch han es Bi̦tzi Freud g’chabe 2 u bi na ch de̥m z’Nacht tĭ̦fig i d’s Bätt, ha b’bättet u dḁrna ch g’schlaaffe wi ne Roone. Am Morge han ich g’lähig mịs z’Morgen ahi g’wu̦rgget u mich z’wä̆g g’macht. D’Mueter ist g’ru̦sti g’sị. Si het ĭhra Hu̦ttli a’ n Rü̦gg wälle näh. U dụ g’wahret sị, das s we̥r noch e̥keis Tüechli hei. I bị schon es Bitzi vam Hụ̈̆sli vü̦rhi g’hüpferlets g’sị. Sia 3 het mer g’rüeft: Gang reich no grad es Zwẹe̥li (s. u.)! Aber gu̦gg, daß du’s nit verwu̦rggist! Nịm m eis us der Gum modeschaublade (s. u.).
I ha’s g’macht. U wa n i dḁrmit ha wällen ụsi springe, bin i mit dem Röckli an e’r Gum modestrụbe b’hanget, u han eṇ grụ̈ßeliha Schrĭ̦ß g’macht. Dän hei we̥r du ó ch müeße z’sämenẹe̥ije, ẹe̥b we̥r hei chönne z’g’rächtmụ des uehi gaa.
Ändlich sị we̥r ụf em Wääg g’sị. E tolla Blätz hei we̥r rächt gueta Wääg g’habe. Dụ nahi sị we̥r mẹe̥h ḁ lsó uber d’Reinte̥le̥ni 4 dü̦rhi u gan e̥me̥neṇ Gräbli naa ch bis daß’s̆ het g’rückt, daß wer obna sịge, u daß wer’s̆ e̥s erggịtschgets 5 heige.
Es chlịs Bi̦tzi under em Bärgstaafel aha ist n ụ ns der Chüeijerchnächt bigägnet. Är ist cho z’lauffe, a ls brü̦n ni’s hinder ’mụ. U d’Mueter het ’nḁ g’fragt, was är ḁ lsó z’lauffe u z’schnụbbe heigi. Är het nit lang Zịt g’noo, mit n u̦s z’waschle. Nu̦men im verbi pfụfe het är g’mu̦mlet, är müeßi i ’s Tscharied zum Chrẹe̥mer ga Tschu̦ggizu̦cker 6 u Liechtdahe (s. u.) reihe. Är ist de̥s abi, a ls fleugi e̥r. U wier hein der Bu̦ggel volla g’lachet, wi̦ n däär ist dḁrva g’fäcknet.
Wier sịn du z’vollmụ zum Stafel zuehi un i̦nhị g’gange. Da ist der Chüeijer bi n der Fụ̈rgruebe g’stande näbe nt dem Chässi u het der Schlu̦ck g’rüehrt mit dem Brächer. Är het n u̦ ns g’fragt, ob we̥r G’rüehrts welle sụffe (s. u. und S. 92). Wenn ja, su̦ sölle we̥r grad e jedi es Chachteli a bd dem Bäächli näh un u̦s cm Chässi 273 näh. Wier hein daas g’macht u hein e jädi es Chachteli volls ụsa g’noo u’s e̥s stẹe̥ndlige ’trŭ̦he. Wier hein nit mẹe̥h g’noo wägen ü̦nser Ee̥hrgi rendi: 7 daß är nit appa de nn no ch chönnti säge, wịe̥r wẹe̥ren u̦verschantụ.
Der Chüeijer het n u̦ ns du der Naaschet u Zĭ̦ger u noch es tolls Balli Aahe g’wẹe̥ggt. D’Mueter het allz z’säme ịp’hackt, u (wir) si wĭ̦der de̥s abbha r. Es hät n u̦ ns ’dŭ̦cht, wier heigen u̦ ns lang verplööterlet, u hein aṇg’fange lauffe, was häst, was gi bst.
Un d uf eismal schlẹe̥t es Stempeli 8 der Mueter der Haagge. U sia g’hịt, u d’s Hu̦ttli uber de n Glü̦tsch 9 ụs, u Naaschet u Ziger u Aahe — allz ist uber ’ne Chri̦snaadlehụffe ’troolet. Mịe̥ch het’s g’lächeret, daß ich ha müeßen der Bụch verhaa. U nd a ls guet a ls nit hätti mi ch d’Mueter bald mit dem Zwẹe̥li e nm Bitz abtschagglet (geschlagen), daß iech’s e̥s de nn hätti g’wü̦sse, wḁrum iech ḁ lsó pfu̦pfli.
D’Mueter het dụ di Sache wĭ̦der z’säme g’ramassiert un in der Täubi i d’s Hụttli g’worffe, u g’seit: Wir hein eme̥l allwäg nụ̈t an der G’wicht verlore. Si het du verabbha grụ̈ßelich g’gu̦gget, daß’s ’ra ni̦t noch e̥mal ḁ lsó gangi, u het’s eme̥l du̦ b’hau ptet, heim z’choo, ohni noch e̥ Mal en Underenandere-rụ̈̆blete z’mache.
Ie̥ch han du deṇ glịchen Aabe noch müeße d’s ABC schrị̆be, un (zwar) ḁ lsó, wi̦ hie nahi steit: a, bẹe̥, zẹe̥, dẹe̥, ẹe̥, äff, gẹe̥, haa, ịị, gchaa, äll, ämm, änn, oo, p’hẹe̥, gchụụ, är, äß, thẹe̥, ụụ, vou, wẹe̥, i̦x, ị̆psiloon, zätt. A lsó hei si zu mi’r Mueter Zĭt b’brichtet. Spẹe̥ter hei du̦ d’Lụ̈t d’Spraach wälle verschöndere. Si hein ḍu nit mẹe̥h Xẹe̥s g’gässe, si hei dụ Chees g’habe.
1
Von Frau
Rieben-Frutschi in echt altem
Tschariederisch eigens aufgezeichnet.
2
Bemerke die alt schönriederische g-Aspiration, wie im hintern Turbach.
3
Sie «ihrerseits»: prägnantes «sie»; vgl. den emmental. Akkusativ «seie».
4
Kleine Raine.
5
Erkeucht.
6
Für den tuchenen Kindersaugzapfen.
7
Ehrbegierde als Takt.
8
Aus dem Waldboben hervorragender Wurzelstumpf.
9
Kopf.
Zum gegensätzlichen Schlusse dieses Molkereiabschnittes das (bei aller gebotenen Knappheit) erhebende Lebensbild eines andern Chüeijer, der u̦f em G’fäll sị’s G’fäll, aber auch seine Meisterschaft als Alpwirt wie in andern Stellungen erwiesen hat.
274 Hans Schwenter in deṇ Gruebe ward als Mann mittlern Alters am 20. Oktober 1923 durch einen Herzschlag aus einem Leben gerissen, dessen unvergleichlichen Wert der «Anzeiger von Saanen» in den folgenden gediegenen Worten 1 darlegte:
Als Sohn des altehrwürdigen Friedensfreundes Schulmeister Johann Jakob Schwenter brachte er später als Familienvater selber der alten bodenständigen Schule das regste Interesse entgegen. Mit großem Geschick, mit einem praktischen Weitblick, wie man ihn selten findet, hat Schwenter als Landwirt und Viehzüchter gewirkt und sich gerade in letzter Zeit der schönsten Erfolge erfreuen dürfen, Wer einmal droben auf seiner wunderschönen Gfellalp seine ihm angeborne Gastfreundlichkeit genießen und die musterhaft betriebene Sennerei betrachten konnte, der stieg hinunter mit dem Gefühl: Hier wirkt ein Mann von Fach.
Phot. Nägeli, Gstaad
Dem langjährigen Mitglied der Landschaftskumission hörten seine Kollegen gerne zu, und sie schätzten seinen Rat; sie dankten ihm öffentlich mit einem Kranz an seiner Bahre. War Hans Schwenter in seinem Urteil oft etwas derb und rasch, so barg sich unter der rauhen Schale ein weiches Gemüt, das ihn mitfühlen und willig geben ließ.
1
«Aus Feutersöy».
Ein Mü̦̆listei am stotzige Aufstieg vom Arnesẹe̥ zum Sẹe̥bärg, ja der Rääste eines solchen auf der Saane̥z-Hööiji deuten auf weiland dortigen Anbau von Sommergetreide: von Gerste, wie in der Gärstere beim Rüebeldorf, wenn nicht von Dinkel in der Dẹe̥chlere als sonnigem Steilgehäng rechts des Chauflisbach. Noch heißt ein Haus und Gütchen o bd dem Dorf d’Mü̦̆li; am Lauener Mü̦̆libach präsentiert sich dem Straßenwanderer die kunstvoll geschnitzte Front der Mü̦̆li, von deren Betrieb noch der Mü̦̆listei vor dem Brunnen redet. Bloß als dürftiges Rumpelchämmerli dient das Mü̦̆leli gegenüber der Reichenbachschen Saagi am Gstaad. Zu Gsteig stand bis vor einem Totze nd Jährlene die alti Mü̦̆li hinter der Saagi, d. h. hinter dem heutigen kleinen Elektrizitätswerk des Manewẹe̥l Marti. Das Heimet oberhalb der Saagi heißt weiterhin «uf der Mü̦̆li».
276 Das Mähl wurde zu mähliger Rustig verbachche. Vor allem gab es die einstigen Wastel ( gâteaux 1 ): die Chuehe und besonders Brotchuehe. Ohne Hebi gebacken und darum nụ̈t ụfg’gange bot solches Brot auch kei Chappe, keis Chäppi als dickere Schwarte, die ein Schläck für Kinder ist.
Mehl mit Aahe und im Notfall Wasser statt Milch gibt den Mählroost und Mählroostchueche, den Vögelibrätsch und andere mähligi Speisen.
Der Name Polenta 2 (eigentlich Gerstengraupe) ist in der Folge derart mit Mais identifiziert worden, daß die alte Verschätzung des «Italiener»-Gewächses noch im Witze fortlebt: Zweu Fleisch hei we̥r g’habe: Meis u Palänte. Trockener (weil fettarmer) Palänte nm-brägel (-Rösti) wurde auch Chohlermues geheißen,
Mähl am Ärmel aber hatte (oder ein Teigaff war), wer sich nicht auf das näsche (s̆s̆, naschen) von allerlei G’schnäpperzụ̈g verstand: halbbätzigi Brätzeleni, sodann Eier- und insbesondere Bättlertätsch.
Zu diesem Tatsch wird eingeschnittenes Brot mit Zucker, Zi̦met und Zitronenrinde, oder Zitronat, wohl auch mit etwas Wịịmbärene oder Rosinen in siedender Milch aufgeweicht. Dann wird von drei Eiern das Weiße geschwungen, d’s Dotter verchlopfet und beides mit der Milch zu einem flüssigen Teig g’rüehrt. In einer Chochblatte wird die Mischung zum Backen aṇg’richtet. Fotzelschnitti oder Eierschnitti und Chnöuwblätza 3 sind ebenfalls nicht unbekannte Herrlichkeiten. Als Blitzchuehe läßt sich ụfg’gangna Chuehe oder Ụflauf herstellen. Was aber ging den alten Saanern über den durch eigene Läbchüechler (1686) g’schlage (1617) Läbchueche aus Honig, Mehl, Nägelene, Mụtschgḁtnuß, Zi̦metrinde, Kardamon usw.! Solche «Kuchelmal» (1610) wurden 1697 verboten. Man tröstete sich mit ganze Wụ̈e̥sche Täfe̥le̥ne, mit eme Wu̦rgg oder eme ganze Wuesch Täfelene. Daas ließ sich chü̦ü̦ste, hatte Bi̦tz u Chu̦u̦st und verdiente ein eigenes Sig se̥ṇ Gott g’lobt!
1
M-L. 9514
2
M-L. 6634. 36;
Walde 595 f.
3
Lf. 511.
Wie schade, daß wegen der Einseitigkeit des Futterbaus «nur wenig unedles» 1 Obs gepflanzt wird! — Am meisten kommt die Chi̦rsche, kommen die Chi̦rschi zur Geltung, und zwar zur Bereitung von Chi̦rschmues. Die späten und kleinen, aber ungemein chü̦ü̦stige Chi̦rschi werden in den langen, unten spitzen Streipfsack verpackt und mit Hilfe der Streipfi ausgepreßt: g’streipft.
D’Steine werden im Wasser z’linde ’taa und geben, nochmals ausgepreßt, mit den Fleischresten und dem Marchg’schmack ein angenehmes Getränk. Die Masse des Kirschsaftes aber wandert in den Kupferkessel: das Chi̦rschmueschässi, und wird hier zähe-m bis eindle̥f Stund lang g’chochchet. Die dadurch harzartig eingedickte Flüssigkeit wird damit auf einen vollen Viertel reduziert. Aber Sorg mueß mụ haa, daß der kostbare Stoff nicht aa-mbränni.
Auf offenem Feuer bereitet man mittels der obna un unna in Gluet steckenden Taaterepfanne den Taaterechueche 1 oder g’stellt den Bienst ( S. 88). — Zum anhaltenden Kochen aber diente einst der Wasserkessel als der l. «cocu-ma», cucuma (Kochtopf), le «coquemar», der Ggoggemaa, im Gsteig: Ggụggomaa.
Auf dem Potáschi, 2 der Chu̦nst oder dem Chü̦nstli, der alt saanerischen Fü̦rfoglera (« focularia») oder Fü̦rblatte bereitet man mancher Art Suppe, die in der Suppeter rine auf den Tisch gelangt.
Ein Gegenstand spezifisch saanerischer Kochkunst ist einmal die Dooba (Toobe-) 3 oder sụra Mocke, saurer Rindsbraten. Auch zu seiner Vorbereitung langte der Metzger alten Schlags nach der einhändigen Fleischaxt: dem Fau zzaum. Den het er ụf’zoge wie die 278 zum «fauze» 3a ( sĭ̦tze) geschwungene Rute; und so zielsicher handhabte er sie zum Zerkleinern der Fleischstücke und Knochen, wie der Pferdelenker den Zaum führt. Die Stücke legte er in das vor dem Fleischtotze hin gesetzte Gepsli: den Fü̦rsatz.
Ein noch feinerer Erweis altsaanerischer Kochkunst ist der Saanesänf. Der ist und bleibt freilich ein Probestück gewiegter Kochkunst. 4 Schon damit, daß ohne Fett u̦f bloßer Gluet ein Pfund Mehl samt etwas Grießzucker hellgelb geröstet wird. Auf dem Chuehembri̦tt werden alsdann sämtliche Chnü̦̆beleni zertrü̦ckt. Jetzt wandert das Mehl samt etwas neuer Zuckerzugabe in den ẹe̥rige (ehernen) oder emḁlierte oder Aluminium-Hăfe, nur nicht in einen ịsiga. Man rührt nun das Mehl mit Wasser oder — wär’s̆ hät — mit wịßem Wịị an und tuet Gebü̦lver drii: Salz, Näge̥le̥ni, Galgáne (Galgant), sowie Sänfsaame, als Pulver in einem halben Weinglas voll Weinessig aufgelöst. Nun kommt zum Bittern das Süße: es halbs Pfund Chi̦rschmues oder allenfalls Chi̦rscheggu̦nfitụ̈re, wenn nicht Heitiggunfitụ̈re.
Die Einseitigkeit der täglichen Nahrung, welcher ganz besonders das Gemüse oft fehlt, rief allerlei Bedürfnissen nach Genußmitteln: g’chätscheti Nä̆geleni (Gewürznelken) und Zi̦metröhrleni, sonderlich aber Gaffĭ̦. Ganz Gautelpinti vollu wurden aufgetragen.
Ein dem Saaner als überaus unentbehrlich eingeredetes Erregungs- oder aber Beruhigungsmittel ist der Tụback. Er tụbäcklet mit der Pfịffe oder nun immer gewöhnlicher mit dem als Sargnagel und Frịthofspargel u. dgl. zubenannten Stumpe n. Das ist d’s Sigaare 5 ( «le» cigare), wohl auch die den fü̦ü̦rnäme Fremden abgeguckte Sịgarette.
1
Nach
Stald. 1, 269 «die Daatere = die Torte, fz.
la tourte und
tarde;
Weig. 2, 1055.
2
Wie z. B. fz.
le pot (
M-L. 6705).
3
Kluge 450. 458, das der
Tube zugrunde liegende
dub (woher
tiuf, tief) deutet auf eine bogenartige Krümmung. Senkrecht in den Boden sich einbohrend (als Auswaschung) bildet sie ein Tobel, wagrecht nach der Seite gerichtet: eine Bucht. (
Stalder 1, 285.) Eine solche beschreibt im kleinen (als Kniebug) die
Toobe.
3a
Schwz. Id. 1, 1147.
4
Rb. Af. 26.
5
M-L. 1911;
Seil. 4, 309;
Weig. 2, 1326.