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XVII. Auktion

Acht Tage lang fand der Klatsch Nahrung – dann verstummte er. Berlin verzieh seinem Liebling, daß er sich diesmal so in seiner Wahl vergriffen, und wartete gespannt, wer nun das nächste Opfer sein werde. – –

Hans Zillmann hatte aus Paris geschrieben und in kühler, sachlicher Weise mitgeteilt, daß er die Ehescheidungsklage eingereicht. Das Schreiben war an Onkel Karl gerichtet gewesen, den Zillmann auch mit der Ordnung einiger Angelegenheiten betraut hatte.

Der große Hausstand mußte ja nun doch aufgelöst, die Möbel verkauft werden, und Lemkes und die junge Frau ließen Onkel zu seiner Genugtuung diesmal vollständig freie Hand. Einige der besten Stücke der Einrichtung erwarb übrigens Edwin Lemke – das andere erstanden für billiges Geld die Händler, die zu den von Onkel Karl veranstalteten Auktionen kamen.

Da saß er – wie eine amtlich bestellte Person – äußerst würdig auf einer Kommode, schlug mit einem Hammer auf eine leere Kiste und schrie sich heiser: »Zun ersten – zun zweeten – und zun ...? Biet't denn wirklich keena mehr? Ick kann doch nich 'n janzen Schrank forn Tala vakoofen – lieberst zahack ick'n doch und mach Brennholz draus! Also – denn koof ick'n selba for drei fufzij zurück und bieten noch mal aus. Also – drei-fufzij is Taxe – wer biet't mehr? Menschenkinna – seid doch nich so dehmlich – wenn ihr ooch zehnmal eiern Ring bildet – jejen mia kommt ihr damit nich an – nee, jejen mia nich!«

Die Händler lachten nur – wollten überhaupt nicht einzelne Stücke, sondern die ganze Einrichtung, so – wie sie da war – zusammen für einen Preis kaufen. Wenn dann dieser oder jener aber die Summe nannte, die er dafür geben wollte, schwollen Onkel Karls Stirnadern. Er ging schnurstracks nach der Tür, öffnete sie und schrie den Bieter an: »Jehen Se raus,– jehen Se janz schnell raus – ick kann Ihnen nich länga hier sehen, sonst passiert 'n Unjlick – ick jarantiere for nischt!«

Dann wurde er unter großem Wortschwall beruhigt, stieg schließlich wieder auf seine Kommode und hämmerte auf die leere Kiste. »Wat annongziert ihr denn: ›Komme sofort – zahle die hechsten Preise – mehr als alle andern Prahler‹! Denn los doch! Scheniert eich doch nich!«

Und gegen Schluß eines solchen Auktionstages verkündigte er manchmal: »Morjen besinnt die weiße Woche – da vakoof ick Wäsche und Jardinen. Ick bitte also von die jeehrten Herrschaften nur die zu kommen, die uff so wat reflektieren – die annern schmeeß ick jleich wieda an die Tiere raus, damit hia nich so ville Jeschwabbele is. Ibahaupt – ick kenne jetz meene Pappenheimer – wer bis jetz nich schon wenijstens een Sticke jekooft hat, der hat hia ibahaupt nischt zu suchen, der laß sich erst janich sehen, wenn ick nich jrob zu'n werden soll!«

Und allmählich lichtete sich die Wohnung, Tritte und Stimmen begannen in den Räumen zu hallen, der große Schwarm der Händler kam nicht mehr, nur noch ein paar zähe Reflektanten, die darauf rechneten, daß Onkel Karl jetzt die Geschichte plötzlich satt bekommen und ihnen den Rest der Einrichtung für ein paar Pfennige geben werde.

Onkel Karl aber dachte gar nicht daran – im Gegenteil, er verlieh jetzt, da er ins Detail gehen konnte, den einzelnen Gegenständen allerlei Idealwerte, die die Händler mit Kopfschütteln und Achselzucken ablehnten.

An einem dieser letzten »Ausverkaufstage«, wie sie Onkel nannte, tauchte in den Räumen plötzlich eine pompöse Dame, ganz in Schwarz gekleidet, auf, ging auf Onkel zu und sagte mit bewegter Stimme: »O – mister Karrel – freuen mich serr, Ihnen wiedersehen!« Und sie streckte ihm, während er rasch von der Kommode rutschte, die Hand hin.

Vorläufig jedoch nahm er gar keine Notiz von ihr, sondern trieb – mit ausgebreiteten Armen – die vier letzten Händler hinaus: »Raus hia jetz – for heite is Schluß, wer wat will, kann ja morjen noch mal wiedakommen! Heite ha' ick keene Zeit mehr – tut mir leid!«

Dann drückte er ihnen das Schloß vor der Nase zu und wandte sich düster zu Miß Thomson. »Sie sehen mia hia in sehr triebselje Familienvahältnisse, ick bin in 'na Ufflösung bejriffen!«

»Ich haben gehört von die serr interessanten Auktionen – von die kostbaren Stücke, die hier sein zu haben – wollt' ich auch kaufen ...«

»Da hätten Se frieha kommen missen – nu is allens schon wej« – sagte Onkel Karl – »höchstens noch ne scheene Jarnitur Feiahaken, die ick Sie billij lassen könnte!«

»O – mister Karrel – Sie seien so symbolisch – Feuerhaken zu schüren die Feuer!«

»Det Feia« – sagte er unwillig. »Und von wejen simbolisch – man bloß nich!«

Sie sah an ihm vorbei – durch die offenen Türen – in die Zimmerflucht und seufzte. »Serr traurig – verlassenes Heim!«

»Ja – allst vastoobt und dreckij, hia muß jrindlich uffjescheuat werden!«

»Wo sein keine Liebe – auch kein Glück!«

»Ooch« – sagte er, mißmutig die Hand schwenkend, »mit die Liebe is det ooch man so so! Und jlicklich is man, wenn man machen kann, wat man will und een keena zwischen red't!«

»Sein ein Aperçu« – sagte sie anerkennend.

»Sonne Aussprüche« – sagte Onkel – »kann ick noch ville mehr machen – ibahaupt scheinen Se mia noch janich so richtij zu kennen!«

»O, mister Karrel, ich Sie halten für ein selfmade-man

»Milchmann – ja! Sie haben 'ne Ahnung!«

»Ein Mann von große, praktische Betätigung!«

»Det stimmt – da haben Se recht, det kann mia keena nich abstreiten!«

» Mister Karrel« – sagte sie – einen Schritt nähertretend – »hätten Sie nicht Lust – wollen Sie nicht reisen?«

»Ick bin ja schon jereist« – sagte er.

»In die weite, große, schöne Welt?«

»Wat soll ick'n da – scheena kann't ja nirjendswo sind als in Berlin. Aba reisen Sie doch« – ermunterte er.

Sie schwieg – sah ihn lange fest an. Und dann schien sie zu einem Entschluß gekommen zu sein, atmete tief auf und sagte bewegt: » Mister Karrel – ich sein rund um die Erde gekommen – überall gentlemen, die mich verehrt!«

»Jewiß – will ick Ihn'n jerne jlooben!«

»Alte und junge – aber alle wollten – wie sagt man deutsch – money

»Weeß nich – Moneten?«

»Geld«, sagte Miß Thomson.

»Sehen Se – so sind se« – sagte Onkel Karl, »Jeld wollen se alle!«

»Nur Sie nicht!«

»Ick –?« Onkel Karl riß erstaunt die Augen auf. »Da kennen Se mia aba schlecht – Jeld kann ick imma jebroochen – je mehr, desto bessa!«

Miß Thomson schüttelte den Kopf: »Nein – mister Karrel – sonst hätten gemacht auch Sie mir Heiratsantrag – wie die andern!«

Er sah sie einen Augenblick verdutzt an. »So 'rum kommen Sie! Ick könnte Ihn'n ja aba ooch beerben – wenn Se sterben!«

» Mister Karrel – Sie haben gerettet mir damals das Leben!«

»Weeß ick – aba vawickeln Se mia bloß nich in sonne olle Jeschichte«, sagte er, plötzlich mißtrauisch werdend. »Wenn ick Ihnen dunnemals aus den Steijbiejel losjemacht hab', denn war det bloß von wejen det arme Ferd, vastehen Se!« Und er hob abwehrend die Hand.

»Nein« – sagte Miß Thomson bestimmt – »Sie haben gerettet mir das Leben – Sie wollen nur nicht lassen gelten Ihr großes Verdienst! Ich sein Ihnen sehr dankbar – ich Ihnen verehre!«

»Det können Se ja – meenswejen – so ville wie Se wollen! Aba wie is denn det nu mit die Feiahaken?« versuchte er, das ihm unbehagliche Gespräch abzulenken.

» Mister Karrel« – sagte sie, in einer plötzlichen Aufwallung ihm die Hand hinhaltend, »Sie sind eine edle Natur!«

»Lassen wia det – ick krieje denn imma son Knoten in'n Hals, wenn mia det eena so direktemang in't Jesichte sajt!« Und – mit einem Nasenheben auf ihre ausgestreckte Hand weisend – fragte er: »Wa'm wollen Se'n mia die jetz uff eenmal durchaus jeben?«

Miß Thomsons Hand sank schlaff hinunter, auf ihrem Gesicht malte sich eine tiefe Enttäuschung. »Sie haben Charakter« – murmelte sie.

»Als Jeheimrat – wat?« sagte Onkel Karl. »Derf ick Ihnen nu mal die ibrigen Reimlichkeiten zeijen?« Er machte eine einladende Bewegung, um sie durch die leeren Zimmer zu führen, aber Miß Thomson lehnte mit einem wehen Lächeln ab und begründete diese Weigerung damit, daß ihre Droschke unten vor der Tür warte.

»Na – denn nich,« sagte Onkel Karl verstimmt, »also denn adje!« Und als er ihr dann treu und herzlich die Hand schüttelte, sagte er ermunternd: »Lassen Se mia man erst mit den janzen Krempel hia fertij werden, denn reiten wia ooch ma' wieda zusammen in'n Tierjarten!«

Es erschien ihm aber nachher selbst, als wenn diese Verheißung wenig Eindruck auf Miß Thomson gemacht hätte, und als er, am Fenster stehend, ihrer Abfahrt zusah und bemerkte, wie sie – noch einmal hinaufblickend – ihr weißes Tuch schwenkte, riß er rasch sein großes rotes Schnupftuch heraus und ließ es im Winde flattern: »Adje – adje – adje!« schrie er der Droschke nach.

Als er sich umwandte und mit schweren Schritten durch die hallenden Räume ging, überfiel ihn ein trübseliges Sinnen. »Die werd' ick woll det letztemal jesehen haben,« dachte er, »det verwind't se nich! Aba wo kann ick denn« – sagte er, plötzlich ganz laut sprechend, als müsse er sich gegen eine Anklage verteidigen – »wo kann ick ihr denn heiraten, wenn se so'n schlechtet Deitsch sprecht – wat sollen denn det for Kinder werden, die hören ja nich, wenn man ihn'n ruft!«

Und dann – während er die letzten Stücke aus allen Stuben zur Auktion morgen zusammentrug – dachte er: »Wa'm muß denn ooch imma jleich jeheirat't sind – se könnt' mia ja wat Scheenet zu'n Andenken schenken, wenn se mia so sehr vaehrt!«


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