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Da steuerte am 12. März 1736 in der Morgenfrühe ein Schiff mit brittischer Flagge nach der Küste Aleria's. Das herzuströmende Volk begrüßte dasselbe mit Jauchzen, weil es vermutete, es sei mit Munition beladen. Das Fahrzeug warf Anker aus, und bald darauf sah man die angesehensten Männer der Insel sich an Bord begeben und einem rätselhaften Fremden aufwarten, der sich auf dem Schiff befand. Dieser Mann war von feierlichem Wesen und theatralisch gekleidet. Er war angethan mit einem langen Kaftan von scharlachroter Seide, mit maurischen Pantalons und gelben Schuhen; ein spanischer Hut mit einer Feder bedeckte sein Haupt, im Gürtel von gelber Seide steckten reich ausgelegte Pistolen; ein Schleppsäbel hing an seiner Seite; in der rechten Hand hielt er einen Scepterstab. Hinter ihm her stiegen ans Land in ehrfürchtiger Haltung sechszehn Herren seines Gefolges, elf Italiener, zwei französische Officiere und drei Mauren. So betrat dieser große Unbekannte Corsica mit der Miene eines Königs und mit dem Willen es zu sein.
Die Corsen umringten die geheimnißvolle Person mit Staunen. Man war überzeugt, daß sie, wenn nicht ein fremder Prinz, so doch der Abgesandte eines wolwollenden Monarchen sei. Auch lud das Schiff alsbald vor den Augen der Menge seinen Inhalt aus, 10 Kanonen, 4000 Flinten, 3000 Paar Schuh, 700 Säcke Getreide, eine große Masse Munition, einige Fäßchen voll Zechinen und eine nicht geringe Summe von Geldmünzen aus der Berberei. Es schien daß die Häupter der Insel um die Ankunft und die Person des Fremden wußten. Man sah Xaverius Matra ihn mit der Achtung begrüßen, welche einem Könige gebührt. Man führte ihn im Triumf nach Cervione.
Der seltsame Ankömmling war ein Deutscher, der westphälische Baron Theodor von Neuhoff, von allen Abenteurern seiner Zeit wenn nicht der genialste so doch der glücklichste. Er hatte in seiner Jugend am Hof der Herzogin von Orleans als Page gedient, war dann in spanische Dienste gegangen und wieder nach Frankreich zurückgekehrt. Sein ungewöhnlicher Geist hatte ihn mit allen bedeutenden Persönlichkeiten der Zeit in Berührung gebracht, mit Alberoni zumal, mit Ripperda und Law, in dessen Finanzspeculationen er sich vertieft hatte. Neuhoff hatte alles erlebt, alles gesehn, alles gedacht, versucht, genossen und gelitten. Seiner Natur gemäß hatte er alle möglichen Gestalten, in welchen das Glück erscheinen kann, durchlaufen und war bei der zufälligen Vorstellung angelangt, daß es für einen ehrgeizigen Mann wünschenswert sein müsse, König zu sein. Und dies dachte er nicht in der Hirnverrückung des Don Quijote, welcher in die Welt hineinreitend sich vorstellte, daß der Lohn seiner künftigen Thaten zum mindesten das Kaisertum Trebisonde sein werde; sondern der Zufall warf ihm den bestimmten Gedanken an eine Königskrone in seinen ganz klaren Verstand, und so beschloß er König zu sein, auf natürlichem Wege es zu werden, und er wurde es.
In Europa umherstreifend war Neuhoff gerade in dem Augenblick nach Genua gekommen, als Giafferi, Ceccaldi, Aitelli und Raffaelli gefangen eingebracht wurden. Es scheint, daß er hier zum ersten Mal auf die Corsen aufmerksam wurde, deren Tapferkeit er bewunderte; er knüpfte Verbindungen mit solchen an, welche in Genua waren, besonders mit Männern aus der Provinz Balagna, und indem er Einsicht in die Zustände der Insel gewann, reifte in ihm der Gedanke, in diesem romantischen Land aufzutreten. Sofort ging er nach Livorno, wo sich der mit den Angelegenheiten Corsica's beauftragte Orticoni befand. Er setzte sich mit ihm in Verbindung und seinem Genie gelang es, ihm Vertrauen in die großartigen Versprechungen einzuflößen, welche er machte. Denn mit allen Höfen vertraut, wie er sagte, versprach er in Jahresfrist alle die Mittel herbeizuschaffen, welche nötig seien, die Genuesen für immer zu vertreiben. Er verlangte als Belohnung nichts mehr als dies, daß die Corsen ihn zu ihrem Könige krönten. Orticoni, hingerissen von dem Geist des Mannes, von der Unerschöpflichkeit seiner Berechnungen, von der Gewandtheit seiner diplomatischen, ökonomischen und politischen Ideen, und erkennend, daß Neuhoff seinem Lande wirkliche Dienste zu leisten vermöge, wandte sich anfragend an die Generale der Insel. Sie gaben ihm in ihrer verzweifelten Lage die Vollmacht, mit Neuhoff zu unterhandeln. Orticoni schloß also mit dem Baron den Vertrag, daß ihn die Corsen zu ihrem König ausrufen sollten, sobald er sie in den Stand setze, sich von Genua zu befreien.
Wie nun Theodor dieser Aussicht gewiß war, begann er mit einer so großen Energie an ihrer Verwirklichung zu arbeiten, daß sie allein hinreicht, von seinem Genie Zeugniß zu geben. Er setzte sich mit dem englischen Consul in Livorno und mit solchen Kaufleuten in Verbindung, welche mit der Berberei Handel trieben, er verschaffte sich dahin Empfehlungsbriefe, er ging nach Afrika, und nachdem er hier, wie in Europa durch seine Agenten, Himmel und Erde in Bewegung gebracht hatte, gelang es ihm sich in den Besitz jener Hülfsmittel zu setzen, mit welchen er dann plötzlich in Corsica landete.
Er erschien hier in der Zeit der höchsten Not. Indem er den Häuptern der Insel die Kriegsvorräte übergab, erklärte er, daß sie nur der kleinste Theil von dem seien, was nachfolgen werde. Er stellte ihnen vor, daß seine Verbindungen mit den Höfen Europa's, schon jetzt mächtig, mit dem Augenblick eine andere Grundlage bekommen müßten, wo die Genuesen geschlagen sein würden und wo er als ein Fürst mit Fürsten zu unterhandeln vermöchte. Er begehrte die Krone. Hyacint Paoli, Giafferi und der gelehrte Costa, Männer des ruhigsten Verstandes, von dem Wirklichsten erfüllt, was handelnden Menschen je auferlegt werden kann, von der Aufgabe ihr Volk zu befreien, gingen trotzdem auf dies Begehren ein. Die Verpflichtung gegen den Mann und seine Dienste, die den Volksgeist aufschwingende Neuheit des Ereignisses, die Aussichten auf weitere Hülfe, endlich die Verzweiflung forderten das. Theodor bezog seine bescheidene Wohnung in dem bischöflichen Hause zu Cervione, und am 15. April versammelte sich das Volk im Convent Alesani, um über die Einsetzung des Königtums Beschluß zu fassen. Je zwei Vertreter der Communen des Landes, Abgeordnete der Geistlichkeit und der Klöster kamen zusammen; mehr als 2000 Menschen aus dem Volk umlagerten den Ort. Man legte dem Parlament folgende Constitution vor: Die Krone des Königreichs Corsica wird der Familie des Baron Theodor von Neuhoff erblich übertragen; der König hat neben sich einen Rat von 24 vom Volk gewählten Männern, ohne deren und des Parlaments Zustimmung er keinen Entschluß fassen, noch irgend welche Auflage erheben darf. Alle Aemter gebühren den Corsen; die Gesetzgebung bleibt beim Volk und seiner Vertretung.
Diese Artikel las der Doctor Gaffori dem versammelten Volk vor, welches sie annahm; dann unterzeichnete sie der Baron und schwor auf das heilige Evangelium der Verfassung treu zu bleiben. Nach diesem Akt wurde er in die Kirche geführt, wo nach einem feierlichen Hochamt die Generale ihm eine Krone auf das Haupt setzten. Die Corsen waren arm; sie hatten keine Krone von Gold; sie flochten eine von Lorbeer und von Eichenzweigen und setzten sie auf das Haupt ihres ersten und letzten Königs. So wurde Theodor von Neuhoff, welcher sich bereits Grande von Spanien, Lord von Großbritannien, Pair von Frankreich, Graf des heiligen Reichs, Fürst des römischen Reichs nannte, König der Corsen, seines Namens Theodor der Erste.
Erklärt sich dieses seltsame Ereigniß, wie aus früheren Erscheinungen der corsischen Geschichte, so aus der damaligen Lage der Corsen, so bleibt es doch immer staunenswürdig. Denn so groß war die Liebe zur Freiheit bei diesem Volk, daß es um jene zu erringen und das Vaterland zu retten, einen fremden Abenteurer zu seinem König machte, weil er ihm Hoffnungen auf die Freiheit gab, und daß seine tapferen Generale, die Häupter des Landes, ohne Zögern und Neid ihrer Gewalt sich ruhig entkleideten.