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Die Kristall-Königin.

I.

Ein Ritter jung in Ehren
Gar treuer Liebe pflag;
Zur Minniglichen kehren
Sah man ihn jeden Tag.

Nie trug zurück vom Jagen
Zur Burg ihn heim sein Roß,
Eh' er nicht eingeschlagen
Den Weg nach ihrem Schloß.

Dort an der Mutter Seite
Empfing ihn stolz die Braut,
Die sehnsuchtsvoll zur Weite
Nach ihm schon ausgeschaut.

Den Gruß von seinem Munde
Gab sie ihm traut zurück,
Wie bald entfloh die Stunde
Dem jungen Paar im Glück!

Erst wann es ging ans Scheiden,
Schwand ihrer Herzen Ruh':
Es winkten sich die beiden
Noch oft einander zu.

Indessen lenkte nieder
Die Sonne ihren Lauf,
Er aber wünschte wieder
Von neuem sie herauf,

Daß frisch für ihn beginne
Des kühnen Weidwerks Lust
Und er den Trost gewinne,
Zu ruh'n an ihrer Brust.

II.

Es war zur Sonnenwende ein heißer Sommertag,
Der strahlend ausgebreitet auf Wald und Wiesen lag,
Als durch den Forst der Junker mit seinen Rüden strich,
Doch keines Wildes Fährte ließ rings entdecken sich.

Den Tieren bot das Dickicht Schutz vor der Sonne Glut,
Und gern auch hätte selber im Schatten er geruht,
Allein da Durst ihn quälte im stechenden Sonnenbrand,
Wollt' er nicht eher rasten, bis einen Quell er fand.

Da winkte ihm ein Felsen vom nahen Bergeshang
Mit eines Bächleins Falle, das rauschend dort entsprang;
Am kühlen Ort zu rasten, besann er sich nicht mehr:
Froh drang der Hunde Bellen von weitem schon daher.

Er kam mit seinem Rappen, dem müden, angetrabt;
Bald hatte dort am Sprudel der Durstige sich gelabt.
Nicht fern stund auf dem Anger ein Lindenbaum allein,
Bedeckt von seinem Schatten schlief er darunter ein.

Da kam es ihm auf einmal im halben Traume vor,
Es öffne sich der Felsen gleich einem weiten Tor,
Und wo sich leis erschlossen sein unsichtbarer Spalt,
Sah er hervorgetreten die herrlichste Gestalt.

Aus Bergflachs schien gewoben ihr silberhelles Kleid,
Die gold'nen Locken zierte ein schimmerndes Geschmeid:
Neunzackig war's, ein Krönlein aus blitzendem Kristall,
Von tausend spielenden Farben umleuchtet überall.

Verführerisches Lächeln umfloß den weichen Mund,
Und jeder ihrer Blicke gab gleich' Verlangen kund.
Genaht ließ sie zur Seite sich bei ihm nieder traut
Und strich ihm über die Stirne; süß klang der Stimme Laut:

»Sei ohne Furcht und folge nach meinem Reiche mir!
In meinem lauschigen Schlosse wird es gefallen dir.«
Sie sprach es und sie nahm ihn mit sich an ihrer Hand;
Entrückt zur Bergestiefe, die Welt vor ihm entschwand.

Da lag umher ein Garten voll lichter Blumenpracht;
Es waren Edelsteine, gewachsen in tiefem Schacht;
Sie hatten nie getrunken der Sonne golden Licht,
Doch standen ihre Strahlen zurück an Helle nicht.

Noch ließ sie an den Schätzen die Blicke werden ihn,
Als ihr bereit' Gefolge auf einen Wink erschien:
Berggeister, Feen und Gnomen umgaben ihren Thron,
Und ihre Stimme klang ihm wie Silberglockenton.

»Was du allum erblickest, es ist mir untertan,
Und wenn du willst, gehört es dir auch zugleich mit an.
Ja, willst du mir gebieten, so werde mein Gemahl!
Mir als der Königinne steht zu allein die Wahl.«

Der Jüngling stand geblendet von ihrer Schönheit Glanz,
Und ihre Huld nicht minder bezauberte ihn ganz;
Bestrickt von ihrer Stimme, gab er dem Locken nach;
Nicht schlug ihm sein Gewissen, da laut sein Ja er sprach.

Jetzt neigte sich die Stolze von ihrem Thron herab,
Und zärtlich ihn umfangend, die Wange sie ihm gab.
Ein Ring mit blauem Steine, von ihrer weißen Hand,
Er sollte ihn begleiten als ihrer Treue Pfand.

Doch, eh' das Abenteuer er noch bei sich bedacht,
Zurückversetzt zur Linde, war er dort aufgewacht.
Erstaunt rieb er die Augen, und wie er sich besann,
An der Erscheinung Wahrheit zu zweifeln er begann.

Da hob er auf den Finger, und wie er ihn besah,
Mit seinem blauen Steine der Ring war wirklich da.
Doch hätte auch das Kleinod gemahnt ihn nicht genug,
In seinem Herzen lebte, die ihn in Bande schlug.

III.

Noch weilte voller Sehnen er dort am Lindenbaum,
Wo ihm das holde Rätsel erschienen war im Traum,
Als ihn daheim im Erker erharrte bang die Braut:
Noch nie so lange hatte sie vorher nach ihm ausgeschaut.

Es stand bereits die Sonne der Erde zugeneigt,
Die sich am Sonnwendtage nur träg' im Wandern zeigt;
Im dunklen Blau zu leuchten begann schon mancher Stern –
Sie konnte nicht verstehen, warum er bleiben könne fern.

Die Nacht mit ihrem Schleier bedeckte Berg und Tal,
Als sie dem Schutz des Himmels ihn und sich selbst empfahl.
Sie suchte auf das Lager, doch stärkte sie kein Schlaf;
Die frühe Morgensonne sie wach in ihrer Kammer traf.

Wohl schickte sie nun eilig ihm einen Boten zu;
Doch was der dort erfahren, nahm ihr die letzte Ruh':
Er sei zurückgekommen erst in der tiefen Nacht,
Und habe nach dem Walde sich bald schon wieder aufgemacht.

Ihr Aug' erfüllten Tränen, als sie dies Wort vernahm,
An seiner Liebe zweifelnd, gab sie sich hin dem Gram.
Wohl heimlich sie auch wieder zur Hoffnung sich erschwang –
Sehnsüchtig manche Stunde ihr Blick nach ihm zur Ferne drang.

Nie aber ward sie seiner nach diesem Tage gewahr,
Ja, ihres Schlosses Nähe selbst floh er offenbar.
So hatte sie mit Jammer bald im Gemüt erkannt,
Daß er, durch List betrogen, sich treulos von ihr abgewandt.

Erst als das Laub sich färbte, kam einst er hergejagt,
Mit scheuem Gruß ihr nahend, stand er vor ihr verzagt;
Es blieb ihm nicht verborgen, wie wehe ihr geschah,
Als sie an seinem Finger den Ring mit blauem Steine sah.

Den Blick gesenkt zu Boden, er stumm von dannen schied;
Von Stund' an er für immer das Aug' der Reinen mied.
Sie aber war entschlossen in ihrem mutigen Sinn,
Ihm auf der Spur zu folgen zur Feindin seiner Ruhe hin.

IV.

Der Junker wieder am Felsen stand
Und pochte daran mit kühner Hand,
Doch mit geheimem Beben;
»Holdsel'ge Königin, komm heraus
Und führ' mich in dein kristall'nes Haus!
Vor Sehnsucht halt' ich es nimmer aus,
Allein ohne dich zu leben!«

Er rief es in seines Herzens Qual,
Die ihn befallen noch allemal
Am Ort, wo sie ihm erschienen;
Auch heute ließ sie ihn unerhört,
Und über den harten Sinn empört,
Der ihm der Seele Frieden gestört,
Verzog er im Unmut die Mienen.

Da, wie die Geduld ihm jetzt verging,
Stieß gegen die Wand er mit dem Ring,
Und just zu der rechten Stunde;
Denn kaum, daß er sie damit berührt,
Und seine Rechte den Schlag vollführt,
Er unter sich ein Zittern verspürt
Im innersten Bergesgrunde.

Ein mächtiger Donner hallt herauf,
Und krachend tut der Felsen sich auf,
Der lautlos sich einst erschlossen,
Und wie er hinein in das Dunkel sah,
Da stand vor ihm die Ersehnte da,
Mit schwebendem Schritt erschienen nah',
Von lockendem Glanz umflossen.

Sie grüßte ihn mit entzückender Huld
Und zieh' den Getreuen sanft der Schuld:
»Du ließest mich lange warten!
Und war zu erraten es so schwer,
Daß ich dir dürfe nicht nahen mehr,
Eh' du mit dem Ring mich riefest her
Aus meinem kristallenen Garten?«

Wohl, als sie gesprochen zu ihm so,
Ward das erleichterte Herz ihm froh.
Sie ließen zusammen sich nieder;
Die volle Trautheit kehrte zurück,
Gar viel erzählten sie sich im Glück,
Und träumend versunken Blick in Blick,
Gewannen sie Ruhe wieder.

Auf einmal wurde sie traurig stumm,
Bis seufzend sie sprach: »Die Zeit ist um,
Ich muß dich auf immer verlassen!«
»»O Königin««, er zu fleh'n begann,
»»Weißt du kein Mittel, daß ich fortan
Bei dir für immerdar weilen kann
Und dich als Gemahl umfassen?««

Da lächelte sie geheimnisvoll:
»Wenn sich der Wunsch dir erfüllen soll,
Mußt unsersgleichen du werden.
Komm, wenn auf den Stein, von Moos geschwellt,
Der Schatten der Linde morgen fällt,
Entzünd' ein Feuer, das ihn erhellt,
Und hebe den Stein von der Erden!

»Es wird kein Augenblick noch vergehn,
Und eine Schlange dort wirst du sehn,
Grünschillernd hervorgekrochen.
Sie fange und laß sie nimmer los!
Durch sie kannst du es erlangen bloß,
Was ich dir unten im Bergesschoß
An Glück und Wonne versprochen.

Drum ob dir auch selber vor ihr graut,
Beschwöre sie mutig dreimal laut,
Als wären wir zwei beisammen.
Sprich: »»Königin vom kristall'nen Stein,
O mache mich los von Fleisch und Bein
Und lasse mich deinesgleichen sein!«« –
Drauf wirf sie hinein in die Flammen!

»Sobald du riefest das letzte Wort,
Wird wieder der Berg sich öffnen dort,
Als würd' ihn dein Ring berühren,
Frohlockend erscheinen werd' ich hier
Mit allen, die untertänig mir,
Und schneller, als ich mich schied von dir,
Nach meinem Reiche dich führen.«

V.

Die Linde warf ihren Schatten aus,
Den immer weiter wachsen hinaus
Der Junker sah mit geheimem Graus.
– Verbotene Liebe bringt Leiden.

Als hinge daran sein treulos Spiel,
Verfolgte sein Blick ihn nach dem Ziel,
Bis auf den bemoosten Stein er fiel.
– Verbotene Liebe bringt Leiden.

Jetzt sprang er auf mit entschloss'nem Mut,
Und wo er zuvor am Fels geruht,
Stand bald das Feuer in heller Glut.
– Verbotene Liebe bringt Leiden.

Er faßte den Stein und hob ihn empor,
Da drang ein Wispern zu seinem Ohr,
Grünschillernd kroch eine Schlang' hervor.
– Verbotene Liebe bringt Leiden.

Schnell fing er sie ein mit bereiter Hand,
Ob auch ein Grau'n er vor ihr empfand,
Und schwenkte sie hin zum Flammenbrand.
– Verbotene Liebe bringt Leiden.

Sprach: »Königin vom kristall'nen Stein,
O mache mich los von Fleisch und Bein,
Und lasse mich deinesgleichen sein!«
– Verbotene Liebe bringt Leiden.

Da ist's ihm, wie er ins Feuer schaut,
Als säh' er den Schatten seiner Braut,
Doch wiederholt er die Bitte laut.
– Verbotene Liebe bringt Leiden.

Sprach: »Königin vom kristall'nen Stein,
O mache mich los von Fleisch und Bein,
Und lasse mich deinesgleichen sein!«
– Verbotene Liebe bringt Leiden.

Und eben wollt' er zum drittenmal
Beginnen, wie sie ihm anbefahl,
Und opfern die Schlang' der Flammenqual;
– Verbotene Liebe bringt Leiden.

Da drang ein Ruf in die Schlucht hinein:
»Im Namen Gottes! halt ein! halt ein!« –
Jetzt sprang der Ring mit dem blauen Stein.
– Verbotene Liebe bringt Leiden.

Und aus dem berstenden Felsen schoß
Die Lohe, die wild den Berg umfloß,
Wo stand der verwünschten Zauberschloß.
– Verbotene Liebe bringt Leiden.

Auch aus der Erde das Feuer schlug,
Und Wolken sammelten sich genug,
Die wirbelnd der Sturm zusammentrug.
– Verbotene Liebe bringt Leiden.

Und wie getroffen vom Wetterstrahl
Unter der Linde, versengt und kahl,
Stürzt er zusammen, totenfahl.
– Verbotene Liebe bringt Leiden.

Doch bald schon, als wäre nichts geschehn,
Blaute der Himmel in sanftem Wehn,
Die Sonn' schien freundlich herabzusehn.
– Verbotene Liebe bringt Leiden.

Der Junker, wie leblos hingestreckt,
Schlief, von den Armen der Braut bedeckt,
Durch ihren Kuß zum Leben erweckt:
– Verbotene Liebe bringt Leiden.

Widmungen.


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