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Ein aussterbendes Wort unsrer Mundart, an dessen Stelle sich das schriftdeutsche «Taglöhner» einschleicht. Daß auch «Tauner» auf einer Zusammensetzung mit «Tag» beruht, scheint selbst bernischen Mundartdichtern nicht mehr bewußt zu sein. Einer der beliebtesten unter ihnen schreibt in seinen Erzählungen regelmäßig «Talner», «Talnerhüsi», sogar «talne» als Zeitwort. Er hält offenbar das u von «Tauner» für ein vokalisiertes l und setzt dieses an Stelle von u. Er schreibt auch «ke Walch tue» anstatt «ke Wauch tue» ohne zu beachten, daß dieses «Wauch» (aus «Wangch») dem deutschen Wank entspricht, wie «Trauch» dem Trank, «Dauch» dem Dank, «Auche» dem Anken. Die Verirrung des Sprachgefühls verrät sich in unsrer heutigen Mundart auch darin, daß dieses alte au (a-u) mit dem in unsrer Mundart vorherrschenden ou vertauscht wird. So hört man jetzt «Touner» mit o-u sprechen, so auch «Housi» statt Hausi (Hansi), «souft» statt sauft (aus sanft), «wouschte» statt wauschte (in den Wanst essen, gefräßig und häßlich essen und auch unanständig sprechen). Und so ist z.B. auch aus dem ital. tschau (eigentlich schiavo = Ihr Diener) sofort ein «tschou» geworden.
Wie Taglöhner von Taglohn, ist auch Tauner in seiner älteren Form «Tagwaner» von einem «Tagwan» abgeleitet, welches den Taglohn oder Tagesgewinn bezeichnet. Das ausgestorbene Wort «Wan» nämlich ist eine Ablautbildung eines nicht mehr vorhandenen 147 Zeitwortes winnen (vgl. engl. to win), das nur noch mit der Vorsilbe ge- erhalten ist (gewinnen). Der «Wan» ist also der Gewinn, von dem Zeitwort winnen mit Hilfe des Vergangenheilsvokals a abgeleitet wie z.B. Trank von trinken, Drang von dringen, Schwall von schwellen, Zwang von zwingen. In der Zusammensetzung Tagwaner verlor die zweite Silbe ihr Gewicht und die erste ihren Auslaut g, so daß das ganze Wort zu Tawner, Tauner zusammenschrumpfte. Das ist nicht verwunderlich, wenn man bedenkt, daß aus Baumwolle Bouwele, aus Hofstatt Hoschtet, aus Hanfsaat, Haußet, aus Armvoll Arvel, aus Mannwerch Mammert, aus Thorberghus Torbethus und aus dem solothurnischen Zullwil ein Zubel geworden ist.