Anthony Graf Hamilton
Die Memoiren des Grafen Grammont
Anthony Graf Hamilton

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Während der Verbannung waren auch die Söhne des Herzogs von Ormond mit dem Hof im Auslande gewesen und machten ihm seit der Rückkehr Ehre. Der Graf von Arran besaß in allen Arten von Kunstfertigkeiten eine seltene Übung; er war ein gewandter Ball- und Gitarrespieler und in Liebesintrigen ziemlich glücklich. Sein älterer Bruder, Graf Ossory, glänzte weniger, aber er besaß viel Seelenadel und Ehrenhaftigkeit.

Ihr Vetter, der älteste Hamilton, kleidete sich unter allen Männern bei Hof am geschmackvollsten. Er war von Natur wohlgebildet und hatte jene Talente, die zu Glück führen und in der Liebe Erfolg versprechen. Man konnte keinen unermüdlicheren Hofmann, keinen gewandteren Geist, keine feineren Formen, keine größere Aufmerksamkeit für die Wünsche des Königs finden. Niemand tanzte besser oder war überhaupt graziöser; an einem Hof aber, wo es nur Feste und Liebelei gibt, sind das wesentliche Verdienste, und es ist kein Wunder, daß er, mit diesen Eigenschaften begabt, später die Stelle von Lord Falmouth einnahm. Aber auffallenderweise raffte ihn dasselbe Los hin, als wäre dieser Krieg nur ausgezeichneten Männern und ihrer nahen Beförderung verderblich gewesen. Sein Unfall ereignete sich jedoch erst einige Jahre später.

Nicht so gefährlich, als er schien, besaß der schöne Sidney zu wenig Leben, um den durch sein Äußeres hervorgerufenen bedeutenden Eindruck zu unterstützen. Dem kleinen Jermyn dagegen strömte von allen Seiten die Gunst der Damen zu. Der alte Graf Saint-Albans hatte ihn als seinen jüngsten Neffen schon lange an Sohnes Statt angenommen. Es ist bekannt, daß der gute Graf in Paris große Tafel hielt, während der König zu Brüssel Hunger litt und die Königin-Mutter in Frankreich auch nicht gerade schwelgte.

Vom Reichtum seines Onkels unterstützt, war es Jermyn nicht schwer, bei der Prinzessin von Oranien, der Schwester des Königs, günstig und vorteilhaft aufzutreten. Des Königs arme Höflinge konnten mit Jermyns reicher Ausstattung und Pracht nicht wetteifern, und bekanntlich führen diese Dinge in der Liebe oft ebenso weit, wie persönlicher Wert. Sein Beispiel beweist es; denn obgleich er ein vollkommener Kavalier und tapfer war, berechtigten ihn doch weder seine Leistungen, noch seine Geburt zu hohen Ansprüchen, auch sein Äußeres war nicht gerade bezaubernd. Er war klein, hatte einen starken Kopf und dünne Beine. Sein Gesicht war nicht übel; aber Haltung und Manieren waren gezwungen. Statt Geist besaß er gewisse stehende Redensarten, die er bald im Scherz, bald im Ernst gebrauchte. Auf diesen Grundlagen beruhte sein gewaltiger Ruf als Herzensbrecher.

Zunächst gewann er des Königs Schwester für sich. Dann war Miß Hyde dem Beispiel ihrer fürstlichen Gebieterin gefolgt. Dies lenkte die Aufmerksamkeit auf ihn und sein Ruf war somit vor seiner Ankunft in England schon gegründet. Um Zugang zum Herzen der Frauen zu finden, bedarf es nur eines günstigen Vorurteiles, das sie über jemanden haben. Jermyn fand die Damen für sich so günstig gestimmt, daß er bei ihnen nur anzuklopfen brauchte. Es schadete ihm auch nicht, als man entdeckte, ein so schwachbegründeter Ruf stehe auf noch schwächeren Füßen. Sein Ruf als Don Juan wirkte ansteckend. Die Gräfin Gastlemaine, sonst so lebhaft und für eine Kennerin geltend, ließ sich auch vom falschen Schein blenden, und wenn sie auch bald über diese Modepuppe aufgeklärt war, die so viel versprach und so wenig hielt, wollte sie doch ihren eigenen Irrtum nicht zugeben. Sie hielt das Verhältnis auf die Gefahr eines Bruches mit dem Könige hin aufrecht; an ein so seltsames Objekt hat sie zum erstenmal ihre Treue gewendet. Das waren die Helden des Hofes. Um aber seine Schönheiten zu sehen, brauchte man nur die Augen zu öffnen. Die berühmtesten waren die eben erwähnte Gräfin Castlemaine, nachmalige Herzogin von Cleveland, Lady Chesterfield, Lady Shrewsbury, die Damen Roberts, Mistreß Middleton, die Fräulein Brook und hundert ähnliche Sterne; Miß Hamilton und Miß Stewart aber waren die Zierde des Hofes.

Die neue Königin verschönte weder durch ihre Person noch durch ihr Gefolge den glänzenden Kreis. Ihre Suite bestand aus der Gräfin Panetra als Gesellschaftsdame, aus sechs Scheusalen, die sich Ehrenfräulein nannten, und einem Ausbund von Häßlichkeit, der als Gouvernante diesen erlesenen Schönheiten vorstand.

Die Herren waren: Francisco de Molo, der Bruder der Gräfin Panetra, ein gewisser Tauravedez, der sich Don Pedro Francisco Correo de Silva nennen ließ; er war zum Malen schön, aber eingebildeter, als alle Portugiesen zusammengenommen und stolzer auf seinen Namen, als auf sein Äußeres. Der Herzog von Buckingham, noch exzentrischer, aber witziger als er, zog die ganze Namenreihe in Pedro de Silva zusammen und übersetzte das: »der Peter aus Holz«. Darüber entrüstet mußte der arme Pedro de Silva, nach nutzlosen Klagen und Drohungen, endlich England verlassen, während der glückliche Herzog von Buckingham von ihm eine portugiesische Nymphe erbte, die er ihm ebenso abgeknöpft hatte, wie zwei seiner Namen, aber die Damen der Königin an Häßlichkeiten noch übertraf.

Außerdem gab es sechs Almoseniere, vier Bäcker, einen jüdischen Parfümeur und einen Beamten, scheinbar ohne Funktion, der sich für den Hofbarbier der Infantin ausgab.

Die Königin Katharina von Braganza war weit entfernt davon, an dem reizenden Hofe, über den sie herrschen sollte, zu glänzen. Späterhin gefiel sie besser. Mit der königlichen Familie und den meisten Herren vom Hofe bekannt, brauchte der Chevalier Grammont sich nur bei den Damen einzuführen. Dazu bedurfte er keines Dolmetschers; sie sprachen alle genügend französisch, um sich verständlich zu machen und von dem, was man ihnen zu sagen hatte, nichts zu verlieren.

Bei der Königin war der Hof immer stark besucht, weniger bei der Herzogin von York, aber hier war die Gesellschaft gewählter. Diese Fürstin hatte ein imposantes Äußere, einen recht hübschen Wuchs, kein regelmäßig schönes Gesicht, aber viel Esprit und soviel sicheren Takt in der Bewertung von Menschen, daß bedeutende Männer und Frauen von ihr stets ausgezeichnet wurden. Eine gewisse Hoheit in ihrem ganzen Wesen ließ sie für eine Stellung, die sie dem Throne so nahe brachte, wie geboren erscheinen. Nach der Vermählung der Schwester des Königs, Henriette von Orleans, war auch die Königin-Mutter zurückgekehrt und an ihrem Hofe pflegten die beiden anderen Höfe sich zu vereinigen.

Bald war der Chevalier Grammont bei jedermann beliebt. Die ihn noch nicht gesehen hatten, waren erstaunt, einen Franzosen seiner Art zu finden. Des Königs Rückkehr hatte nämlich viele Ausländer an den Hof gebracht und die Franzosen darunter waren ein wenig in Mißkredit geraten, weil sie anfangs nur aus unbedeutenden, anmaßenden Gecken bestanden, die, einer immer dümmer und aufgeblasener als der andere, alles zu verachten schienen, was nicht ihnen glich, und es für guten Ton hielten, die Engländer im eigenen Lande als Barbaren zu behandeln.

Ihr wahres Gegenteil war der Chevalier Grammont: zu jedermann freundlich, gewöhnte er sich bald an die Sitten, machte alles mit, lobte alles und paßte sich leicht an Formen an, die er weder plump, noch barbarisch fand; da er nun statt der beleidigenden Unzufriedenheit seiner Vorgänger natürliche Zuvorkommenheit zeigte, war ganz England von einem Manne entzückt, der für die Lächerlichkeit seiner anderen Landsleute reichen Ersatz bot.

Zunächst machte er dem König den Hof und nahm teil an seinen Vergnügungen. Er spielte hoch und verlor nur selten. In der Unterhaltung, in den Manieren seiner täglichen Umwelt, fand er so wenig Unterschied gegen früher, daß es ihm kaum vorkam, als habe er sein Land verlassen. Alles, was einem Temperament, wie dem seinigen, nur Genuß schaffen kann, bot sich seinen Wünschen dar, als wären die Annehmlichkeiten des französischen Hofes ihm ins Exil gefolgt.

Er war täglich zu Tisch geladen; wer ihn als Gast bei sich sehen wollte, mußte seine Einladung also acht oder zehn Tage zuvor ergehen lassen. Auf die Dauer wurde ihm diese übermäßige Artigkeit freilich unbequem; doch einem Mann seiner Art schienen diese Pflichten unerläßlich, und da ihn die ersten Hofleute einluden, fügte er sich mit guter Manier der Notwendigkeit und behielt sich nur die Freiheit vor, abends zu Hause zu speisen.

Die Stunde dieser Nachtmähler hing freilich vom Spiel ab, das heißt, sie war sehr unbestimmt; aber mit Hilfe einiger Bedienten, die sich trefflich auf die Kochkunst verstanden und ebenso gewandt servierten, wie sie ihren Herrn bestahlen, wurde ausgezeichnet gespeist.

Bei diesen kleinen Soupers war die Gesellschaft nicht zahlreich, aber sehr gewählt; der beste Teil der Hofkreise war gewöhnlich anwesend; niemals aber fehlte der Mann, der ihm vor allem am meisten zusagte, der berühmte Saint-Evremond, jener treue, nur allzu freimütige Geschichtschreiber des Pyrenäenvertrages, der, gleich unserem Chevalier, wenn auch aus ganz anderen Gründen, aus Frankreich verbannt war.

Zum Glück für beide hatte ihn das Schicksal einige Zeit vor Grammonts Ankunft nach England geführt, nachdem er in Holland Muße gehabt, die Treffsicherheit seiner Satiren zu bereuen.


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