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Den Tag darauf ward die Sache veröffentlicht und der ganze Hof beeilte sich pflichtgemäß, ihr Huldigungen darzubringen, die später sehr aufrichtig wurden.
Die Stutzer, die zu einem ganz anderen Zweck, als dem erreichten, gegen sie ausgesagt hatten, waren sehr in Verlegenheit. Gewisse Beleidigungen zu verzeihen, liegt nicht im Charakter der Frauen, und wenn sie sich den Genuß der Rache verschaffen wollen, so gehen sie nicht mit halber Hand zu Werk; dennoch kamen die Herren mit der bloßen Angst davon.
Von allem, was im Kabinett über sie gesagt war, in Kenntnis gesetzt, bemühte sich die Herzogin von York, weit entfernt von jeder Rachsucht, durch Freundlichkeit und Gefälligkeiten aller Art gerade diejenigen auszuzeichnen, die sie an einem so empfindlichen Punkte angegriffen hatten. Sie spielte niemals darauf an, ohne ihren Diensteifer zu loben, und meinte, es gebe keine größere Probe von Hingebung, als wenn ein sonst edler Mann im Interesse eines Fürsten oder Freundes die strengen Grenzen der Redlichkeit ein wenig überschreite, um ihm zu dienen. Gewiß ein seltenes Muster von Klugheit und Mäßigung nicht allein für das schöne Geschlecht, sondern auch für diejenigen unter uns, die sich am meisten mit Weisheit brüsten.
Nachdem der Herzog von York durch Anerkennung seiner Vermählung sein Gewissen beruhigt hatte, dachte er nach einer so großmütigen Handlung, seiner Liebe zur Abwechslung etwas Raum geben zu können. Er machte sich also an das, was ihm in die Hände fiel, an Lady Carnegy, die schon in manchen anderen Händen gewesen war. Sie war noch ziemlich hübsch und ihre natürliche Gutmütigkeit ließ ihren neuen Liebhaber nicht lange schmachten. Eine Zeitlang ging alles ganz gut. Ihr Gemahl, Lord Carnegy, war noch in Schottland; da aber sein Vater plötzlich gestorben war, kam der Lord ebenso unerwartet unter dem neuerworbenen Namen Lord Southesk zurück – einem Namen, den seine Gemahlin haßte, aber doch noch geduldiger ertrug als ihres Mannes Rückkehr. Von der Ehre, die ihm in der Abwesenheit angetan worden, hatte er etwas Wind bekommen. Zunächst wollte er nicht den Eifersüchtigen spielen; da er sich indes über die Wahrheit der Tatsache gerne Licht verschafft hätte, so beobachtete er seine Frau genauer. Das Verhältnis zwischen ihr und dem Herzog von York war über bloße Tändeleien längst hinaus. Weil jedoch die Ankunft des Mannes zu einigen Rücksichten zwang, so besuchte der Fürst sie unter anständigen Formen, das heißt stets von jemandem begleitet, um den Schein einer bloßen Visite zu wahren.
Zu jener Zeit kehrte Talbot aus Portugal zurück. Der Umgang hatte sich während seiner Abwesenheit angesponnen und, ohne von Lady Southesk eine Idee zu haben, hörte er nur, sein Gebieter sei in sie verliebt.
Einige Tage nachher ward er, als Statist, zu ihr geführt und der Herzog stellte ihn vor. Es wurden auf beiden Seiten einige Artigkeiten gewechselt, worauf er es passend fand, Seine Hoheit ungehindert unter vier Augen sein Kompliment anbringen zu lassen und sich ins Vorzimmer zurückzuziehen, dessen Fenster auf die Straße gingen. Talbot setzte sich an eines, um die Vorübergehenden zu betrachten.
Für dergleichen Verhältnisse stand sein guter Wille außer Zweifel; aber leider war er der Unaufmerksamkeit und Zerstreuung so unterworfen, daß er zum Beispiel das Glückwunschschreiben, mit dem der Herzog ihn für die Infantin von Portugal entsandt, ruhig in London zurückgelassen und erst in Lissabon vor seiner Audienz vermißt hatte.
Wie erwähnt, stand er also jetzt Schildwache und war auf seine Weisungen sehr aufmerksam, als er einen Wagen vor der Tür halten sah. Er bekümmerte sich weder darum noch um einen Herrn, der ausstieg und die Treppe heraufkam.
Der Teufel, der bei solchen Gelegenheiten nicht böswillig sein sollte, führte ihm Lord Southesk in eigener Person in den Weg. Man hatte des Herzogs Wagen fortgeschickt, weil die Lady versicherte, ihr Gemahl habe eine Fahrt zu den Wettspielen mit Hunden, Bären und Stieren gemacht, wo er sich so amüsiere, daß er gewöhnlich sehr spät zurückkäme. Der Lord erwartete, weil er keinen Wagen gesehen, nimmermehr, so vornehmen Besuch zu finden. Wenn es ihn nun zunächst befremdete, daß er Talbot ruhig im Vorzimmer seiner Frau sitzend fand, so war seine Überraschung doch nur kurz. Seit der Rückkehr aus Flandern hatte Talbot ihn nicht gesehen, und ohne zu ahnen, daß jener den Namen gewechselt habe, rief er, ihm die Hand reichend: »Ach, guten Tag, Carnegy, guten Tag, dickes Vieh, wo zum Teufel kommst du her, da man dich seit der Zeit in Brüssel gar nicht gesehen hat? Weshalb kommst du hieher? Du hast es doch nicht etwa auch auf die Southesk abgesehen? Wenn das ist, lieber Freund, kannst du nur das Feld räumen, denn ich sage dir, der Herzog von York liebt sie und gerade jetzt ist er da drinnen, um ihr ein Wort darüber zu sagen.«
Wie man sich denken kann, überrascht, hatte Southesk keine Zeit, auf diese schönen Reden zu antworten. Talbot drängte ihn freundschaftlich zur Tür hinaus und riet ihm, als sein gehorsamer Diener, sein Glück anderswo zu suchen. Southesk, der für den Augenblick nichts Besseres wußte, stieg wieder in seinen Wagen, und Talbot, erfreut über den Vorfall, sehnte sich nach des Herzogs Fortgehen, um ihm das Intermezzo zu berichten. Allein er fand, die Sache habe für die Beteiligten eben nichts Lustiges; besonders aufgebracht aber war er, daß dies Vieh von Carnegy seinen Namen eigens gewechselt, um ihm seine Mitteilung abzulocken.
Dieser Zufall brachte ein Verhältnis zum Abschluß, dessen Verlust der Herzog nicht allzusehr bedauerte; seine Abkühlung trat zur rechten Zeit ein; denn der Verräter Southesk war daran, eine Rache vorzubereiten, die, wenn ihr Verkehr noch länger gedauert hätte, ihm ohne Gift und Eisen an seinen Beleidigern gründliche Genugtuung verschafft hätte.
Er suchte an den verruchtesten Orten die abscheulichste Krankheit, die dort zu finden ist; seine Rache gelang ihm aber nur zur Hälfte; denn nachdem er die schwersten Kuren durchgemacht, um das Übel wieder loszuwerden, gab seine Frau Gemahlin ihm allein sein Geschenk zurück, da sie mit dem, für den es ausgeklügelt war, keinen Umgang mehr pflog.
Zu jener Zeit glänzte Lady Robarts. Ihre Schönheit fiel auf, doch fesselte sie, trotz den lebhaftesten Farben, dem ganzen Schmelz der Jugend und bei allem, was eine Frau reizend machen kann, nicht dauernd. Nichtsdestoweniger hätte der Herzog von York dabei seine Rechnung gefunden, wenn nicht unüberwindliche Schwierigkeiten seine guten Absichten auf sie vereitelt hätten. Der Gemahl der schönen Frau, Lord Robarts, war ein alter unausstehlicher Störenfried, in sie zum Verzweifeln verliebt, und noch dazu immer in ihrer Nähe.
Sie bemerkte die Aufmerksamkeit Seiner Hoheit ganz gut und ließ merken, daß sie nicht unerkenntlich sein würde. Das erhöhte des Herzogs Eifer und mehrte seine von Ferne zugesandten Liebeszeichen; da aber bei größerer Annäherung der unvermeidliche Robarts seine Wachsamkeit und Sorge nur verdoppelte, so griff man zu allen möglichen Mitteln, ihn zu ködern. Man versuchte, ihn durch Habsucht und Ehrgeiz zu gewinnen. Leute, die sein Vertrauen genossen, mußten ihm sagen, es hänge nur von ihm ab, der Lady Robarts, die so würdig sei, bei Hofe eine bedeutende Stellung einzunehmen, einen Posten bei der Königin oder Herzogin zu verschaffen. Auch über eine Statthalterstelle in seiner Provinz forschte man ihn aus; man schlug ihm vor, er möge die Verwaltung der Güter des Herzogs von York in Irland übernehmen; es sollte ihm vollkommen freie Hand gelassen werden, wenn er nur eilig hinreisen und dort so lange bleiben wollte, als ihm gut dünkte.
Er verstand die Bedeutung dieser Vorschläge vollkommen und wußte ihren ganzen Wert zu würdigen; doch Ehrgeiz und Gewinnsucht lockten ihn vergebens; er schenkte ihnen kein Gehör; der verwünschte Alte wollte eben kein Hahnrei werden. Abneigung und Furcht bewahren aber nicht immer vor diesem Schicksal. Der Schelm wußte dies sehr gut. Er ruhte also nicht, bis er unter dem Vorwande einer Pilgerreise zu der heiligen jungfräulichen Märtyrerin Winifried, die die Gabe besaß, den Frauen Fruchtbarkeit zu verleihen, die höchsten Berge von Wales zwischen seiner Gattin und dem ihr nach seiner Abreise in London zugedachten Wunder emporragen sah.
Eine Zeitlang lag der Herzog nur dem Jagdvergnügen ob oder opferte der Liebe wenigstens nur vorübergehend. Da aber die Erinnerung an Lady Robarts schwand und sein Sinn sich gewandelt, so richteten seine Blicke und Wünsche sich auf Miß Brook; mitten jedoch in dieser Verbindung warf sich ihm Lady Chesterfield aus eigenem Antrieb in den Weg, wie wir bei der Wiederaufnahme ihrer Geschichte erzählen werden.
Der rastlose, ehrgeizige Graf v. Bristol hatte alle Mittel versucht, beim König seinen früheren Einfluß zu erhalten. Da es derselbe Digby ist, dessen Bussy in seinen Annalen gedenkt, so wird die Bemerkung hinreichen, daß sein Charakter sich nicht geändert hatte. Er wußte, wie Liebe und Zerstreuungen einen Gebieter beherrschten, den er wiederum gegen den Willen des Lordkanzlers lenkte. So gab es denn bei ihm Fest auf Fest; bei diesen nächtlichen Gelagen herrschten Üppigkeit und feiner Geschmack als Würze der anderen Genüsse. Die beiden Fräulein Brook, seine Verwandten, nahmen beständig an ihnen teil. Beide waren wie geschaffen, Liebe einzuflößen und zu empfinden. Das war ganz wie für den König geschaffen. Graf Bristol sah die Dinge so laufen, daß er mit seinem Plan zufrieden war; aber Lady Castlemaine, die neuerdings wieder im Besitz der ganzen Neigung des Königs war, war damals noch gar nicht geneigt, sie mit einer anderen zu teilen, wie sie es aus Nichtbeachtung von Miß Stewart seither blindlings getan. Sobald sie von diesen Intrigen Wind bekommen hatte, störte sie unter dem Vorwand, an allen Festen teilnehmen zu wollen, die Partie. Graf Bristol konnte nur seinen Plan aufgeben und Miß Brook ihr Entgegenkommen einstellen. Der König wagte nicht mehr, an sie zu denken; allein sein Bruder, der Herzog, nahm sich der Verschmähten an, und Miß Brook empfing vorläufig das Anerbieten seines Herzens, bis es dem Himmel gefallen sollte, anderweitig über sie zu verfügen. Das ereignete sich denn auch bald in folgender Weise. – Von Schätzen und Jahren belastet, hatte Ritter Denham seine Zeit früher unter den Zerstreuungen der Jugend hingebracht. Einer der glänzendsten Geister, die England auf dem Gebiet der witzigen Literatur hervorgebracht, verschonte er in seinen satirischen und scherzhaften Gedichten weder langweilige Schriftsteller noch eifersüchtige Männer oder deren Gattinnen. Seine Arbeiten waren voll treffender Witzworte und anmutiger Geschichten; aber seine feinste und stechendste Satire drehte sich gewöhnlich um Eheabenteuer; und als wollte er die Wahrheit seiner Jugendschriften an sich selbst erproben, nahm er im Alter von neunundsiebzig Jahren die erwähnte Miß Brook zur Frau, die nur achtzehn Sommer zählte.
Kurz zuvor hatte der Herzog von York sie ein wenig vernachlässigt; aber ein solches Mißverhältnis in der Ehe fachte seine Flamme von neuem an. Auch sie weckte in ihm Hoffnungen auf ein nahes Glück, dem vor der Vermählung tausend Rücksichten im Weg lagen. Sie wollte eine Stellung bei Hofe und gegen das Versprechen eines Postens als Palastdame der Herzogin war sie bereit, ein anderes Versprechen zu erteilen oder wohl auch bar zu bezahlen, als – Lady Chesterfield mitten in der Unterhandlung durch ein unseliges Geschick versucht wurde, ihr den Anbeter zu entreißen und dadurch manches Verhältnis zu verwirren. Weil sie jedoch den Herzog nur in großer Gesellschaft sah, mußte sie ihm, um ihn zu gewinnen, notwendigerweise stark entgegenkommen, und da er der unvorsichtigste Blickewerfer seiner Zeit war, so war der ganze Hof von dem kaum begonnenen Roman bald unterrichtet. Die mit höchster Spannung auf die Sache blickten, waren dabei nicht eben unbeteiligt zu nennen. Hamilton und Lord Chesterfield beobachteten am genauesten. Aber die Denham war wütend über das gegen sie umlaufende Gerücht und erging sich voller Wut in Äußerungen gegen ihre Nebenbuhlerin. Bis jetzt hatte Hamilton geglaubt, bloße Eitelkeit habe Lady Chesterfield in diese Sache gezogen; allein er war bald enttäuscht. So kalt sie anfangs auf die Intrige eingegangen war, sie ging aus ihr nicht so unberührt hervor. Oft gerät man weiter, als man denkt, sobald man Lockungen, die man für harmlos hält, nachgeht. Wenn auch anfangs das Herz nicht beteiligt ist, ist es für die Folge keineswegs sicher.