Anthony Graf Hamilton
Die Memoiren des Grafen Grammont
Anthony Graf Hamilton

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Dieser Russell war einer der unermüdlichsten Tänzer von England, das heißt bei den Kontertänzen. Er besaß in Tabellen eine Sammlung von zwei- bis dreihundert Touren, die er alle mit dem Hefte in der Hand tanzte; und um zu zeigen, er sei noch nicht alt, sprang er mitunter, bis ihm der Atem verging. Sein Tanz glich seiner Tracht, beide waren zwanzig Jahre aus der Mode.

Der Chevalier Grammont bemerkte ganz gut, daß der Lord verliebt war, aber wenn er ihn deshalb auch um so komischer fand, so flößte ihm dessen bekanntgewordene Absicht, um Miß Hamilton zu werben, dennoch Besorgnis ein; aber er wurde von dieser Unruhe bald befreit.

Auf dem Punkt, eine Reise anzutreten, hielt es Russell für seine Pflicht, die Dame von seinen Absichten in Kenntnis zu setzen. Bei den Zusammenkünften, die man mit ihr wünschte, war der Chevalier ein bedeutendes Hindernis; eines Tages indes, als er bei Lady Castlemaine zum Spiel geladen war, fand Russel eine günstige Stunde, und indem er sich mit einer bei solchen Gelegenheiten ungewöhnlich sicheren Miene an Miß Hamilton wandte, machte er seine Erklärung folgendergestalt: »Ich bin Bruder des Grafen von Bedford und Chef des Garderegiments; ich besitze dreitausend Jakobstaler Einkommen und fünfzehntausend bar. Ich komme, Fräulein, sie Ihnen mit meiner Hand anzubieten. Ich gebe zu, das eine ist ohne das andere nicht von Bedeutung, deswegen stellte ich beides zusammen. Man hat mir geraten, ins Bad zu reisen, wegen eines kleinen Krampfhustens, der wahrscheinlich nicht lange mehr dauern wird, da ich ihn schon über zwanzig Jahre habe. Wenn Sie mich des Glückes, Ihnen anzugehören, für würdig halten, so werde ich bei Ihrem Herrn Vater Schritte tun, die ich, ohne Ihre Meinung zu kennen, nicht einschlagen dürfte. Mein Neffe William weiß noch nichts von meiner Absicht; aber wenn er auch dadurch die Aussicht auf eine bedeutende Erbschaft verliert, glaube ich doch, daß er nicht unzufrieden sein wird; denn er liebt mich sehr, und seitdem er bemerkt, daß ich Sie liebe, ist auch er Ihnen sehr zugetan. Ich bin mit seiner Aufmerksamkeit für Ihre Person sehr zufrieden, weil er bei dieser Kokette, der Middleton, nur Geld verschwendete, statt daß er nun im besten Kreise von ganz England keinen Pfennig ausgibt.

Während dieser Anrede hatte Miß Hamilton Mühe gehabt, ihr Lachen zu bergen; sie versicherte ihm indes, sie fühle sich durch sein Vertrauen sehr geehrt, um so mehr, da er die Güte gehabt, sie vor ihren Eltern zu befragen. »Bei Ihrer Rückkehr aus dem Bade wird es noch immer Zeit sein, mit Ihnen zu sprechen,« sagte sie; »denn ich sehe keine Wahrscheinlichkeit, daß Sie vorher über mich verfügen werden. Sollte man mich jedoch drängen, so ist auf alle Fälle Ihr Neffe William da, um Sie zu benachrichtigen. Sie können also jederzeit abreisen; aber hüten Sie sich wohl, durch übereilte Rückkunft Ihre Gesundheit zu gefährden.«

Der Chevalier Grammont erfuhr die ganze Unterredung und sie ergötzte ihn, doch nur mäßig; denn in der Erklärung steckten gewisse Punkte, die ihn trotz der anderen Lächerlichkeiten nachdenklich machten. Mit der Abreise war er zufrieden. Er nahm eine heitere Miene an und ging zum König, um ihm die glückliche Entfernung eines so gefährlichen Mitbewerbers zu berichten.

»Er ist also fort, Chevalier?« fragte der Fürst. – »Im Ernst, Sire, ich selbst habe die Ehre gehabt, ihn in einen Reisewagen steigen zu sehen mit seinem Asthma und seiner Ausrüstung für das Land, die kleine Perücke mit blaßbraunem Bande sauber zusammengebunden, und den Regenhut mit wachsleinenem Überzuge auf dem Kopfe, was ihm trefflich steht. So habe ich also nur noch mit William Russell zu tun, den er bei Miß Hamilton zurückläßt; den fürchte ich aber weder an sich noch als Vertreter seines Onkels. Um das Interesse eines anderen mit Eifer wahrzunehmen, ist er selbst zu verliebt, und da er, um sich persönlich geltend zu machen, nur einen Weg hat, nämlich, daß er das Bild oder einige Briefe der Middleton opfert, bin ich wahrlich imstande, ihm mit dieser Art von Liebespfändern nicht nachzustehen. Doch sie kosteten mir viel, das gestehe ich.«

»Da Ihre Angelegenheiten mit den beiden Russell so gut gehen,« sprach der König, »so will ich Ihnen auch das Zurücktreten eines anderen Nebenbuhlers melden, der weit gefährlicher für Sie sein wäre, wenn er nicht schon vermählt wäre. Mein Bruder, der Herzog von York, hat sich neuerdings in Lady Chesterfield verliebt.« – »Wieviel Glück auf einmal!« rief der Chevalier aus; »für diesen Abfall weiß ich dem Herzog soviel Dank, daß ich ihm gern bei der neuen Geliebten meine Dienste anböte, wenn nicht Hamilton sein Rivale wäre. Ew. Majestät werden es nicht unbillig finden, daß ich den Bruder meiner Dame gegen den Ihrigen unterstütze.« – »Doch«, sagte der König, »ist Hamilton bei diesem Verhältnis nicht sosehr beistandsbedürftig wie der Herzog von York; denn wie ich Lord Chesterfields Charakter kenne, wird er es nicht ganz so ruhig, wie der gute Shrewsbury, mit ansehen, daß man sich um seine Frau schlägt, wenn er auch ziemlich dasselbe Schicksal verdienen mag.«

Lord Chesterfield hatte folgende Züge: Er besaß ein einnehmendes Gesicht, einen sehr schönen Kopf, einen unbedeutenden Wuchs und nichts imponierendes in der ganzen Erscheinung. Er war nicht ohne Geist. Durch längeren Aufenthalt in Italien hatte er sich im Umgang mit Männern Etikette, im Verkehr mit Frauen Mißtrauen angeeignet. Lady Castlemaine hatte ihn sehr geliebt; das Gerücht sagte, er habe vor ihrer Vermählung ihre Gunst genossen, und da keiner von beiden es in Abrede stellte, so glaubte man es nur zu leicht.

Noch den Kopf von seiner ersten Liebe erfüllt, hatte er um des Herzogs von Ormond älteste Tochter geworben. Des Königs Neigung zu Lady Castlemaine und die dem Lord durch jene Verbindung eröffnete Aussicht trieben ihn, seine Werbung mit einem Eifer zu verfolgen, als liebe er ernstlich. Er hatte Lady Chesterfield somit eigentlich ohne Liebe geheiratet und lebte mit ihr einige Zeit in so kaltem Verhältnis, daß sie an seiner Gleichgültigkeit nicht zweifeln konnte. Gegen Nichtachtung war sie sehr empfindlich; anfangs betrübt, wurde sie später aufgebracht und gerade, als ihr Gemahl anfing, ihr Liebe zu beweisen, hatte sie die Genugtuung, ihm zu zeigen, daß sie sich aus ihm nichts mache.

In dieser gegenseitigen Stimmung waren beide, als es ihr einfiel, Hamilton, wie sie es früher mit ihrem Gemahl gemacht, den letzten Banden, die ihn an Lady Castlemaine knüpften, zu entreißen. Es ward ihr nicht schwer. Das Verhältnis zur Gräfin war drückend durch ihre Unarten, ihren unzeitigen Hochmut und durch beständige Grillen und Launen. Die Chesterfield dagegen verstand es, ihre körperlichen Reize mit allem zu schmücken, was nur der Geist einer Frau, die gefallen will, Verführerisches bieten kann. Sie war überdies durch äußere Umstände so gestellt, daß sie ihm eher wie jedem anderen entgegenkommen konnte. Sie wohnte in Whitehall bei dem Herzog von Ormond, ihrem Vater. Wie schon gesagt, hatte Hamilton dort zu jeder Stunde Zutritt.

Die völlige Kälte oder vielmehr Abneigung, die sie der neuerwachten Liebe ihres Gemahls entgegensetzte, weckten in diesem seinen natürlichen Hang zum Argwohn. Er meinte, ohne den verborgenen Grund irgend einer neuen Neigung hätte sie nicht plötzlich von Teilnahme zu Gleichgültigkeit gegen ihn übergehen können und nach den Grundsätzen der Eifersucht bot er seine ganze Erfahrung und Gewandtheit zur Entdeckung einer Sache auf, die nur seine Ruhe stören sollte.

Hamilton kannte ihn, war vorsichtig, und je weiter seine Sache fortschritt, desto eifriger bemüht, bei jenem auch den leisesten Verdacht einzuschläfern. Er machte ihm scheinbar die offensten Bekenntnisse von der Welt über seine Liebe zur Castlemaine, beklagte sich über ihre Heftigkeit und bat ihn auf den Knien um seinen Rat, wie man es anfangen müsse, einem Wesen zu gefallen, dessen wahre Neigung er, der Lord, allein besessen habe.

Aufrichtiger, als man seinen Schutz verlangte, versprach – durch diese Reden geschmeichelt – Chesterfield seine Hilfe. Hamilton war also nur noch hinsichtlich der Lady Chesterfield in Unruhe, weil ihre Gunst für ihn sich etwas zu offen zeigte. Während er aber sorgsam bemüht war, ihre Leidenschaft für ihn selbst im Zaum zu halten und sie zu beschwören, ihre Blicke zu zügeln, duldete sie die werbenden Blicke des Herzogs von York und, was noch schlimmer war, sie erwiderte sie freundlichst.

Er bemerkte es natürlich so gut wie jedermann; aber er glaubte auch, er täusche sich, wie alle Welt sich täusche. Wie war es möglich, den Augen zu trauen bei dem, was der Lady Chesterfield Blicke diesem neuen Rivalen sagten! Es schien ihm nicht wahrscheinlich, daß ein Geist wie der ihre an einem Benehmen wirklich Geschmack finden könne, über das sie sich unter vier Augen tausendmal lustig gemacht; was ihm aber noch weniger möglich schien, war ihr Eingehen auf ein neues Verhältnis, ehe sie die ihm gemachten Hoffnungen durch den letzten Schritt erfüllt hatte.

Doch nahm er sich vor, sie näher zu beobachten. Nach allem, was er entdeckte, gewann er die Überzeugung, sie habe, wenn sie ihn noch nicht betrogen, dazu doch große Lust. Er erlaubte sich, ihr darüber ein paar Worte zu sagen; doch schlug sie einen entrüsteten Ton an und behandelte ihn wie einen, der Gespenster sieht, so daß er, ohne überzeugt zu sein, wenigstens irre wurde. Die einzige Genugtuung, die sie ihm gab, war die stolze Äußerung: er verdiene, daß seine törichten Vorwürfe wirklich begründet wären.

Lord Chesterfield war von gleicher Besorgnis geplagt; kein Zweifel mehr: er hatte den begünstigten Anbeter nach den von ihm angestellten Beobachtungen entdeckt, und da das Herz seiner Frau ihm einmal verloren war, blieb er still, ohne sie mit nutzlosen Vorwürfen zu quälen, nahm sich aber vor, sie zu ertappen und dann seinen Weg einzuschlagen.

Wie soll man aber Lady Chesterfields Vorgehen verstehen, wenn man es nicht jener Manie gefallsüchtiger Frauen zuschreibt, die aus Liebe zum Aufsehen alles aufbieten, um einer anderen eine Eroberung wegzunehmen und für sich zu behalten?

Doch bevor wir in das einzelne dieses Abenteuers eingehen, wollen wir einen Blick auf die galanten Erlebnisse Seiner Hoheit des Herzogs vor der Anerkennung seiner Ehe werfen, wie auf das, was unmittelbar dazu führte. Man darf sich wohl vom Faden der Erzählung ein wenig entfernen, wenn wahre, ziemlich unbekannte Ereignisse dem Bericht den Wert der Mannigfaltigkeit verleihen, und wollen sehen, was draus wird.

Bei des Herzogs von York Vermählung mit der Tochter des Lordkanzlers hatte keiner der Umstände gefehlt, die Verbindungen dieser Art in den Augen des Himmels gültig machen. Beiderseitige Einwilligung, gehörige Zeremonie, Anwesenheit von Zeugen und – der wesentliche Punkt des Sakraments hatten stattgefunden.

Wenn die Gemahlin auch nicht vollkommen schön war, so gab es am holländischen Hofe doch nichts Besseres und der Herzog von York, weit entfernt, seinen Schritt zu bereuen, schien in den Flitterwochen der Ehe nur die Wiederherstellung des Königtums zu wünschen, um seine Verbindung öffentlich zu erklären. Als er sich aber wirklich im Besitz einer dem Throne so nahen Stellung sah, als Miß Hydes Reize für ihn nicht mehr den Zauber der Neuheit hatten und England, an Schönheiten so reich, am Hofe seines Bruders die auserlesensten Frauen zeigte, da überlegte er, er sei doch das einzige Beispiel eines Fürsten, der von der höchsten Stufe so tief herabgestiegen sei. Von einer Seite erschien ihm diese Ehe in jeder Beziehung gänzlich unpassend. Er entsann sich, wie Jermyn ihn nur zu dem Verhältnis mit Miß Hyde gebracht habe, nachdem dieser selbst durch einige kleine Schritte das Terrain geebnet. Er betrachtete seine Ehe wie einen Eingriff in die Achtung und den Gehorsam, die er dem König schulde. Die Entrüstung, die der Hof und das Land empfinden würden, stellte sich ihm neben der Unmöglichkeit dar, die Einwilligung des Königs zu einer Sache zu erhalten, die der Monarch ihm notgedrungen verweigern müsse. Von der anderen Seite zeigten sich die Tränen und die Verzweiflung der armen Hyde, mehr noch die Mahnungen eines Gewissens, das ihn immer mit Skrupeln quälte.

In seinem Dilemma eröffnete er sich dem Lord Falmouth und fragte ihn um Rat. In seinem Interesse konnte er sich an keinen besseren, für Miß Hydes Wohl aber an keinen schlimmeren Ratgeber wenden. Falmouth behauptete ihm gegenüber nicht bloß, daß er gar nicht vermählt sei, sondern auch, daß er doch auch selbst unmöglich im Ernst daran denken könne. Eine Ehe sei für ihn, selbst wenn sie sonst ganz passend wäre, ohne formelle Einwilligung des Monarchen durchaus ungültig; aber die Tochter eines bloßen Rechtsgelehrten dazu zu wählen, sei eine wahre Posse, es wäre freilich ein Advokat, den des Königs Gunst ohne Geburtsadel zum Pair des Reiches und ohne Eignung zum Lordkanzler erhoben. Was seine Skrupel anlange, so brauche er nur Leute zu hören, die ihn gründlich über das Betragen der Miß Hyde vor ihrer Bekanntschaft mit ihm unterrichten würden, und wenn der Herzog diesen Personen nur nicht sage, die Sache sei bereits abgetan, würde er bald wissen, wofür er sich zu entscheiden habe.

Der Herzog von York willigte ein, und nachdem Lord Falmouth seinen Rat nebst Zeugen versammelt, führte er alle in des Herzogs Kabinett, nachdem er sie instruiert, um was es sich handle. Die Herren waren: der Graf v. Arran, Jermyn, Talbot und Killegrew, alles Männer von Ehre, die aber die Ehre Sr. Hoheit dem Rufe der Miß Hyde weit vorzogen und mit dem ganzen Hofe über die unverschämte Anmaßung des ersten Ministers empört waren.

Nach einer Art Einleitung sagte der Herzog ihnen: Sie wüßten wohl alle um seine Liebe zu Miß Hyde; doch könnte ihnen unbekannt sein, zu welchen Verpflichtungen ihn diese Neigung veranlaßt habe, er glaube sich gebunden, hier Wort zu halten; da aber die Unschuld von Damen ihres Alters gewöhnlich der bösen Nachrede eines Hofes ausgesetzt sei, da überdies gewisse, falsche oder wahre Gerüchte über ihr Betragen verbreitet seien, so bitte er sie als Freunde und befehle ihnen zugleich bei allem Gehorsam, den sie ihm schuldeten, offen mitzuteilen, was ihnen darüber bekannt sei, und zwar um so aufrichtiger, als er nach ihren Aussagen seine Entscheidung wegen der Dame treffen werde. – Man ließ sich erst ein wenig bitten, als wolle man nicht wagen, sich über eine so ernste und zarte Angelegenheit auszusprechen; doch fing nach den wiederholten Aufforderungen des Herzogs ein jeder an, über die arme Hyde alle Einzelheiten aufzuzählen, die er wußte, wohl nebenbei auch solche, die ihm nicht bekannt waren.

Graf Arran zum Beispiel, der zuerst sprach, sagte aus: In der Galerie von Hons-Laerdyk, wo seine Schwägerin, die Gräfin Ossory, mit Jermyn eines Tages Kegel spielte, habe Miß Hyde sich plötzlich unwohl gestellt und sich in ein Zimmer am Ende der Galerie zurückgezogen; er, Zeuge, sei ihr gefolgt und habe ihr das Mieder aufgeschnitten, um einem Anfall von Ohnmacht Wahrscheinlichkeit zu geben und er habe sein mögliches getan, ihr beizuspringen oder sie aufzumuntern.

Talbot sagte aus: Während ihr Vater, der Kanzler, einst im Konseil gewesen, hätte sie ihm in dessen Kabinett eine so lebhafte Zusammenkunft gewährt, daß sie beide auf die Sachen, die auf dem Tische standen, weniger achteten als auf das, was sie beschäftigte, und so hätten sie eine ganze Flasche voll Tinte auf eine fünf Seiten lange Depesche umgestürzt, worauf des Königs Affe, dieses Vergehens angeklagt, auf längere Zeit in Ungnade gefallen sei.

Jermyn bezeichnete mehrere Orte, an denen er lange und glückliche Zusammenkünfte gehabt.

Doch alle diese Anklagepunkte drehten sich nur um Tändeleien oder um Dinge, die man die kleinen Freuden der Liebe nennt. Killegrew hingegen wollte die schwachen Beschuldigungen überbieten und sagte gerade heraus, er habe die Ehre ihrer höchsten Gunst genossen. Er war von munterem, schalkhaften Sinn und wußte seinen Geschichten durch anmutige pikante Züge einen hübschen Anstrich zu geben. Er sagte, ihm hätte die Schäferstunde in einem ganz anderen Kabinett gelacht, das zu einem von Liebeshändeln weit entfernten Zwecke gerade über dem Wasser eingerichtet wäre; zu Zeugen hätten sie drei oder vier Schwäne gehabt, die leicht auch manches anderen Glück wahrgenommen haben könnten, da die Dame oft in dies Kabinett ging und sich darin sehr wohl fühlte.

Die letzte Angabe fand der Herzog von York übertrieben, indem er hinlängliche Beweise vom Gegenteil zu haben meinte. Er dankte den Herren Zeugen in Liebessachen, legte ihnen für die Zukunft über ihre Aussagen Stillschweigen auf und ging in die Zimmer des Königs. Sobald der Herzog in dessen Kabinett eingetreten war, erzählte Lord Falmouth dem in des Königs Nähe befindlichen Grafen Ossory das Vorgefallene. Die geheime Unterredung beider fürstlichen Brüder dauerte lange und der Herzog von York schien beim Herauskommen so bewegt, daß sie an der schlimmen Wendung für Miß Hyde nicht mehr zweifelten. Lord Falmouth fing schon an, ihr Unglück zu bedauern und bereute seine Mitwirkung etwas, als der Herzog ihm sagte, er solle sich mit dem Grafen Ossory in einer Stunde beim Kanzler einfinden.

Sie waren ein wenig erstaunt, daß der Fürst diese Hiobspost selbst ankündigen wolle. Zur bezeichneten Stunde fanden sie Seine Hoheit im Zimmer der Miß Hyde. Ihre Augen waren von Tränen feucht, die sie vergeblich zu unterdrücken suchte. Der Lordkanzler, an die Wand gelehnt, schien ihnen von heftigen Gefühlen ergriffen und sie zweifelten nicht, daß es halb Wut, halb Verzweiflung sei. Mit jener heiteren zufriedenen Miene, mit der man gute Nachrichten zu verkünden pflegt, sagte ihnen der Herzog von York: »Da ich Sie beide vom ganzen Hofe am meisten schätze, so will ich auch, daß Sie zuerst die Ehre haben, der Herzogin von York zu huldigen. Ich stelle sie hiemit vor.«

Überraschung half da nichts und offenes Erstaunen wäre unter solchen Umständen wenig schicklich gewesen. Im Innern waren sie jedoch so davon überwältigt, daß sie sich, um es zu bergen, rasch auf die Knie warfen, ihr die Hand zu küssen, die sie ihnen mit so vieler Hoheit und Majestät reichte, als hätte sie ihr Lebelang nichts andres getan.


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